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Lebensansichten des Katers Murr - 22

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  ich, Hochehrwürdiger Herr, als, wie Sie ja vernommen haben, mit einer
  schalkischen _Raja torpedo,_ die sich ganz unberufener Weise in unser
  vernünftiges Gespräch mischen und mich noch konfuser machen wollte, als
  ich es schon wirklich bin. -- Doch aus allem muß ich ja zu meinem großen
  Leid gewahren, daß diverse Leute mich für eben solch' einen großen
  Narren halten, als den seligen Hofporträtisten Leonardus Ettlinger, der
  eine erhabene Person, die sich natürlicherweise aus ihm gar nichts
  machen konnte, nicht bloß malen wollte, sondern auch lieben und zwar so
  ganz ordinär, wie Hans seine Grete. O Gott! hab' ich es denn jemals an
  Respekt fehlen lassen, wenn ich die schönsten Akkorde griff zu schnöder
  Singefaselei! -- Habe ich jemals unziemliche oder grillenhafte Materien
  aufs Tapet zu bringen gewagt von Entzücken und Schmerz, von Liebe und
  Haß, wenn der kleine fürstliche Eigensinn sich seltsam gebärden in
  allerlei wunderbaren Gemütsergötzlichkeiten, und ehrsame Leute vexieren
  wollte mit magnetischen Visionen? -- habe ich solches jemals getan?
  Sagt. --
  Doch sprachst Du, mein Johannes! unterbrach ihn der Abt, einst von der
  Liebe des Künstlers --
  Kreisler starrte den Abt an, dann rief er, indem er die Hände
  zusammenschlug und den Blick aufwärts richtete: O Himmel! Das also!
  -- Schätzbare Leute, sprach er dann weiter, indem jenes skurrile Lächeln
  auf dem Antlitz wieder die Oberhand gewann und dabei die innere Wehmut
  die Stimme beinahe erstickte, schätzbare Leute allzumal, habt Ihr denn
  nicht jemals irgendwo, sei es auch auf ordinären Brettern, den Prinzen
  Hamlet zu einem ehrlichen Mann, Güldenstern geheißen, sagen gehört: Ihr
  könnt mich zwar verstimmen, aber nicht auf mir spielen? -- Wetter! -- das
  ist ja ganz mein Kasus! -- Warum belauscht Ihr den harmlosen Kreisler,
  wenn der Wohllaut der Liebe, der in seiner Brust verschlossen, Euch nur
  mißtönt? -- O Julia! --
  Der Abt schien, plötzlich von etwas ganz Unerwartetem überrascht,
  vergebens Worte zu suchen, während Kreisler vor ihm stand und ganz
  verzückt in das Feuermeer schaute, das im Abend emporgewogt.
  Da erhoben sich die Glockentöne von den Türmen der Abtei und zogen,
  wunderbare Stimmen des Himmels, durch das golden leuchtende Abendgewölk.
  Mit euch will ich ziehen ihr Akkorde! rief Kreisler, indem er beide Arme
  weit ausbreitete. Von euch getragen soll sich aller trostlose Schmerz
  emporrichten zu mir und sich selbst vernichten in meiner eignen Brust
  und eure Stimmen sollen wie himmlische Friedensboten es verkünden, daß
  der Schmerz untergegangen in der Hoffnung, in der Sehnsucht der ewigen
  Liebe.
  Die Abendhora, sprach der Abt, wird eingeläutet, ich höre die Brüder
  kommen. Morgen, mein lieber Freund, sprechen wir vielleicht weiter von
  manchen Begebnissen in Sieghartshof. --
  Ei, rief Kreisler, dem nun erst wieder einfiel, was er von dem Abt zu
  wissen verlangt, ei, hochehrwürdiger Herr, ich will viel erfahren von
  lustiger Hochzeit und dergleichen! -- Prinz Hektor wird doch nun nicht
  zaudern, die Hand zu ergreifen, nach der er schon aus der Ferne gelangt?
  Dem herrlichen Bräutigam ist doch nichts Arges widerfahren?
  Da verschwand alles Feierliche aus des Abts Antlitz und er sprach mit
  dem gemütlichen Humor, der ihm sonst wohl eigen: Nichts ist dem
  herrlichen Bräutigam geschehen, mein ehrlicher Johannes, aber seinen
  Adjutanten soll im Walde eine Wespe gestochen haben. Hoho! erwiderte
  Kreisler, eine Wespe, die er mit Feuer und Dampf vertreiben wollte!
  Die Brüder traten in den Korridor und --
  =(M. f. f.)= -- böse Feind und sucht den guten Bissen einem ehrlichen
  harmlosen Kater recht vor dem Maule wegzuschnappen? -- Nicht lange
  dauerte es nämlich, so erhielt unser gemütlicher Verein auf dem Dache
  einen Stoß, der ihn erschütterte zum gänzlichen Verfall. -- Jener böse,
  alles katzliche Behagen verstörende, Feind erschien uns nämlich in der
  Gestalt eines gewaltigen wütenden Philisters, namens Achilles. Mit
  seinem Homerischen Namensvetter war er in weniger Hinsicht zu
  vergleichen, man müßte denn annehmen, daß des letzteren Heldentum
  vorzüglich auch in einer gewissen unbehilflichen Tappigkeit und in
  groben topfhohlen Redensarten bestanden. Achilles war eigentlich ein
  gemeiner Fleischerhund, stand aber in Diensten als Hofhund, und der
  Herr, bei dem er in Dienst getreten, hatte ihn, um sein Attachement an
  das Haus zu befestigen, anketten lassen, so daß er nur des Nachts frei
  umher laufen konnte. Mancher von uns bedauerte ihn sehr, trotz seines
  unleidlichen Wesens, er aber ließ sich den Verlust seiner Freiheit gar
  nicht zu Herzen gehen, da er töricht genug war, zu vermeinen, die schwer
  lastende Kette gereiche ihm zur Ehre und Zierde. Achilles fand sich nun
  zu seinem nicht geringen Verdruß durch unsere Konvivia in der Nacht,
  wenn er umherlaufen und das Haus beschützen sollte gegen jede Unbill, im
  Schlafe gestört und drohte uns als Ruhestörern Tod und Verderben. Da er
  aber seiner Unbehilflichkeit halber nicht einmal auf den Boden,
  geschweige denn auf das Dach kommen konnte, so machten wir uns aus
  seinen Drohungen auch nicht das allermindeste, sondern trieben unser
  Wesen so nach wie vorher. Achilles nahm andere Maßregeln; er begann den
  Angriff gegen uns, wie ein guter General manche Schlacht, mit verdeckten
  Angriffen und dann mit offenbarer Plänkelei.
  Verschiedene Spitze, denen Achilles zuweilen die Ehre antat, mit ihnen
  zu spielen, indem er sie mit seinen ungeschickten Tatzen handhabte,
  mußten nämlich auf sein Geheiß, sobald wir unsern Gesang begannen,
  dermaßen bestialisch bellen, daß wir keine vernünftige Note verstehen
  konnten! -- Noch mehr! -- Bis auf den Dachboden drangen einige dieser
  Philisterknechte und trieben, ohne sich mit uns, wenn wir ihnen die
  Krallen zeigten, auf irgendeinen offnen ehrlichen Kampf einlassen zu
  wollen, solch einen fürchterlichen Lärm mit Schreien und Bellen, daß,
  wurde erst nur der Hofhund in seinem Schlaf gestört, jetzt der Herr des
  Hauses selbst kein Auge zudrücken konnte und, da der Zeterspektakel gar
  nicht enden wollte, die Hetzpeitsche ergriff, um die Tumultuanten über
  seinem Haupte zu vertreiben.
  -- O Kater, der du dieses liesest, ist dir, trägst du wahren männlichen
  Sinn in der Brust, hellen Verstand im Kopf, hast du keine verwöhnte
  Ohren, ist dir, sage ich, denn jemals etwas abscheulicher, widriger,
  verhaßter und dabei erbärmlicher vorgekommen, als das kreischende,
  gellende durch alle Tonarten dissonierende Gebelle in Harnisch geratener
  Spitze? -- Diese kleinen wedelnden, schmatzenden sich niedlich
  gebärdenden Kreaturen, nimm dich für sie in acht Kater! trau ihnen
  nicht. Glaube mir, eines Spitzes Freundlichkeit ist gefährlicher, als
  die hervorgestreckte Kralle des Tigers! -- Schweigen wir von bittren
  Erfahrungen, die wir in dieser Hinsicht leider! nur zu oft gemacht und
  kehren wir zurück zu dem ferneren Verlauf unsrer Geschichte.
  Also wie gesagt, der Herr ergriff die Peitsche, um die Tumultuanten vom
  Boden zu vertreiben. Was aber geschah! die Spitze schwanzwedelten dem
  erzürnten Herrn entgegen, leckten ihm die Füße und stellten ihm vor, wie
  aller Zeterlärm nur seiner Ruhe wegen erhoben, unerachtet er eben
  dadurch aus aller behaglichen Ruhe gekommen. Gebellt hätten sie bloß um
  uns, die wir allerlei unduldsamen Unfug trieben auf dem Dache mit Singen
  von Liedern in allzuhell klingenden Tonarten u. d. zu verjagen. Der Herr
  ließ sich leider durch der Spitze geschwätzige Beredsamkeit um so mehr
  dahin bringen, alles zu glauben, als der Hofhund, den er darum zu
  befragen nicht unterließ, in dem bittern Haß, den er wider uns im Innern
  trug, es bestätigte. Uns traf nun die Verfolgung! -- Überall wurden wir
  vertrieben, von Hausknechten mit Besenstielen, mit geworfenen
  Dachziegeln, ja! überall waren Schlingen und Fuchseisen aufgestellt, in
  die wir uns verfangen sollten, und leider! wirklich verfingen. Selbst
  mein lieber Freund Muzius fiel ins Malheur, das heißt in ein Fuchseisen,
  welches ihm die rechte Hinterpfote jämmerlich zerquetschte!
  So war es um unser fröhliches Zusammenleben geschehen, und ich kehrte
  zurück unter den Ofen des Meisters, beweinend in tiefer Einsamkeit das
  Schicksal meiner unglücklichen Freunde. --
  -- Eines Tages trat Herr Lothario, der Professor der Ästhetik in meines
  Herrn Zimmer und hinter ihm her -- sprang Ponto herein.
  Gar nicht zu sagen vermag ich, welch ein unangenehmes unheimliches
  Gefühl mir Ponto's Anblick verursachte. War er auch geradezu selbst
  weder Hofhund noch Spitz, so gehörte er doch zu dem Geschlecht,
  dessen üble feindselige Gesinnung mein Leben in der lustigen
  Katzburschen-Gesellschaft verstört hatte, und war schon deshalb mir
  mitsamt aller Freundschaft, die er mir erwiesen, dennoch zweideutig.
  Überdem schien mir in Ponto's Blick, in seinem ganzen Wesen etwas
  Übermütiges, Verhöhnendes zu liegen und ich beschloß daher, ihn lieber
  gar nicht zu sprechen. Leise, leise schlich ich weg von meinem Kissen,
  und war mit einem Satz im Ofen, dessen Türe gerade offen stand, die ich
  hinter mir anzog.
  Herr Lothario sprach nun mit dem Meister so manches, was meine Teilnahme
  um so weniger erregte, als ich meine ganze Aufmerksamkeit auf den jungen
  Ponto gerichtet hatte, der, nachdem er recht stutzermäßig ein Liedchen
  trällernd, im Zimmer herumgetänzelt, auf die Fensterbank gesprungen war,
  zum Fenster hinausschaute, und wie es Fanfarons zu tun pflegen, jeden
  Augenblick vorübergehenden Bekannten zunickte, auch wohl gar ein wenig
  blaffte, gewiß, um die Blicke vorübergehender Schönen seines Geschlechts
  auf sich zu ziehen. -- An mich schien der Leichtsinnige gar nicht zu
  denken, und unerachtet ich, wie gesagt, ihn gar nicht zu sprechen
  wünschte, so war es mir doch gar nicht recht, daß er nicht nach mir
  fragte, gar keine Notiz von mir nahm.
  Ganz anderer und wie es mich bedünken wollte, viel artigerer und
  vernünftigerer Gesinnung war der ästhetische Professor, Herr Lothario,
  der, nachdem er sich überall im Zimmer nach mir umhergeschaut, zu dem
  Meister sprach: Aber wo ist denn Euer vortrefflicher Monsieur Murr! --
  Es gibt für einen ehrlichen Katzburschen keine schnödere Benennung, als
  das fatale Wort: Monsieur, indessen muß man von Ästhetikern in der Welt
  viel leiden, und so verzieh ich dem Professor die Unbill.
  Meister Abraham versicherte, daß ich seit einiger Zeit meine eignen
  Gänge gehabt und vorzüglich nachts selten zu Hause gewesen, wovon ich
  denn müde und ermattet geschienen. Soeben habe ich auf dem Kissen
  gelegen und er wisse in der Tat nicht, wohin ich eben jetzt so schnell
  verschwunden.
  Ich vermute, Meister Abraham, sprach der Professor weiter, daß Euer Murr
  -- Doch ist er auch hier irgendwo versteckt und lauscht? -- Laßt uns
  doch einmal ein wenig nachsehen.
  Leise zog ich mich in den Hintergrund des Ofens, aber man kann denken,
  wie ich die Ohren spitzte, da nun von mir die Rede. -- Der Professor
  hatte vergebens alle Winkel durchsucht zu nicht geringer Verwunderung
  des Meisters, der lachend rief: In der Tat, Professor, Ihr tut meinem
  Murr unglaubliche Ehre an!
  Hoho, erwiderte der Professor, der Verdacht, den ich gegen Euch,
  Meister! hege, wegen des pädagogischen Experiments, vermöge dessen ein
  Kater zum Dichter und Schriftsteller wurde, kommt mir nicht aus der
  Seele. Gedenkt Ihr nicht mehr des Sonetts, der Glosse, die mein Ponto
  Eurem Murr recht unter den Pfoten weggeraubt? -- Doch dem sei wie ihm
  wolle, ich nutze Murrs Abwesenheit, um Euch eine schlimme Vermutung
  mitzuteilen und Euch recht dringend zu empfehlen, achtsam zu sein auf
  Murrs Betragen. -- So wenig ich mich sonst um Katzen bekümmere, doch ist
  es mir nicht entgangen, daß manche Kater, die sonst gar artig und
  manierlich waren, jetzt plötzlich ein Wesen annehmen, das gegen alle
  Sitte und Ordnung gröblich anstößt.
  Statt wie sonst sich demütig zu biegen und zu schmiegen, stolzieren sie
  trotzig daher und scheuen sich gar nicht, durch funkelnde Blicke, durch
  zorniges Knurren, ihre ursprüngliche wilde Natur zu verraten, auch wohl
  gar die Krallen zu zeigen. So wenig sie auf ein bescheidenes, stilles
  Betragen achten, ebensowenig ist ihnen daran gelegen, was das Äußere
  betrifft, als gesittete Weltleute zu erscheinen. Da ist an kein Putzen
  des Bartes, an kein Glänzendlecken des Fells, an kein Abreißen der zu
  lang gewordenen Krallen zu denken; zottig und rauh, mit struppigem
  Schweif rennen sie daher, allen gebildeten Katzen ein Greuel und
  Abscheu. Was aber vorzüglich tadelnswert erscheint und nicht geduldet
  werden darf, sind die heimlichen Zusammenkünfte, die sie zur Nachtzeit
  halten und dabei ein tolles Wesen treiben, welches sie Gesang nennen,
  unerachtet dabei nichts vernehmbar als ein widersinniges Geschrei, dem
  es an schicklichem Takt, ordnungsmäßiger Melodie und Harmonie gänzlich
  mangelt. Ich fürchte, ich fürchte, Meister Abraham, daß Euer Murr sich
  auch auf die schlechte Seite gelegt hat und teilnimmt an jenen
  unanständigen Belustigungen, die ihm nichts einbringen können, als
  tüchtige Prügel. -- Es sollte mir leid tun, wenn alle Mühe, die Ihr auf
  den kleinen Grauen verwandt, umsonst wäre und, er sich, trotz aller
  Wissenschaft, zu dem gewöhnlichen, wüsten Treiben gemeiner, liederlicher
  Kater herabließe. -- Als ich mich, meinen guten Muzius, meine
  hochherzigen Brüder verkannt sah, auf so schnöde Weise, entfloh mir
  unwillkürlich ein Schmerzenslaut. Was war das, rief der Professor, ich
  glaube gar, Murr sitzt doch versteckt im Zimmer! -- Ponto! Allons!
  -- Such, such!« -- Mit einem Satz war Ponto herunter von der Fensterbank
  und schnüffelte im Zimmer umher. Vor der Ofentüre blieb er stehen,
  knurrte, bellte, sprang herauf. -- Er ist im Ofen, das hat keinen
  Zweifel! so sprach der Meister und öffnete die Türe. Ich blieb ruhig
  sitzen und blickte den Meister mit klaren, glänzenden Augen an.
  Wahrhaftig, rief der Meister, wahrhaftig, da sitzt er ganz hinten im
  Ofen. -- Nun? -- bequemt Er sich hervorzukommen? -- Ob er hinaus will!
  So wenig ich auch Lust hatte, meinen Versteck zu verlassen, so mußte ich
  doch wohl dem Befehl des Meisters gehorchen, wollte ich es nicht auf
  Gewalt gegen mich ankommen lassen und dabei den kürzeren ziehen. Langsam
  kroch ich daher hervor. Kaum war ich aber an das Tageslicht gekommen,
  als beide, der Professor und der Meister, laut riefen: Murr! -- Murr!
  wie siehst du aus! -- Was sind das für Streiche! --
  Freilich war ich über und über voller Asche und kam noch hinzu, daß
  wirklich mein Äußeres seit einiger Zeit merklich gelitten, so daß ich
  mich in der Schilderung, die der Professor von schismatischen Katern
  gemacht, wiedererkennen mußte, so konnte ich mir freilich die
  erbärmliche Figur, in der ich erschien, wohl denken. Verglich ich nun
  eben meine erbärmliche Figur mit der meines Freundes Ponto, der in
  seinem stattlichen, glänzenden, schön gekräuselten Pelz in der Tat ganz
  hübsch anzusehen, so erfüllte mich tiefe Scham, und ich kroch still und
  betrübt in den Winkel.
  Ist das, rief der Professor, der gescheute, sittige Kater Murr? der
  elegante Schriftsteller, der geistreiche Dichter, der Sonette schreibt
  und Glossen? -- Nein, das ist ein ganz gemeiner Katz, der sich in Küchen
  auf den Herden herumtreibt und sich auf sonst weiter nichts versteht,
  als Mäuse zu fangen in Kellern und auf Böden! -- Hoho! sag' mir doch,
  mein sittiges Vieh, ob du bald zu promovieren verlangst oder gar das
  Katheder zu besteigen als Professor der Ästhetik? -- In der Tat, ein
  netter Doktorhabit, in den du dich geworfen! --
  So ging es fort in verhöhnenden Redensarten; was konnt' ich tun, als,
  wie es bei derlei Fällen, nämlich: wenn ich ausgehunzt wurde, meine
  Sitte war, die Ohren dicht ankneifen an den Kopf.
  Beide, der Professor und der Meister, schlugen zuletzt eine helle Lache
  auf, die mir das Herz durchbohrte. Beinahe noch empfindlicher war mir
  aber Ponto's Betragen. Nicht allein, daß er durch Mienen und Gebärden
  den Hohn seines Herrn teilte, so bewies er auch durch allerlei
  Seitensprünge offenbar seine Scheu sich mir zu nahen, wahrscheinlich
  fürchtete er seinen schönen, reinen Pelz zu beschmutzen. Es ist nichts
  Geringes für einen Kater, der sich solcher Vortrefflichkeit bewußt ist,
  als ich, von einem stutzerhaften Pudel dergleichen Verachtung dulden zu
  müssen.
  Der Professor geriet nun mit dem Meister in ein weitläuftiges Gespräch,
  das sich nicht auf mich und auf mein Geschlecht zu beziehen schien und
  von dem ich eigentlich wenig verstand. Doch so viel vernahm ich wohl,
  daß davon die Rede war, ob es besser sei, dem oftmals wirren,
  ungezügelten Treiben exaltierter Jugend mit offner Gewalt
  entgegenzutreten, oder es nur einzugrenzen auf geschickte, unbemerkbare
  Weise und Raum zu geben der eignen Erkenntnis, in der sich jenes Treiben
  alsbald selbst vernichtet. Der Professor war für die offene Gewalt, da
  die Gestaltung der Dinge zum äußern Wohl es fordere, daß jeder Mensch,
  alles Widerstrebens unerachtet, so zeitig als möglich in die Form
  gepreßt werde, wie sie durch das Verhältnis aller einzelnen Teile zum
  Ganzen bedingt werde, da sonst sogleich eine verderbliche Monstruosität
  entstehe, die allerlei Unheil verursachen könne. -- Der Professor
  sprach dabei etwas von Pereatbringen und Fenstereinwerfen, welches
  ich aber durchaus nicht verstand. -- Der Meister meinte dagegen,
  daß es mit jugendlichen, exaltierten Gemütern so gehe, wie mit
  Partiell-Wahnsinnigen, die der offne Widerstand immer wahnsinniger
  mache, wogegen die selbst errungene Erkenntnis des Irrtums radikal heile
  und nie einen Rückfall befürchten lasse.
  Nun, rief der Professor endlich, indem er aufstand und Stock und Hut
  ergriff, nun, Meister, was die offne Gewalt gegen exaltiertes Treiben
  betrifft, so werdet Ihr mir doch insofern recht geben, daß sie da
  schonungslos eintreten muß, wenn jenes Treiben verstörend hineingreift
  in das Leben und so ist es nun, wieder auf Euern Kater Murr
  zurückzukommen, denn doch recht gut, daß, wie ich höre, tüchtige Spitze
  die verwünschten Kater auseinander getrieben haben, die so bestialisch
  sangen und dabei wunder sich große Virtuosen dünken.
  Wie man es nimmt, erwiderte der Meister, hätte man sie singen lassen,
  vielleicht wären sie das geworden, was sie sich irrtümlicherweise schon
  zu sein dünkten, nämlich: in der Tat gute Virtuosen, statt daß sie jetzt
  vielleicht an der wahren Virtuosität zweifeln ganz und gar.
  Der Professor empfahl sich, Ponto sprang hinterdrein, ohne mich einmal,
  wie er doch sonst mit vieler Freundschaft getan, eines Abschiedsgrußes
  zu würdigen.
  Ich bin selbst bisher unzufrieden gewesen mit deinem Betragen, Murr,
  wandte sich nun der Meister zu mir, und es ist Zeit, daß du einmal
  wieder ordentlich und vernünftig wirst, damit du wieder zu besserm Ruf
  gelangest, als in dem du jetzt zu stehen scheinst. Wäre es möglich, daß
  du mich ganz verstündest, so würde ich dir raten, immer still,
  freundlich zu sein, und alles, was du beginnen magst, ohne alles
  Geräusch zu vollbringen, denn auf diese Weise erhält man sich den guten
  Ruf am besten. -- Ja, ich würde dir als Beispiel zwei Leute zeigen, von
  denen der eine jeden Tag still für sich allein im Winkel sitzt, und so
  lange eine Flasche Wein nach der andern trinkt, bis er in völlig
  trunknen Zustand gerät, den er aber vermöge langer praktischer Übung so
  gut zu verbergen weiß, daß ihn niemand ahnet. Der andere trinkt dagegen
  nur dann und wann in Gesellschaft fröhlicher, gemütlicher Freunde ein
  Glas Wein; das Getränk macht ihm Herz und Zunge frei, er spricht, indem
  seine Laune steigt, viel und eifrig, doch ohne Sitte und Anstand zu
  verletzen, und eben ihn nennt die Welt einen leidenschaftlichen
  Weintrinker, während jener geheime Trunkenbold für einen stillen,
  mäßigen Mann gilt. Ach, mein guter Kater Murr! Kenntest du den Lauf der
  Welt, so würdest du einsehen, daß ein Philister, der stets die
  Fühlhörner einzieht, es am besten hat. Aber wie kannst du wissen, was
  ein Philister ist, unerachtet es wohl in deinem Geschlecht auch
  dergleichen genug geben mag.
  Bei diesen Worten des Meisters konnte ich mich im Bewußtsein der
  vortrefflichen Katerkenntnis, die ich mir durch des wackern Muzius
  Belehrungen sowohl, als durch eigne Erfahrung erworben, eines lauten,
  freudigen Prustens und Knurrens nicht erwehren.
  Ei Murr, mein Kater! rief der Meister laut lachend, ich glaube gar, du
  verstehst mich, und der Professor hat recht, der in dir einen besonderen
  Verstand entdeckt haben will, und dich gar fürchtet, als seinen
  ästhetischen Nebenbuhler?
  Zur Bestätigung, daß dem wirklich so sei, gab ich ein sehr klares,
  wohltönendes Miau von mir und sprang ohne weiteres dem Meister auf den
  Schoß. Nicht bedacht hatte ich indessen, daß der Meister gerade seinen
  Staatsschlafrock von gelbem, großgeblümtem, seidenem Zeuge angezogen,
  den ich notwendigerweise beschmutzen mußte. Mit einem zornigen: Will Er
  wohl! schleuderte der Meister mich so heftig von sich, daß ich
  überpurzelte, und ganz erschrocken die Ohren ankneifend, die Augen
  zudrückend, niederduckte auf den Fußboden. Gepriesen sei aber die
  Gutmütigkeit meines guten Meisters! Nun, sprach er freundlich, nun, nun,
  Murr, mein Kater! so böse war es nicht gemeint! -- Ich weiß es, deine
  Absicht war gut, du wolltest mir deine Zuneigung beweisen, aber das
  tatst du auf täppische Weise, und geschieht dieses, so fragt man
  freilich den Henker was nach der Absicht! -- Nun, komm nur her, kleiner
  Äscherling, ich muß dich putzen, damit du wieder aussiehst, wie ein
  honetter Kater! --
  Damit warf der Meister den Schlafrock ab, nahm mich in die Arme und ließ
  es sich nicht verdrießen, mir mit einer weichen Bürste den Pelz rein zu
  bürsten und dann die Haare mit einem kleinen Kamm glänzend zu kämmen.
  Als die Toilette geendet und ich bei dem Spiegel vorüberspazierte,
  erstaunte ich selbst, wie ich so plötzlich ein ganz anderer Kater
  worden. Ich konnt' es gar nicht unterlassen, mich selbst behaglich
  anzuschnurren, so schön kam ich mir vor und nicht leugnen mag ich, daß
  in dem Augenblick sich große Zweifel gegen die Anständigkeit und
  Nützlichkeit des Burschenklubs in mir regten. Daß ich in den Ofen
  gekrochen, schien mir ein wahrer Barbarismus, den ich nur einer Art
  Verwilderung zuschreiben konnte, und nicht einmal nötig war daher die
  Warnung des Meisters, der mir zurief: Daß Er mir nur nicht wieder in den
  Ofen kriecht!
  In der folgenden Nacht war es mir, als vernehme ich an der Türe ein
  leises Kratzen und ein furchtsames Miau! das mir sehr bekannt vorkam.
  Ich schlich heran und fragte, wer da sei? -- Da erwiderte (ich erkannte
  ihn sogleich an der Stimme) der wackere Senior Puff: Ich bin es, trauter
  Bruder Murr, und habe dir eine höchst betrübte Nachricht zu bringen! -- O
  Himmel, was --
  =(Mak.-Bl.)= -- großes Unrecht getan, meine liebe süße Freundin. -- Nein!
  mehr bist du mir als das, meine treue Schwester! Ich habe dich nicht
  genug geliebt, dir nicht genug vertraut. Erst jetzt öffnet sich dir
  meine ganze Brust, erst jetzt, da ich weiß --
  Die Prinzessin stockte, ein Tränenstrom stürzte ihr aus den Augen, aufs
  neue drückte sie Julien zärtlich an ihr Herz.
  Hedwiga, sprach Julie sanft, hast Du mich denn nicht sonst mit ganzer
  Seele geliebt, trugst Du denn jemals Geheimnisse in Dir, die Du mir
  nicht vertrauen wolltest? -- Was weißt Du, was hast Du erst jetzt
  erfahren! Doch nein, nein! kein Wort weiter, bis diese Pulse wieder
  ruhig schlagen, bis diese Augen nicht mehr so düster glühen. --
  Ich weiß nicht was Ihr alle wollt, erwiderte die Prinzessin plötzlich
  zur Empfindlichkeit gereizt. Krank soll ich noch sein und nie fühlte ich
  mich kräftiger, gesünder. Der seltsame Zufall, der mich traf, hat Euch
  erschreckt, und doch mag es sein, daß solche elektrische Schläge, die
  den ganzen Organismus des Lebens in's Stocken bringen, mir gerade nötig
  und nützlicher sind, als alle Mittel, die eine blöde, dürftige Kunst in
  unglückseliger Selbsttäuschung darbietet. -- Wie er mir fatal ist,
  dieser Leibarzt, der die menschliche Natur zu handhaben vermeint wie ein
  Uhrwerk, das man abstäuben, aufziehen muß. -- Grauenhaft ist er mir mit
  seinen Tropfen, mit seinen Essenzen. -- Von diesen Dingen soll mein Wohl
  abhängig sein? -- So wäre ja das Leben hienieden eine entsetzliche
  Neckerei des Weltgeistes. --
  Und eben diese Überspannung ist der Beweis, unterbrach Julie die
  Prinzessin, daß Du noch krank bist, meine Hedwiga, und Dich viel mehr
  schonen solltest, als Du es wirklich tust.
  Auch Du willst mir weh tun! So rief die Prinzessin, sprang hastig auf
  und eilte ans Fenster, das sie öffnete und hinaus schaute in den Park.
  Julia folgte ihr nach, umschlang sie mit einem Arm, und bat mit der
  zärtlichsten Wehmut, daß sie doch wenigstens den rauhen Herbstwind
  scheuen und sich =die= Ruhe gönnen möge, die der Leibarzt für so heilsam
  geachtet. Die Prinzessin erwiderte indessen, daß sie sich gerade durch
  den kalten Luftzug, der zum Fenster hereinströme, erquickt und gestärkt
  fühle.
  Recht aus dem innigsten Gemüt heraus sprach nun Julia von der
  letztvergangenen Zeit, in der ein finster, bedrohlicher Geist gewaltet,
  und wie sie alle innere Kraft aufbieten müssen, um nicht verstört zu
  werden von so mancher Erscheinung, die ihr ein Gefühl erregt, dem sie
  kein anderes gleichstellen könne, als die wahre, tötende
  Gespensterfurcht. Dahin rechnete sie vorzüglich den geheimnisvollen
  Zwiespalt, der sich zwischen dem Prinzen Hektor und Kreisler erhoben,
  und der das Entsetzlichste ahnen lassen, denn nur zu gewiß sei es, daß
  der arme Johannes fallen sollen von der Hand des rachsüchtigen
  Italieners, und nur, wie Meister Abraham versichere, durch ein Wunder
  gerettet worden.
  Und dieser furchtbare Mann, so sprach Julia, er sollte Dein Gemahl
  werden? -- Nein, -- nimmermehr! Dank der ewigen Macht! Du bist gerettet!
  Niemals kehrt er zurück. Nicht wahr, Hedwiga? Niemals!
  Niemals, erwiderte die Prinzessin mit dumpfer, kaum vernehmbarer Stimme.
  Dann seufzte sie auf aus tiefer Brust und sprach leise weiter wie im
  Traume: Ja dieses reine Himmelsfeuer soll nur leuchten und wärmen, ohne
  mit verderblichen Flammen zu vernichten und aus der Seele des Künstlers
  leuchtet die zum Leben gestaltete Ahnung -- sie selbst -- seine Liebe
  hervor! So sprachst Du hier an dieser Stelle. --
  Wer sprach so? rief Julia ganz bestürzt. -- An wen dachtest Du, Hedwiga?
  Die Prinzessin fuhr mit der Hand über die Stirne, als müsse sie sich
  besinnen auf die Gegenwart, der sie entrückt. Dann wankte sie von Julien
  unterstützt, zum Sofa, auf dem sie sich ganz erschöpft niederließ.
  Julia, um die Prinzessin besorgt, wollte die Kammerfrauen herbeirufen,
  Hedwiga zog sie aber sanft nieder auf den Sofa, indem sie leise
  lispelte: Nein, Mädchen! -- Du, Du allein sollst bei mir bleiben, glaube
  ja nicht, daß mich etwa Krankheit erfaßt. -- Nein, es war der Gedanke der
  höchsten Seligkeit, der zu mächtig wurde, der diese Brust sprengen
  wollte, und dessen Himmelsentzücken sich gestaltete wie tötender
  Schmerz. Bleibe bei mir, Mädchen, Du weißt es selbst nicht, welch einen
  wunderbaren Zauber Du über mich zu üben vermagst! -- Laß mich schauen in
  Deine Seele, wie in einen klaren, reinen Spiegel, damit ich mich selbst
  nur wiedererkenne! -- Julia! oft ist es mir, als käme die Begeisterung
  des Himmels über Dich, und die Worte, die wie Liebeshauch über Deine
  süßen Lippen strömten, wären trostreiche Prophezeiung. Julia! -- Mädchen,
  bleibe bei mir, verlasse mich nie -- nie!
  Damit sank die Prinzessin, indem sie Julias Hände festhielt, mit
  geschlossenen Augen zurück in den Sofa.
  Wohl war Julia an Augenblicke gewöhnt, in denen Hedwiga geistig
  krankhafter Überspannung erlag, doch fremd, ganz fremd und rätselhaft
  war ihr der Paroxysmus, wie er sich eben jetzt zeigte. Sonst war es eine
  leidenschaftliche Verbitterung, die, erzeugt von dem Mißverhältnis des
  innern Gefühls mit der Gestaltung des Lebens, beinahe bis zum Gehässigen
  sich steigernd, Julias kindliches Gemüt verletzte. Jetzt schien Hedwiga,
  wie sonst niemals, ganz aufgelöst im Schmerz und namenloser Wehmut, und
  dieser trostlose Zustand rührte Julien in eben dem Grade, als ihre Angst
  stieg um die geliebte Freundin.
  Hedwiga, rief sie, meine Hedwiga, ich verlasse Dich ja nicht, kein
  treueres Herz neigt sich zu Dir, als das meinige, aber sprich, o sprich
  
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