Romanzero - 2

Total number of words is 3922
Total number of unique words is 1759
30.8 of words are in the 2000 most common words
41.9 of words are in the 5000 most common words
46.9 of words are in the 8000 most common words
Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
Diesen mit dem besten Beifall.
Denn des Königs eigne Lieder
Sang er in des Königs eigner
Muttersprache, tremulierend
In des Nigens alter Weise.
Aus dem Amsterdamer Spielhuis
Zog er jüngst etwelche Dirnen,
Und mit diesen Musen zieht er
Jetzt herum als ein Apollo.
Eine dicke ist darunter,
Die vorzüglich quiekt und grünzelt;
Ob dem großen Lorbeerkopfputz
Nennt man sie die grüne Sau.

Kleines Volk
In einem Pißpott kam er geschwommen,
Hochzeitlich geputzt, hinab den Rhein.
Und als er nach Rotterdam gekommen,
Da sprach er: »Juffräuken, willst du mich frein?
»Ich führe dich, geliebte Schöne,
Nach meinem Schloß, ins Brautgemach;
Die Wände sind eitel Hobelspäne,
Aus Häckerling besteht das Dach.
»Da ist es so puppenniedlich und nette,
Da lebst du wie eine Königin!
Die Schale der Walnuß ist unser Bette,
Von Spinnweb sind die Laken drin.
»Ameiseneier, gebraten in Butter,
Essen wir täglich, auch Würmchengemüs,
Und später erb ich von meiner Frau Mutter
Drei Nonnenfürzchen, die schmecken so süß.
»Ich habe Speck, ich habe Schwarten,
Ich habe Fingerhüte voll Wein,
Auch wächst eine Rübe in meinem Garten,
Du wirst wahrhaftig glücklich sein!«
Das war ein Locken und ein Werben!
Wohl seufzte die Braut: ach Gott! ach Gott!
Sie war wehmütig, wie zum Sterben -
Doch endlich stieg sie hinab in den Pott.
*
Sind Christenleute oder Mäuse
Die Helden des Lieds? Ich weiß es nicht mehr.
Im Beverland hört ich die schnurrige Weise,
Es sind nun dreißig Jahre her.

Zwei Ritter
Crapülinski und Waschlapski,
Polen aus der Polackei,
Fochten für die Freiheit, gegen
Moskowiter-Tyrannei.
Fochten tapfer und entkamen
Endlich glücklich nach Paris -
Leben bleiben, wie das Sterben
Für das Vaterland, ist süß.
Wie Achilles und Patroklus,
David und sein Jonathan,
Liebten sich die beiden Polen,
Küßten sich: »Kochan! Kochan!«
Keiner je verriet den Andern,
Blieben Freunde, ehrlich, treu,
Ob sie gleich zwei edle Polen,
Polen aus der Polackei.
Wohnten in derselben Stube,
Schliefen in demselben Bette;
Eine Laus und eine Seele,
Kratzten sie sich um die Wette.
Speisten in derselben Kneipe,
Und da keiner wollte leiden,
Daß der Andre für ihn zahle,
Zahlte keiner von den Beiden.
Auch dieselbe Henriette
Wäscht für beide edle Polen;
Trällernd kommt sie jeden Monat,
Um die Wäsche abzuholen.
Ja, sie haben wirklich Wäsche,
Jeder hat der Hemden zwei,
Ob sie gleich zwei edle Polen,
Polen aus der Polackei.
Sitzen heute am Kamine,
Wo die Flammen traulich flackern;
Draußen Nacht und Schneegestöber
Und das Rollen von Fiakern.
Eine große Bowle Punsch
(Es versteht sich, unverzückert,
Unversäuert, unverwässert)
Haben sie bereits geschlückert.
Und von Wehmut wird beschlichen
Ihr Gemüte; ihr Gesicht
Wird befeuchtet schon von Zähren,
Und der Crapülinski spricht:
»Hätt ich doch hier in Paris
Meinen Bärenpelz, den lieben
Schlafrock und die Katzfell-Nachtmütz,
Die im Vaterland geblieben!«
Ihm erwiderte Waschlapski:
»O du bist ein treuer Schlachzitz,
Denkest immer an der Heimat
Bärenpelz und Katzfell-Nachtmütz.
»Polen ist noch nicht verloren,
Unsre Weiber, sie gebären,
Unsre Jungfraun tun dasselbe,
Werden Helden uns bescheren,
»Helden, wie der Held Sobieski,
Wie Schelmufski und Uminski,
Eskrokewitsch, Schubiakski,
Und der große Eselinski.«

Das goldne Kalb
Doppelflöten, Hörner, Geigen
Spielen auf zum Götzenreigen,
Und es tanzen Jakobs Töchter
Um das goldne Kalb herum -
Brum - brum - brum -
Paukenschläge und Gelächter!
Hochgeschürzt bis zu den Lenden
Und sich fassend an den Händen,
Jungfraun edelster Geschlechter
Kreisen wie ein Wirbelwind
Um das Rind -
Paukenschläge und Gelächter!
Aron selbst wird fortgezogen
Von des Tanzes Wahnsinnwogen,
Und er selbst, der Glaubenswächter,
Tanzt im Hohenpriesterrock,
Wie ein Bock -
Paukenschläge und Gelächter!

König David
Lächelnd scheidet der Despot,
Denn er weiß, nach seinem Tod
Wechselt Willkür nur die Hände,
Und die Knechtschaft hat kein Ende.
Armes Volk! wie Pferd und Farrn
Bleibt es angeschirrt am Karrn,
Und der Nacken wird gebrochen,
Der sich nicht bequemt den Jochen.
Sterbend spricht zu Salomo
König David: Apropos,
Daß ich Joab dir empfehle,
Einen meiner Generäle.
Dieser tapfre General
Ist seit Jahren mir fatal,
Doch ich wagte den Verhaßten
Niemals ernstlich anzutasten.
Du, mein Sohn, bist fromm und klug,
Gottesfürchtig, stark genug,
Und es wird dir leicht gelingen,
Jenen Joab umzubringen.

König Richard
Wohl durch der Wälder einödige Pracht
Jagt ungestüm ein Reiter;
Er bläst ins Horn, er singt und lacht
Gar seelenvergnügt und heiter.
Sein Harnisch ist von starkem Erz,
Noch stärker ist sein Gemüte,
Das ist Herr Richard Löwenherz,
Der christlichen Ritterschaft Blüte.
Willkommen in England! rufen ihm zu
Die Bäume mit grünen Zungen
Wir freuen uns, o König, daß du
Östreichischer Haft entsprungen.
Dem König ist wohl in der freien Luft,
Er fühlt sich wie neugeboren,
Er denkt an Östreichs Festungsduft -
Und gibt seinem Pferde die Sporen.

Der Asra
Täglich ging die wunderschöne
Sultanstochter auf und nieder
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Wo die weißen Wasser plätschern.
Täglich stand der junge Sklave
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Wo die weißen Wasser plätschern;
Täglich ward er bleich und bleicher.
Eines Abends trat die Fürstin
Auf ihn zu mit raschen Worten:
Deinen Namen will ich wissen,
Deine Heimat, deine Sippschaft!
Und der Sklave sprach: Ich heiße
Mohamet, ich bin aus Yemmen,
Und mein Stamm sind jene Asra,
Welche sterben, wenn sie lieben.

Himmelsbräute
Wer dem Kloster geht vorbei
Mitternächtlich, sieht die Fenster
Hell erleuchtet. Ihren Umgang
Halten dorten die Gespenster.
Eine düstre Prozession
Toter Ursulinerinnen;
Junge, hübsche Angesichter
Lauschen aus Kapuz und Linnen.
Tragen Kerzen in der Hand,
Die unheimlich blutrot schimmern;
Seltsam widerhallt im Kreuzgang
Ein Gewisper und ein Wimmern.
Nach der Kirche geht der Zug,
Und sie setzen dort sich nieder
Auf des Chores Buchsbaumstühle
Und beginnen ihre Lieder.
Litaneienfromme Weisen,
Aber wahnsinnswüste Worte;
Arme Seelen sind es, welche
Pochen an des Himmels Pforte.
»Bräute Christi waren wir,
Doch die Weltlust uns betörte,
Und da gaben wir dem Cäsar,
Was dem lieben Gott gehörte.
»Reizend ist die Uniform
Und des Schnurrbarts Glanz und Glätte;
Doch verlockend sind am meisten
Cäsars goldne Epaulette.
»Ach, der Stirne, welche trug
Eine Dornenkrone weiland,
Gaben wir ein Hirschgeweihe
Wir betrogen unsern Heiland.
»Jesus, der die Güte selbst,
Weinte sanft ob unsrer Fehle,
Und er sprach: Vermaledeit
Und verdammt sei eure Seele!
»Grabentstiegner Spuk der Nacht,
Müssen büßend wir nunmehre
Irre gehn in diesen Mauern
Miserere! Miserere!
»Ach, im Grabe ist es gut,
Ob es gleich viel besser wäre
In dem warmen Himmelreiche -
Miserere! Miserere!«
»Süßer Jesus, o vergib
Endlich uns die Schuld, die schwere,
Schließ uns auf den warmen Himmel -
Miserere! Miserere!«
Also singt die Nonnenschar,
Und ein längst verstorbner Küster
Spielt die Orgel. Schattenhände
Stürmen toll durch die Register.

Pfalzgräfin Jutta
Pfalzgräfin Jutta fuhr über den Rhein,
Im leichten Kahn, bei Mondenschein.
Die Zofe rudert, die Gräfin spricht:
»Siehst du die sieben Leichen nicht,
Die hinter uns kommen
Einhergeschwommen -
So traurig schwimmen die Toten!
»Das waren Ritter voll Jugendlust -
Sie sanken zärtlich an meine Brust
Und schwuren mir Treue - Zur Sicherheit,
Daß sie nicht brächen ihren Eid,
Ließ ich sie ergreifen
Sogleich und ersäufen -
So traurig schwimmen die Toten!«
Die Zofe rudert, die Gräfin lacht.
Das hallt so höhnisch durch die Nacht!
Bis an die Hüfte tauchen hervor
Die Leichen und strecken die Finger empor,
Wie schwörend - Sie nicken
Mit gläsernen Blicken -
So traurig schwimmen die Toten!

Der Mohrenkönig
Ins Exil der Alpuxarren
Zog der junge Mohrenkönig;
Schweigsam und das Herz voll Kummer
Ritt er an des Zuges Spitze.
Hinter ihm auf hohen Zeltern
Oder auch in güldnen Sänften
Saßen seines Hauses Frauen;
Schwarze Mägde trägt das Maultier.
Hundert treue Diener folgen
Auf arabisch edlen Rappen;
Stolze Gäule, doch die Reiter
Hängen schlottrig in den Sätteln.
Keine Zymbel, keine Pauke,
Kein Gesangeslaut ertönte;
Nur des Maultiers Silberglöckchen
Wimmern schmerzlich in der Stille.
Auf der Höhe, wo der Blick
Ins Duero-Tal hinabschweift,
Und die Zinnen von Granada
Sichtbar sind zum letzten Male:
Dorten stieg vom Pferd der König
Und betrachtete die Stadt,
Die im Abendlichte glänzte,
Wie geschmückt mit Gold und Purpur.
Aber, Allah! Welch ein Anblick!
Statt des vielgeliebten Halbmonds,
Prangen Spaniens Kreuz und Fahnen
Auf den Türmen der Alhambra.
Ach, bei diesem Anblick brachen
Aus des Königs Brust die Seufzer,
Tränen überströmten plötzlich
Wie ein Sturzbach seine Wangen.
Düster von dem hohen Zelter
Schaut' herab des Königs Mutter,
Schaut' auf ihres Sohnes Jammer,
Und sie schalt ihn stolz und bitter.
»Boabdil el Chico«, sprach sie,
»Wie ein Weib beweinst du jetzo
Jene Stadt, die du nicht wußtest
Zu verteidgen wie ein Mann.«
Als des Königs liebste Kebsin
Solche harte Rede hörte,
Stürzte sie aus ihrer Sänfte
Und umhalste den Gebieter.
»Boabdil el Chico,« sprach sie,
»Tröste dich, mein Heißgeliebter,
Aus dem Abgrund deines Elends
Blüht hervor ein schöner Lorbeer.
»Nicht allein der Triumphator,
Nicht allein der sieggekrönte
Günstling jener blinden Göttin,
Auch der blutge Sohn des Unglücks,
»Auch der heldenmütge Kämpfer,
Der dem ungeheuren Schicksal
Unterlag, wird ewig leben
In der Menschen Angedenken.«
»Berg des letzten Mohrenseufzers«
Heißt bis auf den heutgen Tag
Jene Höhe, wo der König
Sah zum letzten Mal Granada.
Lieblich hat die Zeit erfüllet
Seiner Liebsten Prophezeiung,
Und des Mohrenkönigs Name
Ward verherrlicht und gefeiert.
Nimmer wird sein Ruhm verhallen,
Ehe nicht die letzte Saite
Schnarrend losspringt von der letzten
Andalusischen Gitarre.

Geoffroy Rudèl und Melisande von Tripoli
In dem Schlosse Blay erblickt man
Die Tapete an den Wänden,
So die Gräfin Tripolis
Einst gestickt mit klugen Händen.
Ihre ganze Seele stickte
Sie hinein, und Liebesträne
Hat gefeit das seidne Bildwerk,
Welches darstellt jene Szene:
Wie die Gräfin den Rudèl
Sterbend sah am Strande liegen,
Und das Urbild ihrer Sehnsucht
Gleich erkannt' in seinen Zügen.
Auch Rudèl hat hier zum ersten
Und zum letzten Mal erblicket
In der Wirklichkeit die Dame,
Die ihn oft im Traum entzücket.
Über ihn beugt sich die Gräfin,
Hält ihn liebevoll umschlungen,
Küßt den todesbleichen Mund,
Der so schön ihr Lob gesungen!
Ach! der Kuß des Willkomms wurde
Auch zugleich der Kuß des Scheidens,
Und so leerten sie den Kelch
Höchster Lust und tiefsten Leidens.
In dem Schlosse Blay allnächtlich
Gibts ein Rauschen, Knistern, Beben,
Die Figuren der Tapete
Fangen plötzlich an zu leben.
Troubadour und Dame schütteln
Die verschlafnen Schattenglieder,
Treten aus der Wand und wandeln
Durch die Säle auf und nieder.
Trautes Flüstern, sanftes Tändeln,
Wehmutsüße Heimlichkeiten,
Und posthume Galantrie
Aus des Minnesanges Zeiten:
»Geoffroy! Mein totes Herz
Wird erwärmt von deiner Stimme,
In den längst erloschnen Kohlen
Fühl ich wieder ein Geglimme!«
»Melisande! Glück und Blume!
Wenn ich dir ins Auge sehe,
Leb ich auf - gestorben ist
Nur mein Erdenleid und -Wehe.«
»Geoffroy! Wir liebten uns
Einst im Traume, und jetzunder
Lieben wir uns gar im Tode
Gott Amour tat dieses Wunder!«
»Melisande! Was ist Traum?
Was ist Tod? Nur eitel Töne.
In der Liebe nur ist Wahrheit,
Und dich lieb ich, ewig Schöne.«
»Geoffroy! Wie traulich ist es
Hier im stillen Mondscheinsaale,
Möchte nicht mehr draußen wandeln
In des Tages Sonnenstrahle.«
»Melisande! teure Närrin,
Du bist selber Licht und Sonne,
Wo du wandelst, blüht der Frühling,
Sprossen Lieb und Maienwonne!«
Also kosen, also wandeln
Jene zärtlichen Gespenster
Auf und ab, derweil das Mondlicht
Lauschet durch die Bogenfenster.
Doch den holden Spuk vertreibend,
Kommt am End die Morgenröte -
Jene huschen scheu zurück
In die Wand, in die Tapete.

Der Dichter Firdusi
I
Goldne Menschen, Silbermenschen!
Spricht ein Lump von einem Thoman,
Ist die Rede nur von Silber,
Ist gemeint ein Silberthoman.
Doch im Munde eines Fürsten,
Eines Schaches, ist ein Thoman
Gülden stets; ein Schach empfängt
Und er gibt nur goldne Thoman.
Also denken brave Leute,
Also dachte auch Firdusi,
Der Verfasser des berühmten
Und vergötterten Schach Nameh.
Dieses große Heldenlied
Schrieb er auf Geheiß des Schaches,
Der für jeden seiner Verse
Einen Thoman ihm versprochen.
Siebzehnmal die Rose blühte,
Siebzehnmal ist sie verwelket,
Und die Nachtigall besang sie
Und verstummte siebzehnmal -
Unterdessen saß der Dichter
An dem Webstuhl des Gedankens,
Tag und Nacht, und webte emsig
Seines Liedes Riesenteppich -
Riesenteppich, wo der Dichter
Wunderbar hineingewebt
Seiner Heimat Fabelchronik,
Farsistans uralte Könge,
Lieblingshelden seines Volkes,
Rittertaten, Aventüren,
Zauberwesen und Dämonen,
Keck umrankt von Märchenblumen -
Alles blühend und lebendig,
Farbenglänzend, glühend, brennend,
Und wie himmlisch angestrahlt
Von dem heilgen Lichte Irans,
Von dem göttlich reinen Urlicht,
Dessen letzter Feuertempel,
Trotz dem Koran und dem Mufti,
In des Dichters Herzen flammte.
Als vollendet war das Lied,
Überschickte seinem Gönner
Der Poet das Manuskript,
Zweimalhunderttausend Verse.
In der Badestube war es,
In der Badestub zu Gasna,
Wo des Schaches schwarze Boten
Den Firdusi angetroffen -
Jeder schleppte einen Geldsack,
Den er zu des Dichters Füßen
Knieend legte, als den hohen
Ehrensold für seine Dichtung.
Der Poet riß auf die Säcke
Hastig, um am lang entbehrten
Goldesanblick sich zu laben -
Da gewahrt er mit Bestürzung,
Daß der Inhalt dieser Säcke
Bleiches Silber, Silberthomans,
Zweimalhunderttausend etwa -
Und der Dichter lachte bitter.
Bitter lachend hat er jene
Summe abgeteilt in drei
Gleiche Teile, und jedwedem
Von den beiden schwarzen Boten
Schenkte er als Botenlohn
Solch ein Drittel, und das dritte
Gab er einem Badeknechte,
Der sein Bad besorgt, als Trinkgeld.
Seinen Wanderstab ergriff er
Jetzo und verließ die Hauptstadt;
Vor dem Tor hat er den Staub
Abgefegt von seinen Schuhen.
II
»Hätt er menschlich ordinär
Nicht gehalten, was versprochen,
Hätt er nur sein Wort gebrochen,
Zürnen wollt ich nimmermehr.
»Aber unverzeihlich ist,
Daß er mich getäuscht so schnöde
Durch den Doppelsinn der Rede
Und des Schweigens größte List.
»Stattlich war er, würdevoll
Von Gestalt und von Gebärden,
Wen'ge glichen ihm auf Erden,
War ein König jeder Zoll.
»Wie die Sonn am Himmelsbogen,
Feuerblicks, sah er mich an,
Er, der Wahrheit stolzer Mann -
Und er hat mich doch belogen.«
III
Schach Mahomet hat gut gespeist,
Und gut gelaunet ist sein Geist.
Im dämmernden Garten, auf purpurnem Pfühl,
Am Springbrunnen sitzt er. Das plätschert so kühl!
Die Diener stehen mit Ehrfurchtsmienen;
Sein Liebling Ansari ist unter ihnen.
Aus Marmorvasen quillt hervor
Ein üppig brennender Blumenflor.
Gleich Odalisken anmutiglich
Die schlanken Palmen fächern sich.
Es stehen regungslos die Zypressen,
Wie himmelträumend, wie weltvergessen.
Doch plötzlich erklingt bei Lautenklang
Ein sanft geheimnisvoller Gesang.
Der Schach fährt auf, als wie behext -
Von wem ist dieses Liedes Text?
Ansari, an welchen die Frage gerichtet,
Gab Antwort: Das hat Firdusi gedichtet.
Firdusi? - rief der Fürst betreten -
Wo ist er? Wie geht es dem großen Poeten?
Ansari gab Antwort: In Dürftigkeit
Und Elend lebt er seit langer Zeit
Zu Thus, des Dichters Vaterstadt,
Wo er ein kleines Gärtchen hat.
Schach Mahomet schwieg, eine gute Weile,
Dann sprach er: Ansari, mein Auftrag hat Eile -
Geh nach meinen Ställen und erwähle
Dort hundert Maultiere und funfzig Kamele.
Die sollst du belasten mit allen Schätzen,
Die eines Menschen Herz ergötzen,
Mit Herrlichkeiten und Raritäten,
Kostbaren Kleidern und Hausgeräten
Von Sandelholz, von Elfenbein,
Mit güldnen und silbernen Schnurrpfeiferein,
Kannen und Kelchen, zierlich gehenkelt,
Lepardenfellen, groß gesprenkelt,
Mit Teppichen, Schals und reichen Brokaten,
Die fabriziert in meinen Staaten -
Vergiß nicht, auch hinzuzupacken
Glänzende Waffen und Schabracken,
Nicht minder Getränke jeder Art
Und Speisen, die man in Töpfen bewahrt,
Auch Konfitüren und Mandeltorten,
Und Pfefferkuchen von allen Sorten.
Füge hinzu ein Dutzend Gäule,
Arabischer Zucht, geschwind wie Pfeile,
Und schwarze Sklaven, gleichfalls ein Dutzend,
Leiber von Erz, strapazentrutzend.
Ansari, mit diesen schönen Sachen
Sollst du dich gleich auf die Reise machen.
Du sollst sie bringen nebst meinem Gruß
Dem großen Dichter Firdusi zu Thus.
Ansari erfüllte des Herrschers Befehle,
Belud die Mäuler und Kamele
Mit Ehrengeschenken, die wohl den Zins
Gekostet von einer ganzen Provinz.
Nach dreien Tagen verließ er schon
Die Residenz, und in eigner Person,
Mit einer roten Führerfahne,
Ritt er voran der Karawane.
Am achten Tage erreichten sie Thus;
Die Stadt liegt an des Berges Fuß.
Wohl durch das Westtor zog herein
Die Karawane mit Lärmen und Schrein.
Die Trommel scholl, das Kuhhorn klang,
Und laut aufjubelt Triumphgesang.
La Illa Il Allah! aus voller Kehle
Jauchzten die Treiber der Kamele.
Doch durch das Osttor, am andern End
Von Thus, zog in demselben Moment
Zur Stadt hinaus der Leichenzug,
Der den toten Firdusi zu Grabe trug.

Nächtliche Fahrt
Es wogte das Meer, aus dem dunklen Gewölk
Der Halbmond lugte scheu;
Und als wir stiegen in den Kahn,
Wir waren unsrer drei.
Es plätschert' im Wasser des Ruderschlags
Verdrossenes Einerlei;
Weißschäumende Wellen rauschten heran,
Bespritzten uns alle drei.
Sie stand im Kahn so blaß, so schlank,
Und unbeweglich dabei,
Als wär sie ein welsches Marmorbild,
Dianens Konterfei.
Der Mond verbirgt sich ganz. Es pfeift
Der Nachtwind kalt vorbei;
Hoch über unsern Häuptern ertönt
Plötzlich ein gellender Schrei.
Die weiße, gespenstische Möwe wars,
Und ob dem bösen Schrei,
Der schauerlich klang wie Warnungsruf,
Erschraken wir alle drei.
Bin ich im Fieber? Ist das ein Spuk
Der nächtlichen Phantasei?
Äfft mich ein Traum? Es träumet mir
Grausame Narretei.
Grausame Narretei! Mir träumt,
Daß ich ein Heiland sei,
Und daß ich trüge das große Kreuz
Geduldig und getreu.
Die arme Schönheit ist schwer bedrängt,
Ich aber mache sie frei
Von Schmach und Sünde, von Qual und Not,
Von der Welt Unfläterei.
Du arme Schönheit, schaudre nicht
Wohl ob der bittern Arznei;
Ich selber kredenze dir den Tod,
Bricht auch mein Herz entzwei.
O Narretei, grausamer Traum,
Wahnsinn und Raserei!
Es gähnt die Nacht, es kreischt das Meer,
O Gott! o steh mir bei!
O steh mir bei, barmherziger Gott!
Barmherziger Gott Schaddey!
Da schollerts hinab ins Meer - O Weh -
Schaddey! Schaddey! Adonay! -
Die Sonne ging auf, wir fuhren ans Land,
Da blühte und glühte der Mai!
Und als wir stiegen aus dem Kahn,
Da waren wir unsrer _zwei_.

Vitzliputzli
Präludium
Dieses ist Amerika!
Dieses ist die neue Welt!
Nicht die heutige, die schon
Europäisieret abwelkt. -
Dieses ist die neue Welt!
Wie sie Christoval Kolumbus
Aus dem Ozean hervorzog.
Glänzet noch in Flutenfrische,
Träufelt noch von Wasserperlen,
Die zerstieben, farbensprühend,
Wenn sie küßt das Licht der Sonne.
Wie gesund ist diese Welt!
Ist kein Kirchhof der Romantik,
Ist kein alter Scherbenberg
Von verschimmelten Symbolen
Und versteinerten Perucken.
Aus gesundem Boden sprossen
Auch gesunde Bäume - keiner
Ist blasiert und keiner hat
In dem Rückgratmark die Schwindsucht.
Auf den Baumesästen schaukeln
Große Vögel. Ihr Gefieder
Farbenschillernd. Mit den ernsthaft
Langen Schnäbeln und mit Augen,
Brillenartig schwarz umrändert,
Schaun sie auf dich nieder, schweigsam -
Bis sie plötzlich schrillend aufschrein
Und wie Kaffeeschwestern schnattern.
Doch ich weiß nicht, was sie sagen,
Ob ich gleich der Vögel Sprachen
Kundig bin wie Salomo,
Welcher tausend Weiber hatte
Und die Vögelsprachen kannte,
Die modernen nicht allein,
Sondern auch die toten, alten,
Ausgestopften Dialekte.
Neuer Boden, neue Blumen!
Neue Blumen, neue Düfte!
Unerhörte, wilde Düfte,
Die mir in die Nase dringen,
Neckend, prickelnd, leidenschaftlich -
Und mein grübelnder Geruchsinn
Quält sich ab: Wo hab ich denn
Je dergleichen schon gerochen?
Wars vielleicht auf Regentstreet,
In den sonnig gelben Armen
Jener schlanken Javanesin,
Die beständig Blumen kaute?
Oder wars zu Rotterdam,
Neben des Erasmi Bildsäul,
In der weißen Waffelbude
Mit geheimnisvollem Vorhang?
Während ich die neue Welt
Solcher Art verdutzt betrachte,
Schein ich selbst ihr einzuflößen
Noch viel größre Scheu - Ein Affe,
Der erschreckt ins Buschwerk forthuscht,
Schlägt ein Kreuz bei meinem Anblick,
Angstvoll rufend: »Ein Gespenst!
Ein Gespenst der alten Welt!«
Affe! fürcht dich nicht, ich bin
Kein Gespenst, ich bin kein Spuk;
Leben kocht in meinen Adern,
Bin des Lebens treuster Sohn.
Doch durch jahrelangen Umgang
Mit den Toten, nahm ich an
Der Verstorbenen Manieren
Und geheime Seltsamkeiten.
Meine schönsten Lebensjahre,
Die verbracht ich im Kyffhäuser,
Auch im Venusberg und andern
Katakomben der Romantik.
Fürcht dich nicht vor mir, mein Affe!
Bin dir hold, denn auf dem haarlos
Ledern abgeschabten Hintern
Trägst du Farben, die ich liebe.
Teure Farben! Schwarz-rot-goldgelb!
Diese Affensteißcouleuren
Sie erinnern mich mit Wehmut
An das Banner Barbarossas.
I
Auf dem Haupt trug er den Lorbeer,
Und an seinen Stiefeln glänzten
Goldne Sporen - dennoch war er
Nicht ein Held und auch kein Ritter.
Nur ein Räuberhauptmann war er,
Der ins Buch des Ruhmes einschrieb,
Mit der eignen frechen Faust,
Seinen frechen Namen: Cortez.
Unter des Kolumbus Namen
Schrieb er ihn, ja dicht darunter,
Und der Schulbub auf der Schulbank
Lernt auswendig beide Namen -
Nach dem Christoval Kolumbus,
Nennt er jetzt Fernando Cortez
Als den zweiten großen Mann
In dem Pantheon der Neuwelt.
Heldenschicksals letzte Tücke:
Unser Name wird verkoppelt
Mit dem Namen eines Schächers
In der Menschen Angedenken.
Wärs nicht besser, ganz verhallen
Unbekannt, als mit sich schleppen
Durch die langen Ewigkeiten
Solche Namenskameradschaft?
Messer Christoval Kolumbus
War ein Held, und sein Gemüte,
Das so lauter wie die Sonne,
War freigebig auch wie diese.
Mancher hat schon viel gegeben,
Aber jener hat der Welt
Eine ganze Welt geschenket,
Und sie heißt Amerika.
Nicht befreien konnt er uns
Aus dem öden Erdenkerker,
Doch er wußt ihn zu erweitern
Und die Kette zu verlängern.
Dankbar huldigt ihm die Menschheit,
Die nicht bloß europamüde,
Sondern Afrikas und Asiens
Endlich gleichfalls müde worden - -
Einer nur, ein einzger Held,
Gab uns mehr und gab uns Beßres
Als Kolumbus, das ist jener,
Der uns einen Gott gegeben.
Sein Herr Vater, der hieß Amram,
Seine Mutter hieß Jochebeth,
Und er selber, Moses heißt er,
Und er ist mein bester Heros.
Doch, mein Pegasus, du weilest
Viel zu lang bei dem Kolumbus -
Wisse, unser heutger Flugritt
Gilt dem gringern Mann, dem Cortez.
Breite aus den bunten Fittig,
Flügelroß! und trage mich
Nach der Neuwelt schönem Lande,
Welches Mexiko geheißen.
Trage mich nach jener Burg,
Die der König Montezuma
Gastlich seinen spanschen Gästen
Angewiesen zur Behausung.
Doch nicht Obdach bloß und Atzung,
In verschwenderischer Fülle,
Gab der Fürst den fremden Strolchen -
Auch Geschenke reich und prächtig,
Kostbarkeiten kluggedrechselt,
Von massivem Gold, Juwelen,
Zeugten glänzend von der Huld
Und der Großmut des Monarchen.
Dieser unzivilisierte,
Abergläubisch blinde Heide
Glaubte noch an Treu und Ehre
Und an Heiligkeit des Gastrechts.
Er willfahrte dem Gesuche,
Beizuwohnen einem Feste,
Das in ihrer Burg die Spanier
Ihm zu Ehren geben wollten -
Und mit seinem Hofgesinde,
Arglos, huldreich, kam der König
In das spanische Quartier,
Wo Fanfaren ihn begrüßten.
Wie das Festspiel war betitelt,
Weiß ich nicht. Es hieß vielleicht:
»Spansche Treue!« doch der Autor
Nannt sich Don Fernando Cortez.
Dieser gab das Stichwort - plötzlich
Ward der König überfallen,
Und man band ihn und behielt ihn
In der Burg als eine Geisel.
Aber Montezuma starb,
Und da war der Damm gebrochen,
Der die kecken Abenteurer
Schützte vor dem Zorn des Volkes.
Schrecklich jetzt begann die Brandung -
Wie ein wild empörtes Meer
Tosten, rasten immer näher
Die erzürnten Menschenwellen.
Tapfer schlugen zwar die Spanier
Jeden Sturm zurück. Doch täglich
Ward berennt die Burg aufs neue,
Und ermüdend war das Kampfspiel.
Nach dem Tod des Königs stockte
Auch der Lebensmittel Zufuhr;
Kürzer wurden die Rationen,
Die Gesichter wurden länger.
Und mit langen Angesichtern
Sahn sich an Hispaniens Söhne,
Und sie seufzten und sie dachten
An die traute Christenheimat,
An das teure Vaterland,
Wo die frommen Glocken läuten
Und am Herde friedlich brodelt
Eine Ollea-Potrida,
Dick verschmoret mit Garbanzos,
Unter welchen, schalkhaft duftend,
Auch wohl kichernd, sich verbergen
Die geliebten Knoblauchwürstchen.
Einen Kriegsrat hielt der Feldherr,
Und der Rückzug ward beschlossen;
In der nächsten Tagesfrühe
Soll das Heer die Stadt verlassen.
Leicht gelangs hineinzukommen
Einst durch List dem klugen Cortez,
Doch die Rückkehr nach dem Festland
Bot fatale Schwierigkeiten.
Mexiko, die Inselstadt,
Liegt in einem großen See,
Inder Mitte, flutumrauscht:
Eine stolze Wasserfestung,
Mit dem Uferland verkehrend
Nur durch Schiffe, Flöße, Brücken,
Die auf Riesenpfählen ruhen;
Kleine Inseln bilden Furten.
Noch bevor die Sonne aufging,
Setzten sich in Marsch die Spanier;
Keine Trommel ward gerühret,
Kein Trompeter blies Reveille.
Wollten ihre Wirte nicht
Aus dem süßen Schlafe wecken -
(Hunderttausend Indianer
Lagerten in Mexiko).
Doch der Spanier machte diesmal
Ohne seinen Wirt die Rechnung;
You have read 1 text from German literature.
Next - Romanzero - 3
  • Parts
  • Romanzero - 1
    Total number of words is 4064
    Total number of unique words is 1720
    32.3 of words are in the 2000 most common words
    44.9 of words are in the 5000 most common words
    51.1 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Romanzero - 2
    Total number of words is 3922
    Total number of unique words is 1759
    30.8 of words are in the 2000 most common words
    41.9 of words are in the 5000 most common words
    46.9 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Romanzero - 3
    Total number of words is 3941
    Total number of unique words is 1788
    29.3 of words are in the 2000 most common words
    41.1 of words are in the 5000 most common words
    46.7 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Romanzero - 4
    Total number of words is 4160
    Total number of unique words is 1820
    32.5 of words are in the 2000 most common words
    44.6 of words are in the 5000 most common words
    50.8 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Romanzero - 5
    Total number of words is 3917
    Total number of unique words is 1750
    29.0 of words are in the 2000 most common words
    38.7 of words are in the 5000 most common words
    43.9 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Romanzero - 6
    Total number of words is 3978
    Total number of unique words is 1783
    30.2 of words are in the 2000 most common words
    41.3 of words are in the 5000 most common words
    46.6 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Romanzero - 7
    Total number of words is 1651
    Total number of unique words is 801
    45.2 of words are in the 2000 most common words
    52.8 of words are in the 5000 most common words
    57.9 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.