Kant's gesammelte Schriften. Band V. Kritik der praktischen Vernunft. - 05

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dieser aber der Wille Ursache von den Objecten sein soll, so daß
die Causalität desselben ihren Bestimmungsgrund lediglich in reinem
Vernunftvermögen liegen hat, welches deshalb auch eine reine praktische
Vernunft genannt werden kann. |44.35|
Die zwei Aufgaben also: wie reine Vernunft =einerseits= _a priori_
Objecte =erkennen= und wie sie =andererseits= unmittelbar ein
Bestimmungsgrund des Willens, d. i. der Causalität des vernünftigen
Wesens in Ansehung der Wirklichkeit der Objecte, (blos durch den
Gedanken der Allgemeingültigkeit ihrer eigenen Maximen als Gesetzes)
sein könne, sind sehr verschieden.
Die erste, als zur Kritik der reinen speculativen Vernunft gehörig,
|45.5| erfordert, daß zuvor erklärt werde, wie Anschauungen, ohne
welche uns überall kein Object gegeben und also auch keines synthetisch
erkannt werden kann, _a priori_ möglich sind, und ihre Auflösung
fällt dahin aus, daß sie insgesammt nur sinnlich sind, daher auch
kein speculatives Erkenntniß möglich werden lassen, das weiter ginge,
als mögliche Erfahrung reicht, |45.10| und daß daher alle Grundsätze
jener reinen speculativen Vernunft nichts #78# weiter ausrichten, als
Erfahrung entweder von gegebenen Gegenständen, oder denen, die ins
Unendliche gegeben werden mögen, niemals aber vollständig gegeben sind,
möglich zu machen.
Die zweite, als zur =Kritik= der praktischen Vernunft gehörig, fordert
|45.15| keine Erklärung, wie die Objecte des Begehrungsvermögens
möglich sind, denn das bleibt als Aufgabe der theoretischen
Naturerkenntniß der Kritik der speculativen Vernunft überlassen,
sondern nur, wie Vernunft die Maxime des Willens bestimmen könne, ob
es nur vermittelst empirischer Vorstellungen als Bestimmungsgründe
geschehe, oder ob auch reine Vernunft |45.20| praktisch und ein
Gesetz einer möglichen, gar nicht empirisch erkennbaren Naturordnung
sein würde. Die Möglichkeit einer solchen übersinnlichen Natur,
deren Begriff zugleich der Grund der Wirklichkeit derselben durch
unseren freien Willen sein könne, bedarf keiner Anschauung _a priori_
(einer intelligibelen Welt), die in diesem Falle, als übersinnlich,
|45.25| für uns auch unmöglich sein müßte. Denn es kommt nur auf
den Bestimmungsgrund des Wollens in den Maximen desselben an, ob
jener empirisch, oder ein Begriff der reinen Vernunft (von der
Gesetzmäßigkeit derselben überhaupt) sei, und wie er letzteres sein
könne. Ob die Causalität des Willens zur Wirklichkeit der Objecte
zulange, oder nicht, bleibt den |45.30| theoretischen Principien
der Vernunft zu beurtheilen überlassen, als Untersuchung #79# der
Möglichkeit der Objecte des Wollens, deren Anschauung also in der
praktischen Aufgabe gar kein Moment derselben ausmacht. Nur auf die
Willensbestimmung und den Bestimmungsgrund der Maxime desselben als
eines freien Willens kommt es hier an, nicht auf den Erfolg. |45.35|
Denn wenn der =Wille= nur für die reine Vernunft gesetzmäßig ist, so
mag es mit dem =Vermögen= desselben in der Ausführung stehen, wie es
wolle, es mag nach diesen Maximen der Gesetzgebung einer möglichen
Natur eine solche wirklich daraus entspringen, oder nicht, darum
bekümmert sich die Kritik, die da untersucht, ob und wie reine Vernunft
praktisch, d. i. unmittelbar willenbestimmend, sein könne, gar nicht.
In diesem Geschäfte kann sie also ohne Tadel und muß sie von reinen
|46.5| praktischen Gesetzen und deren Wirklichkeit anfangen. Statt der
Anschauung aber legt sie denselben den Begriff ihres Daseins in der
intelligibelen Welt, nämlich der Freiheit, zum Grunde. Denn dieser
bedeutet nichts anders, und jene Gesetze sind nur in Beziehung auf
Freiheit des Willens möglich, unter Voraussetzung derselben aber
nothwendig, oder |46.10| umgekehrt, diese ist nothwendig, weil jene
Gesetze als praktische Postulate nothwendig sind. Wie nun dieses
Bewußtsein der moralischen Gesetze oder, welches einerlei ist, das
der Freiheit möglich sei, läßt sich nicht weiter erklären, nur die
Zulässigkeit derselben in der theoretischen Kritik gar wohl #80#
vertheidigen. |46.15|
Die =Exposition= des obersten Grundsatzes der praktischen Vernunft ist
nun geschehen, d. i. erstlich, was er enthalte, daß er gänzlich _a
priori_ und unabhängig von empirischen Principien für sich bestehe,
und dann, worin er sich von allen anderen praktischen Grundsätzen
unterscheide, gezeigt worden. Mit der =Deduction=, d. i. der
Rechtfertigung seiner objectiven |46.20| und allgemeinen Gültigkeit
und der Einsicht der Möglichkeit eines solchen synthetischen Satzes
_a priori_, darf man nicht so gut fortzukommen hoffen, als es mit
den Grundsätzen des reinen theoretischen Verstandes anging. Denn
diese bezogen sich auf Gegenstände möglicher Erfahrung, nämlich auf
Erscheinungen, und man konnte beweisen, daß nur dadurch, |46.25| daß
diese Erscheinungen nach Maßgabe jener Gesetze unter die Kategorien
gebracht werden, diese Erscheinungen als Gegenstände der Erfahrung
=erkannt= werden können, folglich alle mögliche Erfahrung diesen
Gesetzen angemessen sein müsse. Einen solchen Gang kann ich aber
mit der Deduction des moralischen Gesetzes nicht nehmen. Denn es
betrifft nicht das |46.30| Erkenntniß von der Beschaffenheit der
Gegenstände, die der Vernunft irgend wodurch anderwärts gegeben werden
mögen, sondern ein Erkenntniß, so fern es der Grund von der Existenz
der Gegenstände selbst werden kann und die Vernunft durch dieselbe
Causalität in einem vernünftigen Wesen #81# hat, d. i. reine Vernunft,
die als ein unmittelbar den Willen bestimmendes |46.35| Vermögen
angesehen werden kann.
Nun ist aber alle menschliche Einsicht zu Ende, so bald wir zu
Grundkräften oder Grundvermögen gelangt sind; denn deren Möglichkeit
kann durch nichts begriffen, darf aber auch eben so wenig beliebig
erdichtet und angenommen werden. Daher kann uns im theoretischen
Gebrauche der Vernunft nur Erfahrung dazu berechtigen, sie anzunehmen.
Dieses Surrogat, statt einer Deduction aus Erkenntnißquellen _a priori_
empirische |47.5| Beweise anzuführen, ist uns hier aber in Ansehung des
reinen praktischen Vernunftvermögens auch benommen. Denn was den
Beweisgrund seiner Wirklichkeit von der Erfahrung herzuholen bedarf,
muß den Gründen seiner Möglichkeit nach von Erfahrungsprincipien
abhängig sein, für dergleichen aber reine und doch praktische Vernunft
schon ihres Begriffs |47.10| wegen unmöglich gehalten werden kann. Auch
ist das moralische Gesetz gleichsam als ein Factum der reinen Vernunft,
dessen wir uns _a priori_ bewußt sind und welches apodiktisch gewiß
ist, gegeben, gesetzt daß man auch in der Erfahrung kein Beispiel,
da es genau befolgt wäre, auftreiben könnte. Also kann die objective
Realität des moralischen Gesetzes durch |47.15| keine Deduction, durch
alle Anstrengung der theoretischen, speculativen oder empirisch
unterstützten Vernunft, bewiesen und also, wenn man auch #82# auf die
apodiktische Gewißheit Verzicht thun wollte, durch Erfahrung bestätigt
und so _a posteriori_ bewiesen werden, und steht dennoch für sich
selbst fest. |47.20|
Etwas anderes aber und ganz Widersinnisches tritt an die Stelle dieser
vergeblich gesuchten Deduction des moralischen Princips, nämlich daß
es umgekehrt selbst zum Princip der Deduction eines unerforschlichen
Vermögens dient, welches keine Erfahrung beweisen, die speculative
Vernunft aber (um unter ihren kosmologischen Ideen das Unbedingte
seiner |47.25| Causalität nach zu finden, damit sie sich selbst nicht
widerspreche) wenigstens als möglich annehmen mußte, nämlich das
der Freiheit, von der das moralische Gesetz, welches selbst keiner
rechtfertigenden Gründe bedarf, nicht blos die Möglichkeit, sondern die
Wirklichkeit an Wesen beweiset, die dies Gesetz als für sie verbindend
erkennen. Das moralische Gesetz ist in |47.30| der That ein Gesetz der
Causalität durch Freiheit und also der Möglichkeit einer übersinnlichen
Natur, so wie das metaphysische Gesetz der Begebenheiten in der
Sinnenwelt ein Gesetz der Causalität der sinnlichen Natur war, und
jenes bestimmt also das, was speculative Philosophie unbestimmt lassen
mußte, nämlich das Gesetz für eine Causalität, deren |47.35| Begriff
in der letzeren nur negativ war, und verschafft diesem also zuerst
objective Realität.
Diese Art von Creditiv des moralischen Gesetzes, da es selbst als
ein #83# Princip der Deduction der Freiheit als einer Causalität der
reinen Vernunft aufgestellt wird, ist, da die theoretische Vernunft
wenigstens die Möglichkeit einer Freiheit =anzunehmen= genöthigt war,
zu Ergänzung eines Bedürfnisses derselben statt aller Rechtfertigung
_a priori_ völlig hinreichend. |48.5| Denn das moralische Gesetz
beweiset seine Realität dadurch auch für die Kritik der speculativen
Vernunft genugthuend, daß es einer blos negativ gedachten Causalität,
deren Möglichkeit jener unbegreiflich und dennoch sie anzunehmen
nöthig war, positive Bestimmung, nämlich den Begriff einer den Willen
unmittelbar (durch die Bedingung einer allgemeinen |48.10| gesetzlichen
Form seiner Maximen) bestimmenden Vernunft, hinzufügt und so der
Vernunft, die mit ihren Ideen, wenn sie speculativ verfahren wollte,
immer überschwenglich wurde, zum erstenmale objective, obgleich nur
praktische Realität zu geben vermag und ihren =transscendenten=
Gebrauch in einen =immanenten= (im Felde der Erfahrung durch |48.15|
Ideen selbst wirkende Ursachen zu sein) verwandelt.
Die Bestimmung der Causalität der Wesen in der Sinnenwelt als einer
solchen konnte niemals unbedingt sein, und dennoch muß es zu aller
Reihe der Bedingungen nothwendig etwas Unbedingtes, mithin auch eine
sich gänzlich von selbst bestimmende Causalität geben. Daher war
die |48.20| #84# Idee der Freiheit als eines Vermögens absoluter
Spontaneität nicht ein Bedürfniß, sondern, =was deren Möglichkeit
betrifft=, ein analytischer Grundsatz der reinen speculativen Vernunft.
Allein da es schlechterdings unmöglich ist, ihr gemäß ein Beispiel
in irgend einer Erfahrung zu geben, weil unter den Ursachen der
Dinge als Erscheinungen keine Bestimmung |48.25| der Causalität, die
schlechterdings unbedingt wäre, angetroffen werden kann, so konnten wir
nur den =Gedanken= von einer freihandelnden Ursache, wenn wir diesen
auf ein Wesen in der Sinnenwelt, so fern es andererseits auch als
Noumenon betrachtet wird, anwenden, =vertheidigen=, indem wir zeigten,
daß es sich nicht widerspreche, alle seine Handlungen |48.30| als
physisch bedingt, so fern sie Erscheinungen sind, und doch zugleich die
Causalität derselben, so fern das handelnde Wesen ein Verstandeswesen
ist, als physisch unbedingt anzusehen und so den Begriff der Freiheit
zum regulativen Princip der Vernunft zu machen, wodurch ich zwar den
Gegenstand, dem dergleichen Causalität beigelegt wird, gar nicht
erkenne, |48.35| was er sei, aber doch das Hinderniß wegnehme, in dem
ich einerseits in der Erklärung der Weltbegebenheiten, mithin auch der
Handlungen vernünftiger Wesen, dem Mechanismus der Naturnothwendigkeit,
vom Bedingten zur Bedingung ins Unendliche zurückzugehen, Gerechtigkeit
widerfahren lasse, andererseits aber der speculativen Vernunft den für
sie leeren #85# Platz offen erhalte, nämlich das Intelligibele, um
das Unbedingte dahin zu versetzen. Ich konnte aber diesen =Gedanken=
nicht =realisiren=, d. i. ihn |49.5| nicht in =Erkenntniß= eines so
handelnden Wesens auch nur blos seiner Möglichkeit nach verwandeln.
Diesen leeren Platz füllt nun reine praktische Vernunft durch ein
bestimmtes Gesetz der Causalität in einer intelligibelen Welt (durch
Freiheit), nämlich das moralische Gesetz, aus. Hiedurch wächst nun
zwar der speculativen Vernunft in Ansehung ihrer Einsicht |49.10|
nichts zu, aber doch in Ansehung der =Sicherung= ihres problematischen
Begriffs der Freiheit, welchem hier =objective= und, obgleich nur
praktische, dennoch unbezweifelte =Realität= verschafft wird. Selbst
den Begriff der Causalität, dessen Anwendung, mithin auch Bedeutung
eigentlich nur in Beziehung auf Erscheinungen, um sie zu Erfahrungen
zu verknüpfen, |49.15| stattfindet (wie die Kritik der reinen Vernunft
beweiset), erweitert sie nicht so, daß sie seinen Gebrauch über
gedachte Grenzen ausdehne. Denn wenn sie darauf ausginge, so müßte
sie zeigen wollen, wie das logische Verhältniß des Grundes und der
Folge bei einer anderen Art von Anschauung, als die sinnliche ist,
synthetisch gebraucht werden könne, d. i. wie |49.20| _causa noumenon_
möglich sei; welches sie gar nicht leisten kann, worauf sie aber auch
als praktische Vernunft gar nicht Rücksicht nimmt, indem sie nur den
=Bestimmungsgrund= der Causalität des Menschen als Sinnenwesens #86#
(welche gegeben ist) =in der reinen Vernunft= (die darum praktisch
heißt) setzt und also den Begriff der Ursache selbst, von dessen
Anwendung |49.25| aus Objecte zum Behuf theoretischer Erkenntnisse sie
hier gänzlich abstrahiren kann (weil dieser Begriff immer im Verstande,
auch unabhängig von aller Anschauung, _a priori_ angetroffen wird),
nicht um Gegenstände zu erkennen, sondern die Causalität in Ansehung
derselben überhaupt zu bestimmen, also in keiner andern als praktischen
Absicht |49.30| braucht und daher den Bestimmungsgrund des Willens in
die intelligibele Ordnung der Dinge verlegen kann, indem sie zugleich
gerne gesteht, das, was der Begriff der Ursache zur Erkenntniß dieser
Dinge für eine Bestimmung haben möge, gar nicht zu verstehen. Die
Causalität in Ansehung der Handlungen des Willens in der Sinnenwelt
muß sie allerdings |49.35| auf bestimmte Weise erkennen, denn sonst
könnte praktische Vernunft wirklich keine That hervorbringen. Aber
den Begriff, den sie von ihrer eigenen Causalität als Noumenon
macht, braucht sie nicht theoretisch zum Behuf der Erkenntniß ihrer
übersinnlichen Existenz zu bestimmen und also ihm so fern Bedeutung
geben zu können. Denn Bedeutung bekommt er ohnedem, obgleich nur
zum praktischen Gebrauche, nämlich durchs moralische Gesetz. Auch
theoretisch betrachtet bleibt er immer ein reiner, |50.5| _a priori_
gegebener Verstandesbegriff, der auf Gegenstände angewandt #87# werden
kann, sie mögen sinnlich oder nicht sinnlich gegeben werden; wiewohl er
im letzteren Falle keine bestimmte theoretische Bedeutung und Anwendung
hat, sondern blos ein formaler, aber doch wesentlicher Gedanke des
Verstandes von einem Objecte überhaupt ist. Die Bedeutung, die |50.10|
ihm die Vernunft durchs moralische Gesetz verschafft, ist lediglich
praktisch, da nämlich die Idee des Gesetzes einer Causalität (des
Willens) selbst Causalität hat, oder ihr Bestimmungsgrund ist.

II.
Von der Befugniß der reinen Vernunft im praktischen |50.15| Gebrauche zu
einer Erweiterung, die ihr im speculativen für sich nicht möglich ist.
An dem moralischen Princip haben wir ein Gesetz der Causalität
aufgestellt, welches den Bestimmungsgrund der letzteren über alle
Bedingungen der Sinnenwelt wegsetzt, und den Willen, wie er als zu
einer intelligibelen |50.20| Welt gehörig bestimmbar sei, mithin das
Subject dieses Willens (den Menschen) nicht blos als zu einer reinen
Verstandeswelt gehörig, obgleich in dieser Beziehung als uns unbekannt
(wie es nach der Kritik der reinen #88# speculativen Vernunft geschehen
konnte) =gedacht=, sondern ihn auch in Ansehung seiner Causalität
vermittelst eines Gesetzes, welches zu gar keinem |50.25| Naturgesetze
der Sinnenwelt gezählt werden kann, =bestimmt=, also unser Erkenntniß
über die Grenzen der letzteren =erweitert=, welche Anmaßung doch die
Kritik der reinen Vernunft in aller Speculation für nichtig erklärte.
Wie ist nun hier praktischer Gebrauch der reinen Vernunft mit dem
theoretischen eben derselben in Ansehung der Grenzbestimmung ihres
|50.30| Vermögens zu vereinigen?
=David Hume=, von dem man sagen kann, daß er alle Anfechtung der Rechte
einer reinen Vernunft, welche eine gänzliche Untersuchung derselben
nothwendig machten, eigentlich anfing, schloß so. Der Begriff der
=Ursache= ist ein Begriff, der die =Nothwendigkeit= der Verknüpfung
der Existenz des Verschiedenen und zwar, so fern es verschieden
ist, enthält, so daß, wenn _A_ gesetzt wird, ich erkenne, daß etwas
davon ganz Verschiedenes, _B_, nothwendig auch existiren müsse.
Nothwendigkeit kann aber nur einer Verknüpfung beigelegt werden, so
fern sie _a priori_ erkannt wird; |51.5| denn die Erfahrung würde von
einer Verbindung nur zu erkennen geben, daß sie sei, aber nicht, daß
sie so nothwendigerweise sei. Nun ist es, sagt er, unmöglich, die
Verbindung, die zwischen einem Dinge und einem =anderen= (oder einer
Bestimmung und einer anderen, ganz von ihr verschiedenen), #89# wenn
sie nicht in der Wahrnehmung gegeben werden, _a priori_ und |51.10| als
nothwendig zu erkennen. Also ist der Begriff einer Ursache selbst
lügenhaft und betrügerisch und ist, am gelindesten davon zu reden, eine
so fern noch zu entschuldigende Täuschung, da die =Gewohnheit= (eine
=subjective= Nothwendigkeit), gewisse Dinge oder ihre Bestimmungen
öfters neben oder nach einander ihrer Existenz nach als sich beigesellt
wahrzunehmen, unvermerkt |51.15| für eine =objective= Nothwendigkeit, in
den Gegenständen selbst eine solche Verknüpfung zu setzen, genommen und
so der Begriff einer Ursache erschlichen und nicht rechtmäßig erworben
ist, ja auch niemals erworben oder beglaubigt werden kann, weil er eine
an sich nichtige, chimärische, vor keiner Vernunft haltbare Verknüpfung
fordert, der gar kein |51.20| Object jemals correspondiren kann. -- So
ward nun zuerst in Ansehung alles Erkenntnisses, das die Existenz der
Dinge betrifft (die Mathematik blieb also davon noch ausgenommen), der
=Empirismus= als die einzige Quelle der Principien eingeführt, mit ihm
aber zugleich der härteste =Scepticism= selbst in Ansehung der ganzen
Naturwissenschaft (als Philosophie). |51.25| Denn wir können nach
solchen Grundsätzen niemals aus gegebenen Bestimmungen der Dinge
ihrer Existenz nach auf eine Folge =schließen= (denn dazu würde der
Begriff einer Ursache, der die Nothwendigkeit einer solchen Verknüpfung
enthält, erfordert werden), sondern nur nach der #90# Regel der
Einbildungskraft ähnliche Fälle wie sonst erwarten, welche Erwartung
|51.30| aber niemals sicher ist, sie mag auch noch so oft eingetroffen
sein. Ja bei keiner Begebenheit könnte man sagen: es =müsse= etwas vor
ihr vorhergegangen sein, worauf sie =nothwendig= folgte, d. i. sie
müsse eine =Ursache= haben, und also, wenn man auch noch so öftere
Fälle kennte, wo dergleichen vorherging, so daß eine Regel davon
abgezogen werden konnte, so könnte man darum es nicht als immer und
nothwendig sich auf die Art zutragend |51.35| annehmen, und so müsse
man dem blinden Zufalle, bei welchem aller Vernunftgebrauch aufhört,
auch sein Recht lassen, welches denn den Scepticism in Ansehung der
von Wirkungen zu Ursachen aufsteigenden Schlüsse fest gründet und
unwiderleglich macht.
Die Mathematik war so lange noch gut weggekommen, weil Hume dafür
hielt, daß ihre Sätze alle analytisch wären, d. i. von einer Bestimmung
|52.5| zur andern um der Identität willen, mithin nach dem Satze des
Widerspruchs fortschritten (welches aber falsch ist, indem sie vielmehr
alle synthetisch sind, und, obgleich z. B. die Geometrie es nicht
mit der Existenz der Dinge, sondern nur ihrer Bestimmung _a priori_
in einer möglichen Anschauung zu thun hat, dennoch eben so gut wie
durch Causalbegriffe von |52.10| einer Bestimmung _A_ zu einer ganz
verschiedenen _B_, als dennoch mit jener #91# nothwendig verknüpft,
übergeht). Aber endlich muß jene wegen ihrer apodiktischen Gewißheit
so hochgepriesene Wissenschaft doch dem =Empirismus in Grundsätzen=
aus demselben Grunde, warum Hume an der Stelle der objectiven
Nothwendigkeit in dem Begriffe der Ursache die Gewohnheit |52.15|
setzte, auch unterliegen und sich unangesehen alles ihres Stolzes
gefallen lassen, ihre kühne, _a priori_ Beistimmung gebietende
Ansprüche herabzustimmen, und den Beifall für die Allgemeingültigkeit
ihrer Sätze von der Gunst der Beobachter erwarten, die als Zeugen es
doch nicht weigern würden zu gestehen, daß sie das, was der Geometer
als Grundsätze vorträgt, |52.20| jederzeit auch so wahrgenommen hätten,
folglich, ob es gleich eben nicht nothwendig wäre, doch fernerhin, es
so erwarten zu dürfen, erlauben würden. Auf diese Weise führt Humens
Empirism in Grundsätzen auch unvermeidlich auf den Scepticism selbst
in Ansehung der Mathematik, folglich in allem =wissenschaftlichen=
theoretischen Gebrauche der Vernunft |52.25| (denn dieser gehört
entweder zur Philosophie, oder zur Mathematik). Ob der gemeine
Vernunftgebrauch (bei einem so schrecklichen Umsturz, als man den
Häuptern der Erkenntniß begegnen sieht) besser durchkommen, und nicht
vielmehr noch unwiederbringlicher in eben diese Zerstörung alles
Wissens werde verwickelt werden, mithin ein =allgemeiner= |52.30|
Scepticism nicht aus denselben Grundsätzen folgen müsse (der freilich
#92# aber nur die Gelehrten treffen würde), das will ich jeden selbst
beurtheilen lassen.
Was nun meine Bearbeitung in der Kritik der reinen Vernunft betrifft,
die zwar durch jene Humische Zweifellehre veranlaßt ward, doch |52.35|
viel weiter ging und das ganze Feld der reinen theoretischen Vernunft
im synthetischen Gebrauche, mithin auch desjenigen, was man Metaphysik
überhaupt nennt, befaßte: so verfuhr ich in Ansehung der den Begriff
der Causalität betreffenden Zweifel des schottischen Philosophen
auf folgende Art. Daß Hume, wenn er (wie es doch auch fast überall
geschieht) die Gegenstände der Erfahrung für =Dinge an sich selbst=
nahm, den Begriff der Ursache für trüglich und falsches Blendwerk
erklärte, daran that er |53.5| ganz recht; denn von Dingen an sich
selbst und deren Bestimmungen als solchen kann nicht eingesehen
werden, wie darum, weil etwas _A_ gesetzt wird, etwas anderes _B_
auch nothwendig gesetzt werden müsse, und also konnte er eine solche
Erkenntniß _a priori_ von Dingen an sich selbst gar nicht einräumen.
Einen empirischen Ursprung dieses Begriffs konnte der scharfsinnige
|53.10| Mann noch weniger verstatten, weil dieser geradezu der
Nothwendigkeit der Verknüpfung widerspricht, welche das Wesentliche
des Begriffs der Causalität ausmacht; mithin ward der Begriff in die
Acht erklärt, und in seine Stelle trat die Gewohnheit im Beobachten des
Laufs der Wahrnehmungen. |53.15|
Aus meinen Untersuchungen aber ergab es sich, daß die Gegenstände,
#93# mit denen wir es in der Erfahrung zu thun haben, keineswegs Dinge
an sich selbst, sondern blos Erscheinungen sind, und daß, obgleich
bei Dingen an sich selbst gar nicht abzusehen ist, ja unmöglich ist
einzusehen, wie, wenn _A_ gesetzt wird, es =widersprechend= sein
solle, _B_, welches von _A_ ganz verschieden |53.20| ist, nicht zu
setzen (die Nothwendigkeit der Verknüpfung zwischen _A_ als Ursache
und _B_ als Wirkung), es sich doch ganz wohl denken lasse, daß sie als
Erscheinungen in =einer Erfahrung= auf gewisse Weise (z. B. in Ansehung
der Zeitverhältnisse) nothwendig verbunden sein müssen und nicht
getrennt werden können, ohne derjenigen Verbindung zu =widersprechen=,
|53.25| vermittelst deren diese Erfahrung möglich ist, in welcher sie
Gegenstände und uns allein erkennbar sind. Und so fand es sich auch in
der That: so daß ich den Begriff der Ursache nicht allein nach seiner
objectiven Realität in Ansehung der Gegenstände der Erfahrung beweisen,
sondern ihn auch als Begriff _a priori_ wegen der Nothwendigkeit
der Verknüpfung, |53.30| die er bei sich führt, =deduciren=, d.
i. seine Möglichkeit aus reinem Verstande ohne empirische Quellen
darthun, und so, nach Wegschaffung des Empirismus seines Ursprungs,
die unvermeidliche Folge desselben, nämlich den Scepticism, zuerst in
Ansehung der Naturwissenschaft, dann auch, wegen des ganz vollkommen
aus denselben Gründen |53.35| Folgenden, in Ansehung der Mathematik,
beider Wissenschaften, die auf #94# Gegenstände möglicher Erfahrung
bezogen werden, und hiemit den totalen Zweifel an allem, was
theoretische Vernunft einzusehen behauptet, aus dem Grunde heben konnte.
Aber wie wird es mit der Anwendung dieser Kategorie der Causalität
(und so auch aller übrigen; denn ohne sie läßt sich kein Erkenntniß
des Existirenden zu Stande bringen) auf Dinge, die nicht Gegenstände
möglicher |54.5| Erfahrung sind, sondern über dieser ihre Grenze hinaus
liegen? Denn ich habe die objective Realität dieser Begriffe nur in
Ansehung der =Gegenstände möglicher Erfahrung= deduciren können.
Aber eben dieses, daß ich sie auch nur in diesem Falle gerettet
habe, daß ich gewiesen habe, es lassen sich dadurch doch Objecte
=denken=, obgleich nicht _a priori_ |54.10| bestimmen: dieses ist es,
was ihnen einen Platz im reinen Verstande giebt, von dem sie auf
Objecte überhaupt (sinnliche, oder nicht sinnliche) bezogen werden.
Wenn etwas noch fehlt, so ist es die Bedingung der =Anwendung= dieser
Kategorien und namentlich der der Causalität auf Gegenstände, nämlich
die Anschauung, welche, wo sie nicht gegeben ist, die Anwendung |54.15|
zum =Behuf der theoretischen Erkenntniß= des Gegenstandes als Noumenon
unmöglich macht, die also, wenn es jemand darauf wagt, (wie auch in
der Kritik der reinen Vernunft geschehen) gänzlich verwehrt wird,
indessen daß doch immer die objective Realität des Begriffs bleibt,
auch #95# von Noumenen gebraucht werden kann, aber ohne diesen Begriff
theoretisch |54.20| im mindesten bestimmen und dadurch ein Erkenntniß
bewirken zu können. Denn daß dieser Begriff auch in Beziehung auf ein
Object nichts Unmögliches enthalte, war dadurch bewiesen, daß ihm sein
Sitz im reinen Verstande bei aller Anwendung auf Gegenstände der Sinne
gesichert war, und ob er gleich hernach etwa, auf Dinge an sich selbst
(die nicht Gegenstände |54.25| der Erfahrung sein können) bezogen,
keiner Bestimmung zur Vorstellung =eines bestimmten Gegenstandes= zum
Behuf einer theoretischen Erkenntniß fähig ist, so konnte er doch immer
noch zu irgend einem anderen (vielleicht dem praktischen) Behuf einer
Bestimmung zur Anwendung desselben fähig sein, welches nicht sein
würde, wenn nach Hume dieser Begriff |54.30| der Causalität etwas, das
überall zu denken unmöglich ist, enthielte.
Um nun diese Bedingung der Anwendung des gedachten Begriffs auf
Noumenen ausfindig zu machen, dürfen wir nur zurücksehen, =weswegen wir
nicht mit der Anwendung desselben auf Erfahrungsgegenstände zufrieden
sind=, sondern ihn auch gern von Dingen an sich selbst |54.35| brauchen
möchten. Denn da zeigt sich bald, daß es nicht eine theoretische,
sondern praktische Absicht sei, welche uns dieses zur Nothwendigkeit
macht. Zur Speculation würden wir, wenn es uns damit auch gelänge,
doch #96# keinen wahren Erwerb in Naturkenntniß und überhaupt in
Ansehung der Gegenstände, die uns irgend gegeben werden mögen, machen,
sondern allenfalls einen weiten Schritt vom Sinnlichbedingten (bei
welchem zu bleiben und die Kette der Ursachen fleißig durchzuwandern
wir so schon |55.5| genug zu thun haben) zum Übersinnlichen thun,
um unser Erkenntniß von der Seite der Gründe zu vollenden und zu
begrenzen, indessen daß immer eine unendliche Kluft zwischen jener
Grenze und dem, was wir kennen, unausgefüllt übrig bliebe, und wir mehr
einer eiteln Fragsucht, als einer gründlichen Wißbegierde Gehör gegeben
hätten. |55.10|
Außer dem Verhältnisse aber, darin der =Verstand= zu Gegenständen
(im theoretischen Erkenntnisse) steht, hat er auch eines zum
Begehrungsvermögen, das darum der Wille heißt, und der reine Wille,
so fern der reine Verstand (der in solchem Falle Vernunft heißt)
durch die bloße Vorstellung eines Gesetzes praktisch ist. Die
objective Realität eines reinen |55.15| Willens oder, welches einerlei
ist, einer reinen praktischen Vernunft ist im moralischen Gesetze _a
priori_ gleichsam durch ein Factum gegeben; denn so kann man eine
Willensbestimmung nennen, die unvermeidlich ist, ob sie gleich nicht
auf empirischen Principien beruht. Im Begriffe eines Willens aber ist
der Begriff der Causalität schon enthalten, mithin in dem eines |55.20|
reinen Willens der Begriff einer Causalität mit Freiheit, d. i. die
nicht #97# nach Naturgesetzen bestimmbar, folglich keiner empirischen
Anschauung als Beweises seiner Realität fähig ist, dennoch aber in
dem reinen praktischen Gesetze _a priori_ seine objective Realität,
doch (wie leicht einzusehen) nicht zum Behufe des theoretischen,
sondern blos praktischen Gebrauchs der Vernunft, |55.25| vollkommen
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