Hamlet, Prinz von Dännemark - 6

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Meine Worte fliegen auf, meine Gedanken bleiben zurük; und Worte
ohne Gedanken langen nie im Himmel an.
(Er geht ab.)



Zehnte Scene.
(Verwandelt sich in das Cabinet der Königin.)
(Die Königin und Polonius treten auf.)
Polonius.
Er wird sogleich da seyn; seht, daß ihr rund mit ihm zu Werke geht;
sagt ihm, die Streiche die er gespielt habe seyen zu grob, zum
Ausstehen; der König sey sehr ungehalten darüber, und wenn ihr
nicht seine Fürsprecherin gewesen wäret, so hätte es Folgen haben
können--Ich will mich hier verbergen; ich bitte euch, sagt ihm die
Meynung fein scharf.
Hamlet (hinter der Scene.)
Mutter! Mutter!--
Königin.
Seyd deßwegen ohne Sorge; verlaßt euch auf mich--Entfernt euch, ich
hör' ihn kommen.
(Polonius verbirgt sich hinter die Tapeten.)
(Hamlet tritt auf.)
Hamlet.
Nun, Mutter, was ist die Sache?
Königin.
Hamlet, du hast deinen Vater sehr beleidiget.
Hamlet.
Mutter, ihr habt (meinen) Vater sehr beleidiget.
Königin.
Kommt, kommt, ihr gebt mir eine verkehrte Antwort.
Hamlet.
Sie schikt sich auf eine boshafte Anrede.
Königin.
Wie, was soll das seyn, Hamlet?
Hamlet.
Was wollt ihr dann?
Königin.
Kennst du mich nicht mehr?
Hamlet.
Nein, beym Himmel, das nicht; ihr seyd die Königin, euers Gemahls
Bruders Weib, aber ich wollte, ihr wäret es nicht!--Ihr seyd meine
Mutter.
Königin.
Gut, wenn du aus diesem Ton anfängst, so will ich dir jemand
antworten lassen, der reden kan--
Hamlet.
Kommt, kommt, und sezt euch nieder; ihr sollt mir nicht von der
Stelle: Ich laß euch nicht gehen, bis ich euch einen Spiegel
vorgehalten habe, worinn ihr euch bis auf den Grund eurer Seele
sehen sollt.
Königin.
Was hast du im Sinn? Du wirst mich doch nicht ermorden wollen?
Hülfe! ho!
Polonius (hinter der Tapete.)
Wie? He, Hülfe!
Hamlet.
Was giebt's da? Eine Maus? Todt um einen Ducaten, todt.
(Er ersticht den Polonius.)
Polonius.
O, ich bin ein Mann des Todes.
Königin.
Weh mir! Was hast du gethan?
Hamlet.
In der That, ich weiß es nicht: Ist es der König?
Königin.
O, was für eine rasche und blutige That ist das!
Hamlet.
Eine blutige That; beynahe so schlimm, meine gute Mutter, als einen
König ermorden und seinen Bruder heyrathen.
Königin.
Einen König ermorden?
Hamlet.
Ja, Gnädige Frau, das war mein Wort.
(Zu Polonius.)
Du unglüklicher, unbesonnener, unzeitig-geschäftiger Thor, fahr du
wohl! Ich hielt dich für einen Grössern als du bist; habe nun, was
du dir zugezogen hast; du erfährst nun, daß es gefährlich ist, sich
gar zu viel zu thun zu machen--
(Zur Königin.)
Macht nicht so viel Hände-Ringens, still, sezt euch nieder, und
laßt mich euer Herz in die Presse nehmen; denn das will ich thun,
wenn es anders von lasterhafter Gewohnheit nicht so eisenhart
worden ist, daß es alles Gefühl verlohren hat.
Königin.
Was hab ich gethan, das dich vermessen genug macht, mich so rauh
anzulassen?
Hamlet.
Eine That, welche die keusche Röthe der Unschuld selbst verdächtig
macht, und die Tugend eine Heuchlerin nennt; die Rose von der
schönen Stirne einer rechtmäßigen Liebe wegreißt und eine Eyter-
Beule an ihre Stelle sezt; eine That, die den Ehgelübden nicht mehr
Glauben übrig läßt, als die Schwüre falscher Würfel-Spieler haben--
O! so eine That, die den ehrwürdigsten Verträgen die Seele
ausreißt, und die holde Religion in leeren Wörter-Schall verwandelt.
Des Himmels Angesicht sieht, seit dem diese That geschehen ist,
mit trübem Auge auf diesen Erdball herab; so düster und traurig,
wie beym Anbruch des Welt-Gerichts.
Königin.
Weh mir, was für eine That?
Hamlet.
Die so laut brüllt, daß sie bis in die Indien donnert--Seht hieher,
seht auf dieses Gemählde, und auf dieses, die Abbildungen zwoer
Brüder: seht, was für eine Würde saß auf dieser Stirne--Hyperions
Loken--die Stirne des Jupiters selbst--ein Auge, wie des Kriegs-
Gottes, zu schreken oder Befehle zu herrschen; eine Stellung, wie
des Herolds der Götter, der sich eben auf einen himmelküssenden
Hügel herabgeschwungen hat; eine Gestalt, auf welche jeder Gott
sein Siegel gesezt zu haben schien um der Welt zu urkunden, daß das
ein Mann sey. Das war euer Gemahl--Seht nun hieher; hier ist euer
Gemahl, er, der wie der Mihlthau eine gesunde Ähre, seinen Bruder
vergiftete. Habt ihr Augen? Konntet ihr die gute Weyde auf diesem
schönen Berge verlassen, um euch in diesem Morast zu wälzen? Ha!
habt ihr Augen? Ihr könnt es nicht Liebe heissen; denn, in euerm
Alter, ist das Blut zahm, und läßt sich von der Vernunft leiten;
und welche Vernunft würde von (diesem) zu (diesem) übergehen?
Sinnlichkeit habt ihr, das ist gewiß; sonst könntet ihr keine
Vorstellung haben; aber diese Sinnen sind vom Schlage getroffen:
Wahnwiz könnte sich nicht so sehr verirrt haben; so toll wird
niemand, daß ihm nicht noch immer so viel Unterscheidungs-Kraft
übrig bleibe, eine solche Verschiedenheit wahrzunehmen--Was für ein
Teufel hat euch denn die Augen verbunden, wie ihr diese Wahl
machtet? Augen ohne Gefühl, Gefühl ohne Augen, Ohren ohne Hände
oder Augen, oder nur ein kranker Rest eines einzigen unverblendeten
Sinn's hätte sich nicht so verfehlen können--O Schaam! wo ist
deine Röthe? Rebellische Hölle, wenn du in den Gebeinen einer
Matrone einen solchen Aufruhr machst, so laß immer die Keuschheit
der Jugend Wachs seyn, und in ihrem eignen Feuer wegschmelzen.
Ruft keine Schande aus, wenn der ungestüme Trieb der Jugend-Hize in
Ausschweiffung auflodert, da der Frost selbst eben so ungezähmt
brennt, und Vernunft die Kupplerin schnöder Lüste wird.
Königin.
O Hamlet, halte ein! Du drehst meine Augen in meine innerste Seele,
und da seh ich so schwarze, so häßliche Fleken, daß sie nimmermehr
ihre Farbe verliehren werden.
Hamlet.
Gewiß nicht, so lang ihr fähig seyd in dem stinkenden Schweiß eines
blutschändrischen Bettes zu leben, der Liebe in einem unflätigen
Schwein-Stalle zu pflegen--

Königin.
O höre auf; diese Reden dringen wie Dolche in meine Ohren--Nichts
mehr, lieber Hamlet.
Hamlet.
Ein Mörder, und ein schlechter Kerl oben drauf!--Ein Sclave, der
nicht der zwanzigste Theil eines Zehentheils von euerm ersten Herrn
ist, der Pikelhäring unter den Königen, ein feiger Schurke und
Gaudieb, der die Krone von einem Küssen wegstahl, und sie in seinen
Schnapsak stekte--
Königin.
Genug, genug--
(Der Geist läßt sich sehen.)
Hamlet.
Ein zusammengeflikter Lumpen-König--Himmel!
(Er starrt mit Entsezen auf.)
umschwebet mich mit euern Flügeln, ihr himmlischen Wächter!--Was
will deine ehrwürdige Erscheinung?
Königin.
O weh! er ist wahnsinnig--
Hamlet.
Kommt ihr nicht, euern trägen Sohn zu beschelten, der die Zeit in
unthätigem Gram verliehrend, das grosse Werk, das ihr ihm
anbefohlen habt, liegen läßt?
Geist.
Vergiß es nicht: Dieser Besuch hat sonst keine Absicht, als deinen
fast stumpfen Vorsaz zu wezen. Aber, siehe! Erstaunen ergreift
deine Mutter! O tritt zwischen sie und ihre kämpfende Seele: In
den schwächsten Körpern wirkt die Einbildung am stärksten. Rede
mit ihr, Hamlet.
Hamlet.
Wie steht es um euch, Gnädige Frau?
Königin.
O weh! wie steht es um dich? daß du deine Augen so auf einen Ort
ohne Gegenstand heftest, und mit der unkörperlichen Luft Gespräche
führst? Deine Geister schauen wild aus deinen Augen heraus, und
gleich schläfernden Soldaten bey einem plözlichen Alarm, starren
deine Haare, wie beseelt, empor, und stehen unbeweglich auf ihren
Enden--O mein lieber Sohn, sprize kalte Geduld auf das Feuer deiner
Leidenschaft--Was schauest du so an?
Hamlet.
Ihn! Ihn selbst!--Seht ihr den düstern Schein, den er von sich
giebt? Seine Gestalt und seine Sache zusammengenommen, könnten
Steine in Bewegung und Leidenschaft sezen--O sieh mich nicht an,
oder dieser traurige Blik verwandelt meinen frömmern Vorsaz in Wuth--
und macht hier Blut für Thränen fliessen.
Königin.
Mit wem redet ihr?
Hamlet.
Seht ihr denn nichts hier?
(Er zeigt mit dem Finger auf den Geist.)
Königin.
Nicht das geringste; und doch seh ich alles was ist.
Hamlet.
Hört ihr auch nichts?
Königin.
Nein, nichts als uns beyde.
Hamlet.
Wie, seht nur dorthin! Seht, wie es hinweg gleitet! Mein Vater in
seiner leibhaften Gestalt! Seht, eben izt geht es durch die Thüre
hinaus.
(Der Geist verschwinde.)
Königin.
Es ist ein blosses Gespenst euers Hirns, ein unwesentliches
Geschöpf der schwärmenden Phantasie.
Hamlet.
Was Phantasie? Mein Puls schlägt so regelmässig als der eurige--
Ich habe nicht in tollem Muth gesprochen; sezt mich auf die Probe;
ich will euch alles von Wort zu Wort wieder hersagen; das kan der
Wahnwiz nicht--Mutter, um des Himmels willen, legt diese
schmeichlerische Salbe nicht auf eure Seele, als ob nicht euer
Verbrechen, sondern meine Tollheit rede: Das würde nur den
eyternden Schaden mit einer Haut überziehen, indeß das fäulende
Gift inwendig um sich frässe und das Übel unheilbar machte.
Beichtet eure Sünde dem Himmel; bereuet, was geschehen ist, und
vermeidet, was noch geschehen kan--Leget keine Düngung auf Unkraut,
um es noch üppiger zu machen. Vergebet mir diese meine Tugend;
weil doch in dieser verdorbnen Zeit die Tugend das Laster um
Vergebung bitten, und sich noch büken und krümmen muß, um Erlaubniß
zu erhalten, ihm Gutes zu thun.
Königin.
O Hamlet! Du hast mir das Herz entzwey gebrochen.
Hamlet.
O werft den schadhaften Theil weg, und lebt desto gesünder mit der
andern Hälfte. Gute Nacht; aber geht nicht in meines Oheims Bette:
Zwingt euch zur Tugend, wenn ihr sie nicht in euerm Herzen findet.
Die Gewohnheit, dieses Ungeheuer, welches das Gefühl aller bösen
Fertigkeiten wegfrißt, ist doch darinn ein Engel, daß sie auch die
Ausübung schöner und guter Handlungen erleichtert: Thut euch diese
Nacht Gewalt an; das wird die folgende Enthaltung schon weniger
mühsam machen; die nächstfolgende wird schon leichter seyn: Denn
Übung im Guten kan sogar den Stempel der Natur auslöschen, ja den
Teufel selbst überwältigen und austreiben, so sehr er sich entgegen
sträubt. Noch einmal, gute Nacht! und wenn ihr selbst nach dem
himmlischen Segen begierig seyd, denn will ich euch um euern Segen
bitten--Was diesen ehrlichen Mann betrift,
(er zeigt auf die Leiche des Polonius)
so ist mir's leid; aber es hat nun dem Himmel so gefallen, einen
durch den andern zu straffen, und mich zur Geisel zu machen, um sie
zu züchtigen. Ich will für ihn sorgen, und für den Tod, den ich
ihm gab, soll sein Geist Genugthüung von mir haben; hiemit noch
einmal gute Nacht! Ich muß grausam seyn, um eine gute Absicht zu
erhalten--Der Anfang ist nun gemacht, aber das Schlimmste steht
noch bevor.
Königin (in Verlegenheit.)
Was soll ich thun?
Hamlet (entrüstet und spöttisch.)
Ja bey Leibe nichts von allem, warum ich euch gebeten habe--Euch
von euerm strozenden König wieder in sein Bette loken, in die Baken
zwiken, sein Mäuschen nennen lassen; um ein paar stinkende Küsse,
oder dafür, daß er euch mit seinen verdammten Fingern am Halse
herum krabbelt, euch den ganzen Inhalt unsrer Unterredung abtändeln
lassen, und daß ich nicht wirklich, sondern nur verstellter Weise
toll bin. Es wäre recht gut, wenn ihr ihn das wissen liesset.
Denn warum sollte auch eine so schöne, kluge, tugendsame Königin
Sachen von solcher Wichtigkeit vor einer Kröte, vor einer
Fledermaus, vor einer Meer-Kaze geheim halten? Wer wollte das
thun? Nein, troz der Vernunft und Verschwiegenheit! Zieht den
Nagel aus dem Korb auf dem Dach, laßt die Vögel ausfliegen, und
kriecht, wie der Affe in der Fabel, dafür in den Korb hinein, und
wenn ihr euern eignen Hals darüber brechen solltet.
Königin.
Sey du versichert, wenn Worte aus Athem, und Athem aus Leben
gemacht sind, so hab ich kein Leben, um zu athmen was du mir gesagt
hast.
Hamlet.
Ich muß nach England, das wißt ihr doch?
Königin.
Ach ja, das hatt' ich vergessen; so ist's beschlossen worden.
Hamlet.
Die Briefe sind schon gesiegelt, und meine zween Schul-Cameraden
(denen ich trauen will, wie ich einer Otter in meiner Hand trauen
wollte) tragen die Instruction; sie sollen mit mir reisen, und
meine Wegweiser in die Grube seyn, die mir gegraben ist: Wir wollen
sehen, was daraus wird--Denn das ist eben der Spaß, wenn der
Artillerist in seiner eignen Mine in die Luft gesprengt wird; und
es muß hart hergehen, wenn ich nicht eine Ruthe tiefer als sie
grabe und sie in den Mond hinein blase. O es ist ein Vergnügen,
wenn eine List in gerader Linie auf die andre stößt!--Diesen wakern
Mann hier will ich aufpaken--Er ist zu schwer; ich will den Wanst
in das nächste Zimmer schleppen; gute Nacht, Mutter--In der That,
dieser geheime Rath, der in seinem Leben ein alberner plauderhafter
Bube war, ist nun auf einmal gesezt, gravitätisch und verschwiegen
worden. Kommt, Sir, wir wollen euch an Ort und Stelle bringen--
Gute Nacht, Mutter.
(Hamlet geht ab, und schleppt den Polonius nach.)


Vierter Aufzug.

Erste Scene.
(Das Königliche Zimmer.)
(Der König, die Königin, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)

Der König (zur Königin.)
Diese Seufzer sind von Inhalt schwer; es ist nöthig, daß wir ihre
Bedeutung verstehen. Wo ist euer Sohn?
Königin.
Laßt uns auf einen Augenblik allein.
(zu Rosenkranz und Güldenstern welche sich entfernen.)
König.
Was ist's, Gertrude? Was macht Hamlet?
Königin.
Er ist rasender als die See und der Wind, wenn beyde kämpfen,
welches das mächtigste sey; in einem solchen Anstoß von unbändiger
Wuth hört er etwas hinter den Tapeten sich rühren, zieht den Degen,
ruft, eine Maus! und ersticht in dieser Einbildung den ungesehenen
guten alten Mann.
König.
Himmel! welch ein Unfall--So würde es (uns) gegangen seyn, wenn
wir an des Alten Plaz gewesen wären: Seine Freyheit drohet
allgemeine Gefahr, euch selbst und jederman. Wehe uns! Wie werden
wir diese blutige That rechtfertigen können? Sie wird uns zur Last
gelegt werden, weil wir die Vorsicht hätten haben sollen, diesen
rasenden jungen Menschen eingesperrt zu halten. Aber so weit gieng
unsre Liebe zu ihm; wir verblendeten uns selbst gegen das was die
Klugheit erforderte, und glichen hierinn einem Menschen, der mit
einem bösen Schaden behaftet ist, und ihn aus Furcht daß er bekannt
werden möchte, so lange nährt, bis er das Mark seines Lebens
weggefressen hat. Wo ist er hingegangen?
Königin.
Den Leichnam des Ermordeten wegzuschaffen, bey dem er sich so
gebehrdet, daß man deutlich siehet, wie sein Wille keinen Theil an
dem Werk seiner Raserey habe. Er beweint, was er gethan hat.
König.
O Gertrude, kommt mit mir; die Sonne soll nicht bälder die Gebirge
berühren, als wir ihn von hier zu Schiffe senden wollen: Und was
diese böse That betrift, so werden wir alles unsers Ansehens und
unsrer Klugheit nöthig haben, um ihren Folgen vorzubauen--He!
Güldenstern! (Rosenkranz und Güldenstern kommen zurük.) Meine
Freunde, geht, und nehmet noch einige Leute mit euch; Hamlet hat in
einem Anfall von Raserey den Polonius erschlagen, und ihn aus
seiner Mutter Cabinet weggeschleppt; geht, sucht ihn auf, redet
freundlich mit ihm, und bringt den Leichnam in die Schloß-Capelle.
Ich bitte euch, säumt euch keinen Augenblik.
(Rosenkranz und Güldenstern gehen ab.)
Kommt, Gertrude, wir wollen die Klügste von unsern Freunden
zusammenberuffen lassen, und ihnen anzeigen, sowol was wir zu thun
vorhaben, als was Hamlet unglüklicher Weise gethan hat. Es ist nur
allzu besorglich, daß das Gerücht diese That in kurzem durch die
ganze Welt flüstern, und vielleicht unsern Namen durch heimliche
Anschuldungen vergiften wird--Kommt, kommt; mein Gemüth ist voller
Unruh und innerlichem Streit--
(Sie gehen ab.)



Zweyte Scene.
(Hamlet tritt auf.)
Hamlet.
Nun liegt er wo er hin gehört--
(Hinter der Scene: Hamlet! Prinz Hamlet!)
Hamlet.
Was für ein Lerm? Wer ruft Hamlet? Ha, da kommen sie angestochen--
(Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)
Rosenkranz.
Was habt ihr mit dem todten Körper angefangen, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Ihn dem Staub gegeben, zu dem er ein Anverwandter ist.
Rosenkranz.
Sagt uns, wo er liegt, damit wir ihn abholen und in die Capelle
tragen können.
Hamlet.
Das bildet euch nicht ein--
Rosenkranz.
Was einbilden?
Hamlet.
Daß ich euer Geheimniß verschweigen könnte und mein eignes nicht.
Zudem, wenn der Fräger ein Erdschwamm ist, was für eine Antwort kan
der Sohn eines Königs geben?
Rosenkranz.
Seht ihr mich für einen Schwamm an, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Ja Herr, für einen Schwamm, der des Königs Blike, Winke und Minen
aufsaugt; aber solche Diener thun einem König den besten Dienst
erst am Ende; wenn er dessen bedarf, was ihr eingeschlukt habt, so
drukt er euch aus, und ihr werdet wieder der trokne löchrichte
Schwamm, der ihr vorher waret.
Rosenkranz.
Ich weiß nicht was ihr damit sagen wollt, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Das ist mir lieb; eine spizige Rede schläft in einem närrischen Ohr.
Rosenkranz.
Gnädiger Herr, ihr müßt uns sagen, wo der Leichnam ist, und mit uns
zum Könige gehen.
Hamlet.
Der Leichnam ist schon beym Könige, aber der König nicht bey dem
Leichnam. Der König ist ein Ding--

Güldenstern.
Ein Ding, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Von--Nichts: fährt mich zu ihm; Verstek dich, Fuchs, und alle
hinten drein.
(Sie gehen ab.)



Dritte Scene.
(Der König tritt auf.)

König.
Ich habe Befehl gegeben, ihn zu mir führen, und den Leichnam
aufsuchen zu lassen; wie gefährlich es ist, diesen Menschen so frey
herumgehen zu lassen! Und doch dürfen wir ihn nicht nach der
Strenge des Gesezes behandeln; der Pöbel, der seine Neigungen nicht
nach seiner Vernunft, sondern nach seinen Augen abmißt; der Pöbel,
der ihn liebt, würde in seiner Bestraffung, nicht ihr Verhältniß
gegen sein Verbrechen, sondern nur die Härte der Straffe sehen.
Glüklicher Weise fügt es sich, daß dieser Vorfall zu seiner
plözlichen Verschikung einen Vorwand giebt. Gegen verzweifelt
gewordene Schäden muß man verzweifelte Mittel gebrauchen oder gar
keine. (Rosenkranz tritt auf.) Was giebts? Was ist vorgefallen?
Rosenkranz.
Gnädigster Herr, wir können nicht von ihm heraus bringen, wo der
Leichnam hingekommen ist.
König.
Wo ist dann er?
Rosenkranz.
Draussen, Gnädigster Herr, mit einer Wache, euern Befehl erwartend.
König.
Führt ihn herein.
Rosenkranz.
He! Güldenstern, fährt den Prinzen herein. (Hamlet und
Güldenstern treten auf.)
König.
Nun, Hamlet, wo ist Polonius?
Hamlet.
Beym Essen.
König.
Beym Essen? wo dann?
Hamlet.
Nicht wo (er) ißt, sondern wo er gegessen wird; eine gewisse
Versammlung von politischen Würmern ist wirklich an ihm. Wo es
aufs Schmausen ankommt, ist in der Welt nichts über einen Wurm.
Wir mästen alle Creaturen damit sie uns mästen sollen, und für wen
mästen wir uns als für Maden? Euer fetter König, und euer magrer
Bettler sind nur verschiedne Gerichte; zwey Schüsseln auf eine
Tafel; das ist das Ende vom Liede.
König.
O weh! o weh!
Hamlet.
Ein Mensch, kan mit dem Wurm der einen König gegessen hat, einen
Fisch angeln, und den Fisch essen, der diesen Wurm gegessen hat.
König.
Was willst du damit sagen?
Hamlet.
Nichts, als daß ich euch zeigen will, wie es mit einem König so
weit kommen kan, daß er eine Reise durch die Gedärme eines Bettlers
machen muß.
König.
Wo ist Polonius?
Hamlet.
Im Himmel, schikt nur hin, und laßt nach ihm fragen. Wenn ihn euer
Abgesandter dort nicht findt, so sucht ihn an dem andern Orte
selbst. Aber, im Ernst zu reden, wenn ihr ihn binnen diesem Monat
nicht findet, so werdet ihr ihn riechen, wenn ihr die Treppe in die
Galerie hinauf geht.
König.
Geht, sucht ihn dort.
Hamlet.
Er wird euch gewiß nicht davon lauffen.
König.
Hamlet, diese deine That macht zu deiner eignen Sicherheit (für
welche wir eben so sehr besorgt sind, als höchlich wir das was du
gethan hast, mißbilligen) nothwendig, daß du in feuriger Eile nach
England abgehest. Schike dich also dazu an; das Schiff liegt
fertig, der Wind ist günstig, deine Gefährten warten, und alles
kehrt sich schon nach England hin.
Hamlet.
Nach England?
König.
Ja, Hamlet.
Hamlet.
Gut.
König.
So ist es, wenn du unsre Absichten kennnest.
Hamlet.
Ich sehe einen Cherub, der sie sieht; aber kommt, nach England!
Lebet wohl, liebe Mutter.
König.
Dein liebender Vater, Hamlet.
Hamlet.
Meine Mutter; Vater und Mutter ist Mann und Weib; Mann und Weib ist
Ein Fleisch, und also seyd ihr meine Mutter--Kommt nach England!
(Er geht ab.)
König.
Folgt ihm auf dem Fusse; lokt ihn mit guten Worten an Bord; keinen
Aufschub! Ich will ihn noch in dieser Nacht fort haben. Hinweg,
es ist alles schon fertig und gesegelt, was sonst zur Sache gehört;
ich bitte euch, macht hurtig--
(Rosenkranz und Güldenstern gehen ab.)
Und, England, wenn du meine Freundschaft werth hältst, wie du in
Ansehung meiner Macht thun solltest, da die Narben noch so rauh und
roth aussehen, die das dänische Schwerdt dir gegraben hat: So magst
du dich hüten, unsern Auftrag, der nichts geringere als den
unfehlbaren Tod Hamlets zum Gegenstand hat, kaltsinnig auszuführen.
Thu es England; Denn er raßt in meinem Blut wie ein zehrendes
Fieber, und du must mich curieren. Bis ich weiß daß es geschehen
ist, werde ich, so groß mein Glüks-Stand ist, keines frohen
Augenbliks geniessen.
(Er geht ab.)



Vierte Scene.
(Ein Lager an den Grenzen von Dännemark.)
(Fortinbras zieht mit einem Kriegs-Heer auf.)

Fortinbras.
Geh Hauptmann, vermelde dem dänischen Könige meinen Gruß; sag ihm,
daß seiner Bewilligung gemäß, Fortinbras um den freyen Durchzug
durch sein Reich ansuche; und sag ihm, wofern seine Majestät uns zu
sehen verlange, so würden wir ihm persönlich unsre Aufwartung
machen.
Hauptmann.
Ich werde es ausrichten, Gnädiger Herr.
Fortinbras.
Marschiert weiter--
(Fortinbras geht mit der Armee wieder ab.)
(Hamlet, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)
Hamlet.
Mein guter Herr, wessen Völker sind das?
Hauptmann.
Sie sind aus Norwegen, mein Herr.
Hamlet.
Was ist ihr Vorhaben, mein Herr, wenn ich bitten darf?
Hauptmann.
Gegen einen Theil von Pohlen.
Hamlet.
Wer commandiert sie, mein Herr?
Hauptmann.
Fortinbras, des alten Norwegen Neffe.
Hamlet.
Gilt es dem ganzen Pohlen, oder ist die Frage nur von einem
District an den Grenzen?
Hauptmann.
Wenn ich euch die runde Wahrheit sagen soll, so gehen wir um einen
kleinen Flek Landes einzunehmen, wovon der Name das einträglichste
ist--wenn er fünf Ducaten einträgt--Fünf? Ich möcht' es nicht
darum in Pacht nehmen, auch würde es weder den Norwegen noch den
Pohlen mehr abwerfen, wenn es versteigert werden sollte.
Hamlet.
Wenn das ist, so wird sich der Polak wenig bekümmern, es euch
streitig zu machen.
Hauptmann.
Allerdings; er hat es schon mit einer starken Mannschaft besezt.
Hamlet.
Zweytausend Seelen und zwanzigtausend Ducaten werden nicht
zureichend seyn, diesen Streit um einen Stroh-Halm auszumachen.
Das ist das Apostem von übermässiger Grösse und Ruhe, das inwendig
aufbricht, ohne von aussen eine Ursache zu zeigen, warum der Mann
sterben muß. Ich danke euch, mein Herr, für eure Nachrichten.
Hauptmann.
Gott behüte euch, mein Herr.
Rosenkranz.
Gefällt's euch weiter zu gehen, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Ich will gleich wieder bey euch seyn; geht nur ein wenig voraus.
(Sie gehen ab.)
Hamlet (allein.)
Müssen nicht alle Gelegenheiten gegen mich auftreten, und meine
edle Saumseligkeit beschämen? Was ist ein Mann, wenn alles was er
mit seiner Zeit gewinnt, Essen und Schlaffen ist? Ein Thier,
nichts bessers. O gewiß, Er, der uns mit einer Denkungs-Kraft
erschuf, die in einem so weiten Umkreis zurük und vor sich sieht,
gab uns dieses Vermögen, diese Gott-ähnliche Vernunft nicht, sie
ungebraucht rosten zu lassen. Wie dann? Ist es thierische
Unachtsamkeit, oder sind es Bedenklichkeiten; ist es eine zu genaue
Erwegung des Ausgangs, (ein Gedanke, der, wenn er geviertheilet
wird, nur einen Theil Weisheit und drey Viertel von einer feigen
Memme in sich hat:) was die Ursache ist daß ich noch lebe, um von
diesen Dingen als von solchen zu reden, die erst noch geschehen
sollen? Da ich doch Ursache, Willen, Vermögen und Mittel habe, sie
auszuführen--Was für ein Beyspiel! Ein so zahlreiches Heer, von
einem zarten jungen Prinzen angeführt, dessen Geist, von göttlicher
Ruhm-Begierde geschwellt, einem unsichtbaren Ausgang Troz bietet,
und alles was sterblich und ungewiß ist, allem was Zufall, Gefahr
und Tod vermögen, aussezt, und das um eine Eyer-Schaale--Das ist
nicht ein grosses Herz, das nur durch grosse Gegenstände in
Bewegung gesezt werden kan; auf eine edle Art die Gelegenheit zu
Händeln in einem Stroh-Halm finden, wenn es die Ehre fodert--Das
nenn' ich groß. Was steh' ich dann, ich, der einen ermordeten
Vater, eine entehrte Mutter habe, (Betrachtungen, meine Vernunft
und mein Blut zugleich aufzureizen!) was steh ich, und laß alles
schlaffen? Indeß ich, zu meiner Schande, zusehe, wie der Tod über
zwanzigtausend Männern herabhängt, die um einer Grille, um eines
vermeynten Ehren-Punkts willen, so ruhig in ihr Grab wie in ihr
Bette gehen; für ein Stükchen Boden fechten, das nicht weit genug
zu einem Grab für die Erschlagnen wäre. O meine Seele! So seyen
dann, von diesem Augenblik an, deine Gedanken blutig, oder höre auf
zu denken!
(Geht ab.)



Fünfte Scene.
(Verwandelt sich in den Palast.)
(Die Königin, Horatio, und ein Hof-Bedienter.)

Königin.
Ich will sie nicht sprechen.
Hofbedienter
Sie ist ausser sich, in der That, nicht recht bey sich selbst; ihr
Zustand verdient Mitleiden.
Königin.
Was will sie dann?
Hofbedienter
Sie spricht immer von ihrem Vater; sagt, sie höre, es gehe alles
bunt über Ek in der Welt; ruft ach und oh, schlägt sich auf die
Brust; stößt einen Stroh-Halm unwillig vor sich her; sagt Dinge,
die nur einen halben Sinn haben--die an sich nichts sind, aber dem
Hörer Anlaß zu Schlüssen geben, und mit den Winken, dem Kopf-
Schütteln und andern Gebehrden, die sie dazu macht, zwar ihre wahre
Meynung nicht deutlich machen, aber gerade so viel zu verstehen
geben, daß man sie mißverstehen kan.
Horatio.
Es wäre gut, wenn man mit ihr redete, denn sie könnte in
übelgesinnten Gemüthern seltsame Muthmassungen erweken. Laßt sie
herein kommen--
Königin (vor sich.)
Meiner kranken Seele scheint jeder Kinder-Tand das Vorspiel irgend
einer tragischen Begebenheit--So ist die Natur der Sünde; so
verräth sie sich selbst durch ihre immerwährende Furcht verrathen
zu werden. (Ophelia tritt auf.)
Ophelia.
Wo ist die schöne Majestät von Dännemark?
Königin.
Was macht ihr, Ophelia?
Ophelia (singend.)
Woran erkenn ich deinen Freund, wenn ich ihn finden thu?
An seinem Muschel-Hut und Stab und seinem hölzern Schuh.
Königin.
Ach! das arme Mädchen! was willt du mit diesem Liede?
Ophelia.
Sagt ihr das? Nein, ich bitte euch, hört zu.
(singend.)
(Er ist todt, Fräulein, er ist todt und dahin,
Ein grüner Wasen dekt sein Haupt, und seinen Leib ein Stein.)
(Der König tritt auf.)
Königin.
Aber meine liebe Ophelia--
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