Wallensteins Tod - 4

Total number of words is 3591
Total number of unique words is 1321
39.8 of words are in the 2000 most common words
53.0 of words are in the 5000 most common words
58.6 of words are in the 8000 most common words
Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
Der Mensch ist ein nachahmendes Geschöpf,
Und wer der Vorderste ist, führt die Herde.
Die Prager Truppen wissen es nicht anders,
Als daß die Pilsner Völker uns gehuldigt,
Und hier in Pilsen sollen sie uns schwören,
Weil man zu Prag das Beispiel hat gegeben.
--Der Butler, sagst du, hat sich nun erklärt?
Illo.
Aus freiem Trieb, unaufgefordert kam er,
Sich selbst, sein Regiment dir anzubieten.
Wallenstein.
Nicht jeder Stimme, find ich, ist zu glauben,
Die warnend sich im Herzen läßt vernehmen.
Uns zu berücken, borgt der Lügengeist
Nachahmend oft die Stimme von der Wahrheit
Und streut betrügliche Orakel aus.
So hab ich diesem würdig braven Mann,
Dem Butler, stilles Unrecht abzubitten;
Denn ein Gefühl, des ich nicht Meister bin,
Furcht möcht' ich's nicht gern nennen, überschleicht
In seiner Nähe schaudernd mir die Sinne
Und hemmt der Liebe freudige Bewegung.
Und dieser Redliche, vor dem der Geist
Mich warnt, reicht mir das erste Pfand des Glücks.
Illo.
Und sein geachtet Beispiel, zweifle nicht,
Wird dir die Besten in dem Heer gewinnen.
Wallenstein.
Jetzt geh und schick mir gleich den Isolan
Hieher, ich hab ihn mir noch jüngst verpflichtet.
Mit ihm will ich den Anfang machen. Geh!
(Illo geht hinaus, unterdessen sind die übrigen wieder vorwärts
gekommen.)
Wallenstein.
Sieh da, die Mutter mit der lieben Tochter!
Wir wollen einmal von Geschäften ruhn--
Kommt! Mich verlangte, eine heitre Stunde
Im lieben Kreis der Meinen zu verleben.
Gräfin.
Wir waren lang nicht so beisammen, Bruder.
Wallenstein. (beiseite, zur Gräfin)
Kann sie's vernehmen? Ist sie vorbereitet?
Gräfin.
Noch nicht.
Wallenstein.
Komm her, mein Mädchen. Setz dich zu mir.
Es ist ein guter Geist auf deinen Lippen,
Die Mutter hat mir deine Fertigkeit
Gepriesen, es soll eine zarte Stimme
Des Wohllauts in dir wohnen, die die Seele
Bezaubert. Eine solche Stimme brauch
Ich jetzt, den bösen Dämon zu vertreiben,
Der um mein Haupt die schwarzen Flügel schlägt.
Herzogin.
Wo hast du deine Zither, Thekla? Komm.
Laß deinem Vater eine Probe hören
Von deiner Kunst.
Thekla.
O meine Mutter! Gott!
Herzogin.
Komm, Thekla, und erfreue deinen Vater.
Thekla.
Ich kann nicht, Mutter--
Gräfin.
Wie? Was ist das, Nichte!
Thekla. (zur Gräfin)
Verschont mich--Singen--jetzt--in dieser Angst
Der schwer beladnen Seele--vor ihn singen--
Der meine Mutter stürzt ins Grab!
Herzogin.
Wie, Thekla, Launen? Soll dein güt'ger Vater
Vergeblich einen Wunsch geäußert haben?
Gräfin.
Hier ist die Zither.
Thekla.
O mein Gott--Wie kann ich--
(Hält das Instrument mit zitternder Hand, ihre Seele arbeitet
im heftigsten Kampf, und im Augenblick, da sie anfangen soll,
zu singen, schaudert sie zusammen, wirft das Instrument weg und
geht schnell ab.)
Herzogin.
Mein Kind--o sie ist krank!
Wallenstein.
Was ist dem Mädchen? Pflegt sie so zu sein?
Gräfin.
Nun weil sie es denn selbst verrät, so will
Auch ich nicht länger schweigen.
Wallenstein.
Wie?
Gräfin.
Sie liebt ihn.
Wallenstein.
Liebt! Wen?
Gräfin.
Den Piccolomini liebt sie.
Hast du es nicht bemerkt? Die Schwester auch nicht?
Herzogin.
O war es dies, was ihr das Herz beklemmte?
Gott segne dich, mein Kind! Du darfst
Dich deiner Wahl nicht schämen.
Gräfin.
Diese Reise--
Wenn's deine Absicht nicht gewesen, schreib's
Dir selber zu. Du hättest einen andern
Begleiter wählen sollen!
Wallenstein.
Weiß er's?
Gräfin.
Er hofft sie zu besitzen.
Wallenstein.
Hofft
Sie zu besitzen--Ist der Junge toll?
Gräfin.
Nun mag sie's selber hören!
Wallenstein.
Die Friedländerin
Denkt er davonzutragen? Nun! Der Einfall
Gefällt mir! Die Gedanken stehen ihm nicht niedrig.
Gräfin.
Weil du so viele Gunst ihm stets bezeugt,
So--
Wallenstein.
--Will er mich auch endlich noch beerben.
Nun ja! Ich lieb ihn, halt ihn wert; was aber
Hat das mit meiner Tochter Hand zu schaffen?
Sind es die Töchter, sind's die einz'gen Kinder,
Womit man seine Gunst bezeugt?
Herzogin.
Sein adeliger Sinn und seine Sitten--
Wallenstein.
Erwerben ihm mein Herz, nicht meine Tochter.
Herzogin.
Sein Stand und seine Ahnen--
Wallenstein.
Ahnen! Was!
Er ist ein Untertan, und meinen Eidam
Will ich mir auf Europens Thronen suchen.
Herzogin.
O lieber Herzog! Streben wir nicht allzuhoch
Hinauf, daß wir zu tief nicht fallen mögen.
Wallenstein.
Ließ ich mir's so viel kosten, in die Höh'
Zu kommen, über die gemeinen Häupter
Der Menschen weg zu ragen, um zuletzt
Die große Lebensrolle mit gemeiner
Verwandtschaft zu beschließen?--Hab ich darum--
(Plötzlich hält er inne, sich fassend.)
Sie ist das einzige, was von mir nachbleibt
Auf Erden; eine Krone will ich sehn
Auf ihrem Haupte, oder will nicht leben.
Was? Alles--Alles! setz ich dran, um sie
Recht groß zu machen--ja in der Minute,
Worin wir sprechen--
(Er besinnt sich.)
Und ich sollte nun,
Wie ein weichherz'ger Vater, was sich gern hat
Und liebt, fein bürgerlich zusammengeben?
Und jetzt soll ich das tun, jetzt eben, da ich
Auf mein vollendet Werk den Kranz will setzen--
Nein, sie ist mir ein langgespartes Kleinod,
Die höchste, letzte Münze meines Schatzes,
Nicht niedriger fürwahr gedenk ich sie
Als um ein Königszepter loszuschlagen--
Herzogin.
O mein Gemahl! Sie bauen immer, bauen
Bis in die Wolken, bauen fort und fort
Und denken nicht dran, daß der schmale Grund
Das schwindelnd schwanke Werk nicht tragen kann.
Wallenstein. (zur Gräfin)
Hast du ihr angekündigt, welchen Wohnsitz
Ich ihr bestimmt?
Gräfin.
Noch nicht. Entdeckt's ihr selbst.
Herzogin.
Wie? Gehen wir nach Kärnten nicht zurück?
Wallenstein.
Nein.
Herzogin.
Oder sonst auf keines Ihrer Güter?
Wallenstein.
Sie würden dort nicht sicher sein.
Herzogin.
Nicht sicher
In Kaisers Landen, unter Kaisers Schutz?
Wallenstein.
Den hat des Friedlands Gattin nicht zu hoffen.
Herzogin.
O Gott, bis dahin haben Sie's gebracht?
Wallenstein.
In Holland werden Sie Schutz finden.
Herzogin.
Was?
Sie senden uns in lutherischen Länder?
Wallenstein.
Der Herzog Franz von Lauenburg wird Ihr
Geleitsmann dahin sein.
Herzogin.
Der Lauenburger?
Der's mit dem Schweden hält, des Kaisers Feind?
Wallenstein.
Des Kaisers Feinde sind die meinen nicht mehr.
Herzogin. (sieht den Herzog und die Gräfin schreckensvoll an)
Ist's also wahr? Es ist? Sie sind
gestürzt? Sind vom Kommando abgesetzt? O Gott
Im Himmel!
Gräfin. (seitwärts zum Herzog)
Lassen wir sie bei dem Glauben.
Du siehst, daß sie die Wahrheit nicht ertrüge.

Fünfter Auftritt
Graf Terzky. Vorige.

Gräfin.
Terzky! Was ist ihm? Welches Bild des Schreckens!
Als hätt' er ein Gespenst gesehn!
Terzky. (Wallenstein bei Seite führend, heimlich)
Ist's dein Befehl, daß die Kroaten reiten?
Wallenstein.
Ich weiß von nichts.
Terzky.
Wir sind verraten!
Wallenstein.
Was?
Terzky.
Sie sind davon, heut nacht, die Jäger auch,
Leer stehen alle Dörfer in der Runde.
Wallenstein.
Und Isolan?
Terzky.
Den hast du ja verschickt.
Wallenstein.
Ich?
Terzky.
Nicht? Du hast ihn nicht verschickt? Auch nicht
Den Deodat? Sie sind verschwunden beide.

Sechster Auftritt
Illo. Vorige.

Illo.
Hat dir der Terzky--
Terzky.
Er weiß alles.
Illo.
Auch daß Maradas, Esterhazy, Götz,
Colalto, Kaunitz dich verlassen?--
Terzky.
Teufel!
Wallenstein. (winkt)
Still!
Gräfin. (hat sie von weitem ängstlich beobachtet, tritt hinzu)
Terzky! Gott! Was gibt's? Was ist geschehen?
Wallenstein. (im Begriff aufzubrechen)
Nichts! Laßt uns gehen.
Terzky. (will ihm folgen)
Es ist nichts, Therese.
Gräfin. (hält ihn).
Nichts? Seh ich nicht, daß alles Lebensblut
Aus euren geisterbleichen Wangen wich,
Daß selbst der Bruder Fassung nur erkünstelt?
Page. (kommt)
Ein Adjutant fragt nach dem Grafen Terzky.
(Ab. Terzky folgt dem Pagen.)
Wallenstein.
Hör, was er bringt--
(Zu Illo.)
Das konnte nicht so heimlich
Geschehen ohne Meuterei--Wer hat
Die Wache an den Toren?
Illo.
Tiefenbach.
Wallenstein.
Laß Tiefenbach ablösen unverzüglich
Und Terzkys Grenadiere aufziehn.--Höre!
Hast du von Buttlern Kundschaft?
Illo.
Buttlern traf ich.
Gleich ist er selber hier. Der hält dir fest.
(Illo geht. Wallenstein will ihm folgen.)
Gräfin.
Laß ihn nicht von dir, Schwester! Halt ihn auf--
Es ist ein Unglück--
Herzogin.
Großer Gott! Was ist's?
(Hängt sich an ihn.)
Wallenstein. (erwehrt sich ihrer).
Seid ruhig! Laßt mich! Schwester! liebes Weib,
Wir sind im Lager! Da ist's nun nicht anders,
Da wechseln Sturm und Sonnenschein geschwind,
Schwer lenken sich die heftigen Gemüter,
Und Ruhe nie beglückt des Führers Haupt--
Wenn ich soll bleiben, geht! Denn übel stimmt
Der Weiber Klage zu dem Tun der Männer.
(Er will gehen. Terzky kömmt zurück.)
Terzky.
Bleib hier. Von diesem Fenster muß man's sehn.
Wallenstein. (zur Gräfin)
Geht, Schwester!
Gräfin.
Nimmermehr!
Wallenstein.
Ich will's.
Terzky. (führt sie beiseite, mit einem bedeutenden Wink auf die Herzogin)
Therese!
Herzogin.
Komm, Schwester, weil er es befiehlt.
(Gehen ab.)

Siebenter Auftritt
Wallenstein. Graf Terzky.

Wallenstein. (ans Fenster tretend)
Was gibt's denn?
Terzky.
Es ist ein Rennen und Zusammenlaufen
Bei allen Truppen. Niemand weiß die Ursach,
Geheimnisvoll, mit einer finstern Stille,
Stellt jedes Korps sich unter seine Fahnen,
Die Tiefenbacher machen böse Mienen,
Nur die Wallonen stehen abgesondert
In ihrem Lager, lassen niemand zu
Und halten sich gesetzt, so wie sie pflegen.
Wallenstein.
Zeigt Piccolomini sich unter ihnen?
Terzky.
Man sucht ihn, er ist nirgends anzutreffen.
Wallenstein.
Was überbrachte denn der Adjutant?
Terzky.
Ihn schickten meine Regimenter ab,
Sie schwören nochmals Treue dir, erwarten
Voll Kriegeslust den Aufruf zum Gefechte.
Wallenstein.
Wie aber kam der Lärmen in das Lager?
Es sollte ja dem Heer verschwiegen bleiben,
Bis sich zu Prag das Glück für uns entschieden.
Terzky.
O daß du mir geglaubt! Noch gestern Abends
Beschwuren wir dich, den Octavio,
Den Schleicher, aus den Toren nicht zu lassen,
Du gabst die Pferde selber ihm zur Flucht--
Wallenstein.
Das alte Lied! Einmal für allemal,
Nichts mehr von diesem törichten Verdacht!
Terzky.
Dem Isolani hast du auch getraut,
Und war der erste doch, der dich verließ.
Wallenstein.
Ich zog ihn gestern erst aus seinem Elend.
Fahr hin! Ich hab auf Dank ja nie gerechnet.
Terzky.
Und so sind alle, einer wie der andre.
Wallenstein.
Und tut er Unrecht, daß er von mir geht?
Er folgt dem Gott, dem er sein Lebenlang
Am Spieltisch hat gedient. Mit meinem Glücke
Schloß er den Bund und bricht ihn, nicht mit mir.
War ich ihm was, er mir? Das Schiff nur bin ich,
Auf das er seine Hoffnung hat geladen,
Mit dem er wohlgemut das freie Meer
Durchsegelte; er sieht es über Klippen
Gefährlich gehn und rettet schnell die Ware.
Leicht wie der Vogel von dem wirtbarn Zweige,
Wo er genistet, fliegt er von mir auf,
Kein menschlich Band ist unter uns zerrissen.
Ja, der verdient, betrogen sich zu sehn,
Der Herz gesucht bei dem Gedankenlosen!
Mit schnell verlöschten Zügen schreiben sich
Des Lebens Bilder auf die glatte Stirne,
Nichts fällt in eines Busen stillen Grund,
Ein muntrer Sinn bewegt die leichten Säfte,
Doch keine Seele wärmt das Eingeweide.
Terzky.
Doch möcht' ich mich den glatten Stirnen lieber
Als jenen tiefgefurchten anvertrauen.

Achter Auftritt
Wallenstein. Terzky. Illo kömmt wütend.

Illo.
Verrat und Meuterei!
Terzky.
Ha! was nun wieder?
Illo.
Die Tiefenbacher, als ich Ordre gab,
Sie abzulösen--Pflichtvergeßne Schelmen!
Terzky.
Nun?
Wallenstein.
Was denn?
Illo.
Sie verweigern den Gehorsam.
Terzky.
So laß sie niederschießen! O gib Ordre!
Wallenstein.
Gelassen! Welche Ursach geben sie?
Illo.
Kein andrer sonst hab ihnen zu befehlen
Als Generalleutnant Piccolomini.
Wallenstein.
Was--Wie ist das?
Illo.
So hab er's hinterlassen
Und eigenhändig vorgezeigt vom Kaiser.
Terzky.
Vom Kaiser--Hörst du's, Fürst!
Illo.
Auf seinen Antrieb
Sind gestern auch die Obersten entwichen.
Terzky.
Hörst du's!
Illo.
Auch Montecuculi, Caraffa
Und noch sechs andre Generale werden
Vermißt, die er bered't hat, ihm zu folgen.
Das hab er alles schon seit lange schriftlich
Bei sich gehabt vom Kaiser und noch jüngst
Erst abgeredet mit dem Questenberger.
(Wallenstein sinkt auf einen Stuhl und verhüllt sich das Gesicht.)
Terzky.
O hättest du mir doch geglaubt!

Neunter Auftritt
Gräfin. Vorige.

Gräfin.
Ich kann die Angst--ich kann's nicht länger tragen,
Um Gotteswillen, sagt mir, was es ist.
Illo.
Die Regimenter fallen von uns ab.
Graf Piccolomini ist ein Verräter.
Gräfin.
O meine Ahnung!
(Stürzt aus dem Zimmer.)
Terzky.
Hätt' man mir geglaubt!
Da siehst du's, wie die Sterne dir gelogen!
Wallenstein. (richtet sich auf)
Die Sterne lügen nicht, das aber ist
Geschehen wider Sternenlauf und Schicksal.
Die Kunst ist redlich, doch dies falsche Herz
Bringt Lug und Trug in den wahrhaft'gen Himmel.
Nur auf der Wahrheit ruht die Wahrsagung;
Wo die Natur aus ihren Grenzen wanket,
Da irret alle Wissenschaft. War es
Ein Aberglaube, menschliche Gestalt
Durch keinen solchen Argwohn zu entehren,
O nimmer schäm ich dieser Schwachheit mich!
Religion ist in der Tiere Trieb,
Es trinkt der Wilde selbst nicht mit dem Opfer,
Dem er das Schwert will in den Busen stoßen.
Das war kein Heldenstück, Octavio!
Nicht deine Klugheit siegte über meine,
Dein schlechtes Herz hat über mein gerades
Den schändlichen Triumph davongetragen.
Kein Schild fing deinen Mordstreich auf, du führtest
Ihn ruchlos auf die unbeschützte Brust,
Ein Kind nur bin ich gegen solche Waffen.

Zehnter Auftritt
Vorige. Buttler.

Terzky.
O sieh da! Buttler! Das ist noch ein Freund!
Wallenstein
(geht ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen und umfaßt ihn
mit Herzlichkeit)
Komm an mein Herz, du alter Kriegsgefährt'!
So wohl tut nicht der Sonne Blick im Lenz
Als Freundes Angesicht in solcher Stunde.
Buttler.
Mein General--Ich komme--
Wallenstein. (sich auf seine Schultern lehnend)
Weißt du's schon?
Der Alte hat dem Kaiser mich verraten.
Was sagst du? Dreißig Jahre haben wir
Zusammen ausgelebt und ausgehalten.
In einem Feldbett haben wir geschlafen,
Aus einem Glas getrunken, einen Bissen
Geteilt, ich stützte mich auf ihn, wie ich
Auf deine treue Schulter jetzt mich stütze;
Und in dem Augenblick, da liebevoll
Vertrauend meine Brust an seiner schlägt,
Ersieht er sich den Vorteil, sticht das Messer
Mir listig lauernd, langsam in das Herz!
(Er verbirgt das Gesicht an Buttlers Brust.)
Buttler.
Vergeßt den Falschen. Sagt, was wollt Ihr tun?
Wallenstein.
Wohl, wohl gesprochen. Fahre hin! Ich bin
Noch immer reich an Freunden, bin ich nicht?
Das Schicksal liebt mich noch, denn eben jetzt,
Da es des Heuchlers Tücke mir entlarvt,
Hat es ein treues Herz mir zugesendet.
Nichts mehr von ihm. Denkt nicht, daß sein Verlust
Mich schmerze, oh! mich schmerzt nur der Betrug.
Denn wert und teur waren mir die beiden,
Und jener Max, er liebte mich wahrhaftig,
Er hat mich nicht getäuscht, er nicht--Genug,
Genug davon! Jetzt gilt es schnellen Rat--
Der Reitende, den mir Graf Kinsky schickt
Aus Prag, kann jeden Augenblick erscheinen.
Was er auch bringen mag, er darf den Meutern
Nicht in die Hände fallen. Drum geschwind,
Schickt einen sichern Boten ihm entgegen,
Der auf geheimem Weg ihn zu mir führe.
(Illo will gehen.)
Buttler. (hält ihn zurück)
Mein Feldherr, wen erwartet Ihr?
Wallenstein.
Den Eilenden, der mir die Nachricht bringt,
Wie es mit Prag gelungen.
Buttler.
Hum!
Wallenstein.
Was ist Euch?
Buttler.
So wißt Ihr's nicht?
Wallenstein.
Was denn?
Buttler.
Wie dieser Lärmer
Ins Lager kam?--
Wallenstein.
Wie?
Buttler.
Jener Bote--
Wallenstein. (erwartungsvoll)
Nun?
Buttler.
Er ist herein.
Terzky und Illo.
Er ist herein?
Wallenstein.
Mein Bote?
Buttler.
Seit mehrern Stunden.
Wallenstein.
Und ich weiß es nicht?
Buttler.
Die Wache fing ihn auf.
Illo. (stampft mit dem Fuß)
Verdammt!
Buttler.
Sein Brief
Ist aufgebrochen, läuft durchs ganze Lager--
Wallenstein. (gespannt)
Ihr wißt, was er enthält?
Buttler. (bedenklich)
Befragt mich nicht!
Terzky.
Oh--Weh uns, Illo! Alles stürzt zusammen!
Wallenstein.
Verhehlt mir nichts. Ich kann das Schlimmste hören.
Prag ist verloren? Ist's? Gesteht mir's frei.
Buttler.
Es ist verloren. Alle Regimenter
Zu Budweis, Tabor, Braunau, Königingrätz,
Zu Brünn und Znaym haben Euch verlassen,
Dem Kaiser neu gehuldigt--Ihr selbst
Mit Kinsky, Terzky, Illo seid geächtet.
(Terzky und Illo zeigen Schrecken und Wut. Wallenstein bleibt
fest und gefaßt stehen.)
Wallenstein. (nach einer Pause)
Es ist entschieden, nun ist's gut--und schnell
Bin ich geheilt von allen Zweifelsqualen,
Die Brust ist wieder frei, der Geist ist hell:
Nacht muß es sein, wo Friedlands Sterne strahlen.
Mit zögerndem Entschluß, mit wankendem Gemüt
Zog ich das Schwert, ich tat's mit Widerstreben,
Da es in meine Wahl noch war gegeben!
Notwendigkeit ist da, der Zweifel flieht,
Jetzt fecht ich für mein Haupt und für mein Leben.
(Er geht ab. Die andern folgen.)

Elfter Auftritt

Gräfin Terzky. (kommt aus dem Seitenzimmer)
Nein! Ich kann's länger nicht--Wo sind sie? Alles
Ist leer. Sie lassen mich allein--allein
In dieser fürchterlichen Angst--Ich muß
Mich zwingen vor der Schwester, ruhig scheinen
Und alle Qualen der bedrängten Brust
In mir verschließen--Das ertrag ich nicht!
--Wenn es uns fehlschlägt, wenn er zu dem Schweden
Mit leerer Hand, als Flüchtling, müßte kommen,
Nicht als geehrter Bundesgenosse, stattlich,
Gefolgt von eines Heeres Macht--Wenn wir
Von Land zu Land wie der Pfalzgraf müßten wandern,
Ein schmählich Denkmal der gefallnen Größe--
Nein, diesen Tag will ich nicht schaun! und könnt'
Er selbst es auch ertragen, so zu sinken,
Ich trüg's nicht, so gesunken ihn zu sehn.

Zwölfter Auftritt
Gräfin. Herzogin. Thekla.

Thekla. (will die Herzogin zurückhalten)
O liebe Mutter, bleiben Sie zurück!
Herzogin.
Nein, hier ist noch ein schreckliches Geheimnis,
Das mir verhehlt wird--Warum meidet mich
Die Schwester? Warum seh ich sie voll Angst
Umhergetrieben, warum dich voll Schrecken?
Und was bedeuten diese stummen Winke,
Die du verstohlen heimlich mit ihr wechselst?
Thekla.
Nichts, liebe Mutter!
Herzogin.
Schwester, ich will's wissen.
Gräfin.
Was hilft's auch, ein Geheimnis draus zu machen!
Läßt sich's verbergen? Früher, später muß
Sie's doch vernehmen lernen und ertragen!
Nicht Zeit ist's jetzt, der Schwäche nachzugeben,
Mut ist uns not und ein gefaßter Geist,
Und in der Stärke müssen wir uns üben.
Drum besser, es entscheidet sich ihr Schicksal
Mit einem Wort--Man hintergeht Euch, Schwester.
Ihr glaubt, der Herzog sei entsetzt--der Herzog
Ist nicht entsetzt--er ist--
Thekla. (zur Gräfin gehend)
Wollt Ihr sie töten?
Gräfin.
Der Herzog ist--
Thekla. (die Arme um die Mutter schlagend).
O standhaft, meine Mutter!
Gräfin.
Empört hat sich der Herzog, zu dem Feind
Hat er sich schlagen wollen, die Armee
Hat ihn verlassen, und es ist mißlungen.
(Während dieser Worte wankt die Herzogin und fällt ohnmächtig
in die Arme ihrer Tochter.)

Dreizehnter Auftritt
Ein großer Saal beim Herzog von Friedland.

Wallenstein. (im Harnisch)
Du hast's erreicht, Octavio--Fast bin ich
Jetzt so verlassen wieder, als ich einst
Vom Regenspurger Fürstentage ging.
Da hatt' ich nichts mehr als mich selbst--doch was
Ein Mann kann wert sein, habt ihr schon erfahren.
Den Schmuck der Zweige habt ihr abgehauen,
Da steh ich, ein entlaubter Stamm! Doch innen
Im Marke lebt die schaffende Gewalt,
Die sprossend eine Welt aus sich geboren.
Schon einmal galt ich euch statt eines Heeres,
Ich einzelner. Dahingeschmolzen vor
Der schwed'schen Stärke waren eure Heere,
Am Lech sank Tilly, euer letzter Hort;
Ins Bayerland, wie ein geschwollner Strom,
Ergoß sich dieser Gustav, und zu Wien
In seiner Hofburg zitterte der Kaiser.
Soldaten waren teuer, denn die Menge
Geht nach dem Glück--Da wandte man die Augen
Auf mich, den Helfer in der Not, es beugte sich
Der Stolz des Kaisers vor dem Schwergekränkten:
Ich sollte aufstehn mit dem Schöpfungswort
Und in die hohlen Läger Menschen sammeln.
Ich tat's. Die Trommel ward gerührt. Mein Name
Ging wie ein Kriegsgott durch die Welt. Der Pflug,
Die Werkstatt wird verlassen, alles wimmelt
Der altbekannten Hoffnungsfahne zu--
--Noch fühl ich mich denselben, der ich war!
Es ist der Geist, der sich den Körper baut,
Und Friedland wird sein Lager um sich füllen.
Führt eure Tausende mir kühn entgegen,
Gewohnt wohl sind sie, unter mir zu siegen,
Nicht gegen mich--Wenn Haupt und Glieder sich trennen,
Da wird sich zeigen, wo die Seele wohnte.
(Illo und Terzky treten ein.)
Mut, Freunde, Mut! Wir sind noch nicht zu Boden.
Fünf Regimenter Terzky sind noch unser
Und Buttlers wackre Scharen--Morgen stößt
Ein Heer zu uns von sechzehntausend Schweden.
Nicht mächt'ger war ich, als ich vor neun Jahren
Auszog, dem Kaiser Deutschland zu erobern.

Vierzehnter Auftritt
Vorige. Neumann, der den Grafen Terzky beiseite führt und
mit ihm spricht.

Terzky. (zu Neumann).
Was suchen Sie?
Wallenstein.
Was gibt's?
Terzky.
Zehn Kürassiere
Von Pappenheim verlangen dich im Namen
Des Regiments zu sprechen.
Wallenstein. (schnell zu Neumann)
Laß sie kommen.
(Neumann geht hinaus.)
Davon erwart ich etwas. Gebet acht,
Sie zweifeln noch und sind noch zu gewinnen.

Fünfzehnter Auftritt
Wallenstein. Terzky. Illo. Zehn Kürassiere, von einem Gefreiten
geführt, marschieren auf und stellen sich nach dem Kommando in
einem Glied vor den Herzog, die Honneurs machend.

Wallenstein. (nachdem er sie eine Zeitlang mit den Augen gemessen, zum
Gefreiten)
Ich kenne dich wohl. Du bist aus Brügg' in Flandern,
Dein Nam' ist Mercy.
Gefreiter.
Heinrich Mercy heiß ich.
Wallenstein.
Du wurdest abgeschnitten auf dem Marsch,
Von Hessischen umringt und schlugst dich durch,
Mit hundertachtzig Mann durch ihrer tausend.
Gefreiter.
So ist's, mein General.
Wallenstein.
Was wurde dir
Für diese wackre Tat?
Gefreiter.
Die Ehr', mein Feldherr,
Um die ich bat, bei diesem Korps zu dienen.
Wallenstein. (wendet sich zu einem andern)
Du warst darunter, als ich die Freiwilligen
Heraus ließ treten auf dem Altenberg,
Die schwed'sche Batterie hinwegzunehmen.
Zweiter Kürassier.
So ist's, mein Feldherr.
Wallenstein.
Ich vergesse keinen,
Mit dem ich einmal Worte hab gewechselt.
Bringt eure Sache vor.
Gefreiter. (kommandiert)
Gewehr in Arm!
Wallenstein. (zu einem dritten gewendet)
Du nennst dich Risbeck, Köln ist dein Geburtsort.
Dritter Kürassier.
Risbeck aus Köln.
Wallenstein.
Den schwed'schen Oberst Dübald brachtest du
Gefangen ein im Nürenberger Lager.
Dritter Kürassier.
Ich nicht, mein General.
Wallenstein.
Ganz recht! Es war
Dein ältrer Bruder, der es tat--du hattest
Noch einen jüngern Bruder, wo blieb der?
Dritter Kürassier.
Er steht zu Olmütz bei des Kaisers Heer.
Wallenstein. (zum Gefreiten)
Nun so laß hören.
Gefreiter.
Ein kaiserlicher Brief kam uns zu Handen,
Der uns--
Wallenstein. (unterbricht ihn)
Wer wählte Euch?
Gefreiter.
Jedwede Fahn'
Zog ihren Mann durchs Los.
Wallenstein.
Nun denn zur Sache!
Gefreiter.
Ein kaiserlicher Brief kam uns zu Handen,
Der uns befiehlt, die Pflicht dir aufzukündigen,
Weil du ein Feind und Landsverräter seist.
Wallenstein.
Was habt ihr drauf beschlossen?
Gefreiter.
Unsre Kameraden
Zu Braunau, Budweis, Prag und Olmütz haben
Bereits gehorcht, und ihrem Beispiel folgten
Die Regimenter Tiefenbach, Toscana.
--Wir aber glauben's nicht, daß du ein Feind
Und Landsverräter bist, wir halten's bloß
Für Lug und Trug und spanische Erfindung.
(Treuherzig.)
Du selber sollst uns sagen, was du vorhast,
Denn du bist immer wahr mit uns gewesen,
You have read 1 text from German literature.
Next - Wallensteins Tod - 5
  • Parts
  • Wallensteins Tod - 1
    Total number of words is 3743
    Total number of unique words is 1467
    38.1 of words are in the 2000 most common words
    51.9 of words are in the 5000 most common words
    57.1 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Wallensteins Tod - 2
    Total number of words is 3904
    Total number of unique words is 1432
    43.9 of words are in the 2000 most common words
    57.8 of words are in the 5000 most common words
    63.1 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Wallensteins Tod - 3
    Total number of words is 3708
    Total number of unique words is 1290
    42.5 of words are in the 2000 most common words
    57.1 of words are in the 5000 most common words
    62.4 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Wallensteins Tod - 4
    Total number of words is 3591
    Total number of unique words is 1321
    39.8 of words are in the 2000 most common words
    53.0 of words are in the 5000 most common words
    58.6 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Wallensteins Tod - 5
    Total number of words is 3795
    Total number of unique words is 1402
    39.9 of words are in the 2000 most common words
    53.4 of words are in the 5000 most common words
    58.9 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Wallensteins Tod - 6
    Total number of words is 3725
    Total number of unique words is 1391
    39.4 of words are in the 2000 most common words
    52.2 of words are in the 5000 most common words
    57.4 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Wallensteins Tod - 7
    Total number of words is 3659
    Total number of unique words is 1312
    41.0 of words are in the 2000 most common words
    54.5 of words are in the 5000 most common words
    60.7 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Wallensteins Tod - 8
    Total number of words is 3772
    Total number of unique words is 1420
    38.7 of words are in the 2000 most common words
    53.7 of words are in the 5000 most common words
    58.9 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Wallensteins Tod - 9
    Total number of words is 1414
    Total number of unique words is 656
    45.8 of words are in the 2000 most common words
    58.4 of words are in the 5000 most common words
    63.1 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.