Wallensteins Tod - 5

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Das höchste Zutraun haben wir zu dir,
Kein fremder Mund soll zwischen uns sich schieben,
Den guten Feldherrn und die guten Truppen.
Wallenstein.
Daran erkenn ich meine Pappenheimer.
Gefreiter.
Und dies entbietet dir dein Regiment:
Ist's deine Absicht bloß, dies Kriegeszepter,
Das dir gebührt, das dir der Kaiser hat
Vertraut, in deinen Händen zu bewahren,
Östreichs rechtschaffner Feldhauptmann zu sein,
So wollen wir dir beistehn und dich schützen
Bei deinem guten Rechte gegen jeden--
Und wenn die andern Regimenter alle
Sich von dir wenden, wollen wir allein
Dir treu sein, unser Leben für dich lassen.
Denn das ist unsre Reiterpflicht, daß wir
Umkommen lieber, als dich sinken lassen.
Wenn's aber so ist, wie des Kaisers Brief
Besagt, wenn's wahr ist, daß du uns zum Feind
Treuloserweise willst hinüberführen,
Was Gott verhüte! ja, so wollen wir
Dich auch verlassen und dem Brief gehorchen.
Wallenstein.
Hört, Kinder--
Gefreiter.
Braucht nicht viel Wort. Sprich
Ja oder nein, so sind wir schon zufrieden.
Wallenstein.
Hört an. Ich weiß, daß ihr verständig seid,
Selbst prüft und denkt und nicht der Herde folgt.
Drum hab ich euch, ihr wißt's, auch ehrenvoll
Stets unterschieden in der Heereswoge;
Denn nur die Fahnen zählt der schnelle Blick
Des Feldherrn, er bemerkt kein einzeln Haupt,
Streng herrscht und blind der eiserne Befehl,
Es kann der Mensch dem Menschen hier nichts gelten--
So, wißt ihr, hab ich's nicht mit euch gehalten;
Wie ihr euch selbst zu fassen angefangen
Im rohen Handwerk, wie von euren Stirnen
Der menschliche Gedanke mir geleuchtet,
Hab ich als freie Männer euch behandelt,
Der eignen Stimme Recht euch zugestanden--
Gefreiter.
Ja, würdig hast du stets mit uns verfahren,
Mein Feldherr, uns geehrt durch dein Vertraun,
Uns Gunst erzeigt vor allen Regimentern.
Wir folgen auch dem großen Haufen nicht,
Du siehst's! Wir wollen treulich bei dir halten.
Sprich nur ein Wort, dein Wort soll uns genügen,
Daß es Verrat nicht sei, worauf du sinnst,
Daß du das Herr zum Feind nicht wollest führen.
Wallenstein.
Mich, mich verrät man! Aufgeopfert hat mich
Der Kaiser meinen Feinden, fallen muß ich,
Wenn meine braven Truppen mich nicht retten.
Euch will ich mich vertrauen--Euer Herz
Sei meine Festung! Seht, auf diese Brust
Zielt man! Nach diesem greisen Haupte!--Das
Ist span'sche Dankbarkeit, das haben wir
Für jene Mordschlacht auf der alten Feste,
Auf Lützens Ebnen! Darum warfen wir
Die nackte Brust der Partisan' entgegen,
Drum machten wir die eisbedeckten Erde,
Den harten Stein zu unserm Pfühl; kein Strom
War uns zu schnell, kein Wald zu undurchdringlich,
Wir folgten jenem Mansfeld unverdrossen
Durch alle Schlangenkrümmen seiner Flucht,
Ein ruheloser Marsch war unser Leben,
Und wie des Windes Sausen, heimatlos,
Durchstürmten wir die kriegbewegte Erde.
Und jetzt, da wir die schwere Waffenarbeit,
Die undankbare, fluchbeladene, getan,
Mit unermüdet treuem Arm des Krieges Last
Gewälzt, soll dieser kaiserliche Jüngling
Den Frieden leicht wegtragen, soll den Ölzweig,
Die wohlverdiente Zierde unsers Haupts,
Sich in die blonden Knabenhaare flechten--
Gefreiter.
Das soll er nicht, solang wir's hindern können.
Niemand als du, der ihn mit Ruhm geführt,
Soll diesen Krieg, den fürchterlichen, enden.
Du führtest uns heraus ins blut'ge Feld
Des Todes, du, kein andrer, sollst uns fröhlich
Heimführen in des Friedens schöne Fluren,
Der langen Arbeit Früchte mit uns teilen--
Wallenstein.
Wie? denkt ihr euch im späten Alter endlich
Der Früchte zu erfreuen? Glaubt das nicht.
Ihr werdet dieses Kampfes Ende nimmer
Erblicken! Dieser Krieg verschlingt uns alle.
Östreich will keinen Frieden; darum eben,
Weil ich den Frieden suche, muß ich fallen.
Was kümmert's Östreich, ob der lange Krieg
Die Heere aufreibt und die Welt verwüstet,
Es will nur wachsen stets und Land gewinnen.
Ihr seid gerührt--ich seh den edeln Zorn
Aus euren kriegerischen Augen blitzen.
O daß mein Geist euch jetzt beseelen möchte,
Kühn, wie er einst in Schlachten euch geführt!
Ihr wollt mir beistehn, wollt mich mit den Waffen
Bei meinem Rechte schützen--das ist edelmütig!
Doch denket nicht, daß ihr's vollenden werdet,
Das kleine Heer! Vergebens werdet ihr
Für euren Feldherrn euch geopfert haben.
(Zutraulich.)
Nein! Laßt uns sicher gehen, Freunde suchen,
Der Schwede sagt uns Hilfe zu, laßt uns
Zum Schein sie nutzen, bis wir, beiden furchtbar,
Europens Schicksal in den Händen tragen
Und der erfreuten Welt aus unserm Lager
Den Frieden schön bekränzt entgegenführen.
Gefreiter.
So treibst du's mit dem Schweden nur zum Schein?
Du willst den Kaiser nicht verraten, willst uns
Nicht schwedisch machen?--sieh, das ist's allein,
Was wir von dir verlangen zu erfahren.
Wallenstein.
Was geht der Schwed' mich an? Ich haß ihn, wir
Den Pfuhl der Hölle, und mit Gott gedenk ich ihn
Bald über seine Ostsee heimzujagen.
Mir ist's allein ums Ganze. Seht! Ich hab
Ein Herz, der Jammer dieses deutschen Volks erbarmt mich.
Ihr seid gemeine Männer nur, doch denkt
Ihr nicht gemein, ihr scheint mir's wert vor andern,
Daß ich ein traulich Wörtlein zu euch rede--
Seht! Fünfzehn Jahr schon brennt die Kriegesfackel,
Und noch ist nirgends Stillstand. Schwed' und Deutscher!
Papist und Lutheraner! Keiner will
Dem andern weichen! Jede Hand ist wider
Die andre! Alles ist Partei und nirgends
Kein Richter! Sagt, wo soll das enden? wer
Den Knäul entwirren, der, sich endlos selbst
Vermehrend, wächst--Er muß zerhauen werden.
Ich fühl's, daß ich der Mann des Schicksals bin,
Und hoff's mit eurer Hilfe zu vollführen.

Sechzehnter Auftritt
Buttler. Vorige.

Buttler. (in Eifer)
Das ist nicht wohlgetan, mein Feldherr.
Wallenstein.
Was?
Buttler.
Das muß uns schaden bei den Gutgesinnten.
Wallenstein.
Was denn?
Buttler.
Es heißt den Aufruhr öffentlich erklären!
Wallenstein.
Was ist es denn?
Buttler.
Graf Terzkys Regimenter reißen
Den kaiserlichen Adler von den Fahnen
Und pflanzen deine Zeichen auf.
Gefreiter. (zu den Kürassieren).
Rechts um!
Wallenstein.
Verflucht sei dieser Rat, und wer ihn gab!
(Zu den Kürassieren, welche abmarschieren.)
Halt, Kinder, halt--Es ist ein Irrtum--Hört--
Und streng will ich's bestrafen--Hört doch! Bleibt.
Sie hören nicht.
(Zu Illo.)
Geh nach, bedeute sie,
Bring sie zurück, es koste was es wolle.
(Illo eilt hinaus.)
Das stürzt uns ins Verderben--Buttler! Buttler!
Ihr seid mein böser Dämon, warum mußtet Ihr's
In ihrem Beisein melden!--Alles war
Auf gutem Weg--Sie waren halb gewonnen--
Die Rasenden, mit ihrer unbedachten
Dienstfertigkeit!--O grausam spielt das Glück
Mit mir! Der Freunde Eifer ist's, der mich
Zugrunde richtet, nicht er Haß der Feinde.

Siebzehnter Auftritt
Vorige. Die Herzogin stürzt ins Zimmer. Ihr folgt Thekla und
die Gräfin. Dann Illo.

Herzogin.
O Albrecht! Was hast du getan!
Wallenstein.
Nun das noch!
Gräfin.
Verzeih mir, Bruder. Ich vermocht' es nicht,
Sie wissen alles.
Herzogin.
Was hast du getan!
Gräfin. (zu Terzky)
Ist keine Hoffnung mehr? Ist alles denn
Verloren?
Terzky.
Alles. Prag ist in des Kaisers Hand,
Die Regimenter haben neu gehuldigt.
Gräfin.
Heimtückischer Octavio!--Und auch
Graf Max ist fort?
Terzky.
Wo sollt er sein? Er ist
Mit seinem Vater über zu dem Kaiser.
(Thekla stürzt in die Arme ihrer Mutter, das Gesicht an ihrem
Busen verbergend.)
Herzogin. (sie in die Arme schließend).
Unglücklich Kind! Unglücklichere Mutter!
Wallenstein. (beiseite gehend mit Terzky).
Laß einen Reisewagen schnell bereit sein
Im Hinterhofe, diese wegzubringen.
(Auf die Frauen zeigend.)
Der Scherfenberg kann mit, der ist uns treu,
Nach Eger bringt er sie, wir folgen nach.
(Zu Illo, der wiederkommt.)
Du bringst sie nicht zurück?
Illo.
Hörst du den Auflauf?
Das ganze Korps der Pappenheimer ist
Im Anzug. Sie verlangen ihren Oberst,
Den Max zurück, er sei hier auf dem Schloß,
Behaupten sie, du haltest ihn mit Zwang,
Und wenn du ihn nicht losgebst, werde man
Ihn mit dem Schwerte zu befreien wissen.
(Alle stehen erstaunt.)
Wallenstein.
Sagt' ich's nicht?
O mein wahrsagend Herz! Er ist noch hier.
Er hat mich nicht verraten, hat es nicht
Vermocht--Ich habe nie daran gezweifelt.
Gräfin.
Ist er noch hier, o dann ist alles gut,
Dann weiß ich, was ihn ewig halten soll!
(Thekla umarmend.)
Terzky.
Es kann nicht sein. Bedenke doch! Der Alte
Hat uns verraten, ist zum Kaiser über,
Wie kann er's wagen, hierzusein?
Illo. (zum Wallenstein)
Den Jagdzug,
Den du ihm kürzlich schenktest, sah ich noch
Vor wenig Stunden übern Markt wegführen.
Gräfin.
O Nichte, dann ist er nicht weit!
Thekla. (hat den Blick nach der Türe geheftet und ruft lebhaft)
Da ist er!

Achtzehnter Auftritt
Die Vorigen. Max Piccolomini.

Max. (mitten in den Saal tretend).
Ja! Ja! da ist er! Ich vermag's nicht länger,
Mit leisem Tritt um dieses Haus zu schleichen,
Den günst'gen Augenblick verstohlen zu
Erlauern--Dieses Harren, diese Angst
Geht über meine Kräfte!
(Auf Thekla zugehend, welche sich ihrer Mutter in die Arme
geworfen.)
O sieh mich an! Sieh nicht weg, holder Engel.
Bekenn es frei vor allen. Fürchte niemand.
Es höre, wer es will, daß wir uns lieben.
Wozu es noch verbergen? Das Geheimnis
Ist für die Glücklichen; das Unglück braucht,
Das hoffnungslose, keinen Schleier mehr,
Frei unter tausend Sonnen kann es handeln.
(Er bemerkt die Gräfin, welche mit frohlockendem Gesicht auf
Thekla blickt.)
Nein, Base Terzky! Seht mich nicht erwartend,
Sicht hoffend an! Ich komme nicht zu bleiben.
Abschied zu nehmen, komm ich--Es ist aus.
Ich muß, muß dich verlassen, Thekla--muß!
Doch deinen Haß kann ich nicht mit mir nehmen.
Nur einen Blick des Mitleids gönne mir,
Sag, daß du mich nicht hassest. Sag mir's, Thekla.
(Indem er ihre Hand faßt, heftig bewegt.)
O Gott!--Gott! Ich kann nicht von dieser Stelle.
Ich kann es nicht--kann diese Hand nicht lassen.
Sag, Thekla, daß du Mitleid mit mir hast,
Dich selber überzeugst, ich kann nicht anders.
(Thekla, seinen Blick vermeidend, zeigt mit der Hand auf ihren Vater;
er wendet sich nach dem Herzog um, den er jetzt erst gewahr wird.)
Du hier?--Nicht du bist's, den ich hier gesucht.
Dich sollten meine Augen nicht mehr schauen.
Ich hab es nur mit ihr allein. Hier will ich,
Von diesem Herzen freigesprochen sein,
An allem andern ist nichts mehr gelegen.
Wallenstein.
Denkst du, ich soll der Tor sein und dich ziehen lassen
Und eine Großmutsszene mit dir spielen?
Dein Vater ist zum Schelm an mir geworden,
Du bist mir nichts mehr als sein Sohn, sollst nicht
Umsonst in meine Macht gegeben sein.
Denk nicht, daß ich die alte Freundschaft ehren werde,
Die er so ruchlos hat verletzt. Die Zeiten
Der Liebe sind vorbei, der zarten Schonung,
Und Haß und Rache kommen an die Reihe.
Ich kann auch Unmensch sein, wie er.
Max.
Du wirst mit mir verfahren, wie du Macht hast.
Wohl aber weißt du, daß ich deinem Zorn
Nicht trotze, noch ihn fürchte. Was mich hier
Zurückhält, weißt du!
(Thekla bei der Hand fassend.)
Sieh! Alles--alles wollt' ich dir verdanken,
Das Los der Seligen wollt' ich empfangen
Aus deiner väterlichen Hand. Du hast's
Zerstört, doch daran liegt dir nichts. Gleichgültig
Trittst du das Glück der Deinen in den Staub,
Der Gott, dem du dienst, ist kein Gott der Gnade.
Wie das gemütlos blinde Element,
Das furchtbare, mit dem kein Bund zu schließen,
Folgst du des Herzens wildem Trieb allein.
Weh denen, die auf dich vertraun, an dich
Die sichre Hütte ihres Glückes lehnen,
Gelockt von deiner gastlichen Gestalt!
Schnell, unverhofft, bei nächtlich stiller Weile
Gärt's in dem tück'schen Feuerschlunde, ladet
Sich aus mit tobender Gewalt, und weg
Treibt über alle Pflanzungen der Menschen
Der wilde Strom in grausender Zerstörung.
Wallenstein.
Du schilderst deines Vaters Herz. Wie du's
Beschreibst, so ist's in seinem Eingeweide,
In dieser schwarzen Heuchlers Brust gestaltet.
O mich hat Höllenkunst getäuscht. Mir sandte
Der Abgrund den verstecktesten der Geister,
Den Lügenkundigsten herauf und stellt ihn
Als Freund an meine Seite. Wer vermag
Der Hölle Macht zu widerstehn! Ich zog
Des Basilisken auf an meinem Busen,
Mit meinem Herzblut nährt' ich ihn, er sog
Sich schwelgend voll an meiner Liebe Brüsten,
Ich hatte nimmer Arges gegen ihn,
Weit offen ließ ich des Gedankens Tore
Und warf die Schlüssel weiser Vorsicht weg--
Am Sternenhimmel suchten meine Augen,
Im weiten Weltenraum den Feind, den ich
Im Herzen meines Herzens eingeschlossen.
--Wär' ich dem Ferdinand gewesen, was
Octavio mir war--Ich hätt' ihm nie
Krieg angekündigt--nie hätt' ich's vermocht.
Er war mein strenger Herr nur, nicht mein Freund,
Nicht meiner Treu vertraute sich der Kaiser.
Krieg war schon zwischen mir und ihm, als er
Den Feldherrnstab in meine Hände legte;
Denn Krieg ist ewig zwischen List und Argwohn,
Nur zwischen Glauben und Vertraun ist Friede.
Wer das Vertraun vergiftet, o der mordet
Das werdende Geschlecht im Leib der Mutter.
Max.
Ich will den Vater nicht verteidigen.
Weh mir, daß ich's nicht kann!
Unglücklich schwere Taten sind geschehn,
Und eine Frevelhandlung faßt die andre
In enggeschloßner Kette grausend an.
Doch wie gerieten wir, die nichts verschuldet,
In diesen Kreis des Unglücks und Verbrechens?
Wem brachen wir die Treue? Warum muß
Der Väter Doppelschuld und Freveltat
Uns gräßlich wie ein Schlangenpaar umwinden?
Warum der Väter unversöhnter Haß
Auch uns, die Liebenden, zerreißend scheiden?
(Er umschlingt Thekla mit heftigem Schmerz.)
Wallenstein. (hat den Blick schweigend auf ihn geheftet und
nähert sich jetzt).
Max! Bleibe bei mir.--Geh nicht von mir, Max!
Sieh, als man dich im pragschen Winterlager
Ins Zelt mir brachte, einen zarten Knaben,
Des deutschen Winters ungewohnt, die Hand
War dir erstarrt an der gewichtigen Fahne,
Du wolltst männlich sie nicht lassen, damals nahm ich
Dich auf, bedeckte dich mit meinem Mantel,
Ich selbst war deine Wärterin, nicht schämt' ich
Der kleinen Dienste mich, ich pflegte deiner
Mit weiblich sorgender Geschäftigkeit,
Bis du, von mir erwärmt, an meinem Herzen,
Das junge Leben wieder freudig fühltest.
Wann hab ich seitdem meinen Sinn verändert?
Ich habe viele Tausend reich gemacht,
Mit Ländereien sie beschenkt, belohnt
Mit Ehrenstellen--dich hab ich geliebt,
Mein Herz, mich selber hab ich dir gegeben.
Sie alle waren Fremdlinge, du warst
Das Kind des Hauses--Max! du kannst mich nicht
verlassen!
Es kann nicht sein, ich mag's und will's nicht glauben,
Daß mich der Max verlassen kann.
Max.
O Gott!
Wallenstein.
Ich habe dich gehalten und getragen
Von Kindesbeinen an--Was tat dein Vater
Für dich, das ich nicht reichlich auch getan?
Ein Liebesnetz hab ich um dich gesponnen,
Zerreiß es, wenn du kannst--Du bist an mich
Geknüpft mit jedem zarten Seelenbande,
Mit jeder heil'gen Fessel der Natur,
Die Menschen aneinanderketten kannn.
Geh hin, verlaß mich, diene deinem Kaiser,
Laß dich mit einem goldnen Gnadenkettlein,
Mit seinem Widderfell dafür belohnen,
Daß dir der Freund, der Vater deiner Jugend,
Daß dir das heiligste Gefühl nichts galt.
Max. (in heftigem Kampf)
O Gott! Wie kann ich anders? Muß ich nicht?
Mein Eid--die Pflicht--
Wallenstein.
Pflicht, gegen wen? Wer bist du?
Wenn ich am Kaiser unrecht handle, ist's
Mein Unrecht, nicht das deinige. Gehörst
Du dir? Bist du dein eigener Gebieter,
Stehst frei da in der Welt, wie ich, daß du
Der Täter deiner Taten könntest sein?
Auf mich bist du gepflanzt, ich bin dein Kaiser,
Mir angehören, mir gehorchen, das
Ist deine Ehre, dein Naturgesetz.
Und wenn der Stern, auf dem du lebst und wohnst,
Aus seinem Gleise tritt, sich brennend wirft
Auf ein nächste Welt und sie entzündet,
Dukannst nicht wählen, ob du folgen willst,
Fort reißt er dich in seines Schwunges Kraft
Samt seinem Ring und allen seinen Monden.
Mit leichter Schuld gehst du in diesen Streit,
Dich wird die Welt nicht tadeln, sie wird's loben,
Daß dir der Freund das meiste hat gegolten.

Neunzehnter Auftritt
Vorige. Neumann.

Wallenstein.
Was gibt's?
Neumann.
Die Pappenheimischen sind abgesessen
Und rücken an zu Fuß; sie sind entschlossen,
Den Degen in der Hand das Haus zu stürmen,
Den Grafen wollen sie befrein.
Wallenstein. (zu Terzky)
Man soll
Die Ketten vorziehn, das Geschütz aufpflanzen.
Mit Kettenkugeln will ich sie empfangen.
(Terzky geht.)
Mir vorzuschreiben mit dem Schwert! Geh, Neumann,
Sie sollen sich zurückziehn, augenblicks,
Ist mein Befehl, und in der Ordnung schweigend warten,
Was mir gefallen wird zu tun.
(Neumann geht ab. Illo ist ans Fenster getreten.)
Gräfin.
Entlaß ihn.
Ich bitte dich, entlaß ihn!
Illo. (am Fenster)
Tod und Teufel!
Wallenstein.
Was ist's?
Illo.
Aufs Rathaus steigen sie, das Dach
Wird abgedeckt, sie richten die Kanonen
Aufs Haus--
Max.
Die Rasenden!
Illo.
Sie machen Anstalt,
Uns zu beschießen--
Herzogin und Gräfin.
Gott im Himmel!
Max. (zu Wallenstein).
Laß mich
Hinunter, sie bedeuten--
Wallenstein.
Keinen Schritt!
Max. (auf Thekla und die Herzogin zeigend)
Ihr Leben aber! Deins!
Wallenstein.
Was bringst du, Terzky?

Zwanzigster Auftritt
Vorige. Terzky kommt zurück.

Terzky.
Botschaft von unsern treuen Regimentern.
Ihr Mut sei länger nicht zu bändigen,
Sie flehen um Erlaubnis, anzugreifen,
Vom Prager- und vom Mühl-Tor sind sie Herr,
Und wenn du nur die Losung wolltest geben,
So könnten sie den Feind im Rücken fassen,
Ihn in die Stadt einkeilen, in der Enge
Der Straßen leicht ihn überwältigen.
Illo.
O komm! Laß ihren Eifer nicht erkalten.
Die Buttlerischen halten treu zu uns,
Wir sind die größre Zahl und werfen sie
Und enden hier in Pilsen die Empörung.
Wallenstein.
Soll diese Stadt zum Schlachtgefilde werden
Und brüderliche Zwietracht, feueraugig,
Durch ihre Straßen losgelassen toben?
Dem tauben Grimm, der keinen Führer hört,
Soll die Entscheidung übergeben sein?
Hier ist nicht Raum zum Schlagen, nur zum Würgen;
Die losgebundnen Furien der Wut
Ruft keines Herrschers Stimme mehr zurück.
Wohl, es mag sein! Ich hab es lang bedacht,
So mag sich's rasch und blutig denn entladen.
(Zu Max gewendet.)
Wie ist's? Willst du den Gang mit mir versuchen?
Freiheit zu gehen hast du. Stelle dich
Mir gegenüber. Führe sie zum Kampf.
Den Krieg verstehst du, hast bei mir etwas
Gelernt, ich darf des Gegners mich nicht schämen,
Und keinen schönern Tag erlebst du, mir
Die Schule zu bezahlen.
Gräfin.
Ist es dahin
Gekommen? Vetter! Vetter! könnt Ihr's tragen?
Max.
Die Regimenter, die mir anvertraut sind,
Dem Kaiser treu hinwegzuführen, hab ich
Gelobt; dies will ich halten oder sterben.
Mehr fordert keine Pflicht von mir. Ich fechte
Nicht gegen dich, wenn ich's vermeiden kann,
Denn auch dein feindlich Haupt ist mir noch heilig.
(Es geschehn zwei Schüsse. Illo und Terzky eilen ans Fenster.)
Wallenstein.
Was ist das?
Terzky.
Er stürzt.
Wallenstein.
Stürzt! Wer?
Illo.
Die Tiefenbacher taten
Den Schuß.
Wallenstein.
Auf wen?
Illo.
Auf diesen Neumann, den
Du schicktest--
Wallenstein. (auffahrend).
Tod und Teufel! So will ich--
(Will gehen.)
Terzky.
Dich ihrer blinden Wut entgegenstellen?
Herzogin und Gräfin.
Um Gotteswillen nicht!
Illo.
Jetzt nicht, mein Feldherr.
Gräfin.
O halt ihn! halt ihn!
Wallenstein.
Laßt mich!
Max.
Tu es nicht,
Jetzt nicht. Die blutig rasche Tat hat sie
In Wut gesetzt, erwarte ihre Reue--
Wallenstein.
Hinweg! Zu lange schon hab ich gezaudert.
Das konnten sie sich freventlich erkühnen,
Weil sie mein Angesicht nicht sahn--sie sollen
Mein Antlitz sehen, meine Stimme hören--
Sind es nicht meine Truppen? Bin ich nicht
Ihr Feldherr und gefürchteter Gebieter?
Laß sehn, ob sie das Antlitz nicht mehr kennen,
Das ihre Sonne war in dunkler Schlacht.
Es braucht der Waffen nicht. Ich zeige mich
Vom Altan dem Rebellenherr, und schnell
Bezähmt, gebt acht, kehrt der empörte Sinn
Ins alte Bette des Gehorsams wieder.
(Er geht. Ihm folgen Illo, Terzky und Buttler.)

Einundzwanzigster Auftritt
Gräfin. Herzogin. Max und Thekla.

Gräfin. (zur Herzogin)
Wenn sie ihn sehn--Es ist noch Hoffnung, Schwester.
Herzogin.
Hoffnung! Ich habe keine.
Max. (der während des letzten Auftritts in einem sichtbaren Kampf
von ferne gestanden, tritt näher).
Das ertrag ich nicht.
Ich kam hierher mit fest entschiedner Seele,
Ich glaubte, recht und tadellos zu tun,
Und muß hier stehen, wie ein Hassenswerter,
Ein roh Unmenschlicher, vom Fluch belastet,
Vom Abscheu aller, die mir teuer sind,
Unwürdig schwer bedrängt die Lieben sehn,
Die ich mit einem Wort beglücken kann--
Das Herz in mir empört sich, es erheben
Zwei Stimmen streitend sich in meiner Brust,
In mir ist Nacht, ich weiß das Rechte nicht zu wählen.
O wohl, wohl hast du wahr geredet, Vater,
Zu viel vertraut' ich auf das eigne Herz,
Ich stehe wankend, weiß nicht, was ich soll.
Gräfin.
Sie wissen's nicht? Ihr Herz sagt's Ihnen nicht?
So will ich's Ihnen sagen!
Ihr Vater hat den schreienden Verrat
An uns begangen, an des Fürsten Haupt
Gefrevelt, uns in Schmach gestürzt, daraus
Ergibt sich klar, was Sie, sein Sohn, tun sollen:
Gutmachen, was der Schändliche verbrochen,
Ein Beispiel aufzustellen frommer Treu,
Daß nicht der Name Piccolomini
Ein Schandlied sei, ein ew'ger Fluch im Haus
Der Wallensteiner.
Max.
Wo ist eine Stimme
Der Wahrheit, der ich folgen darf? Uns alle
Bewegt der Wunsch, die Leidenschaft. Daß jetzt
Ein Engel mir vom Himmel niederstiege,
Das Rechte mir, das unverfälschte, schöpfte
Am reinen Lichtquell, mit der reinen Hand!
(Indem seine Augen auf Thekla fallen.)
Wie? Such ich diesen Engel noch? Erwart ich
Noch einen andern?
(Er nähert sich ihr, den Arm um sie schlagend.)
Hier, auf dieses Herz,
Das unfehlbare, heilig reine will
Ich's legen, deine Liebe will ich fragen,
Die nur den Glücklichen beglücken kann,
Vom unglückselig Schuldigen sich wendet.
Kannst du mich dann noch lieben, wenn ich bleibe?
Erkläre, daß du's kannst, und ich bin euer.
Gräfin. (mit Bedeutung)
Bedenkt--
Max. (unterbricht sie)
Bedenke nichts. Sag, wie du's fühlst.
Gräfin.
An Euren Vater denkt--
Max. (unterbricht sie)
Nicht Friedlands Tochter,
Ich frage dich, dich, die Geliebte frag ich!
Es gilt nicht, eine Krone zu gewinnen,
Das möchtst du mit klugem Geist bedenken.
Die Ruhe deines Freundes gilt's, das Glück
Von einem Tausend tapfrer Heldenherzen,
Die seine Tat zum Muster nehmen werden.
Soll ich dem Kaiser Eid und Pflicht abschwören?
Soll ich ins Lager des Octavio
Die vatermörderische Kugel senden?
Denn wenn die Kugel los ist aus dem Lauf,
Ist sie kein totes Werkzeug mehr, sie lebt,
Ein Geist fährt in sie, die Erinnyen
Ergreifen sie, des Frevels Rächerinnen,
Und führen tückisch sie den ärgsten Weg.
Thekla.
O Max--
Max. (unterbricht sie)
Nein, übereile dich auch nicht.
Ich kenne dich. Dem edeln Herzen könnte
Die schwerste Pflicht die nächste scheinen. Nicht
Das Große, nur das Menschliche geschehe.
Denk, was der Fürst von je an mir getan;
Denk auch, wie's ihm mein Vater hat vergolten,
O auch die schönen, freien Regungen
Der Gastlichkeit, der frommen Freundestreue
Sind eine heilige Religion dem Herzen,
Schwer rächen sie die Schauder der Natur
An dem Barbaren, der sie gräßlich schändet.
Leg alles, alles in die Waage, sprich
Und laß dein Herz entscheiden.
Thekla.
O das deine
Hat längst entschieden. Folge deinem ersten
Gefühl--
Gräfin.
Unglückliche!
Thekla.
Wie könnte das
Das Rechte sein, was dieses zarte Herz
Nicht gleich zuerst ergriffen und gefunden?
Geh und erfülle deine Pflicht. Ich würde
Dich immer lieben. Was du auch erwählt,
Du würdest edel stets und deiner würdig
Gehandelt haben--aber Reue soll
Nicht deiner Seele schönen Frieden stören.
Max.
So muß ich dich verlassen, von dir scheiden!
Thekla.
Wie du dir selbst getreu bleibst, bist du's mir.
Uns trennt das Schicksal, unsre Herzen bleiben einig.
Ein blut'ger Haß entzweit auf ew'ge Tage
Die Häuser Friedland, Piccolomini,
Doch wir gehören nicht zu unserm Hause.
--Fort! Eile! Eile, deine gute Sache
Von unsrer unglückseligen zu trennen.
Auf unserm Haupte liegt der Fluch des Himmels,
Es ist dem Untergang geweiht. Auch mich
Wird meines Vaters Schuld mit ins Verderben
Hinabziehn. Traure nicht um mich, mein Schicksal
Wird bald entschieden sein.
(Max faßt sie in die Arme, heftig bewegt. Man hört hinter der
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