Wallensteins Tod - 3

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Nehmt Euch in acht. Nicht alle denken so.
Es halten's hier noch viele mit dem Hof
Und meinen, daß die Unterschrift von neulich,
Die abgestohlne, sie zu nichts verbinde.
Octavio.
So? Nennt mir doch die Herren, die das meinen.
Isolani.
Zum Henker! Alle Deutschen sprechen so.
Auch Esterhazy, Kaunitz, Deodat
Erklären jetzt, man müss' dem Hof gehorchen.
Octavio.
Das freut micht.
Isolani.
Freut Euch?
Octavio.
Daß der Kaiser noch
So gute Freunde hat und wackre Diener.
Isolani.
Spaßt nicht. Es sind nicht eben schlechte Männer.
Octavio.
Gewiß nicht. Gott verhüte, daß ich spaße!
Sehr ernstlich freut es mich, die gute Sache
So stark zu sehn.
Isolani.
Was Teufel! Wie ist das?
Seid Ihr denn nicht?--Warum bin ich denn hier?
Octavio. (mit Ansehen)
Euch zu erklären, rund und nett, ob Ihr
Ein Freund wollt heißen oder Feind des Kaisers.
Isolani. (trotzig)
Darüber werd ich dem Erklärung geben,
Dem's zukommt, diese Frag' an mich zu tun.
Octavio.
Ob mir das zukommt, mag dies Blatt Euch lehren.
Isolani.
Wa--was? Das ist des Kaisers Hand und Siegel.
(Liest.)
"Als werden sämtliche Hauptleute unsrer
Armee der Ordre unsers lieben, treuen,
Des Generalleutnant Piccolomini,
Wie unsrer eignen"--Hum--Ja--So--Ja, ja!
Ich--mach Euch meinen Glückwunsch, Generalleutnant.
Octavio.
Ihr unterwerft Euch dem Befehl?
Isolani.
Ich--aber
Ihr überrascht mich auch so schnell--Man wird
Mir doch Bedenkzeit, hoff ich--
Octavio.
Zwei Minuten.
Isolani.
Mein Gott, der Fall ist aber--
Octavio.
Klar und einfach.
Ihr sollt erklären, ob Ihr Euren Herrn
Verraten wollet oder treu ihm dienen.
Isolani.
Verrat--Mein Gott--Wer spricht denn von Verrat?
Octavio.
Das ist der Fall. Der Fürst ist ein Verräter,
Will die Armee zum Feind hinüberführen.
Erklärt Euch kurz und gut. Wollt Ihr dem Kaiser
Abschwören? Euch dem Feind verkaufen? Wollt Ihr?
Isolani.
Was denkt Ihr? Ich des Kaisers Majestät
Abschwören? Sagt' ich so? Wann hätt' ich das
Gesagt?
Octavio.
Noch habt Ihr's nicht gesagt. Noch nicht.
Ich warte drauf, ob Ihr es werdet sagen.
Isolani.
Nun seht, das ist mir lieb, daß Ihr mir selbst
Bezeugt, ich habe so was nicht gesagt.
Octavio.
Ihr sagt Euch also von dem Fürsten los?
Isolani.
Spinnt er Verrat--Verrat trennt alle Bande.
Octavio.
Und seid entschlossen, gegen ihn zu fechten?
Isolani.
Er tat mir Gutes--doch wenn er ein Schelm ist,
Verdamm' ihn Gott! die Rechnung ist zerrissen.
Octavio.
Mich freut's, daß Ihr in gutem Euch gefügt.
Heut nacht in aller Stille brecht Ihr auf
Mit allen leichten Truppen; es muß scheinen,
Als käm' die Ordre von dem Herzog selbst.
Zu Frauenberg ist der Versammlungsplatz,
Dort gibt Euch Gallas weitere Befehle.
Isolani.
Es soll geschehn. Gedenkt mir's aber auch
Beim Kaiser, wie bereit Ihr mich gefunden.
Octavio.
Ich werd es rühmen.
(Isolani geht. Es kommt ein Bedienter.)
Oberst Buttler? Gut.
Isolani. (zurückkommend)
Vergebt mir auch mein barsches Wesen, Alter.
Herr Gott! Wie konnt' ich wissen, welch große
Person ich vor mir hatte!
Octavio.
Laßt das gut sein.
Isolani.
Ich bin ein lust'ger alter Knab', und wär'
Mir auch ein rasches Wörtlein übern Hof
Entschlüpft zuweilen, in der Lust des Weins,
Ihr wißt ja, bös war's nicht gemeint.
(Geht ab.)
Octavio.
Macht Euch
Darüber keine Sorge!--Das gelang!
Glück, sei uns auch so günstig bei den andern!

Sechster Auftritt
Octavio Piccolomini. Buttler.

Buttler.
Ich bin zu Eurer Ordre, Generalleutnant.
Octavio.
Seid mir als werter Gast und Freund willkommen.
Buttler.
Zu große Ehr' für mich.
Octavio. (nachdem beide Platz genommen)
Ihr habt die Neigung nicht erwidert,
Womit ich gestern Euch entgegenkam.
Wohl gar als leere Formel sie verkannt.
Von Herzen ging mir jener Wunsch, es war
Mir Ernst um Euch, denn eine Zeit ist jetzt,
Wo sich die Guten eng verbinden sollten.
Buttler.
Die Gleichgesinnten können es allein.
Octavio.
Und alle Guten nenn ich gleichgesinnt.
Dem Menschen bring ich nur die Tat in Rechnung,
Wozu ihn ruhig der Charakter treibt;
Denn blinder Mißverständnisse Gewalt
Drängt oft den Besten aus dem rechten Gleise.
Ihr kamt durch Frauenberg. Hat Euch Graf Gallas
Nichts anvertraut? Sagt mir's. Er ist mein Freund.
Buttler.
Er hat verlorne Worte nur gesprochen.
Octavio.
Das hör ich ungern, denn sein Rat war gut.
Und einen gleichen hätt' ich Euch zu geben.
Buttler.
Spart Euch die Müh--mir die Verlegenheit,
So schlecht die gute Meinung zu verdienen.
Octavio.
Die Zeit ist teuer, laßt uns offen reden.
Ihr wißt, wie hier die Sachen stehn. Der Herzog
Sinnt auf Verrat, ich kann Euch mehr noch sagen,
Er hat ihn schon vollführt; geschlossen ist
Das Bündnis mit dem Feind vor wen'gen Stunden.
Nach Prag und Eger reiten schon die Boten,
Und morgen will er zu dem Feind uns führen.
Doch er betrügt sich, denn die Klugheit wacht,
Noch treue Freunde leben hier dem Kaiser,
Und mächtig steht ihr unsichtbarer Bund.
Dies Manifest erklärt ihn in die Acht,
Spricht los das Heer von des Gehorsams Pflichten,
Und alle Gutgesinnten ruft es auf,
Sich unter meiner Führung zu versammeln.
Nun wählt, ob Ihr mit uns die gute Sache,
Mit ihm der Bösen böses Los wollt teilen?
Buttler. (steht auf)
Sein Los ist meines.
Octavio.
Ist das Euer letzter
Entschluß?
Buttler.
Er ist's.
Octavio.
Bedenkt Euch, Oberst Buttler.
Noch habt Ihr Zeit. In meiner treuen Brust
Begraben bleibt das raschgesprochne Wort.
Nehmt es zurück. Wählt eine bessere
Partei. Ihr habt die gute nicht ergriffen.
Buttler.
Befehlt Ihr sonst nocht etwas, Generalleutnant?
Octavio.
Seht Eure weißen Haare! Nehmt's zurück.
Buttler.
Lebt wohl!
Octavio.
Was? Diesen guten, tapfern Degen
Wollt Ihr in solchem Streite ziehen? Wollt
In Fluch den Dank verwandeln, den Ihr Euch
Durch vierzigjähr'ge Treu verdient um Östreich?
Buttler. (bitter lachend)
Dank vom Haus Östreich!
(Er will gehen.)
Octavio. (läßt ihn bis an die Türe gehen, dann ruft er)
Buttler!
Buttler.
Was beliebt?
Octavio.
Wie war es mit dem Grafen?
Buttler.
Grafen! Was?
Octavio.
Dem Grafentitel, mein ich.
Buttler. (heftig auffahrend)
Tod und Teufel!
Octavio. (kalt)
Ihr suchtet darum nach. Man wies Euch ab.
Buttler.
Nicht ungestraft sollt Ihr mich höhnen. Zieht!
Octavio.
Steckt ein. Sagt ruhig, wie es damit ging. Ich will
Genugtuung nachher Euch nicht verweigern.
Buttler.
Mag alle Welt doch um die Schwachheit wissen,
Die ich mir selbst nie verzeihen kann!
--Ja! Generalleutnant, ich besitze Ehrgeiz,
Verachtung hab ich nie ertragen können.
Es tat mir wehe, daß Geburt und Titel
Bei der Armee mehr galten als Verdienst.
Nicht schlechter wollt' ich sein als meinesgleichen,
So ließ ich mich in unglücksel'ger Stunde
Zu jenem Schritt verleiten--Es war Torheit!
Doch nicht verdient' ich, sie so hart zu büßen!
--Versagen konnte man's--Warum die Weigerung
Mit dieser kränkenden Verachtung schärfen,
Den alten Mann, den treu bewährten Diener
Mit schwerem Hohn zermalmend niederschlagen,
An seiner Herkunft Schmach so rauh ihn mahnen,
Weil er in schwacher Stunde sich vergaß!
Doch einen Stachel gab Natur dem Wurm,
Den Willkür übermütig spielend tritt--
Octavio.
Ihr müßt verleumdet sein. Vermutet Ihr
Den Feind, der Euch den schlimmen Dienst geleistet?
Buttler.
Sei's, wer es will! Ein niederträcht'ger Bube,
Ein Höfling muß es sein, ein Spanier,
Der Junker irgend eines alten Hauses,
Dem ich im Licht mag stehn, ein neid'scher Schurke,
Den meine selbstverdiente Würde kränkt.
Octavio.
Sagt. Billigte der Herzog jenen Schritt?
Buttler.
Er trieb mich dazu an, verwendete
Sich selbst für micht, mit edler Freundeswärme.
Octavio.
So? Wißt ihr das gewiß?
Buttler.
Ich las den Brief.
Octavio. (bedeutend)
Ich auch--doch anders lautete sein Inhalt.
(Buttler wird betroffen.)
Durch Zufall bin ich im Besitz des Briefs,
Kann Euch durch eignen Anblick überführen.
(Er gibt ihm den Brief.)
Buttler.
Ha! was ist das?
Octavio.
Ich fürchte, Oberst Buttler,
Man hat mit Euch ein schändlich Spiel getrieben.
Der Herzog, sagt Ihr, trieb Euch zu dem Schritt?--
In diesem Briefe spricht er mit Verachtung
Von Euch, rät dem Minister, Euren Dünkel,
Wie er ihn nennt, zu züchtigen.
(Buttler hat den Brief gelesen, seine Knie zittern, er greift nach
einem Stuhl, setzt sich nieder.)
Kein Feind verfolgt Euch. Niemand will Euch übel.
Dem Herzog schreibt allein die Kränkung zu,
Die ihr empfangen; deutlich ist die Absicht.
Losreißen wollt' er Euch von Eurem Kaiser--
Von Eurer Rache hofft' er zu erlangen,
Was Eure wohlbewährte Treu ihn nimmer
Erwarten ließ bei ruhiger Besinnung.
Zum blinden Werkzeug wollt' er Euch, zum Mittel,
Verworfner Zwecke Euch verächtlich brauchen.
Er hat's erreicht. Zu gut nur glückt' es ihm,
Euch wegzulocken von dem guten Pfade,
Auf dem Ihr vierzig Jahre seid gewandelt.
Buttler. (mit der Stimme bebend)
Kann mir des Kaisers Majestät vergeben?
Octavio.
Sie tut noch mehr. Sie macht die Kränkung gut,
Die unverdient dem Würdigen geschehn.
Aus freiem Trieb bestätigt sie die Schenkung,
Die Euch der Fürst zu bösem Zweck gemacht.
Das Regiment ist Euer, das Ihr führt.
Buttler. (will aufstehen, sinkt zurück. Sein Gemüt arbeitet
heftig, er versucht zu reden und vermag es nicht. Endlich
nimmt er den Degen vom Gehänge und reicht ihn dem Piccolomini)
Octavio.
Was wollt Ihr? Faßt Euch.
Buttler.
Nehmt!
Octavio.
Wozu? Besinnt Euch.
Buttler.
Nehmt hin! Nicht wert mehr bin ich dieses Degens.
Octavio.
Empfangt ihn neu zurück aus meiner Hand
Und führt ihn stets mit Ehre für das Recht.
Buttler.
Die Treue brach ich solchem gnäd'gen Kaiser!
Octavio.
Macht's wieder gut. Schnell trennt Euch von dem Herzog.
Buttler.
Mich von ihm trennen!
Octavio.
Wie? Bedenkt Ihr Euch?
Buttler. (furchtbar ausbrechend)
Nur von ihm trennen? Oh! er soll nicht leben!
Octavio.
Folgt mir nach Frauenberg, wo alle Treuen
Bei Gallas sich und Altringer versammeln.
Viel andre bracht' ich noch zu ihrer Pflicht
Zurück, heut nacht entfliehen sie aus Pilsen.
Buttler. (ist heftig bewegt auf und ab gegangen und tritt zu
Octavio mit entschlossenem Blick)
Graf Piccolomini! Darf Euch der Mann
Von Ehre sprechen, der die Treue brach?
Octavio.
Der darf es, der so ernstlich es bereut.
Buttler.
So laßt mich hier, auf Ehrenwort.
Octavio.
Was sinnt Ihr?
Buttler.
Mit meinem Regimente laßt mich bleiben.
Octavio.
Ich darf Euch trauen. Doch sagt mir, was Ihr brütet?
Buttler.
Die Tat wird's lehren. Fragt mich jetzt nicht weiter.
Traut mir! Ihr könnt's! Bei Gott! Ihr überlasset
Ihn seinem guten Engel nicht!--Lebt wohl!
(Geht ab.)
Bedienter. (bringt ein Billet)
Ein Unbekannter bracht's und ging gleich wieder.
Des Fürsten Pferde stehen auch schon unten.
(Ab.)
Octavio. (liest)
"Macht, daß Ihr fortkommt. Euer treuer Isolan."
--Oh! läge diese Stadt erst hinter mir!
So nah dem Hafen sollten wir noch scheitern?
Fort! Fort! Hier ist nicht länger Sicherheit
Für mich. Wo aber bleibt mein Sohn?

Siebenter Auftritt
Beide Piccolomini.

Max. (kömmt in der heftigsten Gemütsbewegung, seine Blicke
rollen wild, sein Gang ist unstet; er scheint den Vater nicht
zu bemerken, der von ferne steht und ihn mitleidig ansieht.
Mit großen Schritten geht er durch das Zimmer, bleibt wieder
stehen und wirft sich zuletzt in einen Stuhl, gerad vor sich
hin starrend)
Octavio. (nähert sich ihm).
Ich reise ab, mein Sohn.
(Da er keine Antwort erhält, faßt er ihn bei der Hand.)
Mein Sohn, leb wohl!
Max.
Leb wohl!
Octavio.
Du folgst mir doch bald nach?
Max. (ohne ihn anzusehen).
Ich dir?
Dein Weg ist krumm, er ist der meine nicht.
(Octavio läßt seine Hand los, fährt zurück.)
Oh! wärst du wahr gewesen und gerade,
Nie kam es dahin, alles stünde anders!
Er hätte nicht das Schreckliche getan,
Die Guten hätten Kraft bei ihm behalten,
Nicht in der Schlechten Garn wär' er gefallen.
Warum so heimlich, hinterlistig lauernd
Gleich einem Dieb und Diebeshelfer schleichen?
Unsel'ge Falschheit! Mutter alles Bösen!
Du jammerbringende, verderbest uns!
Wahrhaftigkeit, die reine, hätt' uns alle,
Die welterhaltende, gerettet. Vater!
Ich kann dich nicht entschuldigen, ich kann's nicht.
Der Herzog hat mich hintergangen, schrecklich,
Du aber hast viel besser nicht gehandelt.
Octavio.
Mein Sohn, ach! ich verzeihe deinem Schmerz.
Max. (steht auf, betrachtet ihn mit zweifelhaften Blicken)
Wär's möglich, Vater? Vater? Hättest du's
Mit Vorbedacht bis dahin treiben wollen?
Du steigst durch seinen Fall. Octavio,
Das will mir nicht gefallen.
Octavio.
Gott im Himmel!
Max.
Weh mir! Ich habe die Natur verändert,
Wie kommt der Argwohn in die freie Seele?
Vertrauen, Glaube, Hoffnung ist dahin,
Denn alles log mir, was ich hochgeachtet.
Nein! Nein! Nicht alles! Sie ja lebt mir noch,
Und sie ist wahr und lauter wie der Himmel.
Betrug ist überall und Heuchelschein
Und Mord und Gift und Meineid und Verrat,
Der einzig reine Ort ist unsre Liebe,
Der unentweihte in der Menschlichkeit.
Octavio.
Max! Folg mir lieber gleich, das ist doch besser.
Max.
Was? Eh' ich Abschied noch von ihr genommen?
Den letzten--Nimmermehr!
Octavio.
Erspare dir
Die Qual der Trennung, der notwendigen.
Komm mit mir! Komm, mein Sohn!
(Will ihn fortziehn.)
Max.
Nein! So wahr Gott lebt!
Octavio. (dringender)
Komm mit mir, ich gebiete dir's, dein Vater.
Max.
Gebiete mir, was menschlich ist. Ich bleibe.
Octavio.
Max! In des Kaisers Namen, folge mir!
Max.
Kein Kaiser hat dem Herzen vorzuschreiben.
Und willst du mir das einzige noch rauben,
Was mir mein Unglück übrigließ, ihr Mitleid?
Muß grausam auch das Grausame geschehn?
Das Unabänderliche soll ich noch
Unedel tun, mit heimlich feiger Flucht,
Wie ein Unwürdiger mich von ihr stehlen?
Sie soll mein Leiden sehen, meinen Schmerz,
Die Klagen hören der zerrißnen Seele
Und Tränen um mich weinen--Oh! die Menschen
Sind grausam, aber sie ist wie ein Engel.
Sie wird von gräßlich wütender Verzweiflung
Die Seele retten, diesen Schmerz des Todes
Mit sanften Trostesworten klagend lösen.
Octavio.
Du reißest dich nicht los, vermagst es nicht.
Oh! komm, mein Sohn, und rette deine Tugend!
Max.
Verschwende deine Worte nicht vergebens,
Dem Herzen folg ich, denn ich darf ihm trauen.
Octavio. (außer Fassung, zitternd)
Max! Max! Wenn das Entsetzliche mich trifft,
Wenn du--mein Sohn--mein eignes Blut--ich darf's
Nicht denken! dich dem Schändlichen verkaufst,
Dies Brandmal aufdrückst unsers Hauses Adel,
Dann soll die Welt das Schauderhafte sehn,
Und von des Vaters Blute triefen soll
Des Sohnes Stahl im gräßlichen Gefechte.
Max.
Oh! hättest du vom Menschen besser stets
Gedacht, du hättest besser auch gehandelt.
Fluchwürd'ger Argwohn! Unglücksel'ger Zweife!
Es ist ihm Festes nichts und Unverrücktes,
Und alles wanket, wo der Glaube fehlt.
Octavio.
Und trau ich deinem Herzen auch, wird's immer
In deiner Macht auch stehen, ihm zu folgen?
Max.
Du hast des Herzens Stimme nicht bezwungen,
So wenig wird der Herzog es vermögen.
Octavio.
Oh! Max, ich seh dich niemals wiederkehren!
Max.
Unwürdig deiner wirst du nie mich sehn.
Octavio.
Ich geh nach Frauenberg, die Pappenheimer
Laß ich dir hier, auch Lothringen, Toscana
Und Tiefenbach bleibt da, dich zu bedecken.
Sie lieben dich und sind dem Eide treu
Und werden lieber tapfer streitend fallen,
Als von dem Führer weichen und der Ehre.
Max.
Verlaß dich drauf, ich lasse fechtend hier
Das Leben oder führe sie aus Pilsen.
Octavio. (aufbrechend)
Mein Sohn, leb wohl!
Max.
Leb wohl!
Octavio.
Wie? Keinen Blick
Der Liebe? Keinen Händedruck zum Abschied?
Es ist ein blut'ger Krieg, in den wir gehn,
Und ungewiß, verhüllt ist der Erfolg.
So pflegten wir uns vormals nicht zu trennen.
Ist es denn wahr? Ich habe keinen Sohn mehr?
(Max fällt in seine Arme, sie halten einander lange schweigend
umfaßt, dann entfernen sie sich nach verschiedenen Seiten.)


Dritter Aufzug
Saal bei der Herzogin von Friedland.

Erster Auftritt
Gräfin Terzky. Thekla. Fräulein von Neubrunn. Beide letztern mit
weiblichen Arbeiten beschäftigt.

Gräfin.
Ihr habt mich nichts zu fragen, Thekla? Gar nichts?
Schon lange wart ich auf ein Wort von Euch.
Könnt Ihr's ertragen, in so langer Zeit
Nicht einmal seinen Namen auszusprechen?
Wie? Oder wär' ich jetzt schon überflüssig,
Und gäb' es andre Wege als durch mich?
Gesteht mir, Nichte. Habt Ihr ihn gesehn?
Thekla.
Ich hab ihn heut und gestern nicht gesehn.
Gräfin.
Auch nicht von ihm gehört? Verbergt mir nichts.
Thekla.
Kein Wort.
Gräfin.
Und könnt so ruhig sein!
Thekla.
Ich bin's.
Gräfin.
Verlaßt uns, Neubrunn.
(Fräulein von Neubrunn entfernt sich.)

Zweiter Auftritt
Gräfin Thekla.

Gräfin.
Es gefällt mir nicht,
Daß er sich grade jetzt so still verhält.
Thekla.
Gerade jetzt!
Gräfin.
Nachdem er alles weiß!
Denn jetzo war's die Zeit, sich zu erklären.
Thekla.
Sprecht deutlicher, wenn ich's verstehen soll.
Gräfin.
In dieser Absicht schickt' ich sie hinweg.
Ihr seid kein Kind mehr, Thekla. Euer Herz
Ist mündig, denn Ihr liebt, und kühner Mut
Ist bei der Liebe. Den habt Ihr bewiesen.
Ihr artet mehr nach Eures Vaters Geist
Als nach der Mutter ihrem. Darum könnt Ihr hören,
Was sie nicht fähig ist zu tragen.
Thekla.
Ich bitt Euch, endet diese Vorbereitung.
Sei's was es sei. Heraus damit! Es kann
Mich mehr nicht ängstigen als dieser Eingang.
Was habt Ihr mir zu sagen? Faßt es kurz.
Gräfin.
Ihr müßt nur nicht erschrecken--
Thekla.
Nennt's! Ich bitt Euch.
Gräfin.
Es steht bei Euch, dem Vater einen großen Dienst
Zu leisten--
Thekla.
Bei mir stünde das! Was kann--
Gräfin.
Max Piccolomini liebt Euch. Ihr könnt
Ihn unauflöslich an den Vater binden.
Thekla.
Braucht's dazu meiner? Ist er es nicht schon?
Gräfin.
Er war's.
Thekla.
Und warum sollt' er's nicht mehr sein,
Nicht immer bleiben?
Gräfin.
Auch am Kaiser hängt er.
Thekla.
Nicht mehr, als Pflicht und Ehre von ihm fordern.
Gräfin.
Von seiner Liebe fordert man Beweise,
Und nicht von seiner Ehre--Pflicht und Ehre!
Das sind vieldeutig doppelsinn'ge Namen,
Ihr sollt sie ihm auslegen, seine Liebe
Soll seine Ehre ihm erklären.
Thekla.
Wie?
Gräfin.
Er soll dem Kaiser oder Euch entsagen.
Thekla.
Er wird den Vater gern in den Privatstand
Begleiten. Ihr vernahmt es von ihm selbst,
Wie sehr er wünscht, die Waffen wegzulegen.
Gräfin.
Er soll sie nicht weglegen, ist die Meinung,
Er soll sie für den Vater ziehn.
Thekla.
Sein Blut,
Sein Leben wird er für den Vater freudig
Verwenden, wenn ihm Unglimpf widerführe.
Gräfin.
Ihr wollt mich nicht erraten--Nun so hört.
Der Vater ist vom Kaiser abgefallen,
Steht im Begriff, sich zu dem Feind zu schlagen
Mitsamt dem ganzen Heer--
Thekla.
O meine Mutter!
Gräfin.
Es braucht ein großes Beispiel, die Armee
Ihm nachzuziehn. Die Piccolomini
Stehn bei dem Heer in Ansehn, sie beherrschen
Die Meinung, und entscheidend ist ihr Vorgang.
Des Vaters sind wir sicher durch den Sohn--
--Ihr habt jetzt viel in Eurer Hand.
Thekla.
O jammervolle Mutter! Welcher Streich des Todes
Erwartet dich!--Sie wird's nicht überleben.
Gräfin.
Sie wird in das Notwendige sich fügen.
Ich kenne sie--Das Ferne, Künftige beängstigt
Ihr fürchtend Herz; was unabänderlich
Und wirklich da ist, trägt sie mit Ergebung.
Thekla.
O meine ahnungsvolle Seele--Jetzt--
Jetzt ist sie da, die kalte Schreckenshand,
Die in mein fröhlich Hoffen schaudernd greift.
Ich wußt' es wohl--O gleich, als ich hier eintrat,
Weissagte mir's das bange Vorgefühl,
Daß über mir die Unglückssterne stünden--
Doch warum denk ich jetzt zuerst an mich--
O meine Mutter! meinen Mutter!
Gräfin.
Faßt Euch.
Brecht nicht in eitle Klagen aus. Erhaltet
Dem Vater einen Freund, Euch den Geliebten,
So kann noch alles gut und glücklich werden.
Thekla.
Gut werden! Was? Wir sind getrennt auf immer!--
Ach, davon ist nun gar nicht mehr die Rede.
Gräfin.
Er läßt Euch nicht! Er kann nicht von Euch lassen.
Thekla.
O der Unglückliche!
Gräfin.
Wenn er Euch wirklich liebt, wird sein Entschluß
Geschwind gefaßt sein.
Thekla.
Sein Entschluß wird bald
Gefaßt sein, daran zweifelt nicht. Entschluß!
Ist hier noch ein Entschluß?
Gräfin.
Faßt euch. Ich höre
Die Mutter nahn.
Thekla.
Wie werd ich ihren Anblick
Ertragen!
Gräfin.
Faßt Euch.

Dritter Auftritt
Die Herzogin. Vorige.

Herzogin. (zur Gräfin)
Schwester! Wer war hier?
Ich hörte lebhaft reden.
Gräfin.
Es war niemand.
Herzogin.
Ich bin so schreckhaft. Jedes Rauschen kündigt mir
Den Fußtritt eines Unglücksboten an.
Könnt Ihr mir sagen, Schwester, wie es steht?
Wird er dem Kaiser seinen Willen tun,
Dem Kardinal die Reiter senden? Sprecht,
Hat er den Questenberg mit einer guten
Antwort entlassen?
Gräfin.
--Nein, das hat er nicht.
Herzogin.
O dann ist's aus! Ich seh das Ärgste kommen.
Sie werden ihn absetzen, es wird alles wieder
So werden wie zu Regenspurg.
Gräfin.
So wird's
Nicht werden. Diesmal nicht. Dafür seid ruhig.
(Thekla, heftig bewegt, stürzt auf die Mutter zu und schließt sie
weinend in die Arme.)
Herzogin.
O der unbeugsam unbezähmte Mann!
Was hab ich nicht getragen und gelitten
In dieser Ehe unglücksvollem Bund!
Denn gleich wie an ein feurig Rad gefesselt,
Das rastlos eilend, ewig, heftig treibt,
Bracht' ich ein angstvoll Leben mit ihm zu,
Und stets an eines Abgrunds jähem Rande
Sturzdrohend, schwindelnd riß er mich dahin.
--Nein, weine nicht, mein Kind. Laß dir mein Leiden
Zu keiner bösen Vorbedeutung werden,
Den Stand, der dich erwartet, nicht verleiden.
Es lebt kein zweiter Friedland; du, mein Kind,
Hast deiner Mutter Schicksal nicht zu fürchten.
Thekla.
O lassen Sie uns fliehen, liebe Mutter!
Schnell! Schnell! Hier ist kein Aufenthalt für uns.
Jedwede nächste Stunde brütet irgend
Ein neues, ungeheures Schreckbild aus!
Herzogin.
Dir wird ein ruhigeres Los!--Auch wir,
Ich und dein Vater, sahen schöne Tage;
Der ersten Jahre denk ich noch mit Lust.
Da war er noch der fröhlich Strebende,
Sein Ehrgeiz war ein mild erwärmend Feuer,
Noch nicht die Flamme, die verzehrend rast.
Der Kaiser liebte ihn, vertraute ihm,
Und was er anfing, das mußt' ihm geraten.
Doch seit dem Unglückstag zu Regenspurg,
Der ihn von seiner Höh' herunterstürzte,
Ist ein unsteter, ungesell'ger Geist
Argwöhnisch, finster über ihn gekommen.
Ihn floh die Ruhe, und dem alten Glück,
Der eignen Kraft nicht fröhlich mehr vertrauend,
Wandt' er sein Herz den dunkeln Künsten zu,
Die keinen, der sie pflegte, noch beglückt.
Gräfin.
Ihr seht's mit Euren Augen--Aber ist
Das ein Gespräch, womit wir ihn erwarten?
Er wird bald hier sein, wißt Ihr. Soll er sie
In diesem Zustand finden?
Herzogin.
Komm, mein Kind.
Wisch deine Tränen ab. Zeig deinem Vater
Ein heitres Antlitz--Sieh, die Schleife hier
Ist los--Dies Haar muß aufgebunden werden.
Komm, trockne deine Tränen. Sie entstellen
Dein holdes Auge--Was ich sagen wollte?
Ja, dieser Piccolomini ist doch
Ein würd'ger Edelmann und voll Verdienst.
Gräfin.
Das ist er, Schwester.
Thekla. (zur Gräfin, beängstigt.)
Tante, wollt Ihr mich
Entschuldigen?
(Will gehen.)
Gräfin.
Wohin? Der Vater kommt.
Thekla.
Ich kann ihn jetzt nicht sehn.
Gräfin.
Er wird Euch aber
Vermissen, nach Euch fragen.
Herzogin.
Warum geht sie?
Thekla.
Es ist mir unerträglich, ihn zu sehn.
Gräfin. (zur Herzogin).
Ihr ist nicht wohl.
Herzogin. (besorgt)
Was fehlt dem lieben Kinde?
(Beide folgen dem Fräulein und sind beschäftigt, sie zurückzuhalten.
Wallenstein erscheint, im Gespräch mit Illo.)

Vierter Auftritt
Wallenstein. Illo. Vorige.

Wallenstein.
Es ist noch still im Lager?
Illo.
Alles still.
Wallenstein.
In wenig Stunden kann die Nachricht da sein
Aus Prag, daß diese Hauptstadt unser ist.
Dann können wir die Maske von uns werfen,
Den hiesigen Truppen den getanen Schritt
Zugleich mit dem Erfolg zu wissen tun.
In solchen Fällen tut das Beispiel alles.
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