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Briefe an Ludwig Tieck (3/4) - 22

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  -- Das Minnebuch habe ich mir noch zurückgelegt, für ruhigere und
  frohere Zeiten. An dem Phantasus aber hatte ich mich schon vielfältig
  erfreut, sowohl an dem alten als an dem neuen, schon ehe ich das
  von Dir gesandte Exemplar erhielt, welches erst vor Kurzem in meine
  Hände gelangte. Ueber Deine neu belebte Thätigkeit habe ich eine große
  Freude gehabt, und für Deine freundschaftliche Erwähnung Unsrer sage
  ich Dir herzlichen Dank. Gewiß wird sich auch Wilhelm sehr darüber
  freuen, sobald er es erfährt. Ich hatte es ihm zwar geschrieben, ob
  er aber meine Briefe erhalten hat, weiß ich immer noch nicht. Höchst
  wahrscheinlich kommt er mit den Schweden nach Deutschland; das wirst Du
  vielleicht früher erfahren als ich.
  Mein nächster Wunsch geht nun darauf, daß ich Beyträge von Dir zum
  Museum erhalten möchte, und zwar je eher je lieber. Nimm nicht übel,
  daß Du dieß Jahr kein Exemplar erhalten hast. Der Buchhändler hat mich
  sehr darin beschränkt, ist überhaupt filzig, freilich ist auch die
  Zeit sehr ungünstig für den Absatz in Deutschland, und auf das hiesige
  Publikum allein war das Ganze nun einmal nicht berechnet. -- Ich hoffe,
  Du wirst die Hefte von diesem Jahrgange doch gesehn haben, und lege
  indessen eine Ankündigung bey. -- Im Ganzen ist diese Zeitschrift mehr
  für Prosa als für Poesie bestimmt. Indessen darf ich Dir nicht erst
  sagen, daß mir von Dir alles willkommen ist. Am liebsten wäre mir
  der Aufsatz über das Mittelalter. Da Du diesen aber nicht sogleich
  senden kannst, so gieb indessen eins oder das andre von dem was Du
  über Shakespeare fertig hast. Dieß hindert ja den Abdruck des ganzen
  Werkes über Shakespeare nicht, falls dieses für das Museum zu lang ist;
  es kann dann als Probe und Ankündigung des ganzen Werks dienen. Ich
  sehe es besonders bey dem hiesigen Publikum deutlich, daß der eigentl.
  gründliche Unterricht in der Poesie, die erste Erweckung des Sinns
  dafür durchaus mit dem Shakespeare anfangen muß. Ich erwarte mir daher
  auch sehr viele gute Wirkung von Deinem Werke.
  Warum hast Du denn die Melusine nicht in den Phantasus aufgenommen,
  oder soll dieß noch in der Folge geschehen? -- Daß Fouqué zu
  viel dichtet, eben darum einiges auch sehr flüchtig, daß er sich
  wiederhohlt, will ich Dir gerne zugeben, wenn Du das manierirt nennst;
  aber wenn dieß mit _solcher_ Poesie verbunden seyn kann, wer ist
  denn wohl ganz frey von Manier? Ich liebe F. sehr und meine Freude an
  ihm mag freylich auch durch den vorhergehenden Abscheu an Arnim und all
  den andern Fratzen noch sehr erhöht worden seyn.
  Von Deinem Bruder hab’ ich noch diesen Winter einmal einen recht
  freundlichen Brief erhalten, nebst ein paar antiquarischen Blättern,
  die Du im 3ten Heft des Museums wirst gefunden haben.
  Daß Du ohne Nachricht von Deiner Schwester bist und außer Verbindung
  mit ihr, hat mich sehr befremdet. Ich habe seit undenklicher Zeit
  nichts von ihr gehört. Sie hat gewiß herrliche Geistesanlagen; aber
  Leidenschaftlichkeit und Ehrgeiz haben, wie es mir scheint, ihre Seele
  sehr zerrüttet.
  Czerni hat sich sehr darüber gefreut, daß Du Dich seiner erinnert hast.
  Seinen Brief wirst Du erhalten haben.
  Daß Philipp auch zur Armee gegangen ist und beym Lützowschen Corps
  steht, ist Dir wohl schon gemeldet worden. Er liebt Dich, wie von
  seiner Kindheit an, so auch noch jetzt ganz besonders. Meine Frau
  nimmt den herzlichsten Antheil an Dir. Empfiehl uns den Deinigen; wie
  würde ich mich freuen, die erwachsene Dorothee wieder zu sehn und die
  schönen Erinnerungen unsrer Jugend zu erneuen!
  Ich habe noch nie eine so lebhafte Sehnsucht empfunden, meine Freunde
  im nördlichen Deutschland und vor allen Dich wieder zu sehen, als
  eben jetzt. Freylich sieht es noch trübe aus, auch ist meine eigne
  Bestimmung noch ganz unentschieden, ob ich wieder für die allgemeine
  Sache werde thätig sein können, oder was mir sonst vorbehalten ist.
  Indessen wer weiß was noch geschieht; eine Reise zu Euch ist wenigstens
  jetzt möglicher und wahrscheinlicher, als sie es in den vorigen Jahren
  war. Auf den Fall, daß dieser Wunsch sollte erfüllt werden können,
  melde mich nur bey Burgsdorf an und frage ihn, ob er in diesem Falle
  mich auf ein acht Tage aufnehmen kann, die ich denn bei Euch zubringen
  und genießen möchte.
   Dein Freund
   _Friedrich Schlegel_.
  
   XIII.
   _Wien_, den 19ten Juni 1821.
   _Geliebter Freund!_
  Eine gute Bekannte und Freundin von meiner Frau, Franzisca Caspers,
  die sehr lebhaft Deine Bekanntschaft wünscht, giebt mir die erwünschte
  Veranlassung, Dir mein Andenken freundschaftlich in Erinnerung zu
  bringen. Wohl habe ich mich gefreut, von manchen Seiten von Dir zu
  hören, daß Du angenehm und heiter in Dresden lebst. Ich wünsche Dir
  Glück dazu; mir selbst ist der Muth zu etwas entfernteren Reisen noch
  nicht wieder gewachsen. So wie ich höre, bist Du auch thätig und im
  Geiste immerfort mit den alten Kunst-Ideen und Gegenständen Deiner
  ersten Liebe beschäftigt. Dies hat mich sehr gefreut; fahre nur so
  fort damit, was Du auch immer davon zu Tage förderst, es ist immer
  ein reicher Gewinn für die Welt und eine besondre Erquickung für uns,
  in glücklicher Erinnerung fröhlicher alter Zeiten. Laß mich ja immer
  recht bald und wo möglich zuerst wissen, was Dir die guten Tage neues
  bringen. Ich bin jetzt fast ausschließend und sehr ernstlich mit der
  Herausgabe meiner sämmtlichen Werke beschäftigt, und habe schon viel
  dazu gearbeitet, besonders zuerst bedeutende Zusätze zu der Geschichte
  der Litteratur. Ich denke mich in 1 bis 1½ Jahren durch das Ganze
  durchzuarbeiten, und dann werde ich den Rest des Lebens ganz der
  Philosophie widmen, und einigen Gedichten, die ich noch im Sinne habe.
  -- Da ich weiß, daß Du immer freundlichen Antheil an uns zu nehmen
  gewohnt bist, so füge ich nun noch einige Nachrichten von uns selbst
  hinzu. Meine Frau ist nun bald seit einem Jahre aus Rom hier zurück
  gekommen; sie war, da sie kam, sehr übel und krank. Im Wesentlichen
  wurde sie bald hergestellt, doch hat sie den Winter einige Monate das
  Zimmer nicht verlassen dürfen, was freilich eben nicht zu wundern ist
  bei dem Abstande eines Römischen Winters von dem hiesigen.
  So habe ich den Winter ziemlich melancholisch verlebt, und bin darüber
  auch außer Correspondenz mit Aug. W. gerathen, von dem ich daher keine
  Nachricht habe. Unser Philipp hat eine Judith in Oel gemalt, die sehr
  gerühmt wird, wie auch einige gute Porträte. Seine große Frescoarbeit
  aus Dantes Paradiese ist angefangen, aber noch nicht vollendet. --
  Den ältesten Johannes freuen wir uns sehr gegen den Winter hier zu
  sehen; denn meine Hoffnung, vielleicht selbst im Herbst einen Besuch in
  Dresden machen zu können, ist nur sehr schwach.
  Grüße meine Schwester, Nichte und das ganze Haus, wenn Du sie siehst;
  desgl. auch den Freund Schütz. Dieser hat unsre Hoffnung, ihn hier zu
  sehen, leider bis jetzt nicht erfüllt. Ich interessire mich immer sehr
  für alle seine Arbeiten, doch bei weitem noch mehr für ihn selbst;
  in der Philosophie sind wir noch sehr weit aus einander; er lebt so
  ganz in dem Gewebe von Abstractionen, die mir nichtig scheinen, und
  in die ich mich nur noch mit Mühe finden kann, da ich sie schon so
  lange verlassen habe. Dieses war auch der Eindruck, den mir ein großer
  philosophischer Aufsatz von ihm machte, den mir Collin mitgetheilt hat.
  Sage ihm das gelegentlich, da mir bis jetzt noch unmöglich war, ihm
  selbst zu schreiben. Grüße die Deinigen, und behalte mich und meine
  Frau in freundschaftlichem Andenken.
   Dein Freund
   _Fried. v. Schlegel_.
  
   XIV.
   _Wien_, den 17ten Juni 1823.
   _Theuerster Freund!_
  Ich habe Dir den I.-III. Theil der neuen Ausgabe meiner Werke durch
  _Maria Weber_ geschickt; die Theile IV., V., VI. wirst Du durch die
  _Familie Krause_ hoffentlich richtig erhalten. Die Bände VII. und VIII.
  ist jetzt die Gräfin L., Schwester des Oesterreichischen Gesandten in
  Berlin so gütig, für Dich mitzunehmen. Wenn Dich diese Zeilen, wie ich
  hoffe, in Dresden treffen, so wird sich diese geistreiche Dame sehr
  freuen, Deine ihr lange erwünschte persönliche Bekanntschaft zu machen.
  Da sie unsre genaue Freundin und eigentlich unser bester Umgang hier
  ist, so kann sie Dir, wenn sie Gelegenheit findet, Dich zu sprechen,
  mehr von mir und von uns und unserm hiesigen Leben erzählen, als ich
  irgend in einem Briefe im Stande wäre, Dir mitzutheilen.
  Du hast mich, geliebter Freund! auf die poetischen Arbeiten von Schütz
  und einiges andere in Deiner letzten Erinnerung an mich aufmerksam
  gemacht. Ich muß Dir aber wohl gestehen, daß mir eigentlich das
  Einzelne solcher Kunstversuche, jetzt etwas fern liegt und mich so sehr
  noch nicht berührt, bis ich nicht etwas Bedeutendes daraus erfolgen
  sehe. Sollte aber unsre deutsche tragische Kunst noch zu einer festen
  Form gelangen und eine wirkliche Kraft werden, so vermuthe ich, daß
  dieses eher auf dem lyrischen Wege geschehen wird, als auf dem von Euch
  empfohlenen Shakspearschen historischen, der mir doch nur ein Surrogat
  des Epischen zu sein scheint, in verunglückter Form. (!) Doch davon ein
  andermal mehr, wenn ich vielleicht auch noch einmal einen Versuch in
  einer oder der andern Art mache.
  Ich empfehle das wichtige und mühevolle Unternehmen meiner Werke Deiner
  freundschaftlichen Theilnahme und Mitwirkung. Wie ich meine frühern
  Schnitzer umgearbeitet habe, das wird wohl nur von wenigen nach seinem
  ganzen Umfange und vielleicht erst später anerkannt werden.
  Sehr freuen aber würde es mich, wenn dazu von Dir einstweilen eine
  Stimme vernommen und der Ton angegeben würde; in einer Form, wie sie
  grade Dir angemessen ist, als _leichter_, freundschaftlicher _Brief_,
  der etwa im _Morgenblatt_oder in einer andern solchen Zeitschrift
  stehen könnte. Die Theile III.-VI. werden vor der Hand vielleicht am
  meisten Interesse für Dich haben. Mich würde es doppelt erfreuen, wie
  mich alles erfreut, was ich irgend von Dir lese; und auch als Zeichen
  der Erinnerung und Denkmal Deiner unveränderten Freundschaft.
  Was Schütz betrifft, so liebe ich ihn persönlich sehr, und ich glaube,
  es liegt eben auch nur in dem Mangel oder _Nicht-Ergreifen_ des
  entscheidenden Mittelpunkts, daß er bei solcher Erkenntniß aller Ideen
  nicht zur lichten Klarheit weder im Wissen noch in der Kunst gelangen
  kann.
  Das ist nun eben der Punkt, wo es so vielen fehlt, und über welchen
  hinüber zu kommen, nur ein Gott den rechten Muth geben kann.
  Laß mich bald einmal wieder etwas von Dir hören, und laß Dir die
  Erfüllung meines geäußerten Wunsches nochmals empfohlen sein. Von
  ganzem Herzen
   Dein Freund
   _Friedrich Schlegel_.
  
  XV.
   _Wien_, den 30ten April 1824.
  Ich sende Dir hier, theuerster Freund! durch die Güte des Hrn. v.
  _Krause_, den 9ten Band meiner Werke; am 10ten fehlen noch einige
  Bogen zum Schluß, und somit muß ich dafür noch eine andre Gelegenheit
  erwarten.
  Das Neue in diesem Bande von Gedichten, so wie das Beste unter dem
  Neuen und Alten wirst Du wohl selbst herausfinden. Und nun wünschte
  ich wohl endlich auch einmal von Dir ein Lebenszeichen zu erhalten; da
  ich doch hoffe, daß Dir die früheren acht Bände alle richtig werden
  zugekommen seyn. Denn daß Du auch in dem gleichen bleyernen Todesschlaf
  mit befangen wärest, der sich in dem übrigen Deutschland so weit umher
  erstreckt und alles mehr und mehr mit seinem schweren Flügel deckt;
  dieß kann ich und will ich nicht glauben, bis Du mir nicht selbst die
  Nachricht davon mittheilst.
  Ich hoffe, daß es Dir und den Deinigen wohl geht. Möllers, die wohl
  sind, sehen wir zuweilen, so oft es die weite Entfernung der Wohnungen
  gestattet. Sollte Schütz noch in Dresden seyn, so bitte ich mich ihm
  bestens zu empfehlen. Ich werde ihm nächstens selbst schreiben, so wie
  auch meiner Schwester, wenn Du diese etwa sehen solltest.
  Philipp denkt uns diesen Sommer mit den Seinigen aus Rom zu besuchen;
  ich wünschte wohl im Herbst einen kleinen Abstecher mit ihm nach
  Dresden machen zu können, und werde es gern thun, wenn es irgend
  ausführbar ist, da ich schon lange sehnlich gewünscht habe, meine
  Schwester zu besuchen und das geliebte Dresden einmal wieder zu sehen.
  Behalte mich indessen in gutem Andenken und laß einmal wieder etwas von
  Dir hören. Meine Frau empfiehlt sich Dir und den Deinigen mit mir zum
  freundschaftlichen Andenken. Von ganzem Herzen
   Dein Freund
   _Friedr. Schlegel_.
  Du hast vielleicht mehrere Bände jetzt erwartet, als Du erhältst.
  Allein so ganz schnell und leicht als bloße Buchhändler-Spekulation
  kann ich diese große Arbeit nicht von der Hand schlagen; _zehn
  Bände_ sind doch übrigens schon eine ganz hübsche Anzahl, um auch
  für die Nachfolge der andern hinreichend Gewähr zu leisten. Nach dieser
  kurzen Pause, welche mir jetzt ein Bedürfniß war, soll es nachher desto
  rascher wieder fortgehen. -- Ich schreibe Dir dieß übrigens mehr wegen
  _andrer_, wo Du vielleicht Gelegenheit findest, in dem rechten
  Sinne davon zu sprechen, als für Dich selbst; da ich wohl weiß, daß
  Dein Interesse und Dein Maaßstab für dieses _Werk_ meiner Werke
  ohnehin ein andres ist, als die merkantilische Eil der schnell sich
  folgenden Bände.
  
  XVI.
   _Wien_, den 29ten Oktober 1828.
   _Geliebter Freund!_
  Jedes Wort der freundschaftlichen Erinnerung, wie ich deren von Zeit
  zu Zeit mehrere erhielt, hat mich jedesmal herzlich erfreut. Mit
  besonderm Interesse habe ich auch Deine jetzige schöne Reise in diesem
  Sommer in Gedanken verfolgt und begleitet und mich besonders gefreut,
  daß Du längere Zeit in Bonn und so freundschaftlich mit dem Bruder A.
  W. zusammen lebtest. Vielleicht wirst Du mir, nach Deiner freieren
  Art, die Dinge zu nehmen, am besten erklären können, wie er eigentlich
  in diesen seltsamen Zustand, in Beziehung auf mich, gerathen ist, und
  mir darin als alter Freund Aufschluß geben können. -- Ich freue mich
  außerordentlich darauf, Dich bald wieder zu sehen und mich in Deinem
  Umgang und Gespräch mannichfach erfrischen und beleben zu können.
  Ich stehe im Begriff, mit meiner Nichte Buttlar -- aber nur mit ihr
  ganz allein, da wir uns so eng als möglich einrichten wollen --
  morgen nach Dresden abzugehen, wie es ihre Angelegenheiten immer
  wünschenswerth machten, und jetzt fast unumgänglich nothwendig gemacht
  haben, da so manches durch die persönliche Gegenwart viel besser und
  leichter abgemacht werden kann.
  Für unsre kleine Einrichtung auf einige Wochen oder anderthalb Monathe
  -- ~en chambre garnie~ oder wie es sonst am besten seyn wird --
  zähle ich auf den freundschaftlichen Rath und Beystand Deiner lieben
  Frau und der trefflichen Dorothea, die ich herzlich zu grüßen, und mich
  auch der Gräfin F. auf das angelegentlichste zu empfehlen bitte.
  Was Du von meinen neuen Vorlesungen etwa noch nicht kennst oder nicht
  selbst hast, bringe ich alles für Dich mit.
  Bis zum 4ten oder 5ten denke ich wohl gewiß in Dresden zu seyn, da wir
  uns in Prag nicht aufhalten. Meine Frau, die in so später Jahreszeit
  freylich nicht mehr so weit reisen kann, empfiehlt sich bestens und
  erinnert sich oft freundschaftlichst der alten Zeiten und Deiner.
  In Hinsicht auf meine Familie ist freylich in Dresden vieles
  verändert, und in diesem ersten Aufenthalte meines Jugendlebens Alles
  ausgestorben[21] und leer. Um so mehr ist es mir werth und köstlich, an
  Dir und den Deinigen dort alte Freunde zu treffen.
  Von ganzem Herzen
   Der Deinige
   _Friedrich v. Schlegel_.
  
  XVII.
  =Dorothea Schlegel, geb. Mendelssohn.=
   _Jena_, den 17ten December 1801.
  Werther Freund! ich bin so frey gewesen in dieser Sache etwas
  eigenmächtig zu handeln, worüber ich Sie zuvörderst um Verzeihung
  bitten muß. Die Sache erschien mir auf einmal, durch Ihre Zustimmung,
  als ein wirkliches Geschäft, die ich erst als einen bloßen Einfall
  behandelte. Da nun ein Geschäft etwas ehrwürdiges ist, so konnte ich
  es unmöglich in B.’s (Brentano’s?) Hände geben, sondern ich habe
  Frommann zu Rathe gezogen, der sich auch der Sache ernstlich und
  treulich angenommen hat. Ihren Brief an die Direktion hat er an einen
  seiner Correspondenten nach Frankfurt geschickt, der zum Glück ein
  angesehener Mann, und einer der Theater-Direktoren ist, auch B. kennt
  ihn als solchen. Dadurch gewinnt es in den Augen der Frankfurter mehr
  Solidität, als wenn blos B. sich dafür interessirte; B. hat aber zu
  gleicher Zeit und wie von selber an seine guten Freunde schreiben
  müssen: „wie er gehört, Herr Tieck wolle das Amt annehmen, und wie er
  ihnen Glück dazu wünsche und“ -- ~enfin~ mehr dergleichen, daß es Ihnen
  vielleicht helfen, aber gewiß nicht schaden kann; denn wer weis in
  welchem Ruf B. in seiner Vaterstadt stehet? Ihren Brief habe ich ihm
  auch nicht gegeben, sondern schicke ihn Ihnen hiemit zurück, denn
  erstlich machen Sie ihn darin zum Direktor des Geschäftes, welches er
  nicht seyn soll, und nicht seyn darf, zweytens hätte er sich durch
  diesen Brief nach seiner Art berechtiget gefunden, grade zu Goethe
  zu gehen, um mit diesem sich ein ~air~ zu geben, das wäre gar nicht
  zu wünschen gewesen, sondern es hätte Goethe nur aufgebracht, und
  verdrüßlich gemacht, denn B. ist jetzt fataler als jemals. Frommann war
  gestern bey Goethe und er hat ihm gesagt (Goethe nemlich zu F.), daß er
  Ihnen schon alles selbst geschrieben habe. Einen Brief an die Direktion
  hat er an Frommann nicht gegeben, welches ich eben nicht artig finde.
  Doch vielleicht erreichen Sie Ihren Zweck auch ohne diesen. Auf Ihren
  Brief an die Direktion habe ich noch Ihre vollständige Adresse gesetzt;
  Sie werden nun also von ihr direct Antwort erhalten, oder auch durch
  Frommann, an B. schreiben Sie nur einen kurzen freundlichen Dankbrief
  für sein Andenken; ich habe ihn schon von Ihnen gegrüßt, und Sie
  entschuldigt, daß Sie ihm noch nicht geschrieben; also brauchen Sie ihn
  in weiter nichts zu meliren. Das ist weit besser.
  Von Friedrich habe ich meistens nur verdrüßliche Briefe, nemlich
  Briefe in denen er verdrüßlich ist; er hat viele häßliche Geschäfte,
  und was noch schlimmer ist, er konnte sie noch gar nicht besorgen,
  weil er seinen Koffer nicht hatte, der auf der Post zu Halle stehen
  geblieben. Nun hat er ihn aber wohl; und nun erwarte ich mit jeden
  Posttag ängstlich meine Bestimmung von ihm zu erfahren, wenn ich nach
  Dresden reisen soll? Es kömmt ganz auf Friedrich an, lieber Freund,
  ich bin ganz reisefertig, und sehne mich sehr von hier fort, wo es mir
  eben nicht gut geht, besonders seit Friedrich verreist ist; ich wäre so
  gern bey Ihnen in Dresden! Grüßen Sie doch die _Ernst_ recht sehr
  von mir und übernehmen Sie meine Entschuldigung wenn sie wegen meiner
  Zögerung ungeduldig wird. Ich möchte Ihnen gern alles sagen können,
  welche innige Freude Sie mir mit dem Octavian gemacht, Frommann hat ihn
  mir vorgelesen. Ich danke Ihnen tausendmal dafür. Nie habe ich wieder
  Ihre ganze Liebenswürdigkeit, die Tiefe und die Glorie Ihrer Kunst und
  Ihrer Liebe so gefühlt! nehmen Sie meine Worte so an, ich möchte wohl,
  ich könnte es Ihnen besser sagen! Die Lebens-Elemente lese ich auch
  fleißig und sie öffnen meinen Blick in die Natur, und machen mich für
  jede Ansicht empfänglich. Ich habe schon so viel Neues daraus gelernt,
  mehr als ich sagen kann; ich lese sie alle Tage fast, und weiß sie fast
  auswendig. Das Wasser lese ich immer mit einer recht frohen frommen
  Empfindung, auch das Licht, es sind rechte Offenbarungen.
  Lachen Sie mich nicht damit aus, lieber Tieck, Sie mögen sonst so viel
  über mich lachen, als Sie wollen.
  Was meynen Sie zu den Gedichten, die Friedrich in Vermehrens Almanach
  hat? ist das nicht entzückend und rührend aus den Minnesängern?
  Leben Sie recht wohl, seyn Sie recht glücklich und mögen Ihnen doch
  Ihre Vorsätze und Wünsche alle erfüllt werden.
   Ihre ergebene
   _D. Veit_.
  Viele freundschaftliche Grüße an Ihre liebe Amalia, und die kleine
  Dorothea küße ich.
  
  XVIII.
   _Wien_, 16ten März 1829.
  Ich war einige Zeit unwohl, besonders an den Augen leidend, dies ist
  die Ursache warum ich Ihr liebes Blatt durch die Nichte Buttlar noch
  nicht beantworten konnte. Theurer werther Freund, wie sehr hat Ihr
  freundliches gefühlvolles Schreiben mich erfreut, mir in der Seele
  wohlgethan! Ich weiß nicht, wie man sagen kann, daß die theilnehmenden
  Worte eines Freundes im Schmerze nicht trösten können? ich habe das
  Gegentheil erfahren, und erst recht gelernt, wie wichtig und heilig
  das Wort des Menschen ist. -- Nehmen Sie meinen innigsten Dank, und
  auch dafür, daß Sie sich einer schönen frühern Zeit erinnerten, und sie
  auch mir ins Gedächtniß zurückriefen. Wenn auch ganze Stücke von Zeit,
  durch das verworrne Leben, uns wie untergehen, so bleiben doch einzelne
  Punkte lebendig blühend in der Seele schwebend zurück, und überleben
  alle Zeiten, bleiben in Ewigkeit lebend. -- Alles was über die
  Herausgabe der Schriften des seeligen, und den Druck der Vorlesungen
  Ihnen mitzutheilen ist, hat unser vortrefflicher Freund Buchholz zu
  thun übernommen. Ein Wort von Ihnen zur Einleitung derselben, wäre
  höchst wichtig und tausendmal willkommen! Die einzige Schwierigkeit
  ist nur wegen des Manuscripts, welches wir wohl gern zuerst hier haben
  möchten. Verschiedne Verhältnisse machen es wohl wünschenswerth, dieses
  Manuscript baldmöglichst, auf eine kleine Zeit hier zu haben, und da
  ohnehin Friedrichs Handschrift, besonders in solchen ersten Entwürfen
  schwierig zu lesen zu seyn pflegt, und ich schon eine ziemliche Uebung
  darin habe, weil ich jedesmal seine Arbeiten copirt habe, so will ich
  mit großem Vergnügen zu Ihrem Gebrauch eine solche Abschrift machen,
  und sie Ihnen mit der fahrenden Post zurücksenden; auf eben diese
  Weise würden Sie gütigst das Manuscript unter der Adresse des Herrn
  von Bucholz herzuschicken die Güte haben. Sollten Sie aber dennoch
  es vorziehen, das Manuscript sogleich selbst durchzulesen, so würde
  dies freilich in kurzer Zeit geschehen müssen, und darüber wird
  Freund Bucholz Ihnen das nähere bestimmen; derselbe wird hoffentlich
  Ihnen auch ein Exemplar seines schönen Aufsatzes aus dem Archiv für
  Geschichte, Staatenkunde &c. zuschicken, den er zur Erinnerung an
  unsern theuern Verstorbenen darin hat drucken lassen. -- Glauben Sie
  nicht auch, lieber Tieck, daß eine genaue ausführliche Biographie
  nicht passen würde für Friedrichs Leben, dessen verschiedene Zeiten
  und Stufen mehr in einem innern Gang, in einer inneren Entwicklung,
  als aus äußerlichen Thaten und Schicksalen bestanden? sind alle seine
  Werke nur Bruchstücke zu nennen, wie vielmehr sein ganzes Leben, in
  welchem es ihm fast nie vergönnt war, ein vollständiges Gelingen seiner
  Bestrebungen zu erreichen, und so war auch seine ganze Wirksamkeit
  immer mehr eine unsichtbare, innerlich fortlebende zu nennen, als daß
  nach außen hin viel davon gesagt werden könnte, dünkt mich. So wie
  Sie Novalis Leben in kurzen Umrissen darstellten, das scheint mir das
  Einzig schickliche; und nur Sie vermögen es mit solcher Zartheit und
  Leichtigkeit auszuführen; nur besorge ich, daß dies nicht leicht seyn
  möchte, da noch so gar manche fremde Persönlichkeit dabey verschont
  bleiben muß; ist es nicht überhaupt jetzt noch zu früh damit? Ihre
  Ansicht, daß manches in seinen spätesten Meynungen besser gar nicht
  erörtert werde, theile ich ganz vollkommen, aber nicht so wohl um
  der Gegner willen -- denn diese darf man ja wohl nicht scheuen, wenn
  von der Wahrheit die Rede ist; -- sondern weil eben noch so viel
  schwankendes, man möchte sagen, unfertiges unklares, in diesen seinen
  ersten Wahrnehmungen herrscht, so daß man sie in das Reich der Wahrheit
  noch nicht vollkommen aufgenommen denken muß. Es sind mehr Ahndungen
  und Träume zu nennen, und diese mögen verschleyert ruhen, da ihm
  selbst nicht vergönnt ward, und wohl niemand in diesem Erden-Leben,
  -- das Räthsel vollkommen zu lösen. -- Was ich von Novalis Schriften
  gefunden habe, wird Bucholz Ihnen zusenden, eben so einige Ihrer
  Briefe, die sich vorgefunden haben. -- Die Nichte Buttlar sagt mir, daß
  es Ihnen angenehm wäre die Büste von A. W. Schlegel, von Ihrem Bruder
  verfertigt, zu besitzen; es macht mir ein besonderes Vergnügen Ihnen
  die Unsrige überlassen zu dürfen, da ich ohnehin wohl Wien in Kurzem
  verlassen werde. Wenn es Ihnen also recht ist, so will ich diese Büste
  von einem Sachverständigen einpacken lassen und Ihnen dieselbe durch
  Fracht-Gelegenheit zusenden. Nun erbitte ich mir aber ein Gegengeschenk
  von Ihnen, theurer Freund! nämlich ich höre, daß man das Gesicht nach
  dem Tode abgeformt habe, und die Nichte sagte, es wäre sehr ähnlich
  ausgefallen. Würden Sie es wohl übernehmen, den Künstler zu bewegen,
  daß er einen Gyps-Abguß von dieser Form macht, und mir dieselbe dann
  mit fahrender Post zusenden, oder durch irgend einen gefälligen
  Reisenden? Wenn etwas dafür zu zahlen wäre, so will ich es sehr gern
  wieder erstatten. Ich wünsche sein Bildniß vor den Vorlesungen in
  Kupfer stechen zu lassen, und da könnte dieser Gypsabguß wohl mit dazu
  benutzt werden.
  Sollten Sie mich noch einmal durch einen Brief erfreuen, so schreiben
  Sie doch auch, welche Plane Sie für den künftigen Sommer haben? ich muß
  nothwendig recht bald etwas zur Befestigung meiner jetzt sehr wankenden
  Gesundheit unternehmen, und da wäre es ja vielleicht thunlich, daß ich
  Ihnen in irgend einem Sommer-Aufenthalt oder Badeort begegnete, was
  ich sehnlichst wünschen würde; ja, sehr, sehr gern möchte ich Sie noch
  wiedersehen!
  Leben Sie wohl, und bleiben Sie mein Freund.
   Die Ihrige
   _Dorothea Schlegel_.
  Den Catalog der Büchersammlung werde ich drucken lassen und Ihnen dann
  gleich einen senden.
  Amalien recht herzliche Grüße und meine ganze Theilnahme an dem Verlust
  ihres Bruders. Welch eine Zeit der zerreißenden Trauer ist uns mit
  diesem Jahre! Ihren Töchtern alles Liebe.
  
   =Schleiermacher, Friedr. Ernst Daniel.=
   Geboren zu Breslau am 21. Nov. 1768, gestorben in Berlin am 12.
   Febr. 1834.
   Reden über die Religion (1799.) -- Monologe (1800.) -- Predigten,
   sieben Sammlungen (1801 bis 1833.) -- Grundlinien einer Kritik der
   bisherigen Sittenlehre (1803.) -- Der christliche Glaube nach den
   Grundsätzen der evangelischen Kirche, 2 Bde. (1821-22.) --
   Die drei kurzen Briefchen geben in ihrer lakonischen Gedrungenheit,
   welche eben nur ausspricht, was sie sagen will, dieses dann
   bestimmt und klar, ein Bild des außerordentlichen Mannes, wie er
   sich im geselligen Umgange zeigte. Daß diese seine Kürze nicht
   immer ohne Schärfe blieb, und daß er mit wenig Worten zu treffen
   pflege, verhehlten auch die wärmsten Freunde nicht, wenngleich sie
   andrerseits die Milde seines Gemüthes nicht innig genug rühmen
   konnten. Er war fast eben so gefürchtet als geliebt. Wie denn wohl
   auch in seinen sublimen Kanzelreden philosophirende Dialektik
   bisweilen von sanft-herrnhuterischer Mystik durchweht wurde. Und
   gerade dieser Dualismus machte ihn zum Lieblingsprediger wahrhaft
   gebildeter, denkender und fühlender Hörer.
   Daß aber auch Er, dem es an Skepsis -- namentlich Tieck gegenüber!
   -- durchaus nicht mangelte, sieben volle Jahre brauchte, um den
   frommen Glauben an Vollendung der „Cevennen“ aufzugeben, ist fast
   rührend.
  
  I.
   Von der Insel _Rügen_, 2/9. 24.
  _Lieber Freund!_ in der Ungewißheit über den Postenlauf von
  dieser entlegenen Gegend aus und auch über die Modificationen,
  die Schedens[22] Plan mag erlitten haben, wende ich mich wegen der
  Einlage an Sie mit der Bitte um gütige Abgabe, wenn Schedens noch in
  Dresden sind, oder noch dahin zurückkehren. Im entgegengesetzten Fall
  übernehmen Sie wol die Mühe, Berlin darauf zu setzen und den Brief
  dorthin zu senden.
  Gute Gesundheit und viel Freude. Vor allen Dingen aber _machen Sie
  die Cevennen fertig._
   _Schleiermacher_.
  
  II.
   _Berlin_, 14ten Jul. 30.
  Ich kann dem Ueberbringer dieses, meinem Sohn Ehrenfried v. Willich
  nichts angenehmeres wünschen als daß er Sie noch in Dresden finde,
  
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