Walther von der Vogelweide: Ein altdeutscher Dichter - 4

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Herre! büsset mir des Gastes, daß euch Gott des Schaches
büsse. (I 131b)
=Wirth=, Hausherr, Bewirther. =da muß ich sprechen= &c., auf
solchen Gruß muß ich antworten oder mich dankend verneigen.
=unschämeliche=, deren man sich nicht zu schämen hat. =schamen=,
schämen. =Gauckelfuhre=, Gauckelwesen, Gauckelei. =Schach=, das
Schachbieten. Das Gegenüberstehn der beiden Könige, Friedrich und
Otto, wird dem Schachspiele (worauf Walther auch sonst anspielt,
I 137a 138b) verglichen. Der Dichter wünscht dem Erstern, daß ihn
der Letztere nicht in Schach setze. =kommt selten ohne Haß=, wird
selten gerne gehört. =büsset mir= &c., erlöset mich &c.
Noch dringender spricht der Dichter sein Anliegen mit Folgendem aus:
Von Rome Vogt, von Pulle König! laßt euch erbarmen,
Daß man bei reicher Kunst mich lässet also armen![35]
Gerne wollte ich, möchte es seyn, bei eigenem Feuer
erwarmen.
Ahi! wie ich dann sänge von den Vögeleinen,
Von der Heide und von den Blumen, wie ich weiland sang!
Welch schönes Weib mir gäbe dann ihr =Habedank=,
Der ließe ich Lilien und Rosen aus dem Wänglein scheinen.
Nun reite ich früh und komme nicht heim; =Gast=, weh dir,
weh!
So mag der =Wirth= wohl singen von dem grünen Klee.
=Die= Noth bedenket, milder König, daß =eure= Noth
zergeh'! (I 131a)
[35] »Soll ich so bei reicher Kunst verarmen und
verderben!«
=Der Mysnere.= (DXCIV)
=Von Rome Vogt=, häufig vorkommende Benennung der römischen Kaiser
oder Könige. =Pulle=, Apulien, das jetzige Königreich Neapel.
=Heide=, Aue.
Die Lieder rühren des Königes Herz. Der Wunsch ist erfüllt. Hören wir
des Dichters Freude!
Ich hab' mein Lehen, all die Welt! ich hab' mein Lehen!
Nun fürchte ich nicht den Hornung an die Zehen
Und will alle böse Herren desto minder flehen.
Der edle König, der milde König, hat mich berathen,
Daß ich den Sommer möge Luft, den Winter Hitze han.
Nun dünke ich meinen Nachbarn vieles daß gethan
Sie sehen mich nicht mehr an in Unholds Weise, wie sie
weiland thaten.
Ich bin zu lange arm gewesen, ohne meinen Dank,
Ich war so voller Scheltens, daß mein Athem stank,
Den hat der König gemachet rein und dazu meinen Sang.
(I 150b)
=den Hornung &c.= die Winterkälte, das Erfrieren der Zehen. =baß
gethan=, Comparativ von =wohl-gethan=, wohlgemacht, schön. =ohne
meinen Dank=, wider meinen Willen. =Ich war so= &c. Der Dichter
drückt aus, wie anhaltendes Ungemach ihn menschenfeindlich
gemacht und sein Lied verbittert. Die frohere Stimmung wird jetzt
auch seinen Gesang freundlicher machen.
Noch ein andres Lied, dessen wir früher schon zu erwähnen hatten,
feiert den glücklichen Wechsel des Schicksals. Wir sehen hier den
Sänger mit der Geige, eine Tanzweise aufspielend:
Da Friedrich aus Oesterreiche also warb,
Daß er an der Seele genas und ihm der Leib erstarb,
Da führt' er meiner Kraniche Tritt in die Erde.
Da gieng ich schleichend wie ein Pfau, wohin ich gieng.
Das Haupt mir nieder bis auf meine Kniee hieng:
Nun richt' ich es auf nach vollem Werthe.
Ich bin wohl zu Feuer kommen,
Mich hat das Reich und auch die Kron' an sich genommen.
Wohlauf! wer tanzen wolle nach der Geigen!
Mir ist meiner Schwere Buß',
Erst will ich eben setzen meinen Fuß
Und wieder in ein Hochgemüthe steigen.
(W. =Hds.= S. 170)
=Da führt' er= &c. da macht' er, daß ich meine =Kraniche=,
Schnabelschuhe, nachdenklich in die Erde drückte. =nach vollem
Werthe=, mit vollem Rechte. =meiner Schwere Buß'=, meiner Noth
Erleichterung. =eben setzen=, das Gegentheil des vorigen =in die
Erde führen=.
Diese Liederreihe dürfen wir nicht verlassen, ohne ein Gedicht des
Sankt Gallischen Truchsessen von =Singenberg=[36] anzuführen, das einem
der vorstehenden nachgebildet ist und sich auf dasselbe bezieht. Wie
dort Walther den Vogt von Rom und König von Apulien anruft, so hier der
Truchseß den Vogt der Welt und König des Himmels. Der Truchseß stellt
dem mißlichen Loose Walthers sein eigenes behagliches und unabhängiges
Leben gegenüber und bittet Gott, ihm dieses zu erhalten:
[36] Ein Truchseß =Ulrich= von Singenberg erscheint in Sankt
Gallischen Urkunden von 1219 und 1228 v. =Arx= I 458, 459.
=Ulrich= hieß auch, nach Tschudy, der Letzte des Geschlechts,
der um 1267 starb. »_Obitus_ Rudolfi _Dapiferi militis de Eggon
inter Blidegge et Singinberc_« kömmt in dem 1272 geschriebenen
_Necrolog. Tuifburg._ (Goldast, _Script. Rer. Alam. T. I p.
100_) vor. -- In dem scherzhaften Gespräche zwischen Vater und
Sohn, welches sich unter den Liedern des Truchsessen von St.
Gallen (=Pf. Hds.= Nr. 357 Bl. 18b) findet, wird der Sohn:
=Rüdelin=! angeredet.
Der Welte Vogt, des Himmels König! ich lob' euch gerne,
Daß ihr mich habt erlassen, daß ich nicht lerne,
Wie Dieser und Der an fremder Statt zu meinem Gesange
scherne.
Mein Meister klaget so sehre =von der Vogelweide=,
Ihn zwinge dieß, ihn zwinge das, das mich noch nie bezwang;
Das machet, daß ich mich so kaume von dem Meinen scheide,
Mir geben denn hohe Herren und ein schönes Weib ihr Habedank.
So reite ich spät und komme doch heim; mir ist nicht zu weh,
Da singe ich von der Heide und von dem grünen Klee.
Das stetet ihr mir, milder Gott, daß es mir nicht zergeh'!
(W. =Hds.= S. 149)[37]
=an fremder Statt=, an fremdem Orte. =scherne=, blicke, drein
schaue, urtheile. =zwinge=, quäle. =so kaume= &c. nicht leicht
mein Heimwesen verlasse. =stetet=, erhaltet, festigt.
[37] In der =Maness.= Samml. I 154a ist die Reimstellung des Lieds
auf die Form des Gedichts von Walther zurückgeführt, welchem
jenes nachgebildet ist.


Fünfter Abschnitt.
Walthers Minnesang.

Walther hat den König versichert, wenn er seines Wunsches gewährt, wenn
ihm eine Heimath geschaffen würde, dann wollte er singen von Vögelein,
von der Heide, von Blumen und von schönen Frauen. Er bezeichnet damit
die Bestandtheile des Minnesangs und giebt uns Anlaß, nunmehr seine
eigentlichen Minnelieder zu betrachten.
Wir finden denn auch bei ihm jene bekannten Gattungen und Formen des
Minnelieds: spielende Wonne und sehnendes Leid in Sommer und Winter,
dienstliches Werben, Gespräch zwischen Ritter und Frau, Meldung des
Boten, Trennung der Liebenden, wenn der Tag durch die Wolken scheint,
Hülfruf an Frau Minne, Klage über die Merker, ein verhaßtes Geschlecht,
das die Freuden der Liebe belauert und stört.
Gerne jedoch würden wir selbst den Merker spielen, wenn wir hoffen
könnten, auch hier etwas Geschichtliches aus dem Leben des Dichters zu
erspähen. Aber er ist behutsam, er führt uns irre und verspottet uns.
Mancher fragt ihn: wer die Liebe sey, der er diene und bis daher
gedient? Wenn ihn dieses verdrießt, so spricht er: »ihrer sind drei,
denen ich diene, und nach der vierten habe ich Wunsch.« Doch weiß es
sie alleine wohl, der er vor ihnen allen dienen soll (I 110b).
Ein andermal fertigt er die Neugierigen so ab:
Sie fragen und fragen aber allzuviel
Von meiner Frauen, wer sie sey?
Das mühet mich so, daß ich sie ihnen nennen will,
So lassen sie mich doch darnach frei.
=Genade= und =Ungenade=, diese zweene Namen
Hat meine Fraue beide, die sind ungeleich:
Der eine ist arm, der andre reich.
Der mich des reichen irre, der müsse sich des armen schamen!
(I 122a)
=Genade=, Gnade, Liebesgunst, Erhörung. =ungeleich=, ungleich.
=irre=, hinderlich sey. =schamen=, zu schämen haben.
Dennoch scheinen die Merker auf eine Spur gekommen zu seyn. Man wirft
ihm vor: daß er seinen Sang so nieder wende. Er muß sich und die
Geliebte vertheidigen. Die, sagt er, traf die Minne nie, die nach dem
Gute und nach der Schöne minnen. Doch du bist schön und hast genug.
Was sie reden, ich bin dir hold und nähme dein gläsen Fingerlein[38]
(Fingerring) lieber als einer Königin Gold (I 117a).
[38] Ein =gläsen Fingerlein= bezeichnet auch im =Tristan= (v.
=Grootes= Ausg. V. 16883) eine Sache von sehr geringem Werth.
Auch ein Name wird genannt:
Meines Herzens tiefe Wunde,
Die muß immer offen stehn,
Sie werde denn heil von =Hiltegunde=.
(I 136b)
Von sich selbsten gesteht Walther, daß er nicht aller Männer schönster
sey; sein Haupt sey nicht allzu wohlgethan. Es nimmt ihn Wunder, was
ein Weib an ihm ersehen. Sie hat doch Augen, hat ihr Jemand von ihm
gelogen, so beschaue sie ihn baß. Wo sie wohnt, da wohnen wohl tausend
Männer, die viel schöner sind. Nur daß er auf =Fuge= (Sitte, auch
Kunst) sich ein weniges versteht. Will sie aber Fuge für die Schönheit
nehmen, so ist sie viel wohlgemuth (I 139a)
Im Allgemeinen hat er von der Minne allerdings einen hohen Begriff. Der
verlieret seine Tage, dem nie von rechter Liebe ward weder wohl noch
weh. Minne ist ein Hort aller Tugenden, ohne Minne wird nimmer ein Herz
recht froh. Ja! ohne Minne kann Niemand Gottes Huld erwerben (I 104a
127a).
Er ermahnt die Jugend, nach Herzeliebe zu werben (I 108a). Wer Würde
und Freude erwerben will, der diene um gutes Weibes Gruß (I 109b). Wer
gutes Weibes Minne hat, der schämt sich aller Missethat. Was hat die
Welt zu geben Lieberes, denn ein Weib? (I 108b). Den Fürsten hält er
als Lohn ihrer Tugenden vor, von den reinen, süßen Frauen gelobt zu
werden (I 133a). Er verwahrt sich gegen die Anschuldigung, als hätte
er in seinem Gange guter Frauen übel gedacht, und er ruft männiglich
zu Zeugen auf, ob deutschen Weiben Jemand je besser gesprochen? Daß er
die Guten von den Bösen scheide, das nur erzeuge den Haß (I 120b). Sein
begeistertes Lob deutscher Frauen, worauf er sich hier beziehen mag,
ist zuvor ausgehoben worden. Man soll alle Weiber ehren, aber doch die
besten baß, behauptet er anderswo (I 110b). Die Regeln der Weisheit und
Ehre, die er in einem seiner Lieder giebt, schließt er mit den Worten:
»willt du das Alles übergülden, so sprich wohl den Weiben!« (I 133b).
Von der Frau seines Herzens sagt er: sie entfremde ihm alle andre, nur
daß er um ihretwillen alle ehren müsse (I 124a). Der Gedanke an gute
Frauen ist ihm ein Trost in böser Zeit:
Wer verhohl'ne Sorge trage,
Der gedenke an gute Weib, er wird erlost,
Und gedenke an lichte Tage!
=Die= Gedanken waren stets mein bester Trost.
Gegen den finstern Tagen hab' ich Noth,
Nur daß ich mich richte nach der Heide,
Die sich schämt vor Leide,
So sie den Wald sieht grünen, so wird sie immer roth.
(I 114b)
=erlost=, erlöst. =gegen=, vor. =hab' ich Noth=, banget mir.
Gleichwohl ist es nicht die tiefere und anhaltende Leidenschaft, die
zärtliche Innigkeit, das Versinken in =einem= Gefühle, was Walthers
Minnelieder auszeichnet, zumal wenn sie in dieser Beziehung mit den
Liedern andrer vorzüglichen Minnesänger, z. B. =Reinmars= des =Alten=
oder =Heinrichs= von =Morunge=, verglichen werden. Es ist sogar nicht
zu läugnen, daß mehrere an einer gewissen Trockenheit leiden. Das
Selbstbewußtseyn, die Ueberlegung ist in manchen sehr vorherrschend.
Einige Male giebt er der Geliebten zu verstehen, wenn sie ihm nicht
hold seyn wolle, so werde er sich anderwärts zu helfen wissen. Sie möge
aber bedenken, daß nicht leicht Jemand besser, denn er, sie loben könne
(I 123b). Doch drückt er dieses noch zärtlich genug aus, wenn er sagt:
Ihr Leben hat meines Lebens Ehre, tödtet sie mich, so ist sie todt (I
124b). Er vermißt sich sogar, um die schönen Tage zu klagen, die er
an ihr versäumt habe. Noth und Ungemach um der Liebe willen zu leiden,
würde ihn nicht so sehr bekümmern, als verlorene Zeit (I 118a). Ja! er
sagt einmal: Minne habe von ihm in der Woche je nur den siebenten Tag
(I 120a).
Hiebei darf nun aber nicht übersehen werden, daß er den Minnesang
bis in ein sehr vorgerücktes Alter fortgesetzt. Auch in der Minne
vermißt er eine verschwundene bessere Zeit: Hiebevor, da man so recht
minnigliche warb, da waren meine Sprüche auch freudenreich; seit
daß die minnigliche Minne also verdarb, seit sang auch ich ein Theil
unminniglich (I 116b). Er klagt, daß Falschheit überhandgenommen. Seit
man falscher Minne mit so süßen Worten gehrt, kann ein Weib nicht
wissen, wer sie meine. Der die Weiber allererst betrog, der hat an
Männern und Weibern missefahren (I 104a). Aber auch die Frauen erkennt
der Dichter schuldig: daß die Männer so übel thun, das ist gar der
Weiber Schuld. Hievor stand der Frauen Muth auf Ehre, jetzt sieht man
wohl, daß man ihre Minne mit Unfuge erwerben soll (I 107b). Das thut
uns Männern den meisten Schaden, daß wir den Weibern gleich lieb sind,
wir seyen übel oder gut. Unterschieden sie uns, wie vormals, und ließen
auch sich unterscheiden, das frommte uns vieles mehr, Männern und
Weibern beiden (I 116b).
Walther bedauert ein schönes Weib, daß ihr die Schönheit nichts nütze,
seit man nicht mehr gewohnt sey, innern Werth bei Schönheit zu finden:
Ich will Einer helfen klagen,
Der doch Freude ziemte wohl,
Daß in also falschen Tagen
Schönheit Tugend verlieren soll.
Hiebevor wär' ein Land erfreuet über ein so schönes Weib:
Was soll =Der= nun schöner Leib?
(I 140a)
Aber nicht bloß in diesem Rückblick auf verlebte Zeiten zeigt sich uns
der Dichter als einen bejahrten Mann. Er giebt es noch näher. =Minne=,
sagt er, hat einen Brauch, damit sie Manchen beschwert, den sie nicht
beschweren sollte. Ihr sind vier und zwanzig Jahr viel lieber, denn
ihr vierzig sind, sie stellt sich viel übel, sieht sie irgend graues
Haar[39]. =Minne= war so ganz die Meine, daß ich wohl wußte all ihre
Geheimniß. Nun ist mir so geschehen: kommt ein Junger jetzo her, so
werde ich mit zwerchen Augen schielend angesehen. Armes Weib! wes mühet
sie sich? Weiß Gott! ob sie auch Thoren trüget, sie ist doch älter
viel, denn ich (I 120a).
[39] »Die Weiber hassen graues Haar« -- führt schon =Heinrich= von
=Veldecke= (=Man.= I 20a) als ein altes Sprichwort an.
Noch mehr! Walther versichert, wohl vierzig Jahre und drüber habe
er von Minne gesungen (I 122b). Darum auch kein Wunder, wenn manche
seiner Lieder nicht mehr die Frische jugendlichen Lebens athmen! Er
sagt sich am Ende feierlich von der Minne los; sein Minnesang möge nun
Andern dienen und ihre Huld werde dafür sein Theil. Er segnet sich, daß
er auf der Welt so Manche froh gemacht, Mann und Weib. Aber von der
vergänglichen Minne, die nichts weiter ist, als vom Fische der Grat,
wendet er sich jetzt zu der steten, ewigen (I 123a).
Wir müssen jedoch zurückkehren, um nun auch die Lichtseite seines
Minnesanges darzulegen. Wenn dieser Dichter nicht in derjenigen Gattung
von Minneliedern voransteht, deren Seele die innigste Empfindung ist,
so ergreift er dagegen auch hier durch die sinnliche Kraft seiner
Darstellung, durch die Anschaulichkeit und den Farbenglanz seiner
Lebensbilder; Vorzüge, die er uns schon anderwärts bewährt hat. Es
sind in dieser Beziehung einige etwas muthwillige Lieder nicht minder
auszuheben, als andre von würdiger hoher Art.
Zuerst eine Tanzweise, ein Reigen:
»Nehmet, Fraue, diesen Kranz!« --
Also sprach ich zu einer wohlgethanen Magd --
»So zieret ihr den Tanz
Mit den schönen Blumen, so ihr's auf euch tragt.
Hätt' ich viel edel Gesteine,
Das müßt' auf euer Haupt,
Ob ihr mir es glaubt.
Seht meine Treue, daß ich es meine!«
»Fraue! ihr seyd so wohlgethan,
Daß ich euch mein Schapel gerne geben will,
Das allerbeste, das ich kann.
Weißer und rother Blumen weiß ich viel;
Die stehn so ferne in jener Heide,
Da sie schön entsprangen
Und die kleinen Vögel sangen,
Da soll'n wir sie brechen Beide.«
Sie nahm, das ich ihr bot,
einem Kinde viel geleich, dem Ehr' geschieht.
Ihre Wangen wurden roth,
Wie die Rose, da man sie bei Lilien sieht;
Des mußten die lichten Augen sich schämen.
Da neigte sie mir viel schöne,
Das ward mir zu Lohne;
Wird mir noch mehr, das will ich schweigend nehmen.
(I 125a)
=seht meine Treue=, man denke sich hiebei die Bewegung des Schwörens
oder des Handschlags. =meine=, ernstlich meine. =Schapel=, Kranz,
Kopfschmuck. =geleich=, gleich.
Wie es mit dem Blumenbrechen[40] gemeint sey, verräth ein weiteres
Lied, an dem der hörbare Wohllaut der Singweise zu bewundern ist:
Unter der Linden, ~ an der Heide,
Da unser Zweier Bette was,
Da möget ihr noch finden, ~ schöne beide,
Gebrochen Blumen unde Gras,
Vor dem Walde, in einem Thal,
Tandaradai!
Schöne sang die Nachtigall.
Ich kam gegangen ~ zu der Aue,
Da war mein Friedel kommen eh'.
Da ward ich empfangen, ~ hehre Fraue!
Daß ich bin selig immermeh.
Er küßte mich wohl tausendstund,
Tandaradai!
Seht, wie roth mir ist der Mund!
Da hatt' er gemachet, ~ also reiche,
Von Blumen eine Bettestatt.
Des wird noch gelachet, ~ innigliche,
Kommt Jemand an denselben Pfad;
Bei den Rosen er wohl mag --
Tandaradai!
Merken, wo das Haupt mir lag.
Daß wir da lagen, ~ wüßt' es Jemand,
Das hüte Gott! so schämt' ich mich.
Wes wir da pflagen, ~ nimmer Niemand
Befinde das, denn er und ich
Und ein kleines Vögelein!
Tandaradai!
Das mag wohl getreue seyn.
(I 115b)
=was=, war. =schöne beide=, Beiwort des nachfolgenden: Blumen und
Gras. =Friedel=, Liebster. =hehre Fraue=! wohl nicht Anrede an
eine Vertraute, sondern Ausruf zu Marien. =immermeh=, immermehr,
immerfort. =tausendstund=, tausendmal. =getreue=, verschwiegen.
[40] Anderswo singt Walther:
Müßte ich noch erleben, daß ich die Rosen
Mit der Minniglichen sollte lesen,
So wollt' ich mich so mit ihr erkosen,
Daß wir immer Freunde müßten wesen.
(I 137b)
Ein andrer Dichter wendet sich so an ihn:
Hör' an, Walther, wie es mir staht,
Mein traut Geselle von der Vogelweide!
Hülfe suche ich und Rath,
Die Wohlgethane thut mir viel zu Leide.
Könnten wir ersingen beide,
Daß ich mit ihr müßte brechen Blumen an der lichten
Heide! (I 140a)
Vgl. =Reinmar=, I 81b; =Nithart=, II 81a; =Hadloub=, II 194b
195b. Schön sagt König =Wenzel= von Beheim, I 2b:
Ich brach der Rosen nicht und hatt' ihr doch Gewalt.
Wir lassen noch einige der kleineren Liebeslieder folgen:
Mich däuchte, daß mir nimmer
Lieber würde, denne mir zu Muthe was.
Die Blumen fielen immer
Von dem Baume bei uns nieder in das Gras.
Seht! da mußte ich vor Freuden lachen.
Da ich so innigliche
War im Traume reiche,
Da taget' es und mußt' ich wachen.
(I 137a)
* * * * *
Daß ich dich so selten grüsse,
Das ist ohn' alle arge Missethat.
Ich will wohl, daß zürnen müsse
Lieb mit Liebe, wo es von Freundes Herzen gaht.
Trauren und werden froh,
Sanfte zürnen, sehre sühnen:
Das ist der Minne Recht, die Herzeliebe will also.
(I 123b)
* * * * *
In einem zweifelichen Wahn
War ich gesessen und gedachte,
Ich wollte von ihrem Dienste gahn,
Nur daß ein Trost mich widerbrachte.
Trost mag es doch nicht heißen, es
Ist viel kaum ein Tröstelein,
So kleine, wenn ich euch das sage, ihr spottet
mein;
Doch freuet sich selten Jemand, der nicht wisse:
wes.
Mich hat ein Halm gemachet froh,
Er sagt: ich solle Gnade finden.
Ich maß dasselbe kleine Stroh,
Wie ich zuvor gesehn bei Kinden.
Höret und merket, ob sie's denne thu'?
Sie thut nicht, sie thut! sie thut nicht, sie thut!
sie thut nicht, sie thut!
Wie oft ich also maß, war stets das Ende gut.
Da gehört auch Glaube zu.
(I 142)
Einen höheren Schwung nimmt das nachfolgende Mailied:
So die Blumen aus dem Grase bringen,
Gleich als lachten sie gegen der spiel'nden Sonnen,
In einem Maien, an dem Morgen fruh,
Und die kleinen Vögelein wohl singen
In der besten Weise, die sie können:
Was Wonne kann sich da vergleichen zu?
Es ist wohl halb ein Himmelreiche,
Nun sprechet Alle, was sich dem vergleiche!
So sage ich, was mir ofte baß
In meinen Augen hat gethan und thäte auch noch,
ersähe ich das:
Wo eine edele Fraue, schöne, reine,
Wohl bekleid't und dazu wohl gebunden,
Um Kurzeweile zu viel Leuten geht,
Höfelichen, hochgemuth, nicht eine,
Um sich sehend ein wenig unterstunden,
Gleich wie die Sonne gegen den Sternen steht.
Der Maie bringe uns alle sein Wunder!
Was ist denn da so Wonnigliches unter,
Als ihr viel minniglicher Leib?
Wir lassen alle Blumen stehn und gaffen an das
werthe Weib.
Nun wohlauf! wollt ihr die Wahrheit schauen,
Gehn wir zu des Maien Hochgezeite!
Der ist mit aller seiner Wonne kommen.
Seht an: ihn! und seht an: schöne Frauen!
Welches hie das Andre überstreite?
Das bessre Spiel, ob ich das habe genommen?
Wer mich hie Eines wählen hieße,
Daß ich das Eine um das Andre ließe:
Ahi! wie schnell ich dann köre!
Herr Mai! ihr müßtet Märze seyn, eh' ich meine
Fraue da verlöre. (I 116a)
=wohl gebunden=, mit schönem Gebände, Kopfband. =zu viel Leuten=,
unter die Leute, zu einer festlichen Versammlung. =nicht
eine=, nicht allein, mit Begleitung. =unterstunden=, zuweilen.
=Hochgezeite=, Fest. =köre=, wählte.
Die Reihe der Minnelieder schließen wir mit zwei Gesätzen, welche, ganz
ihrem Inhalt gemäß, in einer von jenen volltönenden Weisen gedichtet
sind, womit sonst der Dichter die Könige zu begrüssen pflegt:
Durchsüsset und geblümet sind die reinen Frauen,
Es ward nie nichts so wonnigliches anzuschauen
In Lüften, auf Erden, noch in allen grünen Auen.
Lilien, Rosenblumen, wo die leuchten
Im Maienthaue durch das Gras, und kleiner Vögelein Sang,
Das ist gegen solcher wonnereicher Freude krank.
Wo man ein' schöne Fraue sieht, das kann trüben Muth
erfeuchten
Und löschet' alles Trauren an derselben Stund'.
So lieblich lachet in Liebe ihr süßer rother Mund,
Und Strale aus spiel'nden Augen schießen in Mannes
Herzensgrund. (I 130a)
=krank=, schwach. =erfeuchten=, erfrischen. =Strale=, Pfeile.
* * * * *
Viel süße Fraue, hochgelobt mit reiner Güte!
Dein keuscher Leib giebt schwellend Hochgemüthe.
Dein Mund ist röther, denn die lichte Rose in
Thaues Blüthe.
Gott hat gehöhet und gehehret reine Frauen,
Daß man ihn'n wohl soll sprechen und dienen zu
aller Zeit.
Der Welte Hort mit wonniglichen Freuden leit
An ihnen. Ihr Lob ist lauter und klar. Man soll sie
schauen;
Für Trauren und für Ungemüthe ist nichts so gut,
Als anzusehn ein' schöne Fraue, wohlgemuth,
Wenn sie aus Herzensgrund ihrem Freunde ein
lieblich Lachen thut.
(I 130b)
=wohl sprechen=, Gutes von ihnen sprechen. =leit=, liegt.
=Ungemüthe=, Unmuth.
Ein Ueberblick über diese Minnelieder giebt uns den Eindruck, daß
in denselben der Dichter nicht von seinem Gegenstande beherrscht
sey, sondern diesen mit Freiheit ausser sich stelle. Zumal in den
ausgehobenen Gedichten höheren Styls betrachtet er die Schönheit und
den Werth der Frauen, fast ohne eigenen Anspruch, als eine glänzende
Erscheinung, die er in das Ganze seiner Weltanschauung aufnimmt.


Sechster Abschnitt.
Der Hof zu Wien. Leopold VII. Der Kärnthner.
Der Patriarch. Ulrich von Lichtenstein.

In welcher Gegend das Leben gelegen, das Friedrich II. dem Dichter
ertheilte, darüber giebt dieser keinen Aufschluß. Auch die Zeit
der Belehnung ist ungewiß. Geraume Zeit nach Friedrichs Ankunft in
Deutschland läßt Walther sich wieder am Hofe von Oesterreich treffen.
Es mag seyn, daß er am Hofe Leopolds VII., der seinem Bruder Friedrich,
dem Gönner des Dichters, im Herzogthum nachgefolgt war, mehrmals und
zu sehr verschiedenen Zeiten sich aufhielt. In Ermanglung bestimmterer
Anzeigen müssen wir uns jedoch begnügen, die Gedichte, welche den Hof
zu Wien betreffen, um den einen Zeitpunkt zu sammeln, der mit einiger
Sicherheit angegeben werden kann. Diejenigen, welche sich auf den
benachbarten Hof von Kärnthen beziehen, stehen mit erstern in genauem
Zusammenhang.
Leopold VII. (der =Glorreiche=), Herzog von Oesterreich und Steier,
ist derjenige, den im Kriege auf Wartburg Heinrich von Ofterdingen vor
allen Fürsten preist. Er legt Leopolds Tugend auf die Wage und fordert
die andern Sänger auf, solche mit dreier Fürsten Milde aufzuwägen.
Der von Oesterreich wünsche sich vier Hände, damit, während er mit
zweien gegen die Feinde kämpfe, zwei andre den gehrenden Leuten Gabe
spenden können. Als er gegen den König von Ungarn den Schild an den Arm
genommen, habe er zugleich zu seinem Kämmerer gesprochen: Nun schaffe,
daß den Gehrenden ihre Pfänder gelöst werden! (=Man.= II 1a 4a)
Drei Sorgen hat unser Dichter sich genommen, dreierlei Dinge möcht'
er gewinnen. Das eine ist Gottes Huld, das andre seiner Frauen Minne,
das dritte, das sich mit Unrecht manchen Tag seiner erwehrt, ist der
wonnigliche Hof zu Wien. Er will nimmer rasten, bis er diesen verdient.
Dort sah man Leopolds Hand geben, ohne daß sie des erschrack (I 105b).
Näher rückt er mit folgendem Liede:
Mir ist versperrt des Heiles Thor,
Da steh' ich als ein Waise vor,
Mich hilfet nicht, was ich daran auch klopfe.
Wie möcht' ein Wunder größer seyn:
Es regnet beidenthalben mein,
Daß mir des alles nimmer wird ein Tropfe!
Des Fürsten Milde aus Oesterreich
Freuet, dem süssen Regen gleich,
Beide: Leute und auch das Land.
Er ist eine schöne wohlgezierte Heide,
Darab man Blumen brichet wunder.
Und bräche mir ein Blatt da herunter
Seine viel milde, reiche Hand,
So möchte ich loben die viel süsse Augenweide.
Hiemit sey er an mich gemahnt!
(I 128a)
=beidenthalben mein=, zu meinen beiden Seiten. =wunder=, wunderviel.
Es ist wahrscheinlich, daß Walther einmal von Kärnthen aus gegen Wien
angedrungen. In Kärnthen war Bernhard, aus dem Geschlechte der Grafen
von Lavantthal, von 1202 bis 1256 am Herzogthum[41]. In ihm finden wir
den =Kärnthner= unsres Dichters, den fürstlichen Freund des Gesanges,
auf welchen auch im =Titurel= angespielt wird[42]. Der Aufenthalt am
Hofe dieses Fürsten wurde Walthern, wie es scheint, durch Hofränke und
Kunstneid verleidet. Er hat des Kärnthners Gabe oft empfangen, aber
einmal geschah es, daß ihm die Kleider nicht gegeben wurden, die ihm
der Fürst bestimmt hatte. Daraus entstanden Mißverständnisse, deren
Erzählung der Dichter mit den Worten schließt:
Dieser Zorn ist ohn' alle Schulde, weiß Gott, unser beider.
(I 132a)
[41] Frölich, _Specimen Archontologiæ Carinthiæ, Vienn. etc. 1758 p. 4_.
[42] »Ob mir ein Fürst aus Kärnthen giebt die Miethe.«
=Titur.= Cap. 15
Freilich kann der =Titurel= in seiner jetzigen Gestalt nur
mit Vorsicht gebraucht werden.
Ein andermal beklagt er sich, daß man am Hofe seinen Sang
=verkehre=[43]. Er eifert gegen solche Schälke, zeigt sich zum weitern
Gefechte gerüstet, bittet jedoch den Fürsten, selbst die Sache zu
untersuchen:
Frage, was ich habe gesungen, und erfahr' uns,
wer's verkehre! (=Ebd.=)
[43] Ueber das =Verkehren= des Gesanges, d. h. das Mißdeuten,
Entstellen, wohl auch Parodiren desselben, hat auch der
=Hardegger= zu klagen:
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