Romanzero - 4

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Doch nicht immer ist es Sonntag,
Und nicht immer gibts Garbanzos,
Und der Oberkoppelmeister
Regaliert sie mit der Peitsche.
Denn der Oberkoppelmeister,
Der die Ställe mit der Meute
Sowie auch den Neffenkäfig
Unter seiner Aufsicht hat,
Ist der unglückselge Gatte
Jener sauren Zitronella
Mit der weißen Tellerkrause,
Die wir heut bei Tisch bewundert,
Und sie keift so frech, daß oft
Ihr Gemahl zur Peitsche greift -
Und hierher eilt und die Hunde
Und die armen Knaben züchtigt.
Doch der König hat mißbilligt
Solch Verfahren und befahl,
Daß man künftig seine Neffen
Nicht behandle wie die Hunde.
Keiner fremden Mietlingsfaust
Wird er ferner anvertrauen
Ihre Zucht, die er hinfüro
Eigenhändig leiten will.
Don Diego stockte plötzlich,
Denn der Seneschall des Schlosses
Kam zu uns und frug uns
Höflich: ob wir wohlgespeist? - -

Der Ex-Lebendige
Brutus, wo ist dein Cassius,
Der Wächter, der nächtliche Rufer,
Der einst mit dir, im Seelenerguß,
Gewandelt am Seineufer?
Ihr schautet manchmal in die Höh,
Wo die dunklen Wolken jagen -
Viel dunklere Wolke war die Idee,
Die Ihr im Herzen getragen.
Brutus, wo ist dein Cassius?
Er denkt nicht mehr ans Morden!
Es heißt, er sei am Neckarfluß
Tyrannenvorleser geworden.
Doch Brutus erwidert: Du bist ein Tor,
Kurzsichtig wie alle Poeten -
Mein Cassius liest dem Tyrannen vor,
Jedoch um ihn zu töten.
Er liest ihm Gedichte von Matzerath -
Ein Dolch ist jede Zeile!
Der arme Tyrann, früh oder spat
Stirbt er vor Langeweile.

Der Ex-Nachtwächter
Mißgelaunt, sagt man, verließ er
Stuttgart an dem Neckarstrand,
Und zu München an der Isar
Ward er Schauspielintendant.
Das ist eine schöne Gegend
Ebenfalls, es schäumet hier,
Geist- und phantasieerregend,
Holder Bock, das beste Bier.
Doch der arme Intendante,
Heißt es, gehet dort herum
Melancholisch wie ein Dante,
Wie Lord Byron gloomy, stumm.
Ihn ergötzen nicht Komödien,
Nicht das schlechteste Gedicht,
Selbst die traurigsten Tragödien
Liest er - doch er lächelt nicht.
Manche Schöne möcht erheitern
Dieses gramumflorte Herz,
Doch die Liebesblicke scheitern
An dem Panzer, der von Erz.
Nannerl mit dem Riegelhäubchen
Girrt ihn an so muntern Sinns -
Geh ins Kloster, armes Täubchen,
Spricht er wie ein Dänenprinz.
Seine Freunde sind vergebens
Zu erlustgen ihn bemüht,
Singen: Freue dich des Lebens,
Weil dir noch dein Lämpchen glüht!
Kann dich nichts zum Frohsinn reizen
Hier in dieser hübschen Stadt,
Die an amüsanten Käuzen
Wahrlich keinen Mangel hat?
Zwar hat sie in jüngsten Tagen
Eingebüßt so manchen Mann,
Manchen trefflichen Choragen,
Den man schwer entbehren kann.
Wär der Maßmann nur geblieben!
Dieser hätte wohl am End
Jeden Trübsinn dir vertrieben
Durch sein Burzelbaumtalent.
Schelling, der ist unersetzlich!
Ein Verlust vom höchsten Wert!
War als Philosoph ergötzlich
Und als Mime hochgeehrt.
Daß der Gründer der Walhalla
Fortging und zurücke ließ
Seine Manuskripte alle,
Gleichfalls ein Verlust war dies!
Mit Corneljus ging verloren
Auch des Meisters Jüngerschaft;
Hat das Haar sich abgeschoren,
Und im Haar war ihre Kraft.
Denn der kluge Meister legte
Einen Zauber in das Haar,
Drin sich sichtbar oft bewegte
Etwas das lebendig war.
Tot ist Görres, die Hyäne.
Ob des heiligen Offiz
Umsturz quoll ihm einst die Träne
Aus des Auges rotem Schlitz.
Dieses Raubtier hat ein Sühnchen
Hinterlassen, doch es ist
Nur ein giftiges Kaninchen,
Welches Nonnenfürzchen frißt.
Apropos! Der erzinfame
Pfaffe Dollingerius -
Das ist ungefähr sein Name -
Lebt er noch am Isarfluß?
Dieser bleibt mir unvergeßlich!
Bei dem reinen Sonnenlicht!
Niemals schaut ich solch ein häßlich
Armesünderangesicht.
Wie es heißt, ist er gekommen
Auf die Welt gar wundersam,
Hat den Afterweg genommen,
Zu der Mutter Schreck und Scham.
Sah ihn am Karfreitag wallen
In dem Zug der Prozession,
Von den dunkeln Männern allen
Wohl die dunkelste Person.
Ja, Monacho Monachorum
Ist in unsrer Zeit der Sitz
Der Virorum obscurorum,
Die verherrlicht Huttens Witz.
Wie du zuckst beim Namen Hutten!
Ex-Nachtwächter, wache auf!
Hier die Pritsche, dort die Kutten,
Und wie ehmals schlage drauf!.
Geißle ihre Rücken blutig,
Wie einst tat der Ullerich;
Dieser schlug so rittermutig,
Jene heulten fürchterlich.
Der Erasmus mußte lachen
So gewaltig ob dem Spaß,
Daß ihm platzte in dem Rachen
Sein Geschwür und er genas.
Auf der Ebersburg desgleichen
Lachte Sickingen wie toll,
Und in allen deutschen Reichen
Das Gelächter widerscholl.
Alte lachten wie die Jungen -
Eine einzge Lache nur
War ganz Wittenberg, sie sungen
Gaudeamus igitur!
Freilich, klopft man faule Kutten,
Fängt man Flöh im Überfluß,
Und es mußte sich der Hutten
Manchmal kratzen vor Verdruß.
Aber alea est jacta!
War des Ritters Schlachtgeschrei,
Und er knickte und er knackte
Pulices und Klerisei.
Ex-Nachtwächter, Stundenrufer,
Fühlst du nicht dein Herz erglühn?
Rege dich am Isarufer,
Schüttle ab den kranken Spleen.
Deine langen Fortschrittsbeine,
Heb sie auf zu neuem Lauf -
Kutten grobe, Kutten feine,
Sind es Kutten, schlage drauf!
Jener aber seufzt, und seine
Hände ringend er versetzt:
Meine langen Fortschrittsbeine
Sind europamüde jetzt.
Meine Hühneraugen jücken,
Habe deutsche enge Schuh,
Und wo mich die Schuhe drücken,
Weiß ich wohl - laß mich in Ruh!

Plateniden
Iliaden, Odysseen
Kündigst du uns prahlend an,
Und wir wollen in dir sehen
Deutscher Zukunft größten Mann.
Eine große Tat in Worten,
Die du einst zu tun gedenkst! -
O, ich kenne solche Sorten
Geistger Schuldenmacher längst.
Hier ist Rhodus, komm und zeige
Deine Kunst, hier wird getanzt!
Oder trolle dich und schweige,
Wenn du heut nicht tanzen kannst.
Wahre Prinzen aus Genieland
Zahlen bar was sie verzehrt,
Schiller, Goethe, Lessing, Wieland
Haben nie Kredit begehrt.
Wollten keine Ovationen
Von dem Publiko auf Pump,
Keine Vorschuß-Lorbeerkronen,
Rühmten sich nicht keck und plump.
Tot ist längst der alte Junker,
Doch sein Same lebt noch heut -
O, ich kenne das Geflunker
Künftiger Unsterblichkeit.
Das sind Platens echte Kinder,
Echtes Platenidenblut -
Meine teuern Hallermünder,
O, ich kenn euch gar zu gut!

Mythologie
Ja, Europa ist erlegen -
Wer kann Ochsen widerstehen?
Wir verzeihen auch Danäen -
Sie erlag dem goldnen Regen!
Semele ließ sich verführen -
Denn sie dachte: eine Wolke,
Ideale Himmelswolke,
Kann uns nicht kompromittieren.
Aber tief muß uns empören
Was wir von der Leda lesen -
Welche Gans bist du gewesen,
Daß ein Schwan dich konnt betören!

In Mathildens Stammbuch
Hier, auf gewalzten Lumpen, soll ich
Mit einer Spule von der Gans
Hinkritzeln ernsthaft halb, halb drollig,
Versifizierten Firlefanz -
Ich, der gewohnt mich auszusprechen
Auf deinem schönen Rosenmund,
Mit Küssen, die wie Flammen brechen
Hervor aus tiefstem Herzensgrund!
O Modewut! Ist man ein Dichter,
Quält uns die eigne Frau zuletzt,
Bis man, wie andre Sangeslichter,
Ihr einen Reim ins Album setzt.

An die Jungen
Laß dich nicht kirren, laß dich nicht wirren
Durch goldne Äpfel in deinem Lauf!
Die Schwerter klirren, die Pfeile schwirren,
Doch halten sie nicht den Helden auf.
Ein kühnes Beginnen ist halbes Gewinnen,
Ein Alexander erbeutet die Welt!
Kein langes Besinnen! Die Königinnen
Erwarten schon knieend den Sieger im Zelt.
Wir wagen, wir werben! besteigen als Erben
Des alten Darius Bett und Thron.
O süßes Verderben! o blühendes Sterben!
Berauschter Triumphtod zu Babylon!

Der Ungläubige
Du wirst in meinen Armen ruhn!
Von Wonnen sonder Schranken
Erbebt und schwillt mein ganzes Herz
Bei diesem Zaubergedanken.
Du wirst in meinen Armen ruhn!
Ich spiele mit den schönen
Goldlocken! Dein holdes Köpfchen wird
An meine Schulter lehnen.
Du wirst in meinen Armen ruhn!
Der Traum will Wahrheit werden,
Ich soll des Himmels höchste Lust
Hier schon genießen auf Erden.
O, heilger Thomas! Ich glaub es kaum!
Ich zweifle bis zur Stunde,
Wo ich den Finger legen kann
In meines Glückes Wunde.

K.-Jammer
Diese graue Wolkenschar
Stieg aus einem Meer von Freuden;
Heute muß ich dafür leiden,
Daß ich gestern glücklich war.
Ach, in Wermut hat verkehrt
Sich der Nektar! Ach, wie quälend
Katzenjammer, Hundeelend
Herz und Magen mir beschwert!

Zum Hausfrieden
Viele Weiber, viele Flöhe,
Viele Flöhe, vieles Jucken -
Tun sie heimlich dir ein Wehe,
Darfst du dennoch dich nicht mucken.
Denn sie rächen, schelmisch lächelnd,
Sich zur Nachtzeit - Willst du drücken
Sie ans Herze, lieberöchelnd,
Ach, da drehn sie dir den Rücken.

Jetzt wohin?
Jetzt wohin? Der dumme Fuß
Will mich gern nach Deutschland tragen;
Doch es schüttelt klug das Haupt
Mein Verstand und scheint zu sagen:
Zwar beendigt ist der Krieg,
Doch die Kriegsgerichte blieben,
Und es heißt, du habest einst
Viel Erschießliches geschrieben.
Das ist wahr, unangenehm
Wär mir das Erschossenwerden.
Bin kein Held, es fehlen mir
Die pathetischen Gebärden.
Gern würd ich nach England gehn,
Wären dort nicht Kohlendämpfe
Und Engländer - schon ihr Duft
Gibt Erbrechen mir und Krämpfe.
Manchmal kommt mir in den Sinn
Nach Amerika zu segeln,
Nach dem großen Freiheitstall,
Der bewohnt von Gleichheitsflegeln -
Doch es ängstet mich ein Land,
Wo die Menschen Tabak käuen,
Wo sie ohne König kegeln,
Wo sie ohne Spucknapf speien.
Rußland, dieses schöne Reich,
Würde mir vielleicht behagen,
Doch im Winter könnte ich
Dort die Knute nicht ertragen.
Traurig schau ich in die Höh,
Wo viel tausend Sterne nicken -
Aber meinen eignen Stern
Kann ich nirgends dort erblicken.
Hat im güldnen Labyrinth
Sich vielleicht verirrt am Himmel,
Wie ich selber mich verirrt
In dem irdischen Getümmel. -

Altes Lied
Du bist gestorben und weißt es nicht,
Erloschen ist dein Augenlicht,
Erblichen ist dein rotes Mündchen,
Und du bist tot, mein totes Kindchen.
In einer schaurigen Sommernacht
Hab ich dich selber zu Grabe gebracht;
Klaglieder die Nachtigallen sangen,
Die Sterne sind mit zur Leiche gegangen.
Der Zug, der zog den Wald vorbei,
Dort widerhallt die Litanei;
Die Tannen, in Trauermänteln vermummt,
Sie haben Totengebete gebrummt.
Am Weidensee vorüber gings,
Die Elfen tanzten inmitten des Rings;
Sie blieben plötzlich stehn und schienen
Uns anzuschaun mit Beileidsmienen.
Und als wir kamen zu deinem Grab,
Da stieg der Mond vom Himmel herab.
Er hielt eine Rede. Ein Schluchzen und Stöhnen,
Und in der Ferne die Glocken tönen.

Solidität
Liebe sprach zum Gott der Lieder,
Sie verlange Sicherheiten,
Ehe sie sich ganz ergebe,
Denn es wären schlechte Zeiten.
Lachend gab der Gott zur Antwort:
Ja, die Zeiten sich verändern,
Und du sprichst jetzt wie ein alter
Wuchrer, welcher leiht auf Pfändern.
Ach, ich hab nur eine Leier,
Doch sie ist von gutem Golde.
Wieviel Küsse willst du borgen
Mir darauf, o meine Holde?

Alte Rose
Eine Rosenknospe war
Sie, für die mein Herze glühte;
Doch sie wuchs, und wunderbar
Schoß sie auf in voller Blüte.
Ward die schönste Ros im Land,
Und ich wollt die Rose brechen,
Doch sie wußte mich pikant
Mit den Dornen fortzustechen.
Jetzt, wo sie verwelkt, zerfetzt
Und verklatscht von Wind und Regen -
Liebster Heinrich bin ich jetzt,
Liebend kommt sie mir entgegen.
Heinrich hinten, Heinrich vorn,
Klingt es jetzt mit süßen Tönen;
Sticht mich jetzt etwa ein Dorn,
Ist es an dem Kinn der Schönen.
Allzu hart die Borsten sind,
Die des Kinnes Wärzchen zieren -
Geh ins Kloster, liebes Kind,
Oder lasse dich rasieren.

Auto-da-fé
Welke Veilchen, stäubge Locken,
ein verblichen blaues Band,
Halb zerrissene Billette,
Längst vergeßner Herzenstand -
In die Flammen des Kamines
Werf ich sie verdroßnen Blicks;
Ängstlich knistern diese Trümmer
Meines Glücks und Mißgeschicks.
Liebeschwüre, flatterhafte
Falsche Eide, in den Schlot
Fliegen sie hinauf - es kichert
Unsichtbar der kleine Gott.
Bei den Flammen des Kamines
Sitz ich träumend, und ich seh,
Wie die Fünkchen in der Asche
Still verglühn - Gut Nacht - Ade!

Lazarus
I. Weltlauf
Hat man viel, so wird man bald
Noch viel mehr dazu bekommen.
Wer nur wenig hat, dem wird
Auch das Wenige genommen.
Wenn du aber gar nichts hast,
Ach, so lasse dich begraben -
Denn ein Recht zum Leben, Lump,
Haben nur die etwas haben.
II. Rückschau
Ich habe gerochen alle Gerüche
In dieser holden Erdenküche;
Was man genießen kann in der Welt,
Das hab ich genossen wie je ein Held!
Hab Kaffee getrunken, hab Kuchen gegessen.
Hab manche schöne Puppe besessen;
Trug seidne Westen, den feinsten Frack,
Mir klingelten auch Dukaten im Sack.
Wie Gellert ritt ich auf hohem Roß;
Ich hatte ein Haus, ich hatte ein Schloß.
Ich lag auf der grünen Wiese des Glücks,
Die Sonne grüßte goldigsten Blicks;
Ein Lorbeerkranz umschloß die Stirn,
Er duftete Träume mir ins Gehirn,
Träume von Rosen und ewigem Mai -
Es ward mir so selig zu Sinne dabei,
So dämmersüchtig, so sterbefaul -
Mir flogen gebratne Tauben ins Maul,
Und Englein kamen, und aus den Taschen
Sie zogen hervor Champagnerflaschen -
Das waren Visionen, Seifenblasen -
Sie platzten - Jetzt lieg ich auf feuchtem Rasen,
Die Glieder sind mir rheumatisch gelähmt,
Und meine Seele ist tief beschämt.
Ach, jede Lust, ach, jeden Genuß
Hab ich erkauft durch herben Verdruß;
Ich ward getränkt mit Bitternissen
Und grausam von den Wanzen gebissen;
Ich ward bedrängt von schwarzen Sorgen,
Ich mußte lügen, ich mußte borgen
Bei reichen Buben und alten Vetteln -
Ich glaube sogar, ich mußte betteln.
Jetzt bin ich müd vom Rennen und Laufen,
Jetzt will ich mich im Grabe verschnaufen.
Lebt wohl! Dort oben, ihr christlichen Brüder,
Ja, das versteht sich, dort sehn wir uns wieder.
III. Auferstehung
Posaunenruf erfüllt die Luft,
Und furchtbar schallt es wider;
Die Toten steigen aus der Gruft,
Und schütteln und rütteln die Glieder.
Was Beine hat, das trollt sich fort,
Es wallen die weißen Gestalten
Nach Josaphat, dem Sammelort,
Dort wird Gericht gehalten.
Als Freigraf sitzet Christus dort
In seiner Apostel Kreise.
Sie sind die Schöppen, ihr Spruch und Wort
Ist minniglich und weise.
Sie urteln nicht vermummten Gesichts;
Die Maske läßt jeder fallen
Am hellen Tage des jüngsten Gerichts,
Wenn die Posaunen schallen.
Das ist zu Josaphat im Tal,
Da stehn die geladenen Scharen,
Und weil zu groß der Beklagten Zahl,
Wird hier summarisch verfahren.
Das Böcklein zur Linken, zur Rechten das Schaf,
Geschieden sind sie schnelle;
Der Himmel dem Schäfchen fromm und brav,
Dem geilen Bock die Hölle!
IV. Sterbende
Flogest aus nach Sonn und Glück,
Nackt und schlecht kommst du zurück.
Deutsche Treue, deutsche Hemde,
Die verschleißt man in der Fremde.
Siehst sehr sterbebläßlich aus,
Doch getrost, du bist zu Haus.
Warm wie an dem Flackerherde
Liegt man in der deutschen Erde.
Mancher leider wurde lahm
Und nicht mehr nach Hause kam -
Streckt verlangend aus die Arme,
Daß der Herr sich sein erbarme!
V. Lumpentum
Die reichen Leute, die gewinnt
Man nur durch platte Schmeichelein -
Das Geld ist platt, mein liebes Kind,
Und will auch platt geschmeichelt sein.
Das Weihrauchfaß, das schwinge keck
Vor jedem göttlich goldnen Kalb;
Bet an im Staub, bet an im Dreck,
Vor allem aber lob nicht halb.
Das Brot ist teuer dieses Jahr,
Jedoch die schönsten Worte hat
Man noch umsonst - Besinge gar
Mäcenas' Hund, und friß dich satt!
VI. Erinnerung
Dem Einen die Perle, dem Andern die Truhe,
O Wilhelm Wisetzki, du starbest so fruhe -
Doch die Katze, die Katz ist gerettet.
Der Balken brach, worauf er gekommen,
Da ist er im Wasser umgekommen -
Doch die Katze, die Katz ist gerettet.
Wir folgten der Leiche, dem lieblichen Knaben,
Sie haben ihn unter Maiblumen begraben, -
Doch die Katze, die Katz ist gerettet.
Bist klug gewesen, du bist entronnen
Den Stürmen, hast früh ein Obdach gewonnen -
Doch die Katze, die Katz ist gerettet.
Bist früh entronnen, bist klug gewesen,
Noch eh du erkranktest, bist du genesen -
Doch die Katze, die Katz ist gerettet.
Seit langen Jahren, wie oft, o Kleiner,
Mit Neid und Wehmut gedenk ich deiner -
Doch die Katze, die Katz ist gerettet.
VII. Unvollkommenheit
Nichts ist vollkommen hier auf dieser Welt.
Der Rose ist der Stachel beigesellt;
Ich glaube gar, die lieben holden Engel
Im Himmel droben sind nicht ohne Mängel.
Der Tulpe fehlt der Duft. Es heißt am Rhein:
Auch Ehrlich stahl einmal ein Ferkelschwein.
Hätte Lucretia sich nicht erstochen,
Sie wär vielleicht gekommen in die Wochen.
Häßliche Füße hat der stolze Pfau.
Uns kann die amüsant geistreichste Frau
Manchmal langweilen wie die Henriade
Voltaires, sogar wie Klopstocks Messiade.
Die bravste, klügste Kuh kein Spanisch weiß,
Wie Maßmann kein Latein - Der Marmorsteiß
Der Venus von Canova ist zu glatte,
Wie Maßmanns Nase viel zu ärschig platte.
Im süßen Lied ist oft ein saurer Reim,
Wie Bienenstachel steckt im Honigseim.
Am Fuß verwundbar war der Sohn der Thetis,
Und Alexander Dumas ist ein Metis.
Der strahlenreinste Stern am Himmelzelt
Wenn er den Schnupfen kriegt, herunterfällt.
Der beste Äpfelwein schmeckt nach der Tonne,
Und schwarze Flecken sieht man in der Sonne.
Du bist, verehrte Frau, du selbst sogar
Nicht fehlerfrei, nicht aller Mängel bar.
Du schaust mich an - du fragst mich, was dir fehle?
Ein Busen, und im Busen eine Seele.
VIII. Fromme Warnung
Unsterbliche Seele, nimm dich in Acht,
Daß du nicht Schaden leidest,
Wenn du aus dem Irdischen scheidest;
Es geht der Weg durch Tod und Nacht.
Am goldnen Tore der Hauptstadt des Lichts,
Da stehen die Gottessoldaten;
Sie fragen nach Werken und Taten,
Nach Namen und Amt fragt man hier nichts.
Am Eingang läßt der Pilger zurück
Die staubigen, drückenden Schuhe -
Kehr ein, hier findest du Ruhe,
Und weiche Pantoffeln und schöne Musik.
IX. Der Abgekühlte
Und ist man tot, so muß man lang
Im Grabe liegen; ich bin bang,
Ja, ich bin bang, das Auferstehen
Wird nicht so schnell von Statten gehen.
Noch einmal, eh mein Lebenslicht
Erlöschet, eh mein Herze bricht -
Noch einmal möcht ich vor dem Sterben
Um Frauenhuld beseligt werben.
Und eine Blonde müßt es sein,
Mit Augen sanft wie Mondenschein -
Denn schlecht bekommen mir am Ende
Die wild brünetten Sonnenbrände.
Das junge Volk, voll Lebenskraft
Will den Tumult der Leidenschaft,
Das ist ein Rasen, Schwören, Poltern
Und wechselseitges Seelenfoltern!
Unjung und nicht mehr ganz gesund,
Wie ich es bin zu dieser Stund,
Mögt ich noch einmal lieben, schwärmen
Und glücklich sein - doch ohne Lärmen.
X. Salomo
Verstummt sind Pauken, Posaunen und Zinken.
An Salomos Lager Wache halten
Die schwertgegürteten Engelgestalten,
Sechstausend zur Rechten, sechstausend zur Linken.
Sie schützen den König vor träumendem Leide,
Und zieht er finster die Brauen zusammen,
Da fahren sogleich die stählernen Flammen,
Zwölftausend Schwerter, hervor aus der Scheide.
Doch wieder zurück in die Scheide fallen
Die Schwerter der Engel. Das nächtliche Grauen
Verschwindet, es glätten sich wieder die Brauen
Des Schläfers, und seine Lippen lallen:
O Sulamith! das Reich ist mein Erbe,
Die Lande sind mir untertänig,
Bin über Juda und Israel König -
Doch liebst du mich nicht, so welk ich und sterbe.
XI. Verlorene Wünsche
Von der Gleichheit der Gemütsart
Wechselseitig angezogen,
Waren wir einander immer
Mehr als uns bewußt gewogen.
Beide ehrlich und bescheiden,
Konnten wir uns leicht verstehen;
Worte waren überflüssig,
Brauchten uns nur anzusehen.
O wie sehnlich wünscht ich immer,
Daß ich bei dir bleiben könnte
Als der tapfre Waffenbruder
Eines dolce far niente.
Ja, mein liebster Wunsch war immer,
Daß ich immer bei dir bliebe!
Alles was dir wohlgefiele,
Alles tät ich dir zu Liebe.
Würde essen was dir schmeckte
Und die Schüssel gleich entfernen,
Die dir nicht behagt. Ich würde
Auch Zigarren rauchen lernen.
Manche polnische Geschichte,
Die dein Lachen immer weckte,
Wollt ich wieder dir erzählen
In Judäas Dialekte.
Ja, ich wollte zu dir kommen,
Nicht mehr in der Fremde schwärmen -
An dem Herde deines Glückes
Wollt ich meine Kniee wärmen. - -
Goldne Wünsche! Seifenblasen!
Sie zerrinnen wie mein Leben -
Ach, ich liege jetzt am Boden,
Kann mich nimmermehr erheben.
Und Ade! sie sind zerronnen,
Goldne Wünsche, süßes Hoffen!
Ach, zu tödlich war der Faustschlag,
Der mich just ins Herz getroffen.
XII. Gedächtnisfeier
Keine Messe wird man singen,
Keinen Kadosch wird man sagen,
Nichts gesagt und nichts gesungen
Wird an meinen Sterbetagen.
Doch vielleicht an solchem Tage,
Wenn das Wetter schön und milde,
Geht spazieren auf Montmartre
Mit Paulinen Frau Mathilde.
Mit dem Kranz von Immortellen
Kommt sie mir das Grab zu schmücken,
Und sie seufzet: Pauvre homme!
Feuchte Wehmut in den Blicken.
Leider wohn ich viel zu hoch,
Und ich habe meiner Süßen
Keinen Stuhl hier anzubieten;
Ach! sie schwankt mit müden Füßen.
Süßes, dickes Kind, du darfst
Nicht zu Fuß nach Hause gehen;
An dem Barrieregitter
Siehst du die Fiaker stehen.
XIII. Wiedersehen
Die Geißblattlaube - Ein Sommerabend -
Wir saßen wieder wie ehmals am Fenster -
Der Mond ging auf, belebend und labend -
Wir aber waren wie zwei Gespenster.
Zwölf Jahre schwanden, seitdem wir beisammen
Zum letzten Male hier gesessen;
Die zärtlichen Gluten, die großen Flammen,
Sie waren erloschen unterdessen.
Einsilbig saß ich. Die Plaudertasche,
Das Weib hingegen schürte beständig
Herum in der alten Liebesasche.
Jedoch kein Fünkchen ward wieder lebendig.
Und sie erzählte: wie sie die bösen
Gedanken bekämpft, eine lange Geschichte,
Wie wackelig schon ihre Tugend gewesen -
Ich machte dazu ein dummes Gesichte.
Als ich nach Hause ritt, da liefen
Die Bäume vorbei in der Mondenhelle,
Wie Geister. Wehmütige Stimmen riefen -
Doch ich und die Toten, wir ritten schnelle.
XIV. Frau Sorge
In meines Glückes Sonnenglanz,
Da gaukelte fröhlich der Mückentanz.
Die lieben Freunde liebten mich
Und teilten mit mir brüderlich
Wohl meinen besten Braten
Und meinen letzten Dukaten.
Das Glück ist fort, der Beutel leer,
Und hab auch keine Freunde mehr;
Erloschen ist der Sonnenglanz,
Zerstoben ist der Mückentanz,
Die Freunde, so wie die Mücke,
Verschwinden mit dem Glücke.
An meinem Bett in der Winternacht
Als Wärterin die Sorge wacht.
Sie trägt eine weiße Unterjack,
Ein schwarzes Mützchen, und schnupft Tabak.
Die Dose knarrt so gräßlich,
Die Alte nickt so häßlich.
Mir träumt manchmal, gekommen sei
Zurück das Glück und der junge Mai
Und die Freundschaft und der Mückenschwarm -
Da knarrt die Dose - daß Gott erbarm,
Es platzt die Seifenblase -
Die Alte schneuzt die Nase.
XV. An die Engel
Das ist der böse Thanatos,
Er kommt auf einem fahlen Roß,
Ich hör den Hufschlag, hör den Trab,
Der dunkle Reiter holt mich ab -
Er reißt mich fort, Mathilden soll ich lassen,
O, den Gedanken kann mein Herz nicht fassen!
Sie war mir Weib und Kind zugleich,
Und geh ich in das Schattenreich,
Wird Witwe sie und Waise sein!
Ich laß in dieser Welt allein
Das Weib, das Kind, das, trauend meinem Mute,
Sorglos und treu an meinem Herzen ruhte.
Ihr Engel in den Himmelshöhn,
Vernehmt mein Schluchzen und mein Flehn:
Beschützt, wenn ich im öden Grab,
Das Weib, das ich geliebet hab;
Seid Schild und Vögte eurem Ebenbilde,
Beschützt, beschirmt mein armes Kind, Mathilde.
Bei allen Tränen, die ihr je
Geweint um unser Menschenweh,
Beim Wort, das nur der Priester kennt
Und niemals ohne Schauder nennt,
Bei eurer eignen Schönheit, Huld und Milde,
Beschwör ich euch, ihr Engel, schützt Mathilde.
XVI. Im Oktober 1849
Gelegt hat sich der starke Wind,
Und wieder stille wirds daheime;
Germania, das große Kind,
Erfreut sich wieder seiner Weihnachtsbäume.
Wir treiben jetzt Familienglück -
Was höher lockt, das ist vom Übel -
Die Friedensschwalbe kehrt zurück,
Die einst genistet in des Hauses Giebel.
Gemütlich ruhen Wald und Fluß,
Von sanftem Mondlicht übergossen;
Nur manchmal knallts - Ist das ein Schuß? -
Es ist vielleicht ein Freund, den man erschossen.
Vielleicht mit Waffen in der Hand
Hat man den Tollkopf angetroffen
(Nicht jeder hat so viel Verstand
Wie Flaccus, der so kühn davongeloffen).
Es knallt. Es ist ein Fest vielleicht,
Ein Feuerwerk zur Goethefeier! -
Die Sontag, die dem Grab entsteigt,
Begrüßt Raketenlärm - die alte Leier.
Auch Liszt taucht wieder auf, der Franz,
Er lebt, er liegt nicht blutgerötet
Auf einem Schlachtfeld Ungarlands;
Kein Russe, noch Kroat hat ihn getötet.
Es fiel der Freiheit letzte Schanz,
Und Ungarn blutet sich zu Tode -
Doch unversehrt blieb Ritter Franz,
Sein Säbel auch - er liegt in der Kommode.
Er lebt, der Franz, und wird als Greis
Vom Ungarkriege Wunderdinge
Erzählen in der Enkel Kreis -
»So lag ich und so führt ich meine Klinge!«
Wenn ich den Namen Ungarn hör,
Wird mir das deutsche Wams zu enge,
Es braust darunter wie ein Meer,
Mir ist als grüßten mich Trompetenklänge!
Es klirrt mir wieder im Gemüt
Die Heldensage, längst verklungen,
Das eisern wilde Kämpenlied -
Das Lied vom Untergang der Nibelungen.
Es ist dasselbe Heldenlos,
Es sind dieselben alten Mären,
Die Namen sind verändert bloß,
Doch sinds dieselben »Helden lobebären«.
Es ist dasselbe Schicksal auch -
Wie stolz und frei die Fahnen fliegen,
Es muß der Held, nach altem Brauch,
Den tierisch rohen Mächten unterliegen.
Und diesmal hat der Ochse gar
Mit Bären einen Bund geschlossen -
Du fällst; doch tröste dich, Magyar,
Wir Andre haben schlimmre Schmach genossen.
Anständige Bestien sind es doch,
Die ganz honett dich überwunden;
Doch wir geraten in das Joch
Von Wölfen, Schweinen und gemeinen Hunden.
Das heult und bellt und grunzt -ich kann
Ertragen kaum den Duft der Sieger.
Doch still, Poet, das greift dich an -
Du bist so krank, und schweigen wäre klüger.
XVII. Böses Geträume
Im Traume war ich wieder jung und munter -
Es war das Landhaus hoch am Bergesrand,
Wettlaufend lief ich dort den Pfad hinunter,
Wettlaufend mit Ottiljen Hand in Hand.
Wie das Persönchen fein formiert! Die süßen
Meergrünen Augen zwinkern nixenhaft.
Sie steht so fest auf ihren kleinen Füßen,
Ein Bild von Zierlichkeit, vereint mit Kraft.
Der Ton der Stimme ist so treu und innig,
Man glaubt zu schaun bis in der Seele Grund;
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