Wallensteins Tod - 2

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Und wenn es glückt, so ist es auch verziehn,
Denn aller Ausgang ist ein Gottes Urtel.
Kammerdiener. (tritt herein)
Der Oberst Piccolomini.
Gräfin. (schnell)
Soll warten.
Wallenstein.
Ich kann ihn jetzt nicht sehn. Ein andermal.
Kammerdiener.
Nur um zwei Augenblicke bittet er,
Er hab ein dringendes Geschäft--
Wallenstein.
Wer weiß, was er uns bringt. Ich will doch hören.
Gräfin. (lacht)
Wohl mag's ihm dringend sein. Du kannst's erwarten.
Wallenstein.
Was ist's.
Gräfin.
Du sollst es nachher wissen.
Jetzt denke dran, den Wrangel abzufert'gen.
(Kammerdiener geht.)
Wallenstein.
Wenn eine Wahl noch wäre--noch ein milderer
Ausweg sich fände--jetzt noch will ich ihn
Erwählen und das Äußerste vermeiden.
Gräfin.
Verlangst du weiter nichts, ein solcher Weg
Liegt nah vor dir. Schick diesen Wrangel fort.
Vergiß die alten Hoffnungen, wirf dein
Vergangnes Leben weg, enschließe dich,
Ein neues anzufangen. Auch die Tugend
Hat ihre Helden, wie der Ruhm, das Glück.
Reis hin nach Wien zum Kaiser stehndes Fußes,
Nimm eine volle Kasse mit, erklär,
Du hab'st der Diener Treue nur erproben,
Den Schweden bloß zum besten haben wollen.
Illo.
Auch damit ist's zu spät. Man weiß zu viel.
Er würde nur das Haupt zum Todesblocke tragen.
Gräfin.
Das fürcht ich nicht. Gesetzlich ihn zu richten,
Fehlt's an Beweisen; Willkür meiden sie.
Man wird den Herzog ruhig lassen ziehn.
Ich seh, wie alles kommen wird. Der König
Von Ungarn wird erscheinen, und es wird sich
Von selbst verstehen, daß der Herzog geht;
Nicht der Erklärung wird das erst bedürfen.
Der König wird die Truppen lassen schwören,
Und alles wird in seiner Ordnung bleiben.
An einem Morgen ist der Herzog fort.
Auf seinen Schlössern wird es nun lebendig,
Dort wird er jagen, baun, Gestüte halten,
Sich eine Hofstatt gründen, goldne Schlüssel
Austeilen, gastfrei große Tafel geben,
Und kurz ein großer König sein--im Kleinen!
Und weil er klug sich zu bescheiden weiß,
Nichts wirklich mehr zu gelten, zu bedeuten,
Läßt man ihn scheinen, was er mag; er wird
Ein großer Prinz bis an sein Ende scheinen.
Ei nun! der Herzog ist dann eben auch
Der neuen Menschen einer, die der Krieg
Emporgebracht; ein übernächtiges
Geschöpf der Hofgunst, die mit gleichem Aufwand
Freiherrn und Fürsten macht.
Wallenstein. (steht auf, heftig bewegt)
Zeigt einen Weg mir an aus diesem Drang,
Hilfreiche Mächte! einen solchen zeigt mir,
Den ich vermag zu gehn--Ich kann mich nicht,
Wie so ein Wortheld, so ein Tugendschwätzer,
An meinem Willen wärmen und Gedanken--
Nicht zu dem Glück, das mir den Rücken kehrt,
Großtuend sagen: Geh! Ich brauch dich nicht!
Wenn ich nicht wirke mehr, bin ich vernichtet;
Nicht Opfer, nicht Gefahren will ich scheun,
Den letzten Schritt, den äußersten, zu meiden;
Doch eh' ich sinke in die Nichtigkeit,
So klein aufhöre, der so groß begonnen,
Eh' mich die Welt mit jenen Elenden
Verwechselt, die der Tag erschafft und stürzt,
Eh' spreche Welt und Nachwelt meinen Namen
Mit Abscheu aus, und Friedland sei die Losung
Für jede fluchenswerte Tat.
Gräfin.
Was ist denn hier so wider die Natur?
Ich kann's nicht finden, sage mir's--oh! laß
Des Aberglaubens nächtliche Gespenster
Nicht deines hellen Geistes Meister werden!
Du bist des Hochverrats verklagt; ob mit
--Ob ohne Recht, ist jetzo nicht die Frage--
Du bist verloren, wenn du dich nicht schnell der Macht
Bedienst, die du besitzest--Ei! wo lebt denn
Das friedsame Geschöpf, das seines Lebens
Sich nicht mit allen Lebenskräften wehrt?
Was ist so kühn, das Notwehr nicht entschuldigt?
Wallenstein.
Einst war mir dieser Ferdinand so huldreich;
Er liebte mich, er hielt mich wert, ich stand
Der Nächste seinem Herzen. Welchen Fürsten
Hat er geehrt wie mich?--Und so zu enden!
Gräfin.
So treu bewahrst du jede kleine Gunst,
Und für die Kränkung hast du kein Gedächtnis?
Muß ich dich dran erinnern, wie man dir
Zu Regenspurg die treuen Dienste lohnte?
Du hattest jeden Stand im Reich beleidigt;
Ihn groß zu machen, hattest du den Haß,
Den Fluch der ganzen Welt auf dich geladen,
Im ganzen Deutschland lebte dir kein Freund,
Wei du allein gelebt für deinen Kaiser.
An ihn bloß hieltest du bei jenem Sturme
Dich fest, der auf dem Rgenspurger Tag
Sich gegen dich zusammenzog--da ließ er
Dich fallen! Ließ dich fallen! Dich dem Bayern,
Dem Übermütigen, zum Opfer fallen!
Sag nicht, daß die zurückgegebne Würde
Das erste, schwere Unrecht ausgesöhnt.
Nicht wahrlich guter Wille stellte dich,
Dich stellte das Gesetz der herben Not
An diesen Platz, den man dir gern verweigert.
Wallenstein.
Nicht ihrem guten Willen, das ist wahr!
Noch seiner Neigung dank ich dieses Amt.
Mißbrauch ich's, so mißbrauch ich kein Vertrauen.
Gräfin.
Vertrauen? Neigung?--Man bedurfte deiner!
Die ungestüme Presserin, die Not,
Der nicht mit hohlen Namen, Figuranten
Gedient ist, die die Tat will, nicht das Zeichen,
Den Größten immer aufsucht und den Besten,
Ihn an das Ruder stellt, und müßt sie ihn
Aufgreifen aus dem Pöbel selbst--die setzte dich
In dieses Amt und schrieb dir die Bestallung.
Denn lange, bis es nicht mehr kann, behilft
Sich dies Geschlecht mit feilen Sklavenseelen
Und mit den Drahtmaschinen seiner Kunst--
Doch wenn das Äußerste ihm nahe tritt,
Der hohle Schein es nicht mehr tut, da fällt
Es in die starken Hände der Natur,
Des Riesengeistes, der nur sich gehorcht,
Nichts von Verträgen weiß und nur auf ihre
Bedingung, nicht auf seine, mit ihm handelt.
Wallenstein.
Wahr ist's! Sie sahn mich immer, wie ich bin,
Ich hab sie in dem Kaufe nicht betrogen,
Denn nie hielt ich's der Mühe wert, die kühn
Umgreifende Gemütsart zu verbergen.
Gräfin.
Vielmehr--du hast dich furchtbar stets gezeigt.
Nicht du, der stets sich selber treu geblieben,
Die haben Unrecht, die dich fürchteten
Und doch die Macht dir in die Hände gaben.
Denn Recht hat jeder eigene Charakter,
Der übereinstimmt mit sich selber, es gibt
Kein andres Unrecht als den Widerspruch.
Warst du ein andrer, als du vor acht Jahren
Mit Feuer und Schwert durch Deutschlands Kreise zogst,
Die Geißel schwangest über alle Länder,
Hohn sprachest allen Ordnungen des Reichs,
Der Stärke fürchterliches Recht nur übtest
Und jede Landeshoheit niedertratst,
Um deines Sultans Herrschaft auszubreiten?
Da war es Zeit, den stolzen Willen dir
Zu brechen, dich zur Ordnung zu verweisen!
Doch wohl gefiel dem Kaiser, was ihm nützte,
Und schweigend drückt' er diesen Freveltaten
Sein kaiserliches Siegel auf. Was damals
Gerecht war, weil du's für ihn tatst, ist's heute
Auf einmal schändlich, weil es gegen ihn
Gerichtet wird?
Wallenstein. (aufstehend)
Von dieser Seite sah ich's nie--Ja! dem
Ist wirklich so. Es übte dieser Kaiser
Durch meinen Arm im Reiche Taten aus,
Die nach der Ordnung nie geschehen sollten.
Und selbst den Fürstenmantel, den ich trage,
Verdank ich Diensten, die Verbrechen sind.
Gräfin.
Gestehe denn, daß zwischen dir und ihm
Die Rede nicht kann sein von Pflicht und Recht,
Nur von der Macht und der Gelegenheit!
Der Augenblick ist da, wo du die Summe
Der großen Lebensrechnung ziehen sollst,
Die Zeichen stehen sieghaft über dir,
Glück winken die Planeten dir herunter
Und rufen: es ist an der Zeit! Hast du
Dein Lebenlang umsonst der Sterne Lauf
Gemessen?--den Quadranten und den Zirkel
Geführt?--den Zodiak, die Himmelskugel
Auf diesen Wänden nachgeahmt, um dich herum
Gestellt in stummen, ahnungsvollen Zeichen
Die sieben Herrscher des Geschicks,
Nur um ein eitles Spiel damit zu treiben?
Führt alle diese Zurüstung zu nichts,
Und ist kein Mark in dieser hohlen Kunst,
Daß sie dir selbst nichts gilt, nichts über dich
Vermag im Augenblick der Entscheidung?
Wallenstein. (ist während dieser letzten Rede mit heftig arbeitendem
Gemüt auf und ab gegangen und steht jetzt plötzlich still, die Gräfin
unterbrechend)
Ruft mir den Wrangel, und es sollen gleich
drei Boten satteln.
Illo.
Nun, gelobt sei Gott!
(Eilt hinaus.)
Wallenstein.
Es ist sein böser Geist und meiner. Ihn
Straft er durch mich, das Werkzeug seiner Herrschsucht,
Und ich erwart es, daß der Rache Stahl
Auch schon für meine Brust geschliffen ist.
Nicht hoffe, wer des Drachen Zähne sät,
Erfreuliches zu ernten. Jede Untat
Trägt ihren eignen Rach-Engel schon,
Die böse Hoffnung, unter ihrem Herzen.
Er kann mir nicht mehr traun,--so kann ich auch
Nicht mehr zurück. Geschehe denn, was muß.
Recht stets behält das Schicksa, denn das Herz
In uns ist sein gebietrischer Vollzieher.
(Zu Terzky.)
Bring mir den Wrangel in mein Kabinett,
Die Boten will ich selber sprechen. Schickt
Nach dem Octavio!
(Zur Gräfin, welche eine triumphierende Miene macht.)
Frohlocke nicht!
Denn eifersüchtig sind des Schicksals Mächte.
Voreilig Jauchzen greift in ihre Rechte.
Den Samen legen wir in ihre Hände,
Ob Glück, ob Unglück aufgeht, lehrt das Ende.
(Indem er abgeht, fällt der Vorhang.)


Zweiter Aufzug
Ein Zimmer

Erster Auftritt
Wallenstein. Octavio Piccolomini. Bald darauf Max Piccolomini.

Wallenstein.
Mir meldet er aus Linz, er läge krank,
Doch hab ich sichre Nachricht, daß er sich
Zu Frauenberg versteckt beim Grafen Gallas.
Nimm beide fest und und schick sie mir hieher.
Du übernimmst die spanischen Regimenter,
Machst immer Anstalt und bist niemals fertig,
Und treiben sie dich, gegen mich zu ziehn,
So sagst du Ja und bleibst gefesselt stehn.
Ich weiß, daß dir ein Dienst damit geschieht,
In diesem Spiel dich müßig zu verhalten.
Du rettest gern, so lang du kannst, den Schein;
Extreme Schritte sind nicht deine Sache,
Drum hab ich diese Rolle für dich ausgesucht,
Du wirst mir durch dein Nichtstun diesesmal
Am nützlichsten--Erklärt sich unterdessen
Das Glück für mich, so weißt du, was zu tun.
(Max Piccolomini tritt ein.)
Jetzt, Alter, geh. Du mußt heut nacht noch fort.
Nimm meine eignen Pferde.--Diesen da
Behalt ich hier--Macht's mit dem Abschied kurz!
Wir werden uns ja, denk ich, alle froh
Und glücklich wiedersehn.
Octavio. (zu seinem Sohn)
Wir sprechen uns noch.
(Geht ab.)

Zweiter Auftritt
Wallenstein. Max Piccolomini.

Max. (nähert sich ihm.)
Mein General--
Wallenstein.
Der bin ich nicht mehr,
Wenn du des Kaisers Offizier dich nennst.
Max.
So bleibt's dabei, du willst das Heer verlassen?
Wallenstein.
Ich hab des Kaisers Dienst entsagt.
Max.
Und willst das Heer verlassen?
Wallenstein.
Vielmehr hoff ich,
Mir's enger noch und fester zu verbinden.
(Er setzt sich.)
Ja, Max. Nicht eher wollt' ich dir's eröffnen,
Als bis des Handelns Stunde würde schlagen.
Der Jugend glückliches Gefühl ergreift
Das Rechte leicht, und eine Freude ist's,
Das eigne Urteil prüfend auszuüben,
Wo das Exempel rein zu lösen ist.
Doch, wo von zwei gewissen Übeln eins
Ergriffen werden muß, wo sich das Herz
Nicht ganz zurückbringt aus dem Streit der Pflichten,
Da ist es Wohltat, keine Wahl zu haben,
Und eine Gunst ist die Notwendigkeit.
--Die ist vorhanden. Blicke nicht zurück.
Es kann dir nichts mehr helfen. Blicke vorwärts!
Urteile nicht! Bereite dich, zu handeln.
--Der Hof hat meinen Untergang beschlossen,
Drum bin ich willens, ihm zuvorzukommen.
--Wir werden mit den Schweden uns verbinden.
Sehr wackre Leute sind's und gute Freunde.
(Hält ein, Piccolominis Antwort erwartend.)
--Ich hab dich überrascht. Antwort mir nicht.
Ich will dir Zeit vergönnen, dich zu fassen.
(Er steht auf und geht nach hinten. Max steht lange unbeweglich,
in den heftigsten Schmerz versetzt; wie er eine Bewegung macht,
kömmt Wallenstein zurück und stellt sich vor ihn.)
Max.
Mein General!--Du machst mich heute mündig.
Denn bis auf diesen Tag war mir's erspart,
Den Weg mir selbst zu finden und die Richtung.
Dir folgt' ich unbedingt. Auf dich nur braucht' ich
Zu sehn und war des rechten Pfads gewiß.
Zum ersten Male heut verweisest du
Mich an mich selbst und zwingst mich, eine Wahl
Zu treffen zwischen dir und meinem Herzen.
Wallenstein.
Sanft wiegte dich bis heute dein Geschick,
Du konntest spielend deine Pflichten üben,
Jedwedem schönen Trieb Genüge tun,
Mit ungeteiltem Herzen immer handeln.
So kann's nicht ferner bleiben. Feindlich scheiden
Die Wege sich. Mit Pflichten streiten Pflichten.
Du mußt Partei ergreifen in dem Krieg,
Der zwischen deinem Freund und deinem Kaiser
Sich jetzt entzündet.
Max.
Krieg! Ist das der Name?
Der Krieg ist schrecklich, wie des Himmels Plagen,
Doch er ist gut, ist ein Geschick, wie sie.
Ist das ein guter Krieg, den du dem Kaiser
Bereitest mit des Kaisers eignem Heer?
O Gott des Himmels! was ist das für eine
Veränderung! Ziemt solche Sprache mir
Mit dir, der wie der feste Stern des Pols
Mir als die Lebensregel vorgeschienen!
Oh! welchen Riß erregst du mir im Herzen!
Der alten Ehrfurcht eingewachsnen Trieb
Und des Gehorsams heilige Gewohnheit
Soll ich versagen lernen deinem Namen?
Nein! wende nicht dein Angesicht zu mir!
Es war mir immer eines Gottes Antlitz,
Kann über mich nicht gleich die Macht verlieren;
Die Sinne sind in deinen Banden noch,
Hat gleich die Seele blutend sich befreit!
Wallenstein.
Max, hör mich an.
Max.
Oh! tu es nicht! Tu's nicht!
Sieh! deine reinen, edeln Züge wissen
Noch nichts von dieser unglücksel'gen Tat.
Bloß deine Einbildung befleckte sie,
Die Unschuld will sich nicht vertreiben lassen
Aus deiner hoheitblickenden Gestalt.
Wirf ihn heraus, den schwarzen Fleck, den Feind.
Ein böser Traum bloß ist es dann gewesen,
Der jede sichre Tugend warnt. Es mag
Die Menschheit solche Augenblicke haben,
Doch siegen muß das glückliche Gefühl.
Nein, du wirst so nicht endigen. Das würde
Verrufen bei den Menschen jede große
Natur und jedes mächtige Vermögen,
Recht geben würd' es dem gemeinen Wahn,
Der nicht an Edles in der Freiheit glaubt
Und nur der Ohnmacht sich vertrauen mag.
Wallenstein.
Streng wird die Welt mich tadeln, ich erwart es.
Mir selbst schon sagt' ich, was du sagen kannst.
Wer miede nicht, wenn er's umgehen kann,
Das Äußerste! Doch hier ist keine Wahl,
Ich muß Gewalt ausüben oder leiden--
So steht der Fall. Nichts anders bleibt mir übrig.
Max.
Sei's denn! Behaupte dich in deinem Posten
Gewaltsam, widersetze dich dem Kaiser,
Wenn's sein muß, treib's zur offenen Empörung,
Nicht loben werd ich's, doch ich kann's verzeihn,
Will, was ich nicht gut heiße, mit dir teilen.
Nur--zum Verräter werde nicht! Das Wort
Ist ausgesprochen. Zum Verräter nicht!
Das ist kein überschrittnes Maß, kein Fehler,
Wohin der Mut verirrt in seiner Kraft.
Oh! das ist ganz was anders--das ist schwarz,
Schwarz, wie die Hölle!
Wallenstein. (mit finsterm Stirnfalten, doch gemäßigt)
Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort,
Das schwer sich handhabt, wie des Messers Schneide;
Aus ihrem heißen Kopfe nimmt sie keck
Der Dinge Maß, die nur sich selber richten.
Gleich heißt ihr alles schändlich oder würdig,
Bös oder gut--und was die Einbildung
Phantastisch schleppt in diesen dunkeln Namen,
Das bürdet sie den Sachen auf und Wesen.
Eng ist die Welt, und das Gehirn ist weit.
Leicht beieinander wohnen die Gedanken,
Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen;
Wo eines Platz nimmt, muß das andre rücken,
Wer nicht vertrieben sein will, muß vertreiben;
Da herrscht der Streit, und nur die Stärke siegt.
--Ja, wer durchs Leben gehet ohne Wunsch,
Sich jeden Zweck versagen kann, der wohnt
Im leichten Feuer mit dem Salamander
Und hält sich rein im reinen Element.
Mich schuf aus gröberm Stoffe die Natur,
Und zu der Erde zieht mich die Begierde.
Dem bösen Geist gehört die Erde, nicht
Dem guten. Was die Göttlichen uns senden
Von oben, sind nur allgemeine Güter;
Ihr Licht erfreut, doch macht es keinen reich,
In ihrem Staat erringt sich kein Besitz.
Den Edelstein, das allgeschätzte Gold
Muß man den falschen Mächten abgewinnen,
Die unterm Tage schlimmgeartet hausen.
Nicht ohne Opfer macht man sie geneigt,
Und keiner lebet, der aus ihrem Dienst
Die Seele hätte rein zurückgezogen.
Max. (mit Bedeutung)
Oh! fürchte, fürchte diese falschen Mächte!
Sie haltennicht Wort! Es sind Lügengeister,
Die dich berückend in den Abgrund ziehn.
Trau ihnen nicht! Ich warne dich--Oh! kehre
Zurück zu deiner Pflicht. Gewiß! du kannst's!
Schick mich nach Wien. Ja, tue das. Laß mich,
Mich deinen Frieden machen mit dem Kaiser.
Er kennt dich nicht, ich aber kenne dich,
Er soll dich sehn mit meinem reinen Auge,
Und sein Vertrauen bring ich dir zurück.
Wallenstein.
Es ist zu spät. Du weißt nicht, was geschehn.
Max.
Und wär's zu spät--und wär' es auch soweit,
Daß ein Verbrechen nur vom Fall dich rettet,
So falle! Falle würdig, wie du standst.
Verliere das Kommando. Geh vom Schauplatz.
Du kannst's mit Glanze, tu's mit Unschuld auch.
--Du hast für andre viel gelebt, leb endlich
Einmal dir selber, ich begleite dich,
Mein Schicksal trenn ich nimmer von dem deinen--
Wallenstein.
Es ist zu spät. Indem du deine Worte
Verlierst, ist schon ein Meilenzeiger nach dem andern
Zurückgelegt von meinen Eilenden,
Die mein Gebot nach Prag und Eger tragen.
--Ergib dich drein. Wir handeln, wie wir müssen.
So laß uns das Notwendige mit Würde,
Mit festem Schritte tun--Was tu ich Schlimmres,
Als jener Cäsar tat, des Name noch
Bis heut das Höchste in der Welt benennet?
Er führte wider Rom die Legionen,
Die Rom ihm zur Beschützung anvertraut.
Warf er das Schwert von sich, er war verloren,
Wie ich es wär', wenn ich entwaffnete.
Ich spüre was in mir von seinem Geist.
Gib mir sein Glück, das andre will ich tragen.
(Max, der bisher in einem schmerzvollen Kampfe gestanden, geht
schnell ab. Wallenstein sieht ihm verwundert und betroffen nach
und steht in tiefe Gedanken verloren.)

Dritter Auftritt
Wallenstein. Terzky. Gleich darauf Illo.

Terzky.
Max Piccolomini verließ dich eben?
Wallenstein.
Wo ist der Wrangel?
Terzky.
Fort ist er.
Wallenstein.
So eilig?
Terzky.
Es war, als ob die Erd' ihn eingeschluckt.
Er war kaum von dir weg, als ich ihm nachging,
Ich hatt' ihn noch zu sprechen, doch--weg war er,
Und niemand wußte mir von ihm zu sagen.
Ich glaub, es ist der Schwarze selbst gewesen,
Ein Mensch kann nicht auf einmal so verschwinden.
Illo. (kommt)
Ist's wahr, daß du den Alten willst verschicken?
Terzky.
Wie? Den Octavio! Wo denkst du hin?
Wallenstein.
Er geht nach Frauenberg, die spanischen
Und welschen Regimenter anzuführen.
Terzky.
Das wolle Gott nicht, daß du das vollbringst!
Illo.
Dem Falschen willst du Kriegsvolk anvertrauen?
Ihn aus den Augen lassen, grade jetzt,
In diesem Augenblicke der Entscheidung?
Terzky.
Das wirst du nicht tun. Nein, um alles nicht!
Wallenstein.
Seltsame Menschen seid ihr.
Illo.
Oh! nur diesmal
Gib unsrer Warnung nach. Laß ihn nicht fort.
Wallenstein.
Und warum soll ich ihm dies eine Mal
Nicht trauen, da ich's stets getan? Was ist geschehn,
Das ihn um meine gute Meinung brächte?
Aus eurer Grille, nicht der meinen, soll ich
Mein alt erprobtes Urteil von ihm ändern?
Denkt nicht, daß ich ein Weib sei. Weil ich ihm
Getraut bis heut, will ich auch heut ihm trauen.
Terzky.
Muß es denn der just sein? Schick einen andern.
Wallenstein.
Der muß es sein, den hab ich mir erlesen.
Er taugt zu dem Geschäft, drum gab ich's ihm.
Illo.
Weil er ein Welscher ist, drum taugt er dir.
Wallenstein.
Weiß wohl, ihr wart den beiden nie gewogen,
Weil ich sie achte, liebe, euch und andern
Vorziehe, sichtbarlich, wie sie's verdienen,
Drum sind sie euch ein Dorn im Auge! Was
Geht euer Neid mich an und mein Geschäft?
Daß ihr sie haßt, das macht sie mir nicht schlechter.
Liebt oder haßt einander, wie ihr wollt,
Ich lasse jedem seinen Sinn und Neigung,
Weiß doch, was mir ein jeder von euch gilt.
Illo.
Er geht nicht ab--müßt' ich die Räder ihm am Wagen
Zerschmettern lassen.
Wallenstein.
Mäßige dich, Illo!
Terzky.
Der Questenberger, als er hier gewesen,
Hat stets zusammen auch gesteckt mit ihm.
Wallenstein.
Geschah mit meinem Wissen und Erlaubnis.
Terzky.
Und daß geheime Boten an ihn kommen
Vom Gallas, weiß ich auch.
Wallenstein.
Das ist nicht wahr.
Illo.
Oh! du bist blind mit deinen sehenden Augen!
Wallenstein.
Du wirst mir meinen Glauben nicht erschüttern,
Der auf die tiefste Wissenschaft sich baut.
Lügt er, dann ist die ganze Sternkunst Lüge.
Denn wißt, ich hab ein Pfand vom Schicksal selbst,
Daß er der treuste ist von meinen Freunden.
Illo.
Hast du auch eins, daß jenes Pfand nicht lüge?
Wallenstein.
Es gibt im Menschenleben Augenblicke,
Wo er dem Weltgeist näher ist als sonst
Und eine Frage frei hat an das Schicksal.
Solch ein Moment war's, als ich in der Nacht,
Die vor der Lützner Aktion vorherging,
Gedankenvoll an einen Baum gelehnt,
Hinaussah in die Ebene. Die Feuer
Des Lagers brannten düster durch den Nebel,
Der Waffen dumpfes Rauschen unterbrach,
Der Runden Ruf einförmig nur die Stille.
Mein ganzes Leben ging, vergangenes
Und künftiges, in diesem Augenblick
An meinem inneren Gesicht vorüber,
Und an des nächsten Morgens Schicksal knüpfte
Der ahnungsvolle Geist die fernste Zukunft.
Da sagt' ich also zu mir selbst:" So vielen
Gebietest du! Sie folgen deinen Sternen
Und setzen, wie auf eine große Nummer,
Ihr Alles auf dein einzig Haupt und sind
In deines Glückes Schiff mit dir gestiegen.
Doch kommen wird der Tag, wo diese alle
Das Schicksal wieder auseinanderstreut,
Nur wen'ge werden treu bei dir verharren.
Den möcht' ich wissen, der der Treuste mir
Von allen ist, die dieses Lager einschließt.
Gib mir ein Zeichen, Schicksal! Der soll's sein,
Der an dem nächsten Morgen mir zuerst
Entgegenkommt mit einem Liebeszeichen".
Und dieses bei mir denkend, schlief ich ein.
Und mitten in die Schlacht ward ich geführt
Im Geist. Groß war der Drang. Mir tötete
Ein Schuß das Pferd, ich sank, und über mir
Hinweg, gleichgültig, setzten Roß und Reiter,
Und keuchend lag ich, wie ein Sterbender,
Zertreten unter ihrer Hufe Schlag.
Da faßte plötzlich hilfreich mich ein Arm,
Es war Octavio--und schnell erwach ich,
Tag war es, und--Octavio stand vor mir.
"Mein Bruder", sprach er, "reite heute nicht
Den Schecken, wie du pflegst. Besteige lieber
Das sichre Tier, das ich dir ausgesucht.
Tu's mir zu Lieb'. Es warnte mich ein Traum."
Und dieses Tieres Schnelligkeit entriß
Mich Banniers verfolgenden Dragonern.
Mein Vetter ritt den Schecken an dem Tag,
Und Roß und Reiter sah ich niemals wieder.
Illo.
Das war ein Zufall.
Wallenstein. (bedeutend)
Es gibt keinen Zufall;
Und was uns blindes Ohngefähr nur dünkt,
Gerade das steigt aus den tiefsten Quellen.
Versiegelt hab ich's und verbrieft, daß er
Mein guter Engel ist, und nun kein Wort mehr!
(Er geht.)
Terzky.
Das ist mein Trost, der Max bleibt uns als Geisel.
Illo.
Und der soll mir nicht lebend hier vom Platze.
Wallenstein. (bleibt stehen und kehrt sich um)
Seid ihr nicht wie die Weiber, die beständig
Zurück nur kommen auf ihr erstes Wort,
Wenn man Vernunft gesprochen stundenlang!
--Des Menschen Taten und Gedanken, wißt!
Sind nicht wie Meeres blind bewegte Wellen.
Die innre Welt, sein Mikrokosmus, ist
Der tiefe Schacht, aus dem sie ewig quellen.
Sie sind notwendig, wie des Baumes Frucht,
Sie kann der Zufall gaukelnd nicht verwandeln.
Hab ich des Menschen Kern erst untersucht,
So weiß ich auch sein Wollen und sein Handeln.
(Gehen ab.)

Vierter Auftritt
Zimmer in Piccolominis Wohnung.
Octavio Piccolomini reisefertig. Ein Adjutant.

Octavio.
Ist das Kommando da?
Adjutant.
Es wartet unten.
Octavio.
Es sind doch sichre Leute, Adjutant?
Aus welchem Regimente nahmt Ihr sie?
Adjutant.
Von Tiefenbach.
Octavio.
Dies Regiment ist treu.
Laßt sie im Hinterhof sich ruhighalten,
Sich niemand zeigen, bis Ihr klingeln hört;
Dann wird das Haus geschlossen, scharf bewacht,
Und jeder, den Ihr antrefft, bleibt verhaftet.
(Adjutant ab.)
Zwar hoff ich, es bedarf nicht ihres Dienstes,
Denn meines Kalkuls halt ich mich gewiß.
Doch es gilt Kaisers Dienst, das Spiel ist groß,
Und besser zu viel Vorsicht als zu wenig.

Fünfter Auftritt
Octavio Piccolomini. Isolani tritt herein.

Isolani.
Hier bin ich--Nun! wer kommt noch von den andern?
Octavio. (geheimnisvoll)
Vorerst ein Wort mit Euch, Graf Isolani.
Isolani. (geheimnisvoll)
Soll's losgehn? Will der Fürst was unternehmen?
Mir dürft Ihr trauen. Setzt mich auf die Probe.
Octavio.
Das kann geschehn.
Isolani.
Herr Bruder, ich bin nicht
Von denen, die mit Worten tapfer sind
Und, kommt's zur Tat, das Weite schimpflich suchen.
Der Herzog hat als Freund an mir getan,
Weiß Gott, so ist's! Ich bin ihm alles schuldig.
Auf meine Treue kann er baun.
Octavio.
Es wird sich zeigen.
Isolani.
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