🕥 31-minute read

Briefe an Ludwig Tieck (2/4) - 03

Total number of words is 4047
Total number of unique words is 1579
38.8 of words are in the 2000 most common words
52.2 of words are in the 5000 most common words
58.9 of words are in the 8000 most common words
Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  trägt kein Bedenken, die angebotene Dedication anzunehmen. König und
  Königinn haben mir bestimmt aufgetragen, Ihnen das innigste Bedauern
  auszudrücken, wieder des ganzen Wertes Ihres Umganges beraubt gewesen
  zu sein. Beide bitten Sie inständigst, doch ja fortzufahren, troz
  der Frühlingslüfte Ihre Gesundheit schonend zu pflegen. Ich arbeite
  trübe an dem zweiten Theil des Kosmos, von dem ich nächtlichst (denn
  die gesellschaftlichen, deprimirenden Störungen sind endlos gewesen)
  doch die Hälfte fast schon gedruckt sehe. Das tragische Unglück meiner
  Familie, der Tod des armen Spaniers Enrique Gil den ich pflegte,
  ein 4tägiger Blutsturz von H. Ackermann, der lungenkrank Berlin
  und die Werke Friedrichs II. auf immer verlassen muß, die
  trostlosen, Unglück bereitenden Polnischen Zustände... haben mich so
  wenig aufheitern können, als der heutige litterarische Artikel der
  Staatszeitung, in dem man durch 16 Verse, die unter den 1660 Versen
  des Agamemnon ausgewählt werden, meinen Bruder zu züchtigen hofft. Die
  Spener’sche (?) Zeitung wird morgen meine Antwort enthalten. Ich handle
  nach dem Princip der Polnischen Insurgenten, die zeigen wollen, daß
  sie noch existiren. Mit alter Anhänglichkeit
   Ihr
   gehorsamster
   _A. v. Humboldt_.
  
   XVIII.
   _Potsdam_, 10. Mai 1848.
  Wenn ich Ihnen, mein theurer, verehrtester Freund und College so
  spät auf Ihre freundlichen Zeilen antworte, so ist es nur weil ich
  erst gestern Abend von Illaire die sichere Nachricht empfangen habe,
  daß der so vielbegabte, sprachgelehrte L. wirklich den erbetenen
  Geldvorschuß vom König erhalten wird. Das Gelingen, so elend klein
  auch die Summe noch ist, war wie ein Wunder, da seit dem Erd- und
  Staatsbeben vom 18ten Merz im Geh. Cab. alles abgeschlagen wird und
  der Minister keiner die Schwachheit hat zu glauben daß Kunst und
  Wissenschaft etwas noch die constitutionelle Monarchie veredelndes
  haben. In einem eigenen schriftlichen Berichte über L. hatte ich
  mich neben Grimm und dem hier heilig glänzenden Namen Beckedorf ganz
  besonders auf Ihre Gunst gestützt, auch wieder aus Joh. Damascenus
  _etwas_ vorgelesen. Ich sage etwas, denn außer der nüchternen neuen
  Staatszeitung und den langweiligen meerumflossenen Schleswiger
  Berichten (~parturiunt montes!~) ist in dem zahlreichen Familienkreise,
  in dem allbewohnten Cellulargebäude, das man das Schloß nennt, an
  eigentliches litterarisches Vorlesen nicht zu denken! Über Sich Selbst
  mein theurer Freund, und die Gesinnungen, die für Sie hier herrschen,
  müssen Sie nicht irren. Ihr Name wird bei König und Königin immer
  mit Zärtlichkeit genannt. Wie die Wohnungsangelegenheit durch Andere
  behandelt worden ist, weiß ich leider! nicht, aber bei König und
  Königin habe ich ununterbrochen die freundlichsten Äußerungen über Sie
  vernommen. Der König, den ich nach dem unbeantworteten Gedichte zum
  Geburtstag befragt, war tief betrübt darüber: er ist aber wirklich ohne
  Schuld, weder er, noch die Königin, noch Illaire haben je das Gedicht
  gesehen. Alle antworten: wie können Sie voraussezen, „man würde sich
  nicht eines Gedichtes von Ludwig Tieck erinnern?“ Wer, theurer Freund,
  soll es übergeben haben? Schicken Sie mir ja eine Abschrift davon für
  die Königin: sie legt großen Werth darauf, auch der König, dessen
  _heiterste_, _sorgenlose_ Liebenswürdigkeit dieselbe geblieben ist. Wie
  -- -- -- (?) elende Wahlen! auch unser Friedrich Raumer nicht! Dazu das
  _erbliche_ Kunstwerk von Dahlmann und den 50 Dilettanten in Frankfurth,
  die unberufen den Bundestag regieren und Preußen mediatisiren! Könnten
  Sie denn nicht einmal hier bei dem Könige speisen? Es würde große
  Freude machen. Man _wagt_ es nicht, Sie einzuladen, in der Furcht die
  ich auch theile, Ihnen zu schaden.
   Mit alter Liebe und Verehrung
   Ihr
   _A. v. Humboldt_.
  Meine Gesundheit ist nur erträglich, aber ich habe mich eifrigst
  in die Arbeit geworfen. Kosmos Th. III. und eine neue (3te)
  sehr vermehrte Auflage der Ansichten der Natur. Ich möchte auch als
  _Arbeiter_ Geld gewinnen, da uns noch einige unsanfte Blutungen
  bevorstehen mögen.
  
   XIX.
   Sonntags.
  Mein theurer, verehrter Freund! Eine starke Erkältung, die mir die
  nothwendigen und häufigen Eisenbahnreisen zuziehen, hindert mich
  heute wieder, Ihnen das „Hohe Lied“ selbst zu bringen. Ich habe heute
  wieder auf _mehrere_ Briefe und Zusendungen des vortreflichen
  ~Dr.~ Böttcher freundlichst geantwortet. Der Mann träumt poetische
  Vorlesungen, da, wo es sich um „Sein und Nicht Sein“ handelt -- --
  -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --
  -- -- Ich gehe unter. Sie rettet geistig Ihre Einsamkeit. Mit alter
  unverbrüchlicher Verehrung
   Ihr
   _A. v. H._
  Rückert’s Festgedicht ist wenigstens _durch mich_ nicht an die
  Königin gelangt.
  
   XX.
   Dienstag.
  Ich schreibe, mein theurer Freund, diese Zeilen unbequem und also noch
  schiefer, als gewöhnlich, in meinem Bette, an das ich seit einigen
  Tagen durch rheumatisches Unwohlsein gefesselt bin. Ihr Brief hat
  mich tief geschmerzt, es ist der erste Kummer den ich empfunden,
  seitdem ich in das Vaterland zurückgekehrt bin. Woher auf einmal ein
  solcher Argwohn gegen mich, der, seitdem wir das Glück haben, Sie
  den unsrigen zu nennen, nie abgelassen hat dieses Glück zu feiern,
  den nie etwas getrübt hat, auch nicht der alte Tragiker (?), der
  mir, mit einem Unrecht, das ich Ihnen und dem König zugleich anthat,
  wie eine verfinsternde Wolke erschien. Ich soll Ihnen aus den schon
  gedruckten Bogen freundlicheres vorgelesen haben, als der Kosmos
  bringt. Mein Gedächtniß giebt mir auch auf das Entfernste nichts
  wieder, die Correcturbogen (es waren nicht Aushängebogen; denn ich
  lasse immer 8-10 Bogen, wie es Cotta erlaubt, zugleich abziehen und
  ändere durch das, was auf dem Rand daneben geschrieben wird, bis zum
  lezten Augenblick) sind zerstöhrt und Professor Buschmann erinnert
  sich ebenfalls keiner Veränderung, er wird sehen ob er im ältern
  Manuscripte, ~variantes lectiones~, auffinden kann. Ich rühme mich
  Ihrer „edlen Freundschaft,“ ich rühme mich dessen was ich dem „tiefsten
  Forscher alter dramatischen Litteratur“ verdanke. Habe ich vielleicht
  durch an den Rand zugeschriebene Worte, die in der lezten Correctur
  vergessen worden sind, die Worte „tiefster“ und „edel“ verstärkt, das
  weiß nicht ich, der ich mein Leben mit Correctur zubringe und das
  Gefühl habe, daß man die drei Heroen unseres Vaterlandes, Göthe, Tieck
  und Schiller nicht zu rühmen, durch Epitheta zu rühmen unternehmen
  darf. Die zwei Bände des Cosmos sind deutsch stereotypirt, und es waren
  in der 6ten Woche vom 2ten Bande allein 10,000 Exemplare abgezogen,
  aber auch in dem schon Stereotypirten kann ich ändern lassen. Es
  kommt dazu mit dem dritten Bande eine 2te Auflage der ersten 2 Bände
  heraus. Wenn theuerster Freund Ihr Gedächtniß treuer, wie das meinige
  ist, so beschwöre ich Sie mir die fehlenden Worte recht einfach
  niederzuschreiben. Wir werden sie wieder aufglimmen sehen, aber bei
  Gott! Betrug oder Lieblosigkeit kann nicht im Spiele gewesen sein. Mir
  erscheint es beängstigend, wie ein verhängnißvoller Spuck, wie ein
  böses Traumgesicht, das sich zwischen Freunde drängt.
  Ich will eine Wunde ganz anderer Art nicht berühren, den
  schmerzlichsten Verlust, den Sie erleiden konnten. Ich war in Paris
  ernsthaft um Sie, mein theurer Freund, besorgt. Wie vielen Dank bin ich
  Waagen schuldig, daß er mich so liebevoll beruhigt hat. Es war eine
  Frau von einem großen Sinn und Gemüthe.
  Ich bitte innigst, daß Sie mir in die Wohnung von Fr. Lenz schreiben,
  damit ich Sie einladen kann, sobald ich das Bett verlasse. Mit alter
  Verehrung und Freundschaft
   Ihr
   _A. v. Humboldt_.
  
   XXI.
   Freitags.
  Wie soll ich Ihnen lebhaft genug für Ihren freundlichen Brief danken.
  Ossa und Pelion bedecken längst den Spuck, dessen Lösungswort Sie,
  Böser, mir immer noch vorenthalten. Stand etwa in den Correcturbogen
  „der tiefste, geistreichste aller.....“ Das wäre immer noch schwach
  gewesen, gegen das, was die Welt empfindet. Ich schreibe noch aus’m
  Bette. Es ist ein kleines Schnupfenfieber, das wie eine Natter auf dem
  kalten Boden schleicht. Mit dankbarer Liebe,
   Ihr
   _A. v. Humboldt_.
  
  
  Jacobi, Friedr. Heinrich.
  
   Geb. zu Düsseldorf am 28. Januar 1743, gest. am 10. März 1819 in
   München. --
   Der Philosoph hat wichtige Werke über Spinoza und David Hume
   geschrieben; der _Dichter_ sprach aus „Woldemar“ und Allwills
   Briefsammlung; der _Mensch_, der Beide: den Poeten und den
   Weisen in sich vereinte, ist von seinen Zeitgenossen als eine der
   liebenswerthesten Persönlichkeiten geschätzt worden. Tieck hat
   seinem Gedächtniß mit ehrfurchtsvoller Liebe gehuldiget.
  
   I.
   (Ohne Datum.)
  Verzeihen Sie, verehrtester Freund, daß ich, gestört durch Aretin und
  Sömmerring, die letzten Zeilen Ihres Briefes übersah. Ich werde heute
  Abend nicht zu Hause seyn, der Beleuchtung wegen, die ich mit betreiben
  helfen muß. Morgen Abend bin ich höchst wahrscheinlich zu Hause: das
  Nähere darüber laße ich Ihnen in der Frühe sagen. Wir alle empfelen uns
  Ihnen und Ihrer Frau Schwester bestens.
   _Jacobi_.
  
   II.
   _Mittewoche_, d. 14. Dec. 1809.
  Wenn Sie, mein verehrtester Herr und Freund, wohl genug und dazu
  gestimmt sind, so lade ich Sie ein, gegen 12 Uhr zu mir zu kommen
  mit dem Niebelungen-Lied, damit ich Unglückseliger, nach so langer
  Unterbrechung, doch einmahl wieder etwas davon genieße. Sie theilen
  alsdann mein gewöhnliches Mittagseßen mit mir, zu dem ich auch Ihren
  Hrn. Bruder, wenn er vorlieb nehmen will, mit einlade. Der Gebrauch der
  anderen Hälfte des Tages wird sich finden.
   _Jacobi_.
  
  
  Jacobs, Christian Friedr. Wilhelm.
  
   Geb. am 6. Oktob. 1764 zu Gotha, gest. daselbst als
   Oberbibliothekar am 30. März 1847.
   Philologe und belletristischer Autor: -- Erzählungen, 3 Bände
   (1824-37). -- Schule für Frauen (1827-29). -- Vermischte Schriften,
   8 Bde. (1823-44).
  
   I.
   _Gotha_, d. 20. Oct. 1807.
  Da ich im Begriff bin, meine bisherige Stelle an der Bibliothek zu
  verlaßen, um einem Rufe nach München zu folgen, so nehme ich mir die
  Freyheit, Ew. Wohlgeb. zu bitten, die Codices, welche Sie noch in
  den Händen haben, nicht an mich, sondern an Herrn Rath Hamberger,
  zurückzusenden, etwa mit dem Zusatze auf der Adresse: _für Herzogl.
  Bibliothek_, wodurch sie für uns portofrey werden. Könnten Sie
  auch die Zurückgabe etwas beschleunigen, so würden Sie uns dadurch
  verbinden. Ein Bibliothekar schläft nie ohne Sorgen, wenn er die
  wenigen Schätze des ihm anvertrauten Vorraths in der Ferne weiß; auch
  ist gerade nach diesen Handschriften öfters Nachfrage gewesen.
  Sollte ich an meinem künftigen Wohnort, in der Nähe einer der reichsten
  und mit der Beute so vieler Klöster angefüllten Bibliothek, Ihnen
  diesen oder jenen Dienst leisten können, so rechnen Sie auf meine
  Bereitwilligkeit, und seyn Sie versichert, daß ich es mir zur Freude
  mache, Ihnen Beweise der ausgezeichneten Hochachtung zu geben, mit der
  ich bin
   Ew. Wohlgeb.
   ergebenster
   _Fr. Jacobs_.
  
   II.
   _Gotha_, d. 3ten Juli 1827.
   _Verehrtester Freund_.
  Soeben erhalte ich Ihre Zuschrift vom 30ten Jun. und eile darauf zu
  antworten, um, so viel an mir liegt, Ihren Wünschen zu entsprechen.
  Herr † † † ist mir mehr durch Andre, als durch eigene Kenntniß bekannt.
  Nachdem er nothgedrungen geheirathet hatte, fing er an, bald in
  Göttingen, bald in Leipzig zu studiren, und machte bey vorkommenden
  Gelegenheiten mittelmäßige Verse, für die er einigemal durch fürstliche
  Munificenz kärglich genug, aber immer noch über Verdienst, belohnt
  worden ist. Jetzt hält er sich, wie ich höre, in Leipzig auf.
  Der Gedanke B.’s Leben zu schreiben, kann wohl nicht in seinem Kopfe
  gekeimt seyn. Er ist aber ein Freund Ihres Neffen, des jungen B., der
  mit ihm vor etwa 6 Wochen hierher gekommen, und seine Wohnung zuerst
  bey † † † Frau genommen hat, um wie er mir sagte, die Bibliothek zu
  benutzen, die er auch in den ersten Wochen seines hiesigen Aufenthaltes
  fleißig besucht hat. Wahrscheinlich erhält † † † die Materialien zu
  B.’s Leben von diesem Freunde.
  Ohne Zweifel wird diese Nachricht Sie in den Stand setzen, Maasregeln
  zu ergreifen, einem Ihnen unangenehmen Ereignisse vorzubeugen. Ich
  kann kaum zweifeln, daß das ganze Unternehmen eigentlich in den Händen
  Ihres Neffen liegt, ob er mir gleich nichts davon verrathen hat. Sobald
  dieser von Ihnen erfährt, daß Sie dem unbefugten Unternehmen Ihre
  Einwilligung versagen, wird er ja wohl Verzicht darauf thun. Kann ich
  Etwas dazu beytragen, diese Angelegenheit zu Ende zu bringen, so werde
  ich es mit Vergnügen thun.
  Die Erinnerung an unser Zusammenseyn in München und an die schönen
  Abende, die Sie meinen Freunden und mir verschafften, ist mir immer
  gegenwärtig, und erneuert sich beym Lesen jeder Ihrer Schriften auf
  das lebhafteste. Werden Sie uns nicht bald mit der Vollendung Ihrer
  herrlichen Cevennen erfreuen? Sie sind hier aus einer Hand in die andre
  gegangen.
  Erhalten Sie mir Ihr freundschaftliches Wohlwollen, und genehmigen die
  Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung, mit der ich bin
   Ihr
   ergebenster
   _Fr. Jacobs_.
  
  
  Jagemann, Caroline.
  
   Geb. zu Weimar 1778, gestorben zu Dresden 1847. Erste
   Schauspielerin des weimarischen Hoftheaters, durch ihren
   fürstlichen Freund zur „Frau von Heygendorf“ erhoben.
   Ihr Brief wurde aufgenommen, theils weil sie, sowohl durch ihr
   intimes Verhältniß zu Karl August, als auch durch ihre Stellung
   zu jener ewig denkwürdigen Bühne eine historische Figur geworden
   ist; theils aber auch, weil er Kennern der Schauspielkunst tiefen
   Einblick gestattet in die leichtsinnige Zuversicht, womit wir in
   Deutschland die Vorstudien dramatischer Darstellung behandeln --
   -- dürfen! Eine Künstlerin von anerkanntem Rufe, von _langer_
   Praxis und Erfahrung, dressirt eine Anfängerin, welche „nicht gehen
   und nicht stehen kann,“ binnen kürzester Frist so vortrefflich,
   daß selbige Schiller’s Maria Stuart „auf jeder Bühne darstellen
   könnte!“ --
   Man glaube nicht, daß dergleichen Wunderwerke Ausnahmen sind. Sie
   tragen sich alltäglich zu, werden von enthusiastischem Beifall
   belohnt. -- Deshalb stehts auch mit unserm Theater gar so gut!
  
   _Brückenau_, d. 25t. Juli 42.
   _Theuerster Herr Hofrath_.
  Schon längst wollte ich mir die Freude machen, Ihnen zu schreiben,
  indem ich glaubte auf Ihre Verzeyhung rechnen zu dürfen, die Sie sich
  mir immer so gütig und freundlich bewießen haben und es sogar meine
  Pflicht ist, Ihnen für die menschenfreundliche Aufnahme, welche die
  Schwabhaussen von Ihnen erfahren, meinen wärmsten Dank auszusprechen.
  Nehmen Sie ihn Liebster Herr Hofrath gütig auf und erlauben mir über
  dieselbe meine Ideen und Ansichten Ihnen mitzutheilen. Sie kam neml.
  zu mir und indem sie mir ihre traurige Lage schilderte -- (sie hat
  eine kränkliche Mutter und die kleine Stadt bietet nur spärliche
  Erwerbsmittel), bat sie mich so dringend, ich möchte versuchen, ob sie
  nicht vielleicht so viel Talent hätte, um dadurch auf dem Theater ihr
  Fortkommen finden zu können; daß ich es für Härte gehalten haben würde,
  sie zurückzuweißen und ohne Prüfung ihre Hoffnungen zu vernichten.
  Sie laß mir die Leonore in dem Stükk gleichen Namens, und ich fand,
  sie laß mit Ausdruck und Verstand. Ob mehr aus ihr hervorzubringen
  seyn würde, mußte ich versuchen, indem ich ihr die Iphigenie in meiner
  Weiße vorlaß, und sie nun in der gehörigen Deutlichkeit, in steigen und
  Fallen der Töne mich imitiren mußte. Es gieng über Erwartung gut für
  eine _solche_ Anfängerin. Sie hatte mich neml. verstanden. Hieraus
  schöpfte ich die Hoffnung oder vielmehr den Schluß, es fehle ihr nicht
  an Auffassungsgabe, und da ich mir vorgenommen hatte, keine Mühe zu
  sparen, sie sich auch unverdrossen zeigte hundertmahl Wiederholungen
  dießer oder jener Stelle; so zweifelte ich nicht, es werde ein Resultat
  herauskommen was meinen Wünschen und meinen Bemühungen entspräche.
   _Weimar_, d. 1ten Aug.
  So lange mußte ich die Fortsetzung dießer Zeilen verschieben. Die
  Aufforderungen, die herrliche frische Luft zu genießen in dem
  wunderschönen Brückenau waren zu mächtig. Doch vorgestern hier
  angekommen, will ich vollenden, was ich vielleicht zum Besten meiner
  bisherigen Schützlingin unternommen, und hoffe Liebster Herr Hofrath
  auf Ihre gütige Verzeyhung.
  Die Schwabh. konnte nicht stehn, vielweniger gehen. Ihr ganzes
  Wesen hat nicht eine Spur von der Leichtigkeit und Elegance die das
  Lustspiel erfordert. Ich machte also nur im Tragischen Versuche mit
  ihr, Studirte ihr die Tecla ein und mußte ihr zugleich die Füße
  setzen zu jedem Schritt und iedem Abgang. Es gelang aber zu meiner
  besondern Zufriedenheit, und gab mir den Muth gleich auf Maria Stuart
  überzugehen, eine Rolle in welcher sie mich nicht nur nach Verhältniß
  zufrieden stellte; sondern in einzelnen Stellungen in Ausdruck des
  Gesichts oft überraschte, und ich bin überzeugt, würde sie dieße Rolle
  so spielen, wie sie hier bey mir gethan; sie würde auf iedem Theater
  Glück damit machen. Eben so mit Griseldis, welches die dritte Rolle
  war, die sie bey mir einstudirt: Sie hatte noch die Catharine in
  Guttenberg gelernt, indeß dieße Rolle verlangt schon mehr Gewandtheit
  als die hochtragischen, und ich war mit ihr einverstanden, daß sie
  dießelbe erst besser würde spielen können, wenn sie etwas festen Fuß
  auf der Bühne würde gefaßt haben. Die Jungf. v. Orleans kann im Zimmer
  gar nicht einstudirt werden, denn immer tritt einem der Mangel an der
  Scenerie störend in den Weg, und selbst die größern Reden und Monologe
  gelingen vielleicht nur einer geübten Künstlerinn im Zimmer ohne die
  gehörigen Umgebungen einzulernen und auf die unbekannten Verhältniße
  der Bühne zu übertragen. Die Jeanne d’arc ist die einzige Rolle, in
  die auch ich mich niemals habe finden können. Es ist zu wenig darinnen
  Künstlerisches zu leisten. Warum aber die Schwabh. niemals hat erlangen
  können, sich wenigstens durch kleine Rollen auf der hießigen Bühne
  einige Routine zu verschaffen, das hat verschiedne Ursachen, die
  ich Ihnen mündlich lieber erzählen möchte. Ich bin billig genug zu
  vermuthen, daß H. v. Spiegel gefürchtet hat, sich durch die Protection
  theils der meinigen, theils derer des Publicums eine Last aufzuladen,
  wenn er die Schwabhaussen auch nur in kleinen Rollen hätte auftreten
  lassen, dieß ist gewiß _eins_ der Dinge, die sie des Glücks sich
  auf der Bühne bewegen zu können nicht theilhaft werden ließen. Nun
  aber geht sie nach Dresden, und anstatt sich in den Rollen zu zeigen,
  in denen sie _zum wenigsten_ Aufmerksamkeit erregen mußte; stellt
  sie sich dar in denen von denen sie selber weiß sie gelingen ihr für
  iezt noch nicht. -- Ich konnte nun weiter nichts für sie thun, als
  Ihnen theuerster Herr Hoffrath meine Meynung über ihre Fähigkeiten
  mittheilen, im Fall daß dieß ihr von Nutzen seyn könnte. Meine Meynung
  aber ist, daß sie nur für das hochtragische sich eignet. Ich würde eine
  gute Iphigenie, L. Macbeth, Sappho auch Elisabeth aus ihr zu machen
  mich getrauen. -- Noch einmal bitte ich Sie liebster Herr Hoffrath mir
  meinen langen langen Brief zu verzeyhen. Sie selbst aber sind so gut,
  daß Sie zum besten andrer, wohl auch etwas wagen würden. In dießer
  Zuversicht hoffe Sie erhalten mir Ihr Wohlwollen; und nehmen die
  Versicherung gütig auf das ich mit größter Hochachtung bin
   Ihre
   Ergebenste Dienerin
   _C. v. Heygendorf_.
  _Weimar_, d. 2ten Aug. 1842.
  
  
  Iffland, August Wilhelm.
  
   Geb. am 19. April 1759 zu Hannover, gest. am 22. Sept. 1814, als
   Generaldirektor der Königl. Schauspiele.
   Wie hart in seinen Urtheilen Tieck über diesen Mann gewesen; wie er
   erst spät, in reiferem Alter, die Gerechtigkeit dem Verstorbenen
   erwies, deren der _Lebende_ weder als Schauspieler, noch als
   Theaterdichter, noch als gewissenhafter Führer der Bühnenleitung,
   als treuer Diener seines Königes sich zu erfreuen gehabt,... das
   ist bekannt.
   In dem kleinen Briefchen vom 21. December 1799 liegt vielleicht der
   _Keim_ zu dem giftigen Unkraut, welches ein Jahr nachher schon
   üppig aufgeschossen war zwischen zwei edlen Gemüthern, die sich
   sonst leicht verständiget hätten.
   Sprach doch der _alte_ Tieck ungleich milder und wohlmeinender
   von Ifflands Verdiensten, wie einst der _junge_ Tieck darüber
   geschrieben! --
   Die zwei nachfolgenden Zuschriften sind, wie wir vernehmen, bereits
   in Teichmann’s Berliner Theatergeschichte abgedruckt. Sie liegen
   uns in der Original-Handschrift vor. Wahrscheinlich hatte Iffland,
   bevor er sie an Tieck sendete, Abschriften für die Kanzelei-Akten
   vorsichtigerweise zurückbehalten.
   Dem sey wie ihm wolle; wir haben darin keinen Grund gesehen, sie
   hier auszulassen.
  
   I.
   _Berlin_, am 21. Xbr. 99.
  Haben Sie das Vertrauen in mich, mir auf _drei_ Tage nur Ihre
  Arbeit zu senden. Ich will dann mit Gradheit[3], sogleich Ihnen
  dieselbe zurücksenden und sagen, was wir können, was wir nicht können.
  Ich hoffe alles für uns davon.
   Von Herzen der Ihre.
   _Iffland_.
  
   II.
   _Berlin_, den 14. Novbr. 1800.
  Euer Wohlgeboren haben bey Ihrem neulichen Besuch lebhafte
  Empfindlichkeit über eine Karikatur, ein Lustspiel Kamäleon geäußert,
  welches die Wirkung eines Hörensagens war, das Ihnen Verdruß gemacht
  hat und mir sehr leid war.
  Ich habe wahre Achtung für Sie und Ihr Verdienst empfunden und stets so
  gut ich konnte zu beweisen gesucht, deshalb fragte ich auf der Stelle
  bei Ihnen an, ob Sie das Stück ausgesezt verlangten.
  Sie bestimmten Sich damals nicht darüber, verlangen es iezt nicht,
  wünschen das Stück wiederhohlt, woran Sie Recht haben, auch durfte ich
  es nicht füglich zurücknehmen.
  Ich wiederhole Ihnen, daß ich mich völlig überzeugt hatte, wie weder
  auf Sie, noch irgend Jemand, der durch die Würde welche den Gelehrten
  ankündet Sich bewährt, mit dieser flachen Karikatur hat können gedeutet
  werden sollen, daher sehe ich auch nicht ein, weshalb -- wie Sie mir
  schreiben -- von Ihrer Seite etwas gesagt werden müßte. Vielmehr glaube
  ich, daß Mißverstand, den, wie Sie sagen, Einzelne genommen haben
  sollen, durch jede öffentliche Erklärung allgemeines Mißverständniß
  geben kann.
  Das von Ihnen neulich und gestern wiederhohlt zur Durchsicht verlangte
  Manuscript, ward von mir einzig in der Rücksicht verwilligt, damit Sie
  Sich überzeugen möchten, daß keine Beziehung darin vorkomme, die ein
  Gelehrter von gutem Bewußtsein, auf sich zu deuten Ursach habe.
  Pflichten gegen den Dichter, welcher der hiesigen Schaubühne ein
  Manuscript anvertraut, versagen mir jede Veranlaßung, daß sein Stück,
  an welchem er vor dem Druck ja noch ändern kann was ihm beliebt, und
  wovon bis er diesen Druck veranstaltet, durch das Sehen der Vorstellung
  nur, nicht durch kaltes Lesen geurtheilt werden soll, einer Prüfung
  unterworfen werde, für welche es noch der Dichter selbst nicht reif
  hält.
  Ihr Billet an mich, droht ausdrücklich mit einer solchen Untersuchung.
  Indeß will ich zur Ehre des Ihnen unbefangen und nicht zu einem solchen
  Zwecke gegebnen Wortes, mich mit meinem ältern Freunde abzufinden
  suchen und Ihnen das Stück übersenden aber auch nur Ihnen und in der
  gerechten Erwartung, daß Sie solches so bald zurückschicken als Ihre
  Durchsicht geendet ist und mit der unerläßlichen Bedingung, daß es in
  keine andern Hände komme, als in die Ihrigen. Denn Ihnen brauche ich
  ja nicht erst hinzuzusetzen, was sich von selbst versteht, daß die
  gedruckte Bekanntmachung einzelner Szenen, dieses von dem Dichter noch
  bloß für die Vorstellung bestimmten Lustspiels, von mir pflichtvergeßen
  sein würde und daß ich solche daher auch keinem andern verstatten darf.
   Mit Achtung
   Ihr ergebner
   _Iffland_.
  
   III.
   _Berlin_, den 22. Novbr. 1800.
   _Hochgeehrter Herr!_
  Die Thorheiten und Laster, welche durch gelungene Darstellungen auf
  der Bühne lächerlich und abscheulich gemacht werden, sind überall zu
  Hause. Einzelne Züge eines treffend geschilderten Charakters, müßen bei
  einzelnen Menschen zutreffen, wenn gleich diese Menschen dem Dichter
  und dem Künstler unbekannt waren, welche beide nicht individualisiren,
  sondern besonders ihre komischen Personen als Representanten einer
  Gattung Narren angesehen wißen wollen. Unerhört ist es daher, einen
  Geitzigen, einen Verläumder, einen Intriganten auftreten zu sehen,
  der dem Dichter und Künstler zuruft: haltet ein mit der Darstellung
  des Geitzes, der Verläumdung, der Intrigue: sie paßt auf mich! Nur
  Molierens Tartüffe soll eine ähnliche Wirkung hervorgebracht haben.
  Urtheilen Sie folglich was ich empfinden mußte, als ein Mann Ihrer
  Art zu mir kam, und mir klagte, der elende Schulberg werde auf ihn
  gedeutet. Ich konnte Sie in diesem Augenblicke nur für krank halten
  und wünschen, man hätte Sie lieber an einen Arzt als an mich gewiesen.
  Indeßen behandelte ich Sie wie einen achtungswürdigen Kranken, deßen
  man schont, wenn man ihn nicht zu heilen versteht. Ich fürchtete Sie
  durch Widerspruch ohne Noth zu reizen, ich gab Ihrer wiederhohlten
  Zudringlichkeit so viel nach, daß, wenn man etwas gewaltsam zu deuten
  entschloßen sei, gewiße übertriebne Ausdrücke Schulbergs die Sprache
  Friedrich Schlegels nachahmen zu wollen scheinen könnten; ich überließ
  es sogar Ihrem Ermeßen, ein Stück von der hiesigen Bühne auf einige
  Zeit zu entfernen, das freilich nur dann auf Sie angewendet werden
  kann, wenn man es nicht kennt. Ich sezte natürlicher Weise dabei zum
  voraus, daß Ihre beßere Besinnung zurückkehren, und Ihnen selbst in
  Kurzem sagen würde, was eigne Vernunft wohlthätiger als fremde geltend
  zu machen weiß.
  Sie haben mich mißverstanden und Ihr lezter Brief beweiset mir, daß Sie
  mehr als jemals von der Stimmung entfernt sind, auf welche Nachsicht
  und Mäßigung heilsam wirken. Aber was ich Ihnen vielleicht nicht mehr
  schuldig bin, kann ich doch meiner selbstwegen nicht aus den Augen
  setzen.
  Nein mein Herr! Sie sind nicht Schulberg und keiner Ihrer Freunde
  ist es. Keiner von Ihnen schmeichelt Sich für adlich zu gelten, ohne
  geadelt zu sein; keiner von Ihnen kriecht, schmarozt und borgt von
  kleinen Großen; keiner macht einem thörichten alten Weibe den Hof, um
  sich vor Pfändungen der Juden zu sichern, keiner von Ihnen verlebt
  seine Nächte in leeren Schilderhäusern und Portechaisen. Gott verhüte,
  daß es unmöglich werden sollte, einen pöbelhaften Schmierer und seine
  Rotte aufzustellen, ohne das Ideal dazu von Ihnen und Ihren Freunden zu
  entlehnen!
  Die Bibliothek der hiesigen Schaubühne würde in einen leeren Raum
  verwandelt werden, wenn jeder mißtrauische Mensch das Recht hätte, alle
  Schauspiele daraus zu entlehnen, in welchen etwa ein einzelner Zug
  vorkommt, wovon er einige entfernte Ähnlichkeit mit sich zu entdecken
  glaubt und die theatralischen Vorstellungen würden zulezt aufhören,
  wenn lauter solche Gebrechen dargestellt werden sollten, die im ganzen
  Lande nicht zu Hause sind.
  Ihre litterarische und physische Existenz vielleicht sogar Ihr Name,
  ist dem Verfaßer des Kameleons gänzlich unbekannt.
  Ich wohne iezt mit Ihnen an einem Orte und habe nichts von Ihnen
  gelesen, als Ihren Sternbald und Ihre beiden Briefe an mich. Die lezten
  hätte ich Ihnen gern erlaßen.
  
You have read 1 text from German literature.