🕥 33-minute read

Briefe an Ludwig Tieck (3/4) - 18

Total number of words is 4343
Total number of unique words is 1385
39.5 of words are in the 2000 most common words
50.7 of words are in the 5000 most common words
56.5 of words are in the 8000 most common words
Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  Das eine, was Du anders wünschest, ist eine völlig veränderte Leseart,
  die Du erst jetzt bestimmt angiebst; was Du mir darüber nach Berlin
  schriebst, war so, daß ich nichts daraus zu nehmen wußte. Daß die
  ausgelassene Strophe wirklich im Manuscripte steht, davon kann ich mich
  kaum überzeugen.
  Was die andern Fehler betrifft, so habe ich die Aushängebogen nicht
  hier, um nachzusehen: ich habe sie Goethe’n gelassen. Die eine Stelle
  habe ich so konstruirt: „Wir sind Sünder, daß (damit) wir in den Tod
  die Lilienblume lieben.“
  Wie Du die Lilienblume construiren willst, wenn Du _leben_
  schreibst, kann ich mir aus dem Gedächtnisse gar nicht vorstellen.
  Kurz, Du wirst künftig wohl mehr Sorge anwenden müssen. Es ist keine
  Billigkeit darin, daß Du selbst Deine Produkte so straußenähnlich
  verwahrlosest und dann willst, daß dies andre nachholen sollen.
  Durch die Art, wie Du unsre bisherigen Mißverständnisse erwähnst, ist
  natürlich alles beseitigt. Es ist aber doch besser, wenn man Ursachen
  der Unzufriedenheit zu haben glaubt, daß man sie an den Tag legt,
  so ist nachher alles weggeräumt. Ich habe immer noch über Deinen
  Laconismus zu klagen.
  Wie es nun eigentlich mit der Herausgabe von Hardenbergs Nachlaß
  steht, darüber schreibst Du nicht eine Sylbe. So habe ich es auch
  erst von Friedrich erfahren müssen, daß eine große Anzahl von
  geistlichen Liedern von ihm vorhanden ist. In der That, dies sieht
  nicht freundschaftlich aus. -- Da in dem Inhaltsverzeichnisse bei dem
  Namen Novalis etwas von seinem Tode erwähnt werden muß, so gebe ich Dir
  anheim, dies aufzusetzen, und dabei die zu erwartende Herausgabe des
  Nachlasses anzukündigen. Du müßtest es aber unverzüglich mit der ersten
  Post schicken, sonst ist es zu spät.
  Schütze hat mir keine Vollmacht gegeben, seinen Namen auszudrucken,
  sondern die Abkürzung verlangt. Viele Grüße an Deine Frau.
   Dein
   _A. W. S._
  
   XVI.
   _Jena_, d. 10. Oct. 1801.
  Aus dem beigelegten Billet von Frommann wirst Du sehen, daß es mit ihm
  nichts ist. Da mir die Hauptsache war, ob er es nähme oder nicht, so
  weiß ich in der That seine Gründe nicht recht mehr. Ich glaube aber, es
  war, daß er schon etwas andres zu ähnliches von Dir auf Ostern verlege.
  Ich bin auf Vieweg gefallen, weil dieser völlige Censurfreiheit hat;
  wie er sonst ist, weißt Du. Frommann nannte Cotta, der mir aber eben
  schreibt, er sei schon überhäuft.
  Mit andern hiesigen Buchhändlern ist schwerlich etwas zu machen. Für
  den Moment konnte ich also nichts weiter thun, da ich vermuthlich erst
  nach gänzlichem Ende der Messe nach Leipzig komme. Ich habe daher
  geglaubt, Deinen Absichten gemäß zu handeln, wenn ich Frommann das
  Manuscript mit nach Leipzig anvertraute, damit es dort ist, wenn Du
  etwa sogleich während der Messe Aufträge giebst. Kannst Du dergleichen
  nicht durch Frommann selbst besorgen lassen, oder durch Mahlmann?
  Mit vielem Ergötzen habe ich den Anti-Faust von neuem gelesen.
  Friedrich hat nach diesem Anfange große Erwartungen vom Folgenden, und
  meint, es werde etwas gänzlich Verschiednes vom Zerbino werden, und die
  Aehnlichkeit läge bloß in Aeußerlichkeiten. Die classischen Grobheiten
  im Aristophanes haben ihm besonders gefallen. Ich bin im ganzen mit ihm
  einig. Die einzelnen Einfälle, das göttliche Böttiger Lied u. s. w. das
  versteht sich von selbst.
  So sehr ich indessen Deine Darstellungen des prosaischen Zeitgeistes
  in mancherlei komödischen Allegorien bewundere, könnte ich doch wohl
  wünschen, Dich mit der Komödie im Felde des nackten und baaren Lebens
  erscheinen zu sehen. Hast Du noch keine Anmuthungen dieser Art gehabt?
  Daß man sich mit solchen Gesellen wie Böttiger und Falk einlassen muß,
  ist ein nothwendiges Uebel, oder auch nicht, denn sie werden durch ihre
  Erbärmlichkeit wieder klassisch und symbolisch.
  Lebe recht wohl, ich bin die Zeit her fleißig gewesen, und werde
  hoffentlich bald mit der letzthin erwähnten Arbeit fertig sein.
  Fr. ebenfalls: er hat einen höchst wunderbaren zweiten Akt eines
  Schauspiels, welches nicht mehre haben soll, beendigt.
  Den Tristan und die letzten Bogen vom Almanach wirst Du hoffentlich
  richtig erhalten haben. Das Geld von Cotta habe ich noch nicht, sonst
  hätte ich natürlich sogleich Deinen Antheil übersandt.
  Leb nochmals wohl.
   Dein
   _A. W. S._
  
   XVII.
   _Jena_, d. 2. Nov. 1801.
  Endlich ist das Geld von Cotta gekommen, und ich versäume keine Post,
  um Dir Deinen Antheil zu schicken. Ich lege die Berechnung bey. Das aus
  Nürnberg geschickte Geld war nur bis Coburg frankirt und hat mir noch
  1 Thl. 12 Gr. Unkosten gemacht. Die Hälfte hievon abgezogen von Deinen
  101 Thlr. bleiben: 100 Thl. 6 Gr. Ich habe das Geld in Laubthalern
  erhalten, an welchen Du dort beträchtlich verlieren würdest, das
  vortheilhafteste für Dich war, sie hier in Lsdr. umzusetzen, welches
  ich denn auch gethan habe. Allein wenn man Lsd’or braucht, so bekömmt
  man sie nicht so niedrig, als wenn man sie ausgiebt. Ich habe 5 Thl.
  16 Gr. 6 Pf. in hiesigem Gelde für das Stück bezahlen müssen, also 6
  Pf. mehr, als Cotta sie uns verrechnet. Darauf gehen die 6 Gr. und noch
  einige Groschen mehr, die ich Dir nicht in Anschlag bringe, und so
  erhältst Du Netto: 20 _Lsd’or_.
  Der Himmel gebe nun, daß über Tausend Exemplare abgesetzt werden, so
  hat jeder von uns noch 20 Lsd. zu erwarten.
  Da ich morgen nach Berlin reise, so will ich, um Dir möglichst das
  Postgeld zu sparen, das Packet erst in Leipzig auf die Post geben.
  Du erhältst zugleich Bücher mit. In Friedrichs und meinem Namen, _die
  Charakteristiken_, von mir _Fichte’s Nicolai_, der schon
  lange auf eine Gelegenheit wartete, und 3 Exempl. des Almanachs auf
  Schreibpapier. Ein viertes habe ich an den Conducteur Heine adressirt
  für den Ungenannten, von dem das Sonett herrührt. Sey so gut und
  schicke es hin.
  Die Velin-Exemplare sind immer noch nicht fertig, und es wird wohl
  noch 14 Tage damit dauern. Ich werde Auftrag zurücklassen, Dir 2
  davon zu schicken. So viel bleiben jedem von uns, nach Abzug derer
  an die Hauptmitarbeiter und an Goethe und Schiller, denen wir doch
  gemeinschaftlich geben. Wenn Du eins von denen auf Schreibpapier übrig
  hast meiner Schwester zu geben, so wirst Du ihr gewiß eine Freude damit
  machen. Deinem Bruder habe ich in Deinem Namen ein Exemplar gegeben.
  Das Mspt. vom _Antifaust_ nehme ich mit nach Berlin, um Deine
  Schwester und Bernhardi damit zu ergötzen. Da ich nicht auf die Messe
  gekommen bin, so habe ich nichts thun können, um es gut an einen
  Verleger zu bringen. Du könntest es immerhin mit Cotta noch versuchen.
  Er läßt sich Dir empfehlen und klagt, daß Du gar nichts von Dir hören
  ließest. Von Vieweg schrieb ich schon einmal, wie ich glaube. Thu recht
  mit Eifer dazu, damit es auf Ostern noch das Licht der Welt erblickt.
  Schick auch die Abschrift der folgenden Akte wo möglich nach Berlin.
  Meine Sendung mit dem Tristan hast Du gewiß richtig erhalten. Wenn
  der Druck von Hardenbergs Nachlaß in Berlin anfängt (wovon ich durch
  Friedrich jetzt das erste Wort erfahre) so erbiete ich mich zur
  Correctur, und Du kannst dieß an Unger bei Uebersendung des Mspts.
  schreiben. Meine (weggerissen, wahrscheinlich: Begegnung) mit ihm
  steht dabey gar nicht im Wege, ich habe seitdem schon viel in seiner
  Druckerey corrigirt.
  Den 8ten Band des Shakspeare erhältst Du von Berlin aus, er ist fertig,
  aber ich habe ihn nicht hieher bekommen.
  Schreib doch von dem Fortschritt Deiner sonstigen Arbeiten, ich erwarte
  mit Sehnsucht wieder etwas von Dir. Was ich nunmehr fertig gemacht,
  verspare ich auf unser nächstes Wiedersehen, welches uns ja hoffentlich
  bald erfreuen wird. Ich denke den Winter auch sehr fleißig zu seyn.
  Dein Bruder ist seit beynah einer Woche wieder bey mir, er benutzt die
  Zeit hier allerley zu arbeiten, während in Weimar die Form zu seinem
  Goethe verfertigt wird.
  Lebe recht wohl und gesund. Ich grüße aufs herzlichste Deine liebe
  Frau, und meine Schwester und ihren Mann. Schreibe bald nach Berlin und
  addressire bey Bernhardi, Du wirst auch nächstens wieder von mir hören.
  
   XVIII.
   _Berlin_, d. 1. März 1802.
  Diese Zeilen hat Deine Schwester Dir selbst schreiben wollen, wiewohl
  ich sie sehr bat, das traurige Geschäft dieser Nachricht Deinem Bruder
  oder mir zu überlassen. Der Kleine ist am Zahnen gestorben, das Uebel
  nahm sehr plötzlich überhand, die Zähne wollten alle auf einmal
  durchbrechen.
  Es war ein schönes, munteres, starkes Kind mit herrlichen großen Augen,
  wir hatten ihn alle sehr lieb, und sind voller Jammer über seinen Tod.
  Ich hoffe, Du sollst Dich über die Gesundheit Deiner Schwester nicht zu
  beunruhigen haben, wiewohl sie jetzt sehr angegriffen ist. Nächstens
  erhältst Du wieder Nachricht. Bernhardi ist sehr erschüttert und Dein
  Bruder äußerst betrübt. Lebe recht wohl, grüße Deine liebe Frau, ich
  kann heute unmöglich mehr schreiben.
   Dein
   _A. W. Schlegel_.
  
   XIX.
   _Berlin_, d. 20. Sept. 1802.
   _Liebster Freund!_
  Ich habe mich sehr gefreut, einmal Nachricht von Dir zu erhalten, auch
  über die Sendung vom Manuscript. Den wiedergefundenen Aufsatz von
  Hardenberg haben wir alle mit großem Entzücken gelesen, es ist ein
  herrliches und vielleicht sein eigenthümlichstes Werk.
  Versäume nun nur nicht, das übrige zu rechter Zeit zu schicken, damit
  der Druck nachher nicht wieder still stehen muß. Die Correctur werde
  ich mit allem Fleiß besorgen.
  Ich dachte es gleich, daß es mit dem Span. Theater bei Nicolovius
  nichts wäre: er liebt die kleinen Honorare, außer wo er einmal den
  Glauben hat, wie bei Voß. Mahlmann ist vollends ein knauseriger Patron.
  -- Ich habe daher hier mit Reimer gesprochen, dieser hat es auch
  angenommen, eine Auflage von 1000 Ex., für den Bogen im Format meines
  Shaksp. d. h. à 27 Zeilen die Seite, gleich nach dem Druck
  2½ Lsd. und nach Absatz der Auflage noch ½ Lsd. Letzthin sagte
  er mir aber, er habe sich verrechnet, und komme bei solchem Format
  und Honorar bei dem Preise, den er für den Band setzen könne, nicht
  heraus. Er schlug deswegen vor, kleineres Format zu nehmen, etwa
  23 statt 27 Zeilen, und dann das Honorar nach diesem Verhältniß zu
  berechnen, wobei der Uebersetzer dann nichts verlieren würde. Auf diese
  Art ließen sich aber wohl nur 2 Stücke in einen Band bringen; kleines
  Format ist übrigens ganz schicklich, da die meisten Verse so kurz sind.
  Bis der Erfolg gesichert ist, hat er sich freilich nur auf eine Probe
  eingelassen: auf 1 Th. von 3 oder 2 Bänden, jeden zu 2 Stücken.
  Der Titel Spanisches Theater hat ihm für das große Lesepublikum
  vortheilhafter geschienen. Da es mir aber gar zu disperat vorkommt,
  die Stücke von Calderon mit denen der übrigen zu vermischen, gerade
  als wenn man in meinem Englischen Theater Shakespeare mit Ben Jonson
  und Fletscher u. s. w. zusammenstellen wollte, so wird die Einrichtung
  getroffen, noch einen 2ten Titel voran zu schicken. _Schauspiele
  von Don Pedro Calderon de la Barca._ 1 Th., so daß diese besonders
  gesammelt werden können, und wir die Schauspiele von andern: Cervantes,
  Lope, Moreto &c. immer in eigne Bände zusammenbringen.
  _Die Andacht zum Kreuze_ habe ich seit kurzem fertig und von Ulyß
  und Circe, ~El mayor encanto amor~ den Anfang übersetzt. Jetzt
  gehe ich wieder mit Eifer an dies letzte, und hoffe Dir bald beides
  zusammen mittheilen zu können.
  Es wäre der Mannichfaltigkeit wegen schön, wenn Du Lust hättest, zuerst
  ~Las blancas manos no ofenden~ vorzunehmen, damit wir auch ein
  eigentliches Intriguenstück mit modernen Sitten haben.
  Was die Assonanz betrifft, so hat mich ihre Behandlung in dem bisher
  übersetzten noch mehr überzeugt, daß vollkommener Gleichlaut in den
  Vocalen erforderlich ist, daß sie nur durch völlige Gleichartigkeit in
  einer bedeutenden Masse wirken kann.
  Ich halte daher =e= und =ö= (e und ä sind völlig gleich, und eins muß
  häufig die Stelle des andern vertreten; _leben_ und _wählen_ macht
  vollkommene Assonanz mit _Seele_ u. s. w.) ferner =i= und =ü= auch
  =ei= und =eu= auseinander. Ich habe lange Stücke mit bloßem =i--e=
  und bloßem =ei--e= gemacht, oben eins mit =ü--e=, welches sich sehr
  gut ausnimmt, und einen ganz anderen Charakter hat, wie das =i=. Wir
  gewinnen dadurch auch mehr Mannichfaltigkeit, da wir zum zweiten Vokal
  immer nur =e= haben und die Spanier mit =~o~=, =~a~=, =~e~= variiren.
  Calderon bringt nicht leicht in demselben Stück ganz dieselbe Assonanz
  wieder. Mein Grundsatz ist, wenn er eine einsylbige hat, sie ebenfalls
  einsylbig und in demselben Vocal zu nehmen; bei den zweisylbigen
  so viel möglich das analogste heraus zu fühlen. Seine häufigsten
  Assonanzen sind =~e--o~=, =~e--a~=, =~e--e~=. Wollen wir uns bei
  diesen immer nach dem accentuirten Vocal richten, so bekommen wir ganz
  übermäßig viel =e=, welches zwar bequem, aber nicht schön ist. Ich habe
  in der ~Devocion de la Cruz~ einmal =~e--e~= durch =i--e= gegeben, in
  dem 2ten S. =~e--o~= durch =ü--e=, welches sich vortrefflich macht.
  =~i--o~= denke ich, kann man in der Regel am besten durch =ei--e=,
  vielleicht auch durch =eu--e= (wo denn auch =äu= mit hingehört) geben.
  =~a--e~= habe ich einmal durch =au--e= gegeben, welches aber eine von
  den schwierigsten Assonanzen.
  Daß ich sie immer eben so lange behalte wie C. versteht sich.
  Wie ich es überhaupt mit dem Uebersetzen des Calderon nehme, wirst Du
  am besten sehn, wenn ich Dir die beiden Stücke schicke; wo Du Dir dann
  wohl die Mühe nicht verdrießen läßt, sie im Einzelnen mit dem Original
  zu vergleichen, und mir Dein Urtheil zu sagen. Ich habe diesen Sommer
  noch viel Calderon gelesen und studirt, doch ist noch viel zurück, und
  es kann nicht leicht genug geschehn.
  Mit den Amazonen bin ich noch nicht weiter. Wir haben letzthin einmal
  einige Glossen gemacht, und da haben wir folgende Verse von Dir:
   Liebe denkt in süßen Tönen,
   Denn Gedanken stehn zu fern,
   Nur in Tönen mag sie gern
   Alles, was sie will, verschönen.
  die in den Fantasieen stehen, und die Friedrich schon einmal als
  schicklich dazu ausgefunden hatte, glossirt. Deine Schwester und ich,
  jeder 2 mal, Schütze hat auch eine Glosse darauf gemacht. Es wird
  mir lieb sein, wenn Du mir den Tristan zurückschickst. Die beiden
  katholischen Gesangbücher bringst Du mir wohl mit, wenn Du herkommst.
  Das _Lied der Nibelungen_ kann ich vielleicht hier auf der Bibliothek
  haben, dann magst Du es immer noch behalten. Ich will doch Reimer
  wieder treiben, daß er Dir noch die Müllerschen Sachen zu schaffen
  sucht. -- Auf den Winter möchte ich von Dir wohl zum Gebrauch bei
  meinen Vorlesungen wieder einiges haben: Deinen _Ben Jonson_, die ~_Six
  old plays_~ und den _Dodsley_. Wenn du von Dresden weggehst, so nimmst
  Du sie vielleicht mit nach Ziebingen, und bringst sie mir von da mit,
  oder schickst sie. Die ~Spurious plays~ von Shakspeare werde ich auch
  Noth haben, hier zu kriegen.
  Was Du über den Tristan schreibst, ist mir sehr interessant, aber über
  meinen Plan muß ich mich nicht recht deutlich gemacht haben, denn wie
  Du es meinst, das würde ich allerdings für höchst fehlerhaft halten.
  Man muß, däucht mir, diese Geschichte als eine Mythologie betrachten,
  wo man wohl modificiren, erweitern, flüchtige Winke glänzend benutzen,
  aber nicht rein heraus erfinden darf. Das ist schon in den ältesten
  Bearbeitungen des Tristan, daß er an den Hof des Artus kommt. Diese
  Indication hat schon der Verfasser des ~Nouveau Tristan~ (freilich
  eines ziemlich schlechten Buchs); Du wirst es in Dresden finden, es
  ist klein Folio, aus dem 16ten Jahrhundert; Tressan hat nichts anders
  gekannt, als gerade dieses, und es auf seine Weise zu benutzen gesucht.
  Ich glaube, schon in der Minnesänger-Behandlung wird die Bekanntschaft
  mit _Lancelot_ ausdrücklich erwähnt. Hier wollte ich nun einen
  Theil von der Geschichte des letzten, wie sie in dem großen in Dresden
  befindlichen Ritterbuche befindlich, erzählen lassen, überhaupt eine
  Aussicht auf die Herrlichkeit von Artus Hof öffnen, wo das Graal dann,
  als ein noch unaufgelöstes Abentheuer prachtvoll im Hintergrunde stehen
  sollte. Lancelot sowohl als Tristan reiten _nicht_ nach dem Graal,
  sie wissen wohl, daß sie sich entsetzlich prostituiren würden, wenn sie
  es thäten, weil ein jungfräulicher Ritter dazu erfordert wird.
  Aber das ist gerade ihre Wehmuth und ihre Reue, daß sie, sonst in
  allem die ersten, hier ausgeschlossen sind. Weiter steht nichts in der
  Ankündigung in meinem 1 sten Gesange, und sollte diese dennoch an dem
  Misverständnisse Schuld sein, so kann sie nachher verändert werden,
  wenn ich mit dem Gedichte fertig bin. Darüber kann ich nicht mit Dir
  einig sein, daß das religiöse im alten Tristan spöttisch zu nehmen sei:
  es scheint mir rechter Ernst, daß Gott der schuldigen Isolde bei der
  Feuerprobe durchhilft. Dieses Gemisch von Sündlichkeit und Unschuld,
  von Leichtfertigkeit und Frömmigkeit scheint mir eben der eigenste
  Geist des Gedichts und Tristan besonders wird als ein wahrer Heiliger
  und Märtyrer der Treue aufgestellt.
  Ueber das Alter des Romans möchte es schwer sein, etwas auszumitteln,
  ohne in der französischen National-Bibliothek alle die alten
  Manuscripte vor sich zu haben und zu vergleichen. Lies doch auch die
  Bearbeitung im Buch der Liebe.
  Viele Grüße an Deine liebe Frau. Deine Schwester mußt Du
  entschuldigen, das Schreiben fällt ihr jetzt gar zu schwer, sonst ist
  ihr Befinden leidlich. -- Bernhardi ist mit seiner Grammatik fertig.
   Dein
   _A. W. S._
  
   XX.
   B., d. 24. Dec. 1802.
   _Liebster Freund_.
  Eben sehe ich, daß die Post nach Frankfurt heute Vormittag abgeht, und
  kann also nur wenige Zeilen schreiben, um sie nicht zu versäumen.
  Das Manuscript vom Ion nimm mit nach Dresden, wenn Du nämlich bald
  dahin gehst und händige es meiner Schwester ein. Bleibst Du noch lange
  in Ziebingen, so schicke es nach gemachtem Gebrauch mit der Post an sie.
  Empfiehl mich bey dieser Gelegenheit dem Grafen von Finkenstein, und
  entschuldige mich, daß ich mein Versprechen, ihm den Ion mitzutheilen,
  nicht eher halten können.
  Die Andacht zum Kreuze hätte ich Dir früher geschickt, wenn ich
  sie nicht erst eben wieder zurück erhalten. Es findet sich wohl
  Gelegenheit, sie mir mit den beyden Bänden der Müllerschen Altdeutschen
  Sachen nach Berlin zurückzubesorgen. Ich wollte diese Abschrift bey dem
  bald anzufangenden Druck gebrauchen.
  Reimer hat für Dich aus einer Auction das Lied der Nibelungen, den
  Tristan und einige andre Stücke der Müllerschen Sammlung erstanden, Du
  wirst also mein Exemplar entbehren können. Es fehlt hauptsächlich nur
  der Parcival.
  Einen Ariost für Dich habe ich nun hier, mag Dir aber kein Porto dafür
  verursachen, Du erhältst ihn mit Gelegenheit.
  Schütze hat mir gesagt, der Graf v. Finkenstein habe einiges aus
  dem Petrarca übersetzt. Kannst Du mir die Privatmittheilung davon
  verschaffen, so wäre es mir sehr angenehm. Ich habe letzthin auch eine
  Anzahl Sonette und ein paar Canzonen übersetzt, und werde noch mehrere
  hinzufügen, daher interessirt es mich, da Schütze sie als sehr gelungen
  beschreibt. Meine lasse ich eben abschreiben und schicke sie Dir mit
  nächster Post, sowie die Glossen.
  Deine Schwester befindet sich jetzt wieder ziemlich gut und die Bäder
  und stärkende Mittel werden ihr bald auch ihre Kräfte wiedergeben. Die
  Kinder sind frisch und gesund. Dein Bruder in Weimar arbeitet viel und
  ist wohl.
  Lebe recht wohl, grüße Deine liebe Frau und theile bald etwas mit
   Deinem
   _A. W. S._
  
  XXI.
   _Berlin_, d. 15. Febr. 1803.
   _Liebster Freund!_
  Vor ein paar Posttagen bekam ich einliegenden Brief von Frommann. Um
  sein Verlangen zu erfüllen, ist es das beste, denke ich, Dir den Brief
  selbst zu schicken. Was die Airs betrifft, so muß man es mit Frommann
  so genau nicht nehmen, sonst spricht aber die Sache für sich selbst.
  Zu seinen Buchhändler-Argumenten möchte ich nun eine Menge poetische
  hinzufügen, Du wirst Dir das alles aber schon selbst sagen. Es wäre
  wirklich jetzt an der Zeit, daß Du einmal wieder ein großes Kunstwerk
  aufstelltest, und je länger Du es aufschiebst, je schwerer wird Dir
  die Vollendung werden. Wenn Du einen Theil des Manuscripts um die
  Mitte März, und das übrige Ende März hinschickst, so kann es gewiß noch
  auf die Messe fertig werden. Welchen Triumph alle Deine Freunde haben
  würden, brauche ich nicht erst zu sagen.
  Ich habe immer gehofft, Du würdest mir mein Manuscript von _der
  Andacht zum Kreuz_ mit einer Gelegenheit zukommen lassen. Mein
  Brouillon wird in der Druckerei gebraucht, zum Vorlesen im Collegium
  muß ich jenes nothwendig haben, ich bitte Dich also, es mir nicht
  länger vorzuenthalten. Mit meinem Exemplar der Nibelungen und dem
  Moreto hat es weniger Eil, diese können auf eine Gelegenheit warten,
  und ich hoffe, Du bringst sie mir noch selbst mit. Den Ion wirst Du
  wohl schon an meine Schwester geschickt haben, sonst thu’ es doch
  unverzüglich.
  Ich habe immer noch Deine Velin-Exemplare vom 2ten Band Novalis in
  Verwahrung. Reimer hat mir nachher ein eignes Velin-Exemplar vom 2ten
  Band für mich geschenkt, welches ich allerdings durch mein fleißiges
  Corrigiren redlich verdient habe. Indessen fehlt mir der 1te, wenn Du
  davon noch ein Exemplar übrig hättest, könnten wir Deiner Schwester
  damit ein Geschenk machen. Hast Du das aber durchaus nicht, und ergänzt
  Dir dieser 2te Band ein Exemplar, so bin ich bereit, einen Tausch
  einzugehn. --
  Mein Bruder hat mir umständlich geschrieben. Er ist entzückt über
  Deine musikalischen Gedichte und ladet Dich dringend zur Theilnahme
  an der Europa ein, wovon wir bald das 1ste Stück erhalten sollen.
  Besonders die Fortsetzung Deiner Briefe über Shakspeare wünscht er sich
  außerordentlich.
  Ich möchte Dir gern vieles aus seinem Briefe mittheilen, habe aber
  heute unmöglich Zeit. Nur so viel, daß er sehr fleißig ist, schon
  Persisch gelernt hat, und Indisch bald anfangen wird.
  Ich habe unterdessen mancherlei Proben mit Uebersetzungen aus den
  Griechen gemacht, die Dir interessant sein würden.
  Gegen ehemals spüre ich große Fortschritte in dieser Kunst, die ich
  ebensowohl wie die Nachbildung der Romantischen Dichter bis auf den
  höchsten Punkt zu cultiviren gesonnen bin.
  Deine Schwester läßt Dich auf’s zärtlichste grüßen. Diese ganze Zeit
  her hat sie gewünscht, Dir recht umständlich zu antworten, allein
  theils ist sie nicht allein gewesen, theils hat sie sich so befunden,
  daß ihr das Schreiben sehr beschwerlich fällt. Sie rechnet gewiß
  darauf, Dich, wie Schütze[18] uns gesagt, im März noch hier zu sehen,
  und ladet Dich auf’s herzlichste dazu ein. Wegen ihrer Gesundheit
  darfst Du nicht in Sorgen sein, ich hoffe, es ist auf dem guten Wege
  damit, sie gebraucht die Mittel anhaltend, und besonders erwarte ich
  viel Frucht vom Baden, welches sie theils wegen der Kälte, theils wegen
  eintretender Zufälle noch wenig hat thun können. Die Kinder sind sehr
  gesund.
  Das dramatische Mährchen (noch hat es weiter keinen Namen) habe ich
  jetzt endlich in’s Reine geschrieben, Dir eine Abschrift zu besorgen
  war nicht möglich. Komme nur her, so wollen wir es zusammen lesen. --
  Deine Schwester hat ein neues angefangen und es auch schon ziemlich
  weit geführt, bis sie durch ihr Befinden abgehalten wurde, fortzufahren.
  Lebe recht wohl, es ist mir unmöglich, mehr zu schreiben, ich stecke
  tief in Arbeiten. Der Himmel weiß, wie ich noch alles bestreiten werde,
  was ich vorhabe.
  Wenn Du den Octavian fertig schreibst, so bittet Friedrich recht sehr
  um eine Selbstanzeige davon für die Europa.
  Leb nochmals wohl, grüße Deine liebe Frau und Burgsdorff.
   Dein
   _A. W. S._
  
  XXII.
   _Berlin_, d. 15. März 1803.
   _Liebster Freund!_
  Am Sonnabend Mittag ist Dein Brief angekommen, und ich habe noch gleich
  an demselben Tage den Octavian, Deinem Auftrage gemäß, an Frommann mit
  einem Briefe abgeschickt. Es freut mich außerordentlich, daß er nun
  noch auf Ostern erscheint; ich bin begierig zu wissen, ob allein, oder
  als dritter Band der _Romantischen Dichtungen_. Melde doch, was Du
  jetzt vorhast, und ob die zweite Hälfte des Octavian bald nachfolgen
  wird.
  Deine Schwester hatte sich schon vorigen Posttag und wiederum heute
  vorgenommen, Dir zu schreiben, allein nicht Kräfte genug gehabt; es
  würde sie zu sehr ergreifen. Sie ist leider die ganze Zeit unpäßlich
  gewesen, jedoch hoffe ich, daß Du Dich deswegen nicht zu beunruhigen
  brauchst. Ihre Uebel rühren wohl hauptsächlich aus allzu großer Schwäche
  und Reizbarkeit her. Wir waren heute Vormittag spatzieren, und
  wollen auch jetzt eben in’s Schauspiel. Es ist heute das Benefiz der
  Unzelmann, eine neue französische Operette.
  Ich bin beschämt, daß ich Dir in Erwiederung des Octavian immer noch
  nicht den Ion habe senden können. Meinen Brouillon mag ich nicht gern
  hergeben, und die erste Abschrift, die ich selbst hier habe nehmen
  lassen, hat mein Abschreiber noch in Händen, um die zweite danach zu
  verfertigen. Ich hoffe allernächstens eine große Sendung nach Dresden
  zu veranstalten, wo der letzte Band vom Shakspeare für Dich, die fertig
  gedruckten Mährchen Deiner Schwester, worin verschiedenes, was Du noch
  nicht kennst, der D. O. 4 Th., die Abschrift vom Ion, und die Exemplare
  vom Alarcos zugleich ankommen sollen. Sage doch Friedrichen, er möchte
  mir wegen der Zahl derselben, die er selbst oder ich in seinem Namen
  von Unger begehren möchte, und wegen der Vertheilung und Versendung
  Aufträge ertheilen. Da ich mir vorläufig einige von Unger ausgebeten,
  hat er mir 6 auf Velin geschickt, wobei der Medusenkopf sich
  beträchtlich besser ausnimmt, und mir dazu sagen lassen, die übrigen
  wären beim Buchbinder und würden brochirt. Da sie ungeheftet sind, habe
  ich sie sogleich zum Buchbinder geschickt.
  Die Aushängebogen, sage an Friedrich, hätte ich Humboldten und
  Brinkmann auf ihr dringendes Bitten geliehen. Den letzten sprach ich
  noch nicht darüber; Humboldt ist eigends zu mir gekommen und hat sich
  mit vielem Respect geäußert. Dein Bruder ist sehr fleißig, und hat, da
  er nicht mehr lange wird hier bleiben können, viel zu arbeiten. Die
  Büste der Tochter des Ministers Haugwitz, Gräfin Kalkreuth, ist eben
  fertig geworden, die der Frau von Berg wird auch bald so weit sein,
  und jetzt modellirt er die Gräfin Voß. Er hat fast gewisse Aussichten,
  das Portrait der Königin ebenfalls zu machen, wenn es nicht etwa durch
  Schadow, dessen Schwester Kammerfrau bei ihr ist, hintertrieben wird.
  Man muß also nicht davon reden. Indessen hat die Königin es selbst
  verschiedentlich gesagt, und hinzugefügt: sie wünsche den Bildhauer
  Tieck besonders auch deswegen kennen zu lernen, um mit ihm von seinem
  Bruder zu sprechen, den sie als Dichter so sehr habe rühmen hören.
  -- Es scheint, daß wir jetzt unter den Prinzen bei Hofe und sonst
  verschiedne Freunde haben; es wäre drollig, wenn einmal die verrufene
  Parthei die protegirte würde.
  Noch habe ich jetzt keine neue Arbeit angefangen, ich kann nicht wohl
  eher, bis das Collegium zu Ende ist, welches mich wöchentlich zweimal
  stört; dann wird es aber mit großem Eifer geschehen.
  Deine Schwester will Dir mit nächster Post das nähere über ihre Reise
  nach Dresden schreiben. Gehab Dich unterdessen wohl, grüße Deine liebe
  Frau und Friedrich.
   _A. W. S._
  
   XXIII.
   _Berlin_, d. 28. Mai 1803.
  Zu Deiner Beruhigung, liebster Freund, melde ich Dir, daß ich von
  Wilmans Deine Gedichte vor dem Abdruck zurück erhalten. Suche nun
  Friedrichen die getäuschte Hoffnung (die Du denn doch wirklich erregt
  hast, ob Du es schon nicht eingestehen willst) auf andre Weise zu
  ersetzen. Das 2te Stück der Europa wird in ein paar Wochen fertig sein,
  und eben erhalte ich einen Brief von Friedrich, worin er verspricht,
  die Fortsetzung sehr rasch zu liefern, mir aber zugleich aufträgt, die
  
You have read 1 text from German literature.