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Briefe an Ludwig Tieck (2/4) - 01

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   Anmerkungen zur Transkription
  Der vorliegende Text wurde anhand der 1864 erschienenen Buchausgabe
  möglichst originalgetreu wiedergegeben. Die Zeichensetzung wurde
  stillschweigend korrigiert. Aufgrund der Vielfalt der persönlichern
  Schreibstile der verschiedenen Autoren wurden ungewöhnliche und
  inkonsistente Schreibweisen aber beibehalten.
  Der Schmutztitel sowie die Buchwerbung vor der Titelseite wurden
  hier nicht wieder mit aufgenommen. Das Inhaltsverzeichnis wurde der
  Übersichtlichkeit halber an den Anfang des Textes verschoben.
  Die folgenden offensichtlichen Druckfehler wurden korrigiert:
   S. 23: ‚theure Freund‘ → ‚theurer Freund‘
   S. 35: ‚die Wohnung‘ → ‚in die Wohnung schreiben‘
   S. 56: ‚vorkommend könnte‘ → ‚vorkommen könnte‘
   S. 106: ‚entgegeu‘ → ‚entgegen‘
   S. 116: ‚möge es Ihnen recht recht wohl ergehen‘: doppeltes ‚recht‘
   als Steigerungsform beibehalten
   S. 126: ‚von ihm erschienen Buche‘ → ‚von ihm erschienenen Buche‘
   S. 129: ‚ich weiß nich‘ → ‚ich weiß nicht‘
   S. 131: ‚Wie oft traume ich‘ → ‚Wie oft traume ich‘
   S. 154: ‚langage‘ → ‚language‘
   S. 163: ‚be brought unter‘ → ‚be brought under‘
   S. 165: ‚ververzeih‘ → ‚verzeih‘
   S. 181: ‚Schulpforte‘ → ‚Schulpforta‘
   S. 184: ‚Mühlenfelschen‘ → ‚Mühlenfelsschen‘
   S. 204: ‚Hoffnung mochten.‘ → ‚Hoffnung machten.‘
   S. 217: ‚jenen kleine Wunden‘ → ‚jenen kleine Wunden‘
   S. 231: ‚den Chevalier‘ → ‚dem Chevalier‘
   S. 269: ‚meiner Natur noch‘ → ‚meiner Natur nach‘
   S. 280: ‚Mai 836‘ → ‚Mai 1836‘
   S. 326: ‚Ihres Herzens‘ → ‚ihres Herzens‘
   S. 342: ‚ohne zutäppisch zu werden‘ → ‚ohne zu täppisch zu werden‘
   S. 359: ‚Varnhagens‘ → ‚Varnhagen’s‘
  Der Text in der Originalausgabe wurde in Frakturschrift gesetzt; dies
  wird hier durch normale Schrift dargestellt; _Unterstriche_ stehen für
  gesperrten Text, ~Tilden~ für Antiquaschrift. Fettgedruckte Passagen
  werden durch =Gleichheitszeichen= hervorgehoben.
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   Briefe
   an
   Ludwig Tieck.
   Ausgewählt und herausgegeben
   von
   Karl von Holtei.
   Zweiter Band.
   Breslau, Verlag von Eduard Trewendt. 1864.
  
  
   Inhalt des zweiten Bandes.
  
   Seite.
   Hormayr, Joseph Freiherr von 1
   Humboldt, Alexander Freiherr von 18
   Jacobi, Friedr. Heinrich 36
   Jacobs, Christian Friedr. Wilhelm 37
   Jagemann, Caroline 39
   Iffland, August Wilhelm 43
   Immermann, Karl 47
   Immermann, Marianne 106
   Ingemann, Bernh. Severin 129
   Julius, Nik. Henrich 134
   Kadach 136
   Kaufmann, Alexander 140
   Kerner, Justinus 149
   Killinger, K. A. Freiherr von 154
   Kleist, Maria 172
   Koberstein, A. 181
   Köchy, Karl 189
   Koenig, Heinrich 196
   Körber, Gottfried Wilhelm 198
   Körner, Christ. Gottfr. 203
   Koester, Hans 208
   Koreff 212
   Kratter, Franz 212
   Krause, Karl Christ. Friedr. 216
   Krickeberg, Friederike, geb. Koch 219
   Küstner, Karl Theodor von 226
   Laube, Heinrich 227
   Lebrün, Karl 235
   Lenz, J. R. von 238
   Loebell, Johann Wilhelm 240
   Loeben, Otto Heinr., Graf 264
   Löwe, Ludwig 279
   Ludwig, Otto 281
   Lüdemann, Georg Wilhelm von 283
   Mahlmann, Siegfr. August 285
   Malsburg, Ernst Friedrich Georg Otto, Freiherr von 289
   Maltitz, Apollonius, Freiherr von 325
   Marbach, Gotthard Oswald 327
   Marmier, Xavier 331
   Martin, Henri und S. 333
   Mendelssohn-Bartholdy, Felix 336
   Menzel, Wolfgang 340
   Meyerbeer, J. 348
   Minckwitz, ~Dr.~ Johannes 351
   Mnioch, Johann Jacob 359
   Mörike, Eduard 365
  
  
   Hormayr, Joseph Freiherr von.
  
   Geb. zu Innsbruck am 20ten Januar 1781, gestorben in München am
   5ten Novemb. 1848, als Direktor des Reichsarchives. Fruchtbarer
   Schriftsteller: Der österreichische Plutarch, 20 Bd. (1807-20) --
   Taschen-Buch für vaterländ. Geschichte, 37 Bd. von ihm redigirt
   (1811-1848) -- ebenso: Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur
   und Kunst, 18 Bd. (1810-28) -- Geschichtswerke über Tyrol --
   Geschichte der neueren Zeit. -- Anemonen -- &c.
  
   I.
   _Schloß Raitz_, am 15. August 1822.
   _Wohlgeborner Herr Hofrath!_
  Ich darf mir wohl kaum schmeicheln, daß Eurer Wohlgeboren mein Andenken
  und mein Name nicht schon längst aus dem Gedächtnisse entschwunden sein
  sollte, seit jenen Abenden des Spätsommers 1808, die ich bei meinem
  unvergeßlichen Freunde, Heinrich Collin und bei Ihrer Frau Schwester,
  Sophie von Knorring, damals Bernardi, sammt dem kurz zuvor in Wien
  angekommenen Friedrich Schlegel, mit Ihnen zuzubringen, die Ehre hatte.
  -- Hätte sich doch das biedere, lebensfreudige Wien öfters Ihres
  Besuches erfreuen dürfen!
  Seit dieser Zeit sind Sie im strengsten Sinne mein Wohlthäter, der
  Urheber meiner liebsten Genüsse, der Erfrischer eines, mit manchem
  widrigen Geschick, mit vielen Mühen und Gefahren ringenden Lebensmuthes
  gewesen. -- In keiner wichtigen Unternehmung, noch in den himmelweit
  verschiedenen Studien kritischer Forschung, konnte ich Shakespeare
  und Tieck entbehren. -- Das „~nulla dies sine linea~“ übte ich
  buchstäblich an der Genofeva, am Octavian, am Blaubart, am Phantasus
  -- und der junge Freund, der Ihnen, verehrter Herr, diesen Brief
  überbringt, wiederholt es mir oft, daß er es mir als die größte
  Wohlthat verdanke, daß ich sein kräftiges, glühendes, aber etwas
  düsteres Gemüth, von seinem sechzehnten Jahre an, mit Ihren Werken
  erquickt und genährt habe, die ihm eine ganz neue Welt, einen in allen
  Farben und Tönen spielenden Zaubergarten der Romantik aufschlossen.
  Dieses Briefes Überbringer ist der junge Graf Hugo von
  Salm-Reifferscheid, der einst seinem Großvater in der Fürstenwürde
  folgt, sich zum Staatsdienste vorbereitet, und bei großem Fleiße in
  seinen Berufsstudien, eine außerordentliche Liebe für redende und
  bildende Kunst hat, mein Schüler in der Historie und mittelbar wohl
  auch in manchen andern Dingen, da ich seinem Hause seit vielen Jahren
  in inniger Freundschaft verbunden bin. -- Sein Vater, der als Berg- und
  Hüttenmann, als rationeller Landwirth und als Naturhistoriker bekannte
  Altgraf Hugo von Salm-Reifferscheid führt ihn und seinen zweiten Sohn
  Robert auf Reisen, vorerst in Ihr deutsches Florenz und nach Leipzig.
  -- Wärmere Verehrer als diesen jungen Mann hatten Sie wohl nie in dem
  großen Kreise derer, die in Ihnen mit Recht einen der größten Dichter
  aller Zeiten und aller Nationen bewundern und lieben, und nichts erhebt
  so sehr, als jene freudige Begierde jugendlicher Gemüther: den Mann
  von Angesicht zu Angesicht zu schauen, dessen Thaten oder Werke ihr
  Herz oder ihre Einbildungskraft beschäftiget haben. -- Nehmen Sie ihn
  freundlich auf.
  Wie sehr freue auch ich mich, durch ihn Kunde zu erhalten von Ihrer
  Gesundheit, die leider öfters als leidend geschildert wird und von den
  Hoffnungen, die unsre Literatur auf Sie ihren festen Hort und in so
  Manchem einzig und unübertroffen, bauen darf? --
  Sollten Sie in Wien Aufträge haben, (den großen Theil des Sommers
  verlebe ich auf dem Salm’schen Schlosse Raitz bei Brünn in Mähren)
  erlaube ich mir hier meine Addresse herzusetzen: Herrn Joseph Freiherrn
  von Hormayr zu Hortenburg, Ritter des Leopoldsordens, wirklichen
  Hofrath und Historiographen des kaiserlichen Hauses -- zu Wien No.
  747 Untere Bäckerstraße. -- Es sei mir dagegen auch erlaubt, um
  Ihre Addresse und um den Namen jener Buchhandlung zu bitten, mit
  der Sie am füglichsten verkehren und durch die man Ihnen verläßlich
  Sendungen machen kann. -- Mein historisches Taschenbuch dürfte Ihrer
  Aufmerksamkeit nicht ganz unwerth sein. -- Seine drei Hauptrubriken:
  „_Ahnentafeln_,“ -- „_Burgen_,“ -- „_Sagen und Legenden, Zeichen
  und Wunder_“ sind das vorzüglichste Vehikel meiner Haupttendenz,
  der Popularisirung der Historie durch die redende und bildende
  Kunst und vorzugsweise Anwendung dieser Beiden auf _vaterländische_
  Gegenstände. -- Die lezte Wiener Kunstausstellung gab wirklich schon
  Proben vorherrschenden nationalen Sinnes. Möchte er nur auch in die
  Balladen-Dichtung und in die Dramaturgie hinübergehen! -- Mein nun
  schon im XIV. Jahre bestehendes Archiv für Historie, Staats- und
  Kriegskunst hatte jahrelang gleichfalls eine eigene Rubrik poetischer
  Stoffe aus der Vaterlandsgeschichte und lieferte über hundert solcher
  Balladen, worunter freilich auch nicht wenig Mittelmäßiges, aber viel
  Gutes und einiges Vortreffliche war. -- Dürfte doch auch mein Journal
  oder mein Taschenbuch sich schmeicheln, mit Ihrem Namen prangen zu
  dürfen? -- Ich würde stolz darauf sein und gewärtige nur, daß Sie mir
  die Bedingungen vorschrieben! Wer weiß wie Sie die Leyer der Sage zu
  rühren und bei aller historischen Tendenz ist doch ganz und gar kein
  Zwang weder in der Wahl des Gegenstandes, noch in der Behandlung.
  Hocherfreut über diese Gelegenheit, meinen Namen wieder in Ihr
  Gedächtniß zurückzurufen, erneuere ich angelegentlich den Ausdruck
  tiefgefühlter Verehrung und Ergebenheit
   Euerer Wohlgeborn
   gehorsamster Diener
   Frhr. _v. Hormayr_.
  Sie vergeben einer langjährigen Augenschwäche, den Übelstand, Alles
  fremder Hand zu diktiren.
  
   II.
   _Schloß Raitz_, 27. Juni 1825.
  Obgleich Ihre eigene Aussage, theuerster Freund, bekräftigt, daß Sie es
  mit Ihrer Correspondenz, selbst gegen gekrönte oder zu krönende Häupter
  eben nicht allzu gewissenhaft zu nehmen pflegen, erlaube ich mir doch,
  Ihnen eine Briefetikette vorzuschlagen, die Ihnen weder viel Zeit, noch
  viel Mühe kosten wird und von der Etikette des alten französischen
  Hofes erborgt ist, wo man bekanntlich, nur mit einem einzigen Wort auf
  alle Fragen antworten durfte. -- Es sollte sie zwar auch in München ein
  Briefchen von mir ereilt haben, allein das thut nichts zur Sache. --
  Schreiben Sie mir nur gütigst wenige Buchstaben und wenige Ziffern auf
  die rückwärts stehenden Fragen, durch den Überbringer dieses. -- Das
  ganze Salmische Haus grüßt Sie hochachtungsvoll und mit den allerbesten
  Wünschen. -- Anschütz empfiehlt sich voll Dank und Verehrung Ihrem
  Gedächtniß.
   Ganz der Ihrige
   _Hormayr_.
  
   I.
  Haben Sie den gütigst übernommenen Brief und Paquet richtig zu
  behändigen Gelegenheit gehabt?
   Ja. Nein.
  
   II.
  Wie lange bleiben Sie in Dresden und wann gehen Sie nach Töplitz?
   Datum.
  
   III.
  Wann ist es Zeit, gegen den Nachdruck Ihrer Werke, die gehörigen
  Schritte zu thun und Ihnen die diesfälligen Formulare zuzusenden?
   Datum.
  
   III.
   _Wien_, am 20ten November 1826.
  Wäre ich an Divinationsgabe nur einigermassen dem Pfarrer von S.
  Sulpice zu vergleichen, so würde ich aus der Stellung ihrer Beine und
  Knie augenblicklich errathen, daß es die Beine und Knie eines überaus
  geistreichen und liebenswürdigen Mannes sind, der aber zur Abbüßung
  schwerer Jugendsünden, ein heiliges Gelübde gethan hat, Niemandem eine
  Zeile Antwort zu geben.
  Seit Sie Wien verließen, weis ich von Ihnen, zuerst durch einige höchst
  scharfblickende und liebevolle Zeilen des damaligen Kronprinzen,
  nunmehrigen Königs von Bayern, -- dann brachte mir der Schauspieler
  _Stein_ eine Karte, worauf zu meinem versteinernden Erstaunen
  sogar ihr Name und noch eine halbe Zeile eigenhändig standen, --
  zuletzt hat mir die liebenswürdige _Sophie Müller_ recht
  umständliche, meiner Ungeduld halb und halb genügende Auskünfte von
  Ihnen, von Ihrem Befinden und von Ihrer Familie gegeben. Noch Näheres
  hoffe ich dieser Tage durch Grillparzer zu vernehmen.
  Das Haus der Grafen Salm hat hieran den lebendigsten Antheil genommen.
  -- So wie ich selbst die tiefere Bekanntschaft Ihres Genius, (denn ich
  lese _alle_ Jahre _alle_ Ihre Werke einmal ganz durch,) der
  Gräfin Salm verdanke, so wünschte die ganze Familie nichts sehnlicher,
  als Sie einmal zu längerem Sommeraufenthalt auf ihrem Schlosse Raitz
  bei Brünn zu besitzen. -- Der älteste Sohn, Graf Hugo Salm, ist in Prag
  angestellt, Ihnen also recht nahe. -- Er hat seiner Mutter zu ihrem
  letzten Geburtsfeste, von dem talentvollen Prager Maler Führich, der
  jetzt nach Rom geht, einen Cyklus aus Ihren Elfen componiren laßen, den
  ich unendlich zart und genialisch finde. -- Von demselben Führich ist
  ein Cyklus aus Ihrer Genovefa, mir lieber, als alle Umrisse von Retzsch
  und Cornelius.
  Sophie Müller erzählte mir, sie habe Ihnen bereits kundgegeben, wie
  mich Ihr „_Dichterleben_“ entzückte, wie ich durch ganz Wien, die
  Honneurs desselben gemacht, es den Leuten auf die Brust gesetzt und
  Mehreren, mit Gewalt vorgelesen habe. -- Hier und in der Vorrede zu
  Heinrichs von Kleist dramaturgischem Nachlaß, fand ich meine eigenen
  Ansichten und Wünsche hinsichtlich der Nationalität der Tragödie
  und des historischen Drama siegend ausgesprochen. -- Aber was soll
  ich Ihnen sagen von dem Krieg in den Cevennen, in dem ich beinahe
  jeden Tag wieder lese und über die einzelnen Partien desselben recht
  eigentliche Studien mache? -- In unserer deutschen Literatur hat
  dieses Meisterwerk nicht seines Gleichen und ich zweifle sehr, ob in
  irgend einer andern? Da ich selbst den Tyrolerkrieg von 1809 geleitet
  habe und den Gebirgskrieg und den Volkskrieg genau kenne, mögen Sie
  auch die Steigerung des Eindruckes ermessen, den die ungeheure,
  psychologische Wahrheit, die grandiose Anordnung des Ganzen, die
  präcise Charakteristik, die hohe Ruhe in der beständigen Unruhe, das
  Unbewegliche im ewig Beweglichen, auf mich gemacht haben. -- Ich weiß
  diesen Eindruck mit Nichts zu vergleichen, seit langen Jahren in
  unserer wahrlich verhängnißreichen Zeit.
  Aber um des Himmelswillen, wie haben _Sie_ es über sich vermocht,
  den ersten Theil _allein_ herauszugeben. -- Das heißt, die Leute
  bei den Haaren aufhängen und die Schwachen mit aller Gewalt irre
  machen. -- Solche Reitze vertragen wenige, ohne endliche Befriedigung.
  Ist aber doch ernstliche Hoffnung, daß der zweite Theil =bald=
  nachfolge? daß er nicht ~ad Calendas Graecas~ hinausgeschoben
  werde? -- Was Sie bereits gegeben haben, ist so bewundernswürdig, so
  zart und zugleich so groß, daß Sie die Gesundheit und die Nerven aller
  echten und rechten Leser zu verantworten haben und daß Sie meinen
  Kindern dafür responsabel sind, wenn auch über mich in allem Ernst der
  Geist des Herrn kömmt und ich mich auf ein Haar so gebärde wie der
  lange, blöde Michel! -- Was nur unser dicker Friedrich Schlegel dazu
  sagen wird? Ich denke, er macht eine bedenkliche Miene, darauf einen
  schlechten Witz und ärgert sich zuletzt, daß nichts anders heute Abends
  zum Souper kommen soll! So ist in der That sehr zu beklagen, daß ein
  _solches_ Talent _so_ endigt! daß es in all den mystischen
  Grimassen nicht einmal ~de bonne foi~ ist und daß ihm diese
  mühsame Hypokrisie noch obendrein schlecht genug bezahlt wird, ja, daß
  er gar keine Partei für sich hat, außer einige Mönche, einige junge
  Leute, die er noch ins Narrenhaus bringen wird und eine Dame, die er,
  wie die Leute sagen, auszieht, was ich eben nicht glauben will, die
  aber eine boshafte Thörin ist.
  In der That, wenn Sie auch dem Gelübde nicht abtrünnig werden können
  noch wollen, Niemandem eine Zeile zu antworten, so könnten Sie mich
  doch durch dritte Hand wissen laßen, bis wann Hoffnung ist, daß der
  zweite Theil erscheinen werde? -- In den Almanachen, die mir bisher
  unter die Hände kamen, suchte ich vergebens nach einer Novelle von
  Ihnen, weiß auch kein Wort, was wir sonst hoffen dürfen? und wie es mit
  der Herausgabe Ihrer sämmtlichen Werke stehe?
  Das Theater macht Ihnen wohl noch hübsch viel Galle? -- Das ist nun
  einmal nicht anders. -- Die Wiener und Berliner Direktionen wetteifern
  darin mit einander, das Problem zu lösen, wie man mit einem Verein der
  ausgezeichnetsten Kräfte so wenig als möglich leisten könne? -- Die
  Censur gibt den Herren freilich leider manche Entschuldigung an die
  Hand, allein nichts destoweniger könnten sie weit mehr thun, als sie
  wirklich leisten. -- Anschütz bezeigte Ihnen seine tiefe Verehrung. Das
  ist doch noch ein Mensch, mit dem es eine Freude ist, von Ihnen und von
  Ihren Werken zu sprechen und der eben so die Alten, wie den Shakespeare
  in der Ursprache zu lesen vermag. --
  Genehmigen Sie mit gewohnter Güte den erneuerten Ausdruck der wärmsten
  Theilnahme des Salmischen Hauses und meiner unwandelbaren Bewunderung
  und Anhänglichkeit.
   Ganz der Ihrige
   _Hormayr_.
  Meine Addresse ist: Nr. 707 am alten Fleischmarkt, dieselbe Wohnung, wo
  wir so glücklich waren, Sie zu sehen.
  
   IV.
   _Wien_, am 27. September 1827.
  Ich benütze sehr gerne die Gelegenheit einer, die Dresdner Gallerie
  besuchenden Künstlerin Therese Eisl, Wittwe eines im Fache der
  Archäologie und der rationellen Landwirthschaft verdienten
  Schriftstellers, um Ihnen, verehrungswürdigster Freund! ein Zeichen des
  Lebens zu übersenden und die hochachtungsvollsten, freudig erneuerten
  Grüße von mir und von der gräflich Salm’schen Familie, die wir uns Alle
  in gleichem Maße der Anbetung nach Ihrem Wiedersehen sehnen, aber auch
  die bittern Vorwürfe des gesammten Deutschlandes theilen, über das
  nicht genug zu beklagende lange Ausbleiben des IIten Theiles
  Ihres unübertrefflichen Aufruhrs in den Cevennen. -- Das heißt doch
  wirklich dem Publikum mehr aufladen, als es zu tragen vermag -- und
  was wäre das für ein Publikum, das diese, je wildere, desto heiligere
  Ungeduld, nicht aus ganzer Seele theilte!?
  Ranke hat mir Ihre theuren Zeilen übergeben, -- ich hoffe, ihm nützlich
  gewesen zu seyn, ich hoffe auch, daß er alle seine Zwecke gloriös
  erreichen wird.
  Es freut mich unendlich, daß Raumer mit meiner Anzeige seiner
  Hohenstauffen zufrieden ist. -- Es ist jetzt in der deutschen
  Journalistik ein, nicht genug zu bekämpfender, abscheulicher Ton:
  nachsichtig gegen das Schlechte und Gemeine, verwöhnend gütig gegen das
  Mittelmäßige, aber unerbittlich gegen alles Gute und Treffliche.
  Scheuten Sie nur das Clima nicht so sehr, Sie hätten müssen nach
  München gehen, wo so viele Schätze altdeutscher Dichtkunst, wo das
  Theater einer so kolossalen Reform bedarf und der König ein so feuriger
  Bewunderer von Ihnen ist.
  Hochachtungsvoll umarmt Sie tausendmal
   Ganz der Ihrige
   _Hormayr_.
  
   V.
   _München_, den 21. Februar 1828.
  Seit den letzten Dezembertagen befinde ich mich in München, in
  archivarischen Forschungen, sowohl um die Vorarbeiten zu meinem
  großen Werk über die vorzugsweise romantische Heldendynastie der
  _Babenberger_ zu vollenden, als auch, nach dem Wunsch und nach dem
  Rufe des Königs, eine _Geschichte Bayerns_ bis zum westphälischen
  Frieden zu schreiben. -- Wie diese Arbeiten auch immer ausfallen
  mögen, bleibt es doch gewiß ein großer Gewinn für die Historie
  des ganzen südlichen und mittleren Deutschlands, daß ich, der die
  österreichischen, böhmischen und ungarischen Archive reorganisirte,
  und daher genau kennt, auch noch zu dem Überblick der bayerischen und
  fränkischen und zum Theil der schwäbischen komme. Beynebens trachte
  ich eifrig jene chinesische Mauer zwischen dem österreichischen
  und deutschen Buchhandel hie und da einzureissen, in der sichern
  Überzeugung, daß die Geschichte der süddeutschen Länder durchaus nicht
  isolirt, sondern nur im strengen Zusammenhang mit glücklichem Erfolge
  behandelt werden könne. -- Ich schmeichle mir auch, neues Leben in
  die hiesigen archivarischen Forschungen gebracht zu haben, da die
  historische Klasse der Akademie, ganz uneingedenk ihres alten Ruhmes,
  den Aufschwung des Königreichs nicht getheilt, sondern die letzten 25
  Jahre in einem förmlichen Winterschlaf zugebracht hatte.
  Professor Rauch aus Berlin ist gestern wieder dahin zurückgekehrt,
  nachdem er die Vorbereitungen zum künftigen Gusse seines sitzenden
  Bildes des verstorbenen Königs angeordnet hatte. Ich freute mich innig,
  Rauch so enge Ihrem geistreichen Bruder verbunden zu wissen. Er war
  erstaunt über die hiesigen Kunstschätze, sowohl aus dem griechischen
  und römischen Alterthum, als auch in der altitalienischen und
  altdeutschen Malerey, nicht minder über die Kunstschule, die sich hier
  bildet unter Cornelius, Julius Schnorr und Heinrich Heß. -- Wer München
  vor 20 Jahren gesehen hat, kann es unmöglich wieder erkennen. Es ist
  nicht allein eine ganz neue Stadt geworden, sondern auch eine Masse
  von Kenntnissen, Streiflichtern und heller Tagsbeleuchtung, die nur
  noch wenige Zuckungen und Nebel der altbayerischen Schlagschatten zu
  überwinden haben. -- Als 1799 König Max Joseph die Regierung antrat,
  wollte Niemand der Königin protestantischen Hofprediger Schmidt in
  eine Wohnung aufnehmen, und man war gezwungen, ihm bey Hof Quartier
  zu geben. -- Wie ganz und gar ist darin Alles umgestaltet und Alles
  anders -- und in noch wie vielen andern Dingen?! -- Mit Unrecht würde
  man den König einer katholischen Einseitigkeit beschuldigen. Er hat
  sich vielmehr stark und entschieden gegen die Jesuiten und gegen die
  Kongregation ausgesprochen, und wacht strenge über die Gleichheit
  der Rechte beyder Religionspartheyen. -- Was etwa in dieser Hinsicht
  früher zuviel geschehen ist, das hat die Wohldienerey dieses und jenen
  Werkzeugs verschuldet, das der König, so wie er es gewahr wurde,
  ernstlich gerügt und abgewiesen hat. -- In 10 Jahren hat München gewiß
  ein unerwartet großes, intellectuelles und künstlerisches Übergewicht,
  zumal je verblendeter und ärger Zensur und Geistesdruck ostwärts ihr
  lichtscheues Wesen treiben.
  Witt-Döring, den ich übrigens gar nicht gesehen oder begegnet, desto
  mehr aber von ihm gehört, wollte seine (von Osten wie von Nordost
  her) inspirirte Jakobiner- und Demagogen-Riecherey auch in München
  fortsetzen, wo er binnen 7 Tagen Alles durcheinander hetzte und
  verwirrte, ein unglückliches Duell veranlaßte, und zum Federführer
  der Hoch-Torys gerufen schien. -- Der König hat ihn fortgejagt -- und
  wahrlich, die Epoche der jetzigen Ständeversammlung bedurfte keines
  neuen Brandlegers. -- Zugleich erschien in mehreren öffentlichen
  Blättern ein, hier mit allgemeinem Beifall gelesener Aufsatz über
  Witts niedrige Ausfälle und unaufhörliche Denuntiationen wider mehrere
  geehrte deutsche Dichternamen. Ich schicke denselben als ein pikantes
  ~Novissimum~.
  Schenks Belisar hat ja in Weimar sehr viel Glück gemacht? -- Ich höre
  Adam Müller spitze gewaltig die Feder zu jesuitischer Polemik? -- Daß
  doch die Leute geschwiegen haben, wo sie hätten reden sollen, und nun
  reden, wo sie lieber schweigen sollten. -- Es ist nichts hübscher,
  als die Frau seines Gastfreundes zu entführen, zu heirathen, dabey
  hyperkatholisch zu seyn, und Bonald über die =Unauflösbarkeit= der
  katholischen Ehen, im Geiste des Trientner Conciliums zu übersetzen. --
  Wellingtons und Huskissons Erklärungen sind ein neuer Beweis, wie eitel
  die Hoffnung sey, die Welt rückwärts zu drehen.
  Die Familie Salm empfiehlt sich hochachtungsvoll Ihrem Andenken, und
  hofft, _Sie_ doch einmal wieder in Wien oder in den böhmischen
  Bädern oder bey sich auf dem Schlosse Raitz zu begrüssen.
  Ist denn um Gotteswillen gar keine Hoffnung auf die Fortsetzung der
  Cevennen? -- War Raumer zufrieden mit Paris?
  Mein brüderlicher Freund Schenk war entzückt über Ihre Bemerkungen
  zum Belisar. -- Solche Reflexionen müssen es freilich seyn, um nur
  einigermassen zu trösten über die erbärmliche Gehaltlosigkeit fast
  aller mimischen und dramaturgischen Critiken. --
  Der König Ludwig gedenkt Ihrer stets mit dem ausgezeichnetsten
  Wohlwollen. Ich umarme Sie herzlichst mit der innigsten Verehrung und
  mit der alten freundschaftlichen Ergebenheit.
   Ganz der Ihrige
   _Hormayr_.
  
   VI.
   _München_, am 15. Oktober 1830.
  Nur um wenige Minuten, mein unvergeßlicher, theurer Freund, habe ich
  Sie bey Ihrer Abreise von München verfehlt und wie ich höre, ist es
  der Frau Ministerin von Schenk in Regensburg auch nicht viel besser
  ergangen. -- Mit mir gab es aber noch einen komischen Zufall. Ich fuhr
  Ihnen auf der Stelle nach in die Schleißheimer Allee, in der Gewißheit,
  Sie noch einzuholen und Ihnen noch einmal zum Abschiede die Hand zu
  drücken. Auch erreichte ich glücklich binnen einer halben Viertelstunde
  einen Wagen, der nach der Beschreibung dem Ihrigen glich, aber um des
  Regens willen ganz zugeknöpft war, sprang aus, hielt den Wagen an
  und bat, das Leder aufzuknüpfen, weil ich mich noch gerne von Ihnen
  beurlauben wolle; statt dessen aber sah gar bald ein kupferrothes und
  grimmiges Gesicht zum Wagen heraus, versichernd, der Inhaber dieser
  Schnautze sey kein Hofrath Tieck, sondern ein Bierbräuer von Erding,
  der es mir keineswegs gut aufnahm, daß ich ihn aufgehalten hatte.
  -- Ich fuhr also voll Ärger unverrichteter Dinge wieder zurück und
  drücke Ihnen jetzt noch einmal meine Freude aus, Sie so wohl und so
  heiter gesehen und von Ihnen selbst die langersehnte, ernstliche
  Fortsetzung der Cevennen erhalten zu haben. -- Jetzt ist wohl auch
  Raumer glücklich bei Ihnen angekommen, den ich tausendmal umarme. --
  Er möge sich den Kronprinzen von Bayern, den ich voriges Jahr in der
  Historie unterrichtete, beßtens empfohlen seyn lassen und ihn so oft
  als möglich sehen. -- Der schöne und hoffnungsvolle junge Herr hegt
  eine ungemeine Vorliebe für Geschichte und Dramaturgie. -- Welcher
  
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