Hamlet, Prinz von Dännemark - 5

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in ihrer Rolle steht; denn es giebt einige unter ihnen, die sich
selbst einen Spaß damit machen wollen, daß sie eine Anzahl alberner
Zuschauer zum Lachen bringen können, wenn gleich in dem nemlichen
Augenblik die Aufmerksamkeit auf eine wichtige Stelle des Stüks
geheftet seyn sollte: Das ist was infames, und zeigt eine
erbärmliche Art von Ambition an dem Narren, der es so macht. Geht,
macht euch fertig.
(Die Schauspieler gehen ab.)



Vierte Scene.
(Polonius, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)

Hamlet.
Wie ists, mein Herr? Will der König dieses Stük hören?
Polonius.
Und die Königin dazu, und das sogleich.
Hamlet.
So seht, daß die Schauspieler hurtig machen.
(Polonius geht ab.)
Wollt ihr beyde nicht auch gehen, und ihnen helfen, daß sie fertig
werden?
Beyde.
Wir wollen, Gnädiger Herr.
(Sie gehen ab.)
Hamlet.
He, holla, Horatio--(Horatio zu Hamlet.)
Horatio.
Hier, liebster Prinz, was habt ihr zu befehlen?
Hamlet.
Horatio, du bist durchaus so ein ehrlicher Mann, als ich jemals in
meinem Leben einen gefunden habe.
Horatio.
O, mein Gnädigster Herr--
Hamlet.
Nein, bilde dir nicht ein, ich schmeichle; denn was für Interesse
könnt' ich von dir hoffen, dessen ganzer Reichthum darinn besteht,
daß du Verstand genug hast, dir Nahrung und Kleider zu verschaffen?
Die Zunge der Schmeicheley lekt nur um die Füsse der Grossen, und
beugt ihre kupplerische Kniee nur, wo sie Belohnung hofft. Hörst
du? Seitdem meine Seele fähig ist zu wählen, und Menschen von
Menschen zu unterscheiden, hat sie dich aus allen für sich selbst
auserkohren. Denn ich habe dich als einen Mann kennen gelernt, der
gutes und böses Glük mit gleicher Mässigung annahm, und wenn alle
Widerwärtigkeiten sich gegen ihn vereinigten, so gutes Muthes war,
als ob er nichts zu leiden hätte. Und glüklich sind diejenigen,
deren Blut und Gemüths-Art so wol gemischt ist, daß sie keine
Pfeiffe für Fortunens Finger sind, und tönen müssen, wie sie greift.
Zeigt mir den Mann, der kein Sclave der Leidenschaft ist, ich
will ihn im Kern meines Herzens tragen; ja, in meines Herzens
Herzen, wie ich dich trage--Genug, und ein wenig mehr als genug
hievon!--Es soll diese Nacht ein Schauspiel vor dem König
aufgeführt werden, worinn eine Scene demjenigen sehr nahe kommt,
was ich dir von den besondern Umständen von meines Vaters Tod
erzählt habe. Ich bitte dich, wenn diese Scene kommt, so beobachte
meinen Oheim mit dem äussersten Grade der Aufmerksamkeit, der
deiner Seele möglich ist. Wenn bey einer gewissen Rede seine
geheime Schuld sich nicht selbst verräth, so ist der Geist den wir
gesehen haben, aus der Hölle, und meine Einbildungen auf des
Teufels Ambose geschmiedet. Verwende kein Auge von ihm, ich will
es auch so machen, und hernach wollen wir unsre Beobachtungen
zusammentragen, und ein Urtheil über sein Bezeugen festsezen.
Horatio.
Gut, Gnädiger Herr. Wenn er was stiehlt, während daß die Comödie
gespielt wird, und der Entdekung entgeht, will ich den Diebstahl
bezahlen.


Fünfte Scene.
(Der König, die Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz,
Güldenstern, und andere Herren von Hofe, mit Bedienten, welche
Fakeln vortragen. Ein dänischer Marsch, mit Trompeten.)

Hamlet.
Da kommen sie zur Comödie--ich muß hier den Geken machen--
(zu Horatio.)
Sieh dich um einen Plaz um.
König.
Wie steht's um unsern Neffen Hamlet?
Hamlet.
Unvergleichlich, in der That, nach Cameleons Art; ich esse Luft,
mit Versprechungen gefüllt; eure Capunen werden nicht fett dabey
werden.
König.
Ich weiß nichts mit dieser Antwort zu machen, Hamlet--
Hamlet.
Ich auch nicht--
(Zu Polonius.)
Nun, mein Herr; ihr spieltet ja ehmals auch Comödien auf der
Universität, sagtet ihr?
Polonius.
Das that ich, Gnädiger Herr, und man hielt mich für einen guten
Schauspieler.
Hamlet.
Und was machtet ihr für Rollen?
Polonius.
Ich machte den Julius Cäsar, ich wurde im Capitol umgebracht;
Brutus brachte mich um.
Hamlet.
Das war brutal von ihm gehandelt, ein solches Capital-Kalb da
umzubringen--Sind die Comödianten fertig?
Rosenkranz.
Ja, Gnädiger Herr, sie warten auf euern Befehl.
Königin.
Komm hieher, mein liebster Hamlet; seze dich zu mir.
Hamlet.
Um Vergebung, Frau Mutter, hier ist ein Magnet der stärker zieht.
Polonius (zur Königin.)
O, ho, habt ihr das bemerkt?
Hamlet.
Fräulein, wollt ihr mich in euerm Schooß ligen lassen?
(Er sezt sich zu ihren Füssen auf den Boden hin.)
Ophelia.
Nein, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Ich meyne, meinen Kopf auf euerm Schooß?
Ophelia.
Ja, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Denkt ihr, ich habe was anders gemeynt?
Ophelia.
Ich denke nichts, Gnädiger Herr.
Hamlet (etwas leise.)
Das ist ein hübscher Gedanke, zwischen eines Mädchens Beinen zu
ligen--
Ophelia.
Was ist's, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Nichts.
Ophelia.
Ihr seyd aufgeräumt, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Wer, ich?
Ophelia.
Ja.
Hamlet.
O Gott! ein Spaßmacher, wie ihr keinen mehr sehen werdet. Was
sollte einer thun, als aufgeräumt seyn? Denn, seht ihr, was meine
Mutter für ein vergnügtes Gesicht macht, und es ist doch kaum zwo
Stunden, daß mein Vater todt ist.
Ophelia.
Um Vergebung, es sind zweymal zween Monate, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Schon so lange? O, wenn das ist, so mag der Teufel schwarz gehen,
ich will meinen Hermelin-Pelz wieder umwerfen. O Himmel! schon
zween Monat todt, und noch nicht vergessen! So kan man doch hoffen,
daß eines grossen Mannes Andenken sein Leben ein halbes Jahr
überleben werde: Aber, bey unsrer Frauen! in diesem Fall muß einer
wenigstens eine Kirche gebaut haben; sonst mag er leiden, daß man
nicht mehr an ihn denkt, wie das Steken-Pferd; dessen Grabschrift
ist:
Au weh! das ist beklagens werth,
Man denkt nicht mehr ans Steken-Pferd.*
{ed.-* Ein satyrischer Stich auf die damaligen Puritaner, welche man
in den Gassen-Liedern, die über sie gemacht und gesungen wurden,
ihren bekannten scheinheiligen Eifer gegen alle Spiele bis gegen das
Steken-Pferd treiben ließ, auf welchem doch sie, und ihres gleichen,
bis auf den heutigen Tag, so weydlich herumtraben.}


Sechste Scene.
(Musik von Hautbois. Die Pantomime tritt auf.)
(Ein Herzog und eine Herzogin mit Cronen auf den Häuptern, treten
sehr liebreich mit einander auf; die Herzogin umarmt ihn, und er
sie; sie kniet nieder, er hebt sie auf und neigt seinen Kopf auf
ihren Hals; er legt sich auf einen Blumenbank hin; sie sieht daß er
eingeschlafen ist, und verläßt ihn. Darauf kommt ein Kerl hervor,
nimmt seine Crone weg, küßt sie, schüttet dem Herzog Gift ins Ohr,
und geht ab. Die Herzogin kommt zurük, und da sie den Herzog todt
findet, gebehrdet sie sich gar kläglich. Der Vergifter kommt mit
zween oder drey Stummen wieder, und stellt sich, als ob er mit ihr
jammere. Der Leichnam wird weggetragen. Der Vergifter buhlt
hierauf um die Herzogin, und bietet ihr Geschenke an; sie scheint
eine Zeit lang unwillig, und unschlüssig; doch zulezt nimmt sie
seine Liebe an.)
(Die Pantomime geht ab.)

Ophelia.
Was soll das bedeuten?
Hamlet.
Poz Stern, Fräulein, es bedeutet Unheil.
Ophelia.
Vermuthlich wird es den Inhalt des Stüks vorstellen sollen? (Der
Vorredner tritt auf.)
Hamlet.
Das werden wir von diesem Burschen hören: Die Comödianten können
nichts Geheimes bey sich behalten; sie werden alles sagen.
Ophelia.
Wird er uns sagen, was das stumme Schauspiel bedeutet?
Hamlet.
Ja, oder irgend ein Schauspiel das ihr ihm zu schauen gebt. Schämt
euch nicht, es ihn sehen zu lassen, so wird er sich nicht schämen,
euch zu sagen was es bedeutet.
Ophelia.
Ihr seyd unartig, sehr unartig; ich will auf die Comödie Acht geben.
Vorredner.
Der Prologus tritt hier hervor
Und bittet eure Huld
Um ein nicht allzu-critisch Ohr
Und ziemlich viel Geduld.
(Sie gehen ab.)
Hamlet.
Ist das ein Prologus, oder Poesie auf einen Ring?
Ophelia.
Es war ziemlich kurz.
Hamlet.
Wie Weiber-Treue.
(Der Herzog und die Herzogin des Schauspiels treten auf.)
Herzog.*
Dreissig male schon hat Phöbus seinen glänzenden Lauf durch den
Himmel vollbracht, und zwölfmal dreissigmal der Mond seinen Silber-
Wagen um den Erdkreis getrieben, seit Amor unsre Herzen und Hymen
unsre Hände durch das Band geheiligter Liebe vereinigt hat.
{ed.-* Dieses ganze kleine Schauspiel ist im Original in Reimen von
unübersezlicher Schlechtigkeit abgefaßt.}
Herzogin.
Und eben so viele Reisen möge Sonne und Mond uns noch zählen lassen,
eh das unerbittliche Geschik dieses theure Band zertrennen dürfe.
Aber ach! weh mir! ihr befindet euch Zeit her so übel, und eure
Gesundheit hat einen so starken Abfall erlidten, daß ich nicht
anders als zittern kan: Doch lasset euch meine zärtliche
Besorgnisse nicht erschreken, liebster Gemahl: Weiber fürchten
allezeit wie sie lieben, in beydem mit Übermaaß. Wie weit meine
Liebe geht, hat euch die Erfahrung gelehrt; und so wie meine Liebe,
ist meine Furcht. Wo die Liebe groß ist, werden die kleinsten
Zweifel zu ängstlichen Besorgnissen--
Herzog.
Deine Besorgnisse täuschen dich nicht, meine Liebe; ich werde dich
verlassen müssen, und das bald: Ich fühle es, daß meine Lebens-
Kräfte ihren Verrichtungen nicht mehr gewachsen sind; ich werde
dich verlassen, und den Trost haben dich in dieser schönen Welt
geehrt und geliebt zurük zu lassen; und vielleicht wirst du bald in
den Armen eines eben so zärtlichen Ehegatten--
Herzogin.
O haltet ein, liebster Gemahl, vollendet den entsezlichen Gedanken
nicht! Diese auf ewig eurer Liebe geheiligte Brust, ist keiner
Verrätherey fähig. Der Fluch falle auf den Tag, der mich in die
Arme eines andern Mannes legen wird! Nur diejenige heyrathet den
zweyten Mann, die den ersten ermordet hat--
Hamlet.
Wurmsaamen, Wurmsaamen!
Herzogin.
Die Betrachtungen, wodurch man sich zur zweyten Ehe bewegen läßt,
sind niederträchtiges Interesse, niemals Liebe. Mir würde es seyn,
ich stösse allemal den Dolch in meines ersten Mannes Herz, so oft
mich der zweyte küßte.
Herzog.
Ich zweifle nicht, daß alles was ihr izt sagt, euer wahrer Ernst
ist: Aber wie oft brechen wir was wir uns selbst versprochen haben!
Unsre Vorsäze sind den zu frühzeitigen Früchten gleich, die zwar
eine Zeit lang fest am Baume steken, aber zulezt faulen, und dann
ungeschüttelt fallen. Wir vergessen nichts leichter zu bezahlen,
als was wir uns selbst schuldig sind; und es ist natürlich, daß
Vorsäze, die wir aus Leidenschaft fassen, zugleich mit ihrer
Ursache aufhören. Übermaaß in Vergnügen und Schmerz reibt sich
allezeit selber auf; und es ist billig, daß in einer Welt, die
nicht für immer gemacht ist, Schmerz und Lust ihr Ziel haben. Es
ist gar nichts befremdliches darinn, wenn unsre Liebe mit unsern
Umständen sich ändert, und es ist noch immer eine unausgemachte
Frage, ob die Liebe das Glük, oder das Glük die Liebe leite. Ihr
seht, wenn ein Grosser fällt, so fliehen seine Günstlinge, und der
Arme, der emporkommt, macht seine Feinde zu Freunden; wie hingegen
derjenige, der in der Noth einen hohlen Freund auf die Probe sezen
will, sich geradezu einen Feind macht. Um also zum Schluß dessen
was ich angefangen habe zu kommen, so däucht mich, unsre Wünsche
und unsre Umstände durchkreuzen einander so oft, daß unsre Vorsäze
selten in unsrer Gewalt bleiben; unsre Gedanken sind unser, aber
nicht ihre Ausführung. Denke also immer, meine Liebe, daß du
keinen zweyten Gemahl nehmen wollest, aber laß diese Gedanken
sterben, sobald dein erster Mann gestorben ist.
Herzogin.
O! dann gebe mir weder die Erde Nahrung, noch der Himmel Licht!
Dann komme bey Tag und bey Nacht weder Freude in mein Herz noch
Ruhe auf meine Auglieder! Elender sey mein Leben als das Leben des
büssenden Einsiedlers, ein fortdaurender Tod; jeder meiner Wünsche
begegne dem was ihm am meisten entgegen ist, und ewige Qual
verfolge mich hier und dort, wenn ich aus einer Wittwe, jemals
wieder eine Vermählte werde.
Hamlet.
Wenn sie diese Schwüre bricht--
Herzog.
Das sind grosse Schwüre! Meine Geliebteste, verlaß mich izt eine
Weile; meine Geister werden matt; ich will versuchen, ob ich
schlafen kan--
(Er entschläft.)
Herzogin.
Ruhe sanft, und niemals, niemals komme Unglük zwischen uns beyde!
(Sie geht ab.)
Hamlet (zur Königin.)
Gnädige Frau, wie gefällt euch dieses Stük?
Königin.
Mich däucht, die Dame verspricht zu viel.
Hamlet.
O, wir werden sehen, wie sie ihr Wort halten wird.
König.
Kennt ihr den Inhalt des Stüks? Ist nichts anstössiges darinn?
Hamlet.
Nein, gar nichts; es ist alles nur Spaß; sie vergiften nicht im
Ernst; auf der Welt nichts anstössiges.
König.
Wie nennt sich das Stük?
Hamlet.
Die (Maus-Falle;)--In der That, in einem figürlichen Verstande,
vermuthlich--Das Stük ist die Vorstellung eines Mords der in Wien
begegnet ist; Gonzago ist des Herzogs Name, seine Gemahlin heißt
Baptista; ihr werdet gleich sehen, daß es ein schelmisches Stük
Arbeit ist; aber was thut das uns? Eure Majestät und andre, die
ein gutes Gewissen haben, geht es nichts an; der mag sich krazen,
den es jukt; wir haben eine glatte Haut. (Lucianus tritt auf.)
Das ist einer, Namens Lucianus, ein Neffe des Herzogs.
Ophelia.
Man kan den Chor mit euch ersparen, Gnädiger Herr.
Hamlet.**
--Nun, fang einmal an, Mörder. Hör auf, deine verteufelte
Gesichter zu schneiden, und fang an. Komm, der krächzende Rabe
schreyt um Rache.
{ed.-** Hier hat man zwey Scherz-Reden Hamlets weglassen müssen,
wovon die erste dem Übersezer unverständlich, und die andre eine
zweydeutige Zote ist.}
Lucianus
Schwarze Gedanken; willige Hände; schnellwürkendes Gift, und
gelegne Zeit--Alles stimmt zusammen, und kein Mensch ist da, der
mich sehen könnte. Ergiesse, du fatale Mixtur, aus
mitternächtlichen Kräutern gezogen, und dreyfach mit Hecates Zauber-
Fluch geschwängert, ergiesse deine verderbliche Natur und magische
Eigenschaft, und mach' einem mir verhaßten Leben ein plözliches
Ende!
(Er gießt dem schlaffenden Herzog das Gift in die Ohren.)

Hamlet
(zum Könige.)

Er vergiftet ihn in seinem Garten, um Herr von seinem Vermögen zu
werden; sein Nam' ist Gonzago; die Historie davon ist im Druk, sie
ist im besten Toscanischen geschrieben. Sogleich werdet ihr sehen,
wie der Mörder auch die Liebe von Gonzago's Gemahlin gewinnt--

Ophelia.
Der König steht auf.
Hamlet.
Wie, von einem blinden Lermen erschrekt?
Königin.
Was fehlt meinem Gemahl?
Polonius.
Hört auf zu spielen!
König.
Gebt mir Licht. Weg! weg!
Alle.
Lichter, Lichter, Lichter!
(Sie gehen in Verwirrung ab.)


Siebende Scene.
(Hamlet und Horatio bleiben.)

Hamlet.
Laßt weinen den verwundten Hirsch,
Der unverlezte scherzt:
Denn billig wacht die Missethat
Indem die Unschuld schläft. Würde das, Herr, (wenn alles andre
fehlschlüge) und ein Wald von Federn auf dem Hut, und ein paar
ungeheure Rosen auf meinen gestreiften Schuhen, mir nicht einen
Plaz unter einen Kuppel von Comödianten verschaffen?
Horatio.
Ich mache mit, wenn's dazu kommt.
Hamlet.
O mein guter Horatio, ich wollte des Geists Wort für zehntausend
Thaler annehmen. Hast du's gesehen?
Horatio.
Nur gar zu wohl, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Wie die Rede vom Vergiften war?
Horatio.
Ich hab' es sehr wol beobachtet. (Rosenkranz und Güldenstern
treten auf.)
Hamlet.
He! holla! kommt, spielt uns eins auf. Kommt, wo sind die
Flöten? Wenn die Comödie dem König nicht gefällt, nun, so gefällt
sie ihm eben nicht, und er muß wissen warum. Kommt, spielt auf,
sag ich.
Güldenstern.
Mein Gnädiger Prinz, erlaubet mir ein Wort mit euch zu reden--
Hamlet.
Eine ganze Historie, Herr.
Güldenstern.
Der König, mein Herr--
Hamlet.
So, mein Herr, was giebt's von ihm?
Güldenstern.
Hat sich in sein Cabinet verschlossen, und befindet sich
ausserordentlich übel--

Hamlet.
Vielleicht von zu vielem Wein?
Güldenstern.
Nein, Gnädiger Herr, von Galle--
Hamlet.
Eure gewöhnliche Weisheit hat euch nicht wohl gerathen, mein Herr,
da sie euch zu mir gewiesen hat; zum Doctor hättet ihr gehen sollen;
ich kan hier nichts; denn wenn ich ihm auch ein Purgier-Mittel
eingeben wollte, so möcht' es ihm leicht noch mehr Galle machen.
Güldenstern.
Gnädiger Herr, höret mich an, anstatt durch solche seltsame
Absprünge meinem Vortrag auszuweichen.
Hamlet.
Ich will stehen bleiben, Herr--Sprecht!
Güldenstern.
Die Königin, eure Frau Mutter, schikt mich in grössester Betrübniß
ihres Herzens zu euch.
Hamlet.
Ihr seyd willkommen.
Güldenstern.
Nein, Gnädiger Herr, dieses Compliment ist hier ausser seinem Plaz.
Wenn es euch beliebig ist, mir eine gesunde Antwort zu geben, so
will ich mich des Auftrags entledigen, den mir eure Mutter
aufgegeben hat; wo nicht, so werdet ihr mir verzeihen, wenn ich
gehe, und mein Geschäft für geendigt halte.
Hamlet.
Herr, das kan ich nicht--
Güldenstern.
Was, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Euch eine gesunde Antwort geben; mein Wiz ist gar nicht wohl auf
Aber, Herr, so gut als ich eine Antwort geben kan, steht sie euch
zu Diensten; oder vielmehr wie ihr sagt, meiner Mutter--also nur
ohne fernern Umschweif zur Sache!--Meine Mutter, sagt ihr--
Rosenkranz.
Nun dann, das sagt sie; euer Betragen hat sie in das äusserste
Befremden und Erstaunen gesezt.
Hamlet.
O erstaunlicher Sohn, der seine Mutter so in Erstaunen sezen kan!
Aber stolpert nicht etwann eine Folge hinter dieser Erstaunung her?
Rosenkranz.
Sie wünscht, eh ihr zu Bette geht, in ihrem Cabinet mit euch zu
sprechen.
Hamlet.
Wir werden gehorchen, und wenn sie zehnmal unsre Mutter wäre. Habt
ihr noch weiter was mit uns zu handeln?
Rosenkranz.
Gnädiger Herr, ihr liebtet mich einst--
Hamlet.
Das thu ich noch--
Rosenkranz.
Nun, dann, liebster Prinz, um unsrer alten Freundschaft willen, was
ist die Ursache dieses euers seltsamen Humor's? Seyd versichert,
ihr sezt eure eigne Freyheit in Gefahr, wenn ihr euch länger
weigert, eure Beschwerden einem Freunde zu vertrauen.
Hamlet.
Mein Herr, ich möchte gern Befördrung.
Rosenkranz.
Wie kan das seyn, da ihr das Königliche Wort für eure Thronfolge in
Dännemark habt?
Hamlet.
Schon gut, aber, (weil das Gras wächßt)--Das Sprüchwort ist ein
wenig schmuzig. (Einer mit einer Flöte tritt auf.) O, die Flöten;
laßt mich eine sehen--Wir gehen mit einander, mein Herr--Wie, warum
geht ihr so um mich herum, mir den Wind abzugewinnen, als ob ihr
mich in ein Garn treiben wolltet?
Güldenstern.
O mein Gnädiger Prinz, wenn mich meine Pflicht zu kühn macht, so
zwingt mich meine Liebe so gar unhöflich zu seyn.
Hamlet.
Das versteh' ich nicht allzuwol. Wollt ihr auf dieser Flöte
spielen?
Güldenstern.
Ich kan nicht, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Ich bitte euch.
Güldenstern.
Glaubt mir, auf mein Wort, ich kan nicht.
Hamlet.
Ich bitte recht sehr.
Güldenstern.
Ich kenne keinen Griff, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Es ist eine so leichte Sache als Lügen; regiert die Windlöcher mit
euern Fingern und dem Daumen, blaßt mit euerm Mund darein, und es
wird die beredteste Musik von der Welt von sich geben. Seht ihr,
hier sind die Griff-Löcher.
Güldenstern.
Aber das ist eben der Fehler, daß ich sie nicht zu greiffen weiß,
damit eine Harmonie heraus komme; ich verstehe die Kunst nicht.
Hamlet.
So? seht ihr nun, was für ein armseliges Ding ihr aus mir machen
wollt; ihr möchtet gern auf mir spielen; ihr möchtet dafür
angesehen seyn, als ob ihr meine Griffe kennet; ihr möchtet mir
gern mein Geheimniß aus dem Herzen herausziehen; ihr wollt daß ich
euch von der untersten Note an bis zur höchsten angeben soll; das
wollt ihr; und es ist so viel Musik, ein so reizender Gesang in
diesem kleinen Stüke Holz, und doch könnt ihr sie nicht
herausbringen? Wie, bildet ihr euch ein, daß ich leichter zu
spielen bin als eine Pfeiffe? Nennt mich welches Instrument ihr
wollt, aber wenn ihr schon auf mir herumpfuschen könnt, so könnt
ihr doch nicht auf mir spielen--Grüß euch Gott, mein Herr--
Polonius (zu den Vorigen).
Gnädiger Herr, die Königin möchte gern mit euch sprechen, und das
sogleich.
Hamlet.
Seht ihr dort jene Wolke, die beynahe wie ein Camel aussieht?
Polonius.
Bey Sct. Veit, in der That, vollkommen wie ein Camel.
Hamlet.
Mich däucht, sie gleicht eher einer Amsel.
Polonius.
Sie ist schwarz wie eine Amsel.
Hamlet.
Oder einem Wallfisch?
Polonius.
Sie hat viele Ähnlichkeit mit einem Wallfisch, das ist wahr.
Hamlet.
Nun, so will ich gleich zu meiner Mutter kommen--
(vor sich.)
--Die Kerls werden mich noch toll machen--Ich will kommen,
augenbliklich.
Polonius.
Ich will es so sagen.
Hamlet.
Augenbliklich ist bald gesagt. Laßt mich allein, gute Freunde.
(Sie gehen ab.)
Es ist nun Mitternacht, die Zeit wo Zauberer und Unholden hinter
dem Vorhang der Finsterniß ihre abscheulichen Künste treiben; die
Zeit, wo Kirchhöfe ihre Todten auslassen, und die Hölle selbst
verpestete Seuchen in die Oberwelt aufdünstet. Nun könnt ich
heisses Blut trinken, Dinge thun, von deren Anblik der bessere Tag
zurükschauern würde. Stille! Nun zu meiner Mutter--O mein Herz,
verliehre deine Natur nicht! Laß nicht, o! nimmermehr! die Seele
des Nero in diesen entschlossenen Busen fahren; ich will grausam
seyn, nicht unnatürlich; ich will Dolche mit ihr reden, aber keinen
gebrauchen. Hierinn sollen meine Zunge und mein Herz nicht
zusammen stimmen. So unbarmherzig immer meine Worte mit ihr
verfahren werden, so fern sey es doch auf ewig von meiner Seele,
sie ins Werk zu sezen.
(Er geht ab.)



Achte Scene.
(Der König, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)

König.
Er gefällt mir gar nicht, und es würde auch nicht sicher für uns
seyn, diese Tollheit so ungebunden fortschwärmen zu lassen. Macht
euch also reisefertig; ich will euch unverzüglich eure Instruction
aufsezen, und er soll mit euch nach England. Die Umstände
gestatten nicht, uns den Gefahren bloß zu stellen, welche stündlich
aus seinen Mondsüchtigen Launen entstehen können.
Güldenstern.
Wir wollen uns anschiken; es ist eine höchst gerechte und heilige
Furcht, für so vieler tausend Personen Sicherheit besorgt zu seyn,
die in Eu. Majestät leben.
Rosenkranz.
Es ist die Privat-Pflicht eines jeden Menschen, alle Kräfte seines
Verstands dazu anzustrengen, sich selbst vor Schaden zu bewahren:
Aber vielmehr ist es eine Pflicht deßjenigen Geists, der die Seele
des ganzen Staats-Körpers ist, und von dessen Wohl das Leben so
vieler andern abhängt. Der Tod eines Königs ist nicht der Tod
eines einzigen, sondern zieht, wie ein Strudel alles was ihm nahe
kommt, in sich. Er ist wie ein Rad, das von dem Gipfel des
höchsten Bergs herunter gewälzt, unter seinen ungeheuren Speichen
tausend kleinere Dinge die daran hangen zertrümmert. Ein König
seufzt nie allein; wenn er leidet, leiden alle.
König.
Rüstet euch, ich bitte euch, aufs eilfertigste zu dieser Reise; wir
müssen dieser Gefahr Fesseln anlegen, die bisher so frey herum
gegangen ist.
Beyde.
Wir wollen unser äusserstes thun.
(Sie gehen ab.)
(Polonius tritt auf.)
Polonius.
Gnädigster Herr, er ist im Begriff, in seiner Frau Mutter Cabinet
zu gehen; ich will mich hinter die Tapeten versteken, um zu hören,
wie sie ihm den Text lesen wird. Denn wie Euer Majestät sagte,
(und es war weislich gesagt) es ist nicht überflüssig, daß noch
jemand andrer als eine Mutter, (die das mütterliche Herz immer
partheyisch zu machen pflegt) mit anhöre, was er zu seiner
Verantwortung sagen wird. Lebet wohl, mein Gebieter, ich will euch
wieder aufwarten, eh ihr zu Bette geht, und euch erzählen, was ich
gehört haben werde.
(Er geht ab.)
König.
Ich danke euch, mein ehrlicher Polonius.
(allein.)
O! Mein Verbrechen ist stinkend; es riecht zum Himmel hinauf; es
ist mit dem ältesten Fluche beladen; ein Bruder-Mord--Beten kan ich
nicht--wie könnt' ich, da ich, in innerlichem Streit zwischen
meiner Neigung und meinem Vorsaz demjenigen gleich bin, der zwey
Geschäfte vor sich liegen hat, und unterm Zweifel, welches er
zuerst thun soll, beyde versäumt.--Wie, wenn diese verbrecherische
Hand diker als sie ist, mit Bruder-Blut überzogen wäre? Hat der
allgütige Himmel nicht Regen genug, sie schneeweiß zu waschen?
Wozu dient Barmherzigkeit, als dem Verschuldeten Gnade zu erweisen?
Hat nicht das Gebet diese doppelte Kraft, uns Unterstüzung zu
verschaffen, eh wir fallen, oder Vergebung, wenn wir gefallen sind?
So will ich dann aufschauen--Mein Verbrechen ist hinweg. Aber, o!
was für eine Formul von Gebet kan ich gebrauchen?--"Vergieb mir
meinen schändlichen Mord!"--Das kan nicht seyn, da ich noch immer
im Besiz der Vortheile bin, um derentwillen ich diesen Mord begieng--
meiner Krone, und meiner Königin? Wie kan ein Verbrecher
Vergebung hoffen, so lang er sich den Gewinn seiner Übelthat
vorbehält? Ja, nach dem verkehrten Lauf dieser Welt kan es seyn,
kan des Verbrechens übergüldete Hand das Auge der Gerechtigkeit
zuschliessen; hier, wo oft der Lohn der Ungerechtigkeit selbst das
Gesez auskauft; aber so ist es nicht dort oben: Dort gelten keine
Ausflüchte; dort liegt die That in ihrer natürlichen Blösse da, und
wir sind gezwungen, ihr Zeugniß wieder uns, im Angesicht unsrer
Sünden, zu bekräftigen. Wie dann? Was bleibt übrig?--Versuchen,
was Reue vermag: Was vermag sie nicht?--Aber was vermag blosse
unfruchtbare Reue?--O unseliger Zustand! O, im Schlamme versunkene
Seele! die du desto tiefer versinkst, je mehr du dich losarbeiten
willst. Helft mir, ihr Engel! helfet! Zur Erde, ihr
ungeschmeidigen Kniee! Und du, Herz mit Fibern von Stahl, enthärte
dich, und werde so weich wie die Sehnen eines neugebohrnen Kinds!--
Es kan noch alles gut werden.
(Er begiebt sich in den hintersten Theil der Scene und kniet nieder.)



Neunte Scene.
(Hamlet tritt auf.)

Hamlet.
Izt könnt' ich's am füglichsten thun, izt da er betet, und izt will
ich's thun--so fährt er doch gen Himmel--Und das sollte meine Rache
seyn? Das würde fein lauten!--Ein Bösewicht ermordet meinen Vater,
und davor schik ich sein einziger Sohn, diesen nemlichen Bösewicht
gen Himmel--O, das wäre Belohnung nicht Rache! Er überfiel meinen
Vater unversehens, bey vollem Magen, mit allen seinen in voller
Blüthe stehenden Sünden--und wie es nun um ihn steht, weiß allein
der Himmel--Unsern Begriffen nach übel genug. Wär ich also
gerochen, wenn ich ihm in dem Augenblik wegnähme, da sich seine
Seele ihrer Schulden entladen hat, da sie zu diesem Übergang
geschikt ist?--Hinein, mein Schwerdt; du bist zu einem
schreklichern Dienst bestimmt! Wenn er betrunken ist und schläft,
oder im Ausbruch des Zorns, oder mitten in den blutschänderischen
Freuden seines Bettes, wenn er spielt, flucht, oder sonst etwas
thut, das keine Hoffnung der Seligkeit übrig läßt, dann gieb ihm
einen Stoß, daß er seine Beine gen Himmel streke, indem seine
schwarze Seele zur Hölle fährt--Meine Mutter wartet auf mich--eine
Arzney, die zu nichts dient, als eine unheilbare Krankheit zu
verlängern.
(Er geht ab.)
(Der König steht auf, und tritt vorwärts.)
König.
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