Politische Schriften und andere Nachträge zu seinen Werken - 1

Süzlärneñ gomumi sanı 3582
Unikal süzlärneñ gomumi sanı 1467
37.0 süzlär 2000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
48.8 süzlär 5000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
55.4 süzlär 8000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
Härber sızık iñ yış oçrıy torgan 1000 süzlärneñ protsentnı kürsätä.
Heinrich von Kleist's
Politische Schriften
und
andere Nachträge zu seinen Werken.

Mit einer Einleitung
zum ersten Mal herausgegeben
von
Rudolf Köpke.
Berlin, 1862.
Verlag von A. Charisius.
Lüderitz'sche Buchhandlung.
Friedrich von Raumer
zur Feier
seines sechszigjährigen Amtsjubiläums
am 8. December 1861
in aufrichtiger Verehrung
gewidmet
von
dem Herausgeber.



Nur Wenigen ist es beschieden, den Lebenstag zu sehen, der Ihnen,
hochverehrter Herr, heute festlich anbricht. Den Zeitraum eines halben
Jahrhunderts in demselben Kreise durchschritten zu haben, ist kein
alltäglicher Ruhm unter Menschen, dasselbe Zeitmaß in verschiedenen
Kreisen des Wirkens zu erfüllen, ist dem Einzelnen noch seltener
vergönnt; doch wo fünf reichen Jahrzehnten ein sechstes hinzugelegt
wird, ist es unter den seltenen Festen das seltenste.
Ihnen hat das gegenwärtige Jahr nicht einen, sondern eine Reihe von
Festtagen gebracht, die ein halbes Jahrhundert Ihres Wirkens in
Wissenschaft und Lehramt abschließen, und vor wenigen Wochen noch mit
dem goldenen Kranze des häuslichen Glücks gekrönt worden sind. Der
heutige Tag vollendet Ihr sechszigstes Jahr im Dienste des Vaterlandes.
Wer das in ungeschwächter Kraft des Geistes und Körpers erlebt, den
möchte man versucht sein jenen Männern des Alterthums beizuzählen, die
der hellenische Weise vor allen glücklich pries. Denn Glück ist die
reine Entfaltung der eigenen Natur nach ihrem Gesetze, im Einklange
zugleich mit dem großen Ganzen, dessen dienendes Glied zu sein der
Einzelne bestimmt ist. Eine solche harmonische Verbindung ist das freie
Geschenk höherer Macht, darum ist ein Tag wie der heutige ein Tag des
Glückwunsches, das heißt der dankbaren Anerkennung menschlicher Lebens-
und Entwicklungsfülle.
Sechszig Jahre, mehr als ein Drittheil unserer Preußischen Geschichte,
überschauen Sie als Staatsmann, als Lehrer und Geschichtschreiber. Von
sieben Königen haben Sie fünf erlebt und dreien treu gedient. Das
Preußen Friedrichs des Großen, den tiefen Fall der alten Staatsformen
haben Sie gesehen, und dem reformatorischen Gesetzgeber thatkräftig zur
Seite gestanden, als er die Grundlagen des neuen Staates vorbereitete;
Sie sind Zeuge gewesen der großen volksthümlichen Erhebung, haben Ihren
Theil gehabt an den Zeiten innerer Ruhe und wissenschaftlichen Ruhms,
und eine zweite tiefe Erschütterung überwinden helfen, um nochmals in
eine neue Umgestaltung des öffentlichen Lebens einzutreten. Zu allen
Zeiten haben Sie für Gesetz und volksthümliche Freiheit, für den König
wie für das Vaterland, für Preußen wie für Deutschland als untrennbare
Mächte, mit den Besten im Bunde, unermüdet und maßvoll gestritten, und
die Unabhängigkeit des Urtheils und Charakters frei bewahrt.
Als Forscher und Geschichtschreiber haben Sie die Vergangenheit des
deutschen Vaterlandes in umfassender Weise zuerst erschlossen, und die
verschiedenen Zeitalter des menschlichen Geschlechts durchmessen. So
möchte ich Ihnen nachrühmen, was ein alter Schriftsteller von einem
Geschichtschreiber seiner Zeit sagt, das schönste Loos sei es
Schreibenswürdiges gethan, Lesenswürdiges geschrieben zu haben. Mögen
Sie mir verstatten das auszusprechen, da Sie, obgleich nicht selten
verkannt, dennoch stets ein Verkleinerer Ihrer selbst gewesen sind.
Als einen öffentlichen Ausdruck dieser Gesinnung, die ich Ihnen längst
im Herzen bewahre, bitte ich Sie die folgenden Blätter betrachten und
annehmen zu wollen. Ein Zeichen sollen sie sein wissenschaftlicher
Anerkennung, das ein jüngerer Fachgenosse Ihnen darzubringen wünscht,
rein menschlicher Hochachtung und aufrichtiger Uebereinstimmung in den
großen Fragen des Lebens, und endlich des Dankes für die
freundschaftliche Theilnahme, die Sie mir stets bewiesen haben.
Für diesen Zweck schienen mir diese Blätter vornehmlich geeignet. Denn
sie sind ein Erbstück aus dem Nachlasse des großen Dichters, in dessen
Verehrung und Liebe, wir, wie verschieden an Lebensalter und Stellung,
einander zuerst freundschaftlich begegnet sind; ein bisher unbekannter
Beitrag zu unserer nationalen Litteratur, der Sie, wie der Kunst, auch
unter historischen Studien und politischen Kämpfen eine jugendfrische
Neigung gewahrt haben; der Gesinnungsausdruck eines ebenso hochbegabten
als unglücklichen Dichters, der wie Sie für die Wiedergeburt des
Vaterlandes gestritten, den Sie selbst noch von Angesicht gekannt haben.
Es irrt mich nicht, daß die Berührungen zwischen Ihnen, dem Staatsmanne,
und dem Dichter nicht freundlicher Art gewesen sind. Persönlich
unangenehme Erfahrungen haben Sie niemals gehindert gerecht zu sein, und
Sie haben darum weder dem Menschen Ihre Theilnahme noch dem Dichter Ihre
Anerkennung versagt. Die damals ausgesprochene Versöhnung wird heute zur
historischen Sühne. Der Dichter ist nach schwerer Verirrung eingegangen
in die Ehrenhalle unserer Litteratur; Sie haben seitdem fünfzig Jahre
des reichsten Wirkens durchlebt, und stehen heute als gefeierter Greis
voll seltener Jugendfrische und Theilnahme für Alles was die menschliche
Brust bewegt, am Grabe des Dichters, der am Widerstreit des Lebens zu
Grunde ging.
Und so wüßte ich Ihnen nur Eines noch zu wünschen, daß Ihnen die Fülle
der Lebensgüter, die Sie besitzen, noch lange erhalten, und mir Ihre
Freundschaft bewahrt bleiben möge.
_Berlin_, den 8. December 1861.
Rudolf Köpke.


Inhalt.

Seite
Einleitung 1
I. Prosa.
1. Politische Satiren.
1. Brief eines rheinbündischen Officiers an seinen Freund 63
2. Brief eines jungen märkischen Landfräuleins an ihren 64
Onkel
3. Schreiben eines Burgemeisters in einer Festung an einen 68
Unterbeamten
4. Brief eines politischen Pescherü über einen Nürnberger 70
Zeitungsartikel
5. Die Bedingung des Gärtners. Eine Fabel 73
6. Lehrbuch der französischen Journalistik 74
7. Katechismus der Deutschen, abgefaßt nach dem Spanischen, 82
zum Gebrauch für Kinder und Alte
2. Politische Aufrufe und Betrachtungen.
1. Einleitung zur Zeitschrift Germania 94
2. Aufruf 96
3. Was gilt es in diesem Kriege? 97
4. Einleitung zu den Berliner Abendblättern. Gebet des 100
Zoroaster
5. Von der Ueberlegung. Eine Paradoxe 101
6. Betrachtungen über den Weltlauf 103
3. Erzählungen und Anekdoten.
1. Warnung gegen weibliche Jägerei 104
2. Die Heilung 107
3. Das Grab der Väter 110
4. Der Griffel Gottes 112
5. Muthwille des Himmels. Eine Anekdote 113
6. Anekdote aus dem letzten Kriege 114
7. Der Branntweinsäufer und die Berliner Glocken 115
8. Tages-Ereigniß 116
9. Der verlegene Magistrat. Eine Anekdote 117
10. Charité-Vorfall 118
11. Anekdote 119
12. Räthsel 120
13. Anekdote 120
14. Anekdote 121
4. Kunst und Theater.
1. Empfindungen vor Friedrich's Seelandschaft 123
2. Brief eines Mahlers an seinen Sohn 125
3. Brief eines jungen Dichters an einen jungen Mahler 126
4. Theater. Den 2. October: Ton des Tages, Lustspiel von Voß 128
5. Unmaßgebliche Bemerkung 129
6. Schreiben aus Berlin, den 28. October 131
7. Die sieben kleinen Kinder 132
8. Von einem Kinde, das kindlicher Weise ein anderes Kind 133
umbringt
5. Gemeinnütziges.
1. Allerneuester Erziehungsplan 136
2. Entwurf einer Bombenpost 145
3. Schreiben aus Berlin. 15. October 147
4. Aëronautik 149
II. In Versen.
1. Eine Legende nach Hans Sachs. Gleich und Ungleich 153
2. Eine Legende nach Hans Sachs. Der Welt Lauf 156
3. Epigramme:
1. Auf einen Denuncianten. Räthsel 160
2. Wer ist der Aermste? 160
3. Der witzige Tischgesellschafter 160
4. An die Verfasser schlechter Epigramme 160
5. Nothwehr 160
Anmerkungen 161


Einleitung.


I.

Wehe, mein Vaterland, dir! Die Leier zum Ruhm dir zu schlagen,
Ist, getreu dir im Schooß, mir, deinem Dichter, verwehrt,
schrieb Heinrich von Kleist auf das Titelblatt seines vaterländischen
Dramas die Hermannsschlacht, als er es im Jahre 1808 vollendet hatte. Es
war eine Grabschrift, die er dem Vaterlande, seiner Dichtung, sich
selbst setzte, und in finsterm Haß sich in das Schweigen der
Hoffnungslosigkeit zu vergraben, schien der letzte Trost, den das Leben
ihm noch nicht geraubt hatte. Voll Liebe zum Vaterlande will er ihm zum
Ruhme singen, aber in der Gegenwart sieht er es schmachbedeckt in den
Staub getreten; er wendet den Blick rückwärts, der ruhmvollen
Vergangenheit entlehnt er den Stoff seiner Dichtung, im Sturme will er
sein Volk mit sich fortreißen, aber die Hörer verschließen ihm das Ohr.
Für die Enkel ist es gefährlich geworden, dem Heldenliede von den Thaten
der Ahnen zu horchen, der Sänger schließt sein »letztes Lied«, »er
wünscht mit ihm zu enden, und legt die Leier thränend aus den
Händen!«[1] Keine Bühne will sich seinem vaterländischen Schauspiel
öffnen. Zurückgewiesen von den Seinen verschließt er einsam den Schmerz
und das Elend des eigenen Lebens, die Schmach und den Gram Deutschlands
in jene Worte, die zur schwer lastenden Anklage eines selbstvergessenen
Volks werden.
Dennoch nennt sich Kleist den Dichter seines Vaterlandes; getreu bleibt
er ihm im Schooß, während viele andere, denen es Macht, Ehre, Ruhm
gegeben hatte, untreu geworden waren, es durch That, Wort oder verzagtes
Schweigen verrathen hatten. Nicht Fürsten und Volksstämme, Generale und
Staatsmänner allein, auch Männer der Wissenschaft und Dichter hatten das
gethan. In das Unendliche hatte sich die Wissenschaft versenkt und die
Welt durchmessen, das Vaterland, in dem sie aufgewachsen war, blieb ihr
fast fremd; in Griechenland und Rom lebte die Dichtung, in Deutschland
nicht. Weder die eine noch die andere ahnte das Verderben, das sich
heranwälzte, bestürzt hatten sie geschwiegen, als es hereinbrach, oder
den fremden Gewalthaber als den Vollzieher des Weltgeschicks wohl gar
bewundert und gepriesen. Kleist wollte nichts als sein Deutschland, sein
oft geschmähtes Brandenburg, ob auch hier »die Künstlerin Natur bei der
Arbeit eingeschlummert«, ob es auch gerade jetzt doppelt arm und öde
sein mochte; er wollte es, weil es das Vaterland war.[2] Aus ihm sprach
die Stimme des lang eingeschläferten Gewissens, das laut mahnte, dem
Zwiespalt zwischen Weltbürgerthum und Volkssinn, Staat und Vaterland,
Wissenschaft und Leben ein Ende zu machen, und die tiefsten Kräfte zum
Kampfe aufzurufen. Jene Verse, wie sein Drama, waren ein erster
erschütternder Ausdruck der Wiedervereinigung der Dichtung mit dem
Vaterlande, und darum lassen sie selbst in der Hoffnungslosigkeit die
Rettung ahnen; es liegt in ihnen der Wendepunkt des deutschen Lebens.
Denn anders mußte es werden, sobald diese Ueberzeugung allgemein ward;
selbst die höchsten Güter der Menschheit, denen man so lange
nachgetrachtet hatte, verloren ihre bildende und heiligende Kraft, wenn
sie durch den volksthümlichen Muth nicht mehr geschirmt wurden. Es brach
die Zeit an, wo Schleiermacher und Fichte Volksredner waren, Arndt durch
Lied und That wirkte und ein jüngeres Dichtergeschlecht heraufwuchs, das
nicht mehr classisch, sondern vaterländisch sein wollte, selbst zum
Schwerte griff und kämpfend fiel, wie Körner, oder das Glück der Sieger
beneidend, den Sieg feierte, wie Schenkendorf und Rückert.
Nicht so glücklich war Kleist; in die Mitte gestellt, zwischen die
schonungslose Uebermacht der Gegenwart und die zweifelhafte Zukunft, hat
er weder den Kampf noch den Sieg erlebt, und gleichgültig haben sich
seine Zeitgenossen von ihm abgewandt. Den Weltklugen zu mystisch, den
Frommen zu ruchlos, den Politikern zu unpraktisch, den Zahmen zu wild,
dem Meister der Kunst zu roh und formlos, fand er bei seinem Leben nur
wenige Freunde, und als der widerwärtige Streit über seinem Grabe
verstummt war, ward er im Toben des Volkskampfes, den er erwecken
wollte, fast vergessen, und die Kränze, nach denen er gegeizt hatte,
wurden andern zu Theil.
Gewiß war er als Mensch weder im Leben noch im Tode frei von schwerer
Schuld, aber so oft dies auch gesagt worden ist, dem Dichter ist die
folgende Zeit langer Ruhe kaum gerecht, geschweige denn günstig,
geworden. Zehn Jahr später hat ihn Tieck in das Gedächtniß des
genießenden Geschlechtes, dem die starke, männliche Dichtweise unbequem
geworden war, zurückgerufen. Ihm, seiner reinen Anerkennung verdankt man
es, wenn Kleist's Stelle in der Litteraturgeschichte gesichert ist. Auch
das ist langsam und zögernd geschehen. In fünfzig Jahren sind nur zwei
Gesammtausgaben erschienen, und zwischen beiden liegt ein Menschenalter.
Nicht ohne Mühe haben sich drei seiner Dramen auf der Bühne
eingebürgert, gerade das vollendetste, das vorzugsweise heimische,
mußte, der Gefahr des Unterganges kaum entzogen, am längsten gegen das
Vorurtheil kämpfen, und die Hermannsschlacht, die schon vor einem halben
Jahrhundert zünden sollte, hat ihre Hörer bis heute nicht gefunden.
Auch die Nachlese, so ergiebig bei andern Dichtern, und die Kunde von
seinem Leben ist demselben Mißgeschick verfallen. Einen großen Theil
seiner Schriften hat er in selbstquälerischer Verachtung zerstört; was
sonst zu hoffen, war verschollen oder in unbekannten Zeitschriften
begraben, und erst Julian Schmidt's Ausgabe hat aus dem Phöbus einen
Theil des Vergessenen wieder ans Licht gebracht. Vereinzelt und zufällig
sind manche Briefe von ihm zum Vorschein gekommen und unbeachtet
geblieben; die später von E. v. Bülow und Koberstein herausgegebenen
größeren Sammlungen sind, wenn auch die erste, fast einzige Quelle, doch
nicht umfassend genug, um auf sein dunkles Leben ein überall genügendes
Licht zu werfen. Bülow's freilich nicht erschöpfende doch verdienstliche
Lebensbeschreibung blieb in der politischen Sturmzeit von 1848, wie
vierzig Jahre früher der lebende Dichter, fast unbeachtet. Erst in den
letzten Jahren hat man sich ihm aus dem Gesichtspunkte der allgemeinen
Zeitgeschichte, in der er in so fragwürdiger Gestalt hervortritt, wieder
mehr zugewendet.[3] Dennoch scheint eine Seite seines zerrissenen Lebens
der näheren Besprechung würdig und bedürftig, von allen die erhebendste
und reinste, in der sich die jähen Widersprüche vielleicht am ersten
ausgleichen, die vaterländische. Ich würde es nicht unternehmen, allein
auf Grund des schon benutzten Stoffes darüber zu reden, aber ich bin
glücklich genug Neues, bisher Unbekanntes oder Vergessenes, hinzufügen
zu können, und halte es für eine That der Gerechtigkeit, die folgende
nicht geringfügige Nachlese zu Kleist's Schriften der Oeffentlichkeit zu
übergeben. Eben hier erscheint er vorzugsweise als politischer
Schriftsteller, von dieser Thätigkeit mindestens gewinnt man ein
bedeutend vollständigeres Bild.
Zuerst habe ich Rechenschaft von den Quellen, aus welchen diese
Nachträge geschöpft sind, abzulegen. Theils sind sie handschriftlicher
Art, theils gehören sie vergessenen Drucken an; von jenen spreche ich
zuerst.
Nicht alles, was Tieck aus dem Nachlasse Kleist's besaß, hat er in seine
Ausgabe aufgenommen. »Auch finden sich«, schreibt er, »in seinem
Nachlasse Fragmente aus jener Zeit (1809), die alle das Bestreben
aussprechen, die Deutschen zu begeistern und zu vereinigen, sowie die
Machinationen und Lügenkünste des Feindes in ihrer Blöße hinzustellen:
Versuche in vielerlei Formen, die aber damals vom raschen Drang der
Begebenheiten überlaufen, nicht im Druck erscheinen konnten, und auch
jetzt, nach so manchem Jahre und nach der Veränderung aller
Verhältnisse, sich nicht dazu eignen.«[4] Also Schriftstücke
politischen, vaterländischen Inhalts, die ein Aufruf an das Volk sein
sollten, jedoch nie zur Verwendung gekommen sind, waren es, die Tieck im
Jahre 1821 vor sich hatte. Zunächst scheint ihn die Rücksicht auf die
Erregung des eben durchgekämpften Völkerkrieges, die jetzt friedlichern
Stimmungen Platz machen sollte, von der Veröffentlichung abgehalten zu
haben, und noch 1826 glaubte er dabei stehen bleiben zu müssen. Auch
mochten ihm diese Fragmente im Vergleiche mit den großen Dichtungen
minder bedeutend scheinen. Er sah in Kleist einen befreundeten
gleichzeitigen Dichter, dem er aus den vollendetsten Werken ein Denkmal
errichten wollte, von welchem er das Geringfügigere meinte ausschließen
zu können. Ueberhaupt war seine Kritik ein Ausdruck der Begeisterung für
den Gegenstand, mehr ästhetisch, allgemein anschauend und nachdichtend
als historisch philologisch; er konnte zufrieden sein, den Dichter und
dessen Werke der Vergessenheit entrissen und in genialen Zügen ein groß
gehaltenes Bild beider entworfen zu haben. Ganz anders stand es, als
zweiundzwanzig Jahre später Bülow in der Vorrede zum Leben Kleist's
schrieb:[5] »Die schon von Tieck besprochenen zerstreuten politischen
Blätter aus dem Jahre 1809 habe ich ebenfalls durchgesehen und des
Druckes meist unwerth befunden.« Diese »Reliquien«, die er damals noch
unverkürzt in Händen hatte, legte er also in demselben Augenblicke als
unwichtig bei Seite, wo er den Untergang oder die absichtliche
Zurückhaltung anderer beklagte. Der Umstand allein hätte den Biographen
bestimmen sollen, nicht seinem persönlichen Geschmacksurtheil über den
Werth dieser Blätter, sondern dem historischen Gesetze zu folgen, das zu
retten gebietet, was noch zu retten ist, damit das Bild des Dichters so
getreu als möglich hergestellt werden könne. Das verlangte die
inzwischen zur Wissenschaft herangereifte Litteraturgeschichte, die auch
für die Schriftsteller der nächsten Vergangenheit eine willkürliche
Kritik dieser Art nicht mehr duldete. Nicht ohne ironisches Lächeln über
Kleist's »naive Absicht« begnügte er sich, einen dieser Aufsätze,
überschrieben: »Was gilt es in diesem Kriege?« sorglos abdrucken zu
lassen. Von Tieck hatte Bülow diese Papiere erhalten; im Nachlasse des
einen oder des andern mußten sie aufbewahrt sein.
Unter den zahlreich angesammelten Handschriften Tieck's fand sich in der
That eine, die aus dem Nachlasse Kleist's herstammte, eine Abschrift der
Penthesilea, vom Dichter durchgesehen und nicht ohne bedeutende
Veränderungen einzelner Verse und Worte von seiner Hand. Aus der
Vergleichung mit der Tieckschen Ausgabe, welcher der Druck von 1808 zu
Grunde liegt, und den nicht unerheblich abweichenden Bruchstücken im
Phöbus, ergab sich diese Handschrift als eine dritte noch frühere
Bearbeitung selbständigen Charakters, die auf's neue beweist, wie
sorgfältig Kleist seine Dichtungen im einzelnen durcharbeitete. Dagegen
schien sich die nah liegende Vermuthung, der Herausgeber der
Kleist'schen Schriften werde von seinen Sammlungen mehr als dieses eine
Erinnerungszeichen bewahrt haben, nicht zu bestätigen, als sich später,
bei der Durchsicht eines Restes ungeordneter Papiere, noch eine Anzahl
Blätter nach und nach unerwartet zusammenfanden. Es war ein Theil des
großartigen Bruchstücks Robert Guiskard, das Kriegslied der Deutschen,
das Sonett an die Königin von Preußen und das an den Erzherzog Karl im
März 1809, denen sich einiges Prosaische anschloß; im Ganzen 28
Halbbogen und 6 Blätter in Quart bläulich grauen Streifenpapiers, dessen
höheres Alter nicht bezweifelt werden konnte. Nur freilich waren es
nicht Kleist's Schriftzüge, sondern die altmodisch steife Hand eines
sächsischen Schreibers, von der alles, nach der Tinte zu urtheilen, fast
in einem Zuge geschrieben worden war. Zwar beginnt die Zählung der
Seiten mehr als einmal von vorn und manche Blätter sind gar nicht
bezeichnet, aber offenbar liegt hier ein Bruchstück einer Handschrift
vor, die wenngleich sehr verschiedenartigen Inhalts, doch äußerlich ein
Ganzes bilden sollte.
Bei näherer Untersuchung des prosaischen Theils fanden sich mehrere
bisher unbekannte Aufsätze: fünf Halbbogen, unter der Ueberschrift
»Satyrische Briefe«, deren drei numerirt aufeinander folgen: »1. Brief
eines rheinbündischen Officiers an seinen Freund; 2. Brief eines jungen
märkischen Landfräuleins an ihren Onkel; 3. Schreiben eines
Burgemeisters in einer Festung an einen Unterbeamten«; welchen sich ohne
Zahlenbezeichnung ein vierter anschließt »Brief eines politischen
Pescherü (so) über einen Nürnberger Zeitungsartikel.« Auf einem
Quartblatt folgte »die Bedingung des Gärtners, eine Fabel«; dann vier
Halbbogen »Lehrbuch der französischen Journalistik«, sechs Halbbogen und
ein Blatt »Katechismus der Deutschen, abgefaßt nach dem Spanischen zum
Gebrauch für Kinder und Alte«, jedes Stück mit besonderer Seitenzählung;
endlich noch vier nicht paginirte Halbbogen, drei Stücke enthaltend,
eines mit der Aufschrift »Einleitung«, ein anderes ohne Titel beginnend
mit der Anrede »Zeitgenossen«, das dritte mit der Ueberschrift »Was gilt
es in diesem Kriege?« Eben dieses Blatt hatte Bülow herausgegriffen; es
war also kein Zweifel mehr, die politischen Blätter Kleist's, die er
nach Tieck's Vorgang bei Seite gelegt hatte, waren noch erhalten. Gewiß
ein glücklicher Fund, der durchaus Neues ans Licht brachte und für
manchen andern Verlust entschädigen konnte. Die nächste Frage, ob er
vollständig sei, beantwortete sich leider verneinend. Die Seitenzahlen
des Katechismus ergeben, daß der dritte und sechste Halbbogen fehle; das
Lehrbuch der französischen Journalistik bricht mit Paragraph 25, die
Einleitung mitten im Satze ab; ursprünglich mußten diese Blätter
vollzählig gewesen sein.
Ohne besondere Veranlassung zur Herausgabe und andern Arbeiten
hingegeben, hatte ich mich längere Zeit bei diesem Ergebniß beruhigt,
als die Briefe Kleist's an seine Schwester mich zu jenen politischen
Bruchstücken zurückführten; denn was etwa noch gefehlt hätte, ein
bestimmtes Zeugniß des Verfassers selbst, fand sich hier. Am 17. Juni
1809 nach der Schlacht von Wagram und dem Waffenstillstand von Znaym
schrieb er von Prag aus, wohin ihn seine Hoffnungen auf Oesterreich
geführt hatten, an seine Schwester: »Gleichwohl schien sich hier durch
B. (Brentano?) und die Bekanntschaften, die er mir verschaffte, ein
Wirkungskreis für mich eröffnen zu wollen. Es war die schöne Zeit nach
dem 21. und 22. Mai, und ich fand Gelegenheit meine Aufsätze, die ich
für ein patriotisches Wochenblatt bestimmt hatte, im Hause des Grafen v.
Kollowrat vorzulesen. Man faßte die Idee, dieses Wochenblatt zu Stande
zu bringen, lebhaft auf, Andere übernahmen es, statt meiner den Verleger
herbeizuschaffen, und nichts fehlte als eine höhere Bewilligung, wegen
welcher man geglaubt hatte, einkommen zu müssen. So lange ich lebe,
vereinigte sich noch nicht so viel, um mich eine frohe Zukunft hoffen zu
lassen, und nun vernichten die letzten Vorfälle nicht nur diese
Unternehmung, -- sie vernichten meine ganze Thätigkeit überhaupt.«
Also ein Theil der Aufsätze, die Kleist im Frühjahr 1809 für ein
patriotisches Wochenblatt bestimmt hatte, ist in diesen Blättern
enthalten, nach allen äußeren Zeugnissen kann seine Autorschaft keinem
Zweifel unterliegen. Heutiges Tages indeß, wo es darauf ankommt den
Stoff der abgeschlossenen Litteraturperiode zu sammeln und zu sichten,
wird man bisher unbekannte Schriften eines bedeutendern Dichters nicht
leicht aus der Hand geben, ohne sie einer allseitigen Durchforschung
unterworfen zu haben, auch wenn ihre Aechtheit feststeht. Es ist daher
gerathen, auch diese Briefe und Aufrufe nach Form und Inhalt näher zu
prüfen; auch schon aus dem Grunde, weil dies zugleich für einige andere
Stücke, deren Kleistischer Ursprung äußerlich weniger verbürgt ist, den
erforderlichen Maßstab gewähren wird. Um die stilistische Gestaltung
dieser politischen Aufsätze zu beurtheilen, wird man zunächst auf eine
etwas allgemeinere Betrachtung der Prosa Kleist's hingewiesen.
Seine prosaischen Schriften, äußerlich weniger umfassend als die
versificirten Dichtungen, bestehen aus Erzählungen und Briefen. Nur in
jenen erscheint er in voller bewußter Kraft, in ihnen wird man daher den
Schriftsteller studieren können, während diese vom Augenblicke
eingegeben, ungleich und schwankend, bald lehrhaft, bald fieberisch
erregt und abspringend den Menschen und den jähen Wechsel seiner
Stimmungen auch in der Form zeigen. In der darstellenden Prosa ist er
Meister, so daß Tieck der Ansicht war, hier entfalte sich sein Talent
vielleicht noch glänzender als im Drama. Könnte man einige Auswüchse
beseitigen, die in seiner Natur wurzeln und von der vollendetern
Handhabung der Form unabhängig sind, man würde von seinen acht
Erzählungen die vier ersten größeren und sorgfältig durchgearbeiteten
mustergültig nennen können. In der Haupttugend aller Erzählung beruhen
ihre Vorzüge, in der durchsichtigsten Gegenständlichkeit. Ueberall
treten Personen und Verhältnisse in festen und kräftigen Umrissen, bis
zur sinnlichen Greifbarkeit deutlich hervor. Alles ist Bewegung, Leben,
That, nirgend eine Stockung, eine todte Beschreibung, die sich abmüht
viele einzelne Züge zusammen zu lesen, und es eben darum nie zu einem
ganzen Bilde bringt, während hier die glückliche Einflechtung _eines_
unscheinbaren Zuges auf einzelne Personen und ganze Gruppen einen hellen
Rückstrahl wirft, der das Ganze in neuem überraschendem Lichte
erscheinen läßt. Weil der Dichter diese Gestalten als ob sie lebten mit
seinem Auge sah und darstellte, erweckt er in der Seele des Lesers,
diesem unbewußt, die Kraft des dichterischen Nachschaffens. Mit der
Selbstentäußerung eines Geschichtschreibers oder Dramatikers
verschwindet er hinter seiner Darstellung, nirgend sieht man ihn mit
zufahrender Hand in das Spiel hineingreifen und die Täuschung
ungeschickt selbst zerstören, nirgend sich mit seinen Empfindungen und
Betrachtungen aufdrängen; auch nicht in den Reden und Handlungen der
Personen findet man ihn, weil sie überall ganz eigenthümlich, aus ihrer
Stimmung, unter diesen gegebenen Umständen fühlen und handeln. Nur aus
der Gesammtwirkung aller Kräfte, die er spielen läßt, ist sein letzter
Gedanke zu erkennen. Und weil er seinen Menschen so wenig als sich
selbst Abschweifungen philosophierender Betrachtung oder
überschwellenden Gefühls verstattet, haben sie nichts von der
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    Süzlärneñ gomumi sanı 4072
    Unikal süzlärneñ gomumi sanı 1490
    37.8 süzlär 2000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
    50.6 süzlär 5000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
    57.2 süzlär 8000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
    Härber sızık iñ yış oçrıy torgan 1000 süzlärneñ protsentnı kürsätä.
  • Politische Schriften und andere Nachträge zu seinen Werken - 7
    Süzlärneñ gomumi sanı 4104
    Unikal süzlärneñ gomumi sanı 1612
    38.8 süzlär 2000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
    52.3 süzlär 5000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
    57.9 süzlär 8000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
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  • Politische Schriften und andere Nachträge zu seinen Werken - 8
    Süzlärneñ gomumi sanı 4157
    Unikal süzlärneñ gomumi sanı 1591
    41.0 süzlär 2000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
    53.9 süzlär 5000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
    59.8 süzlär 8000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
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  • Politische Schriften und andere Nachträge zu seinen Werken - 9
    Süzlärneñ gomumi sanı 3881
    Unikal süzlärneñ gomumi sanı 1522
    38.5 süzlär 2000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
    50.6 süzlär 5000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
    56.3 süzlär 8000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
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  • Politische Schriften und andere Nachträge zu seinen Werken - 10
    Süzlärneñ gomumi sanı 1878
    Unikal süzlärneñ gomumi sanı 799
    37.2 süzlär 2000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
    46.6 süzlär 5000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
    51.9 süzlär 8000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
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