Der Sturm, oder Die bezauberte Insel - 2

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Ihr lehrtet mich reden, und der ganze Vortheil den ich davon habe,
ist daß ich fluchen kan; daß ihr die Pest dafür hättet, daß ihr
mich reden gelehrt habt!
Prospero.
Du Wechselbalg, hinweg! Bring uns Holz und Reiser zu einem Feuer
hieher, und mache hurtig, damit ich dich zu andern Arbeiten
gebrauchen kan. Zükst du die Achseln, du Unhold? Wenn du nicht
thust was ich dir befehle, oder es unwillig thust, so will ich dich
am ganzen Leibe mit krampfichten Zükungen foltern, alle deine
Gebeine mit Schmerzen füllen, und dich heulen machen, daß wilde
Thiere vor deinem Geschrey zittern sollen.
Caliban.
Nein, ich bitte dich.
(Für sich.)
Ich muß gehorchen; seine Kunst giebt ihm eine so grosse Gewalt,
daß er im Stande wäre, meiner Mutter Gott Setebos zu bezwingen, und
einen Vasallen aus ihm zu machen.
(Caliban geht ab.)
Prospero.
So, Sclave, hinweg!

Fünfte Scene.
(Ferdinand tritt auf; Ariel unsichtbar singend und spielend.)

Ferdinand.
Wo kan diese Musik seyn? In der Luft oder auf der Erde?--Sie hat
aufgehört--wahrhaftig es ist eine Anzeige, daß irgend eine Gottheit
dieses Eiland bewohnt. Indeme ich auf einer Sandbank saß, und den
Untergang des Königs meines Vaters beweinte, schien diese Musik
über die Wellen mir entgegen zu schleichen, und besänftigte durch
ihre Lieblichkeit beydes ihre Wuth und meine Leidenschaft; ich
folgte ihr bis an diesen Ort, oder sie zog mich vielmehr an;--Aber
sie hat aufgehört--Nun beginnt sie von neuem.
Ariel (singt:)
Fünf Faden tief dein Vater ligt,
Sein Gebein ward zu Corallen,
Zu Perlen seine Augen-Ballen,
Und vom Moder unbesiegt,
Wandelt durch der Nymphen Macht
Sich jeder Theil von ihm und glänzt in fremder Pracht.
Die Nymphen lassen ihm zu Ehren
Von Stund zu Stund die Todtengloke hören.
Horch auf, ich höre sie, ding-dang, ding-dang--
Ferdinand.
Der Gesang spricht von meinem ertränkten Vater; diß ist nicht das
Werk eines Sterblichen, noch eine irdische Musik; izt hör ich sie
über mir.

Sechste Scene.
(Prospero und Miranda nähern sich auf einer andern Seite dem Orte,
wo Ferdinand steht.)

Prospero.
Ziehe die Vorhänge deiner Augen auf, und sage, was du dort siehest?
Miranda.
Was ist es? ein Geist?--Wie es umherschaut! Glaubet mir, mein
Herr, es hat eine feine Gestalt. Aber--es ist ein Geist.
Prospero.
Nein, Mädchen, es ißt und schläft, und hat solche Sinnen wie wir
haben, eben solche; und wenn es nicht von Gram (der der Schönheit
Krebs ist) in etwas entstellt wäre, könnte man ihn eine ganz
hübsche Person nennen. Er hat seine Gefährten verlohren, und irret
umher sie zu suchen.
Miranda.
Ich möchte ihn etwas Göttliches nennen, denn nie sah ich in der
Natur eine so edle Gestalt.
Prospero (für sich.)
Es geht, sehe ich, wie es mein Herz wünschet--Geist, feiner Geist,
für diß will ich dich in zween Tagen frey lassen.
Ferdinand
(indem er Miranda gewahr wird.)
Ganz gewiß ist dieses die Göttin, deren Gegenwart jene Harmonien
ankündigten. Erlaubet meiner Bitte zu wissen, ob ihr auf dieser
Insel wohnet, und würdiget mich einer Belehrung, wie ich mich hier
zu verhalten habe? Mein erster Wunsch, obgleich zulezt
ausgesprochen, ist, o ihr Wunder! zu wissen, ob ihr geschaffen
seyd oder nicht?
Miranda.
Kein Wunder, mein Herr, aber ganz gewiß ein Mädchen.
Ferdinand.
Meine Sprache! Himmel! ich bin der Erste unter denen die diese
Sprache reden; wär' ich nur da wo sie geredet wird.
Prospero.
Wie? der erste? Was wärest du, wenn dich der König von Neapel
reden hörte?
Ferdinand.
Eine einzelne Person, wie izt, die sich wundert, dich vom König von
Neapel reden zu hören. Er hört mich, und daß er mich höret, ist
was ich beweine. Ich selbst bin nun der König von Neapel, da ich
mit diesen meinen Augen, die seit dem niemals troken worden sind,
den König meinen Vater im Schiffbruch umkommen gesehen habe.
Miranda.
Wie sehr dauert er mich!
Ferdinand.
Glaubet mirs, er kam um, er und alle seine Hofleute: der Herzog von
Meiland und sein edler Sohn waren dabey.
Prospero.
Der Herzog von Meiland und seine noch edlere Tochter könnten dich
eines bessern belehren, wenn es izt Zeit dazu wäre--
(vor sich.)
Beym ersten Anblik tauschten sie ihre Augen (Ariel, für diesen
Dienst sollt du frey seyn!)
(laut.)
Ein Wort mit euch, mein feiner Herr, ich fürchte ihr habt euch in
einen schlimmen Handel verwikelt: Ein Wort--

Miranda.
Warum spricht mein Vater so unfreundlich? Diß ist der dritte Mann,
den ich jemals sah, und der erste, für den ich seufze. Möchte
Mitleiden meinen Vater so gesinnt machen wie mich!
Ferdinand.
O, wenn ihr ein sterbliches Mädchen seyd, und eure Neigung noch
frey ist, so will ich euch zur Königin von Neapel machen.
Prospero.
Sachte, mein Herr; Nur ein Wort--
(vor sich.)
Sie sind beyde eines in des andern Gewalt: aber ich muß diesem
plözlichen Einverständniß Schwierigkeiten in den Weg legen, sonst
möchte ein zu leichtgewonnenes Glük seinen Werth verringern--Herr,
nur noch ein Wort; ich befehle dir, mir zu folgen. Du legst dir
hier einen Namen bey, der dir nicht gebührt, du hast dich als einen
Kundschafter in diese Insel eingeschlichen, um sie mir, ihrem
Herren abzugewinnen.
Ferdinand.
Nein, so wahr ich ein Mann bin.
Miranda.
Gewiß, es kan nichts böses in einem solchen Tempel wohnen. Wenn
der böse Geist ein so schönes Haus hätte, gute Dinge würden bey ihm
zu wohnen versucht.
Prospero.
Folge mir--Rede du nicht für ihn, er ist ein Verräther. Komm, ich
will dir Hals und Füsse zusammenfesseln, Seewasser soll dein Trank,
und frische Bachbungen, dürre Wurzeln und Eicheln deine Speise seyn.
Folge!
Ferdinand.
Nein, eine solche Begegnung will ich nicht leiden, bis mein Feind
der stärkere ist.
(Er zieht den Degen, und bleibt bezaubert und unbeweglich stehen.)
Miranda.
O mein theurer Vater, verfahret nicht so strenge mit ihm; er ist ja
liebenswürdig, nicht fürchterlich.
Prospero.
Wie, Mädchen, du willt mich meistern? Zieh dein Schwerdt,
Verräther! du willt den Herzhaften machen, und darfst keinen
Streich führen? Bilde dir nicht ein, daß du dich wehren wollest;
ich brauche nichts, als diesen Stab, dich zu entwaffnen, und deinen
Degen fallen zu machen.
Miranda.
Ich bitte euch, mein Vater.
Prospero.
Weg, hänge dich nicht so an meinen Rok.
Miranda.
Mein Herr, habet Mitleiden, ich will Bürge für ihn seyn.
Prospero.
Schweige, noch ein einziges Wort mehr wird machen, daß ich dich
ausschelte, oder gar hasse. Was? einem Betrüger das Wort reden?
husch! du denkst, es habe nicht noch mehr solche Gesichter wie er
ist, weil du nur den Caliban und ihn gesehen hast; einfältiges Ding!
gegen die meisten Männer gerechnet, ist er nur ein Caliban, und
sie sind Engel gegen ihn.
Miranda.
So sind meine Neigungen sehr demüthig, denn ich habe kein Verlangen
einen schönern Mann zu sehen.
Prospero.
Komm mit, gehorche; deine Nerven sind wieder in ihrer Kindheit, und
haben keine Stärke mehr.
Ferdinand.
So ist es; alle meine Lebensgeister sind wie in einem Traum,
gefesselt. Aber meines Vaters Tod, die Schwäche die ich fühle, der
Schiffbruch aller meiner Freunde, und die Drohungen dieses Mannes,
dem ich unterworfen bin, würden mir leicht zu ertragen seyn, möchte
ich nur einmal des Tages durch eine Öfnung meines Kerkers dieses
holde Mädchen sehen: Die Freyheit mag von dem ganzen Rest der Erde
Gebrauch machen; für mich ist Raum genug in einem solchen Kerker.
Prospero (für sich.)
Es würkt:
(laut)
folge mir! (du hast dich wohl gehalten, Ariel) folge mir.
(Zu Ariel.)
Höre, was du weiter zu verrichten hast.
(Er sagt dem unsichtbaren Ariel etwas in Geheim.)
Miranda (zu Ferdinand.)
Fasset Muth, mein Herr; mein Vater ist von einer bessern Gemüthsart,
als ihr aus seinen Worten schliessen könnt; sein iziges Betragen
ist etwas ungewohntes.
Prospero (zu Ariel.)
Du sollst so frey seyn als die Winde auf hohen Bergen; aber unter
der Bedingung, daß du meinen Befehl in allen Puncten aufs genaueste
vollziehest.
Ariel.
Nach dem Buchstaben.
Prospero.
Komm, folge mir! Sprich du nicht für ihn.
(Sie gehen ab.)


Zweyter Aufzug.

Erste Scene.
(Ein andrer Theil der Insel.)
(Alonso, Sebastian, Antonio, Gonsalo, Adrian, Francisco, und andre
Hofleute, treten auf.)

Gonsalo.
Ich bitte euch, Gnädigster Herr, gutes Muths zu seyn; wir haben
alle Ursache zur Freude; denn unsre Errettung geht weit über unsern
Verlust. Das Unglük das wir gehabt haben, ist etwas gemeines;
jeden Tag hat irgend eines Schiffers Weib oder irgend ein Kauffmann
das nehmliche Thema zu klagen; aber von einem solchen Wunder wie
unsre Erhaltung ist, wissen unter Millionen nur wenige zu sagen.
Wäget also, Gnädigster Herr, weislich unsern Kummer gegen unsern
Trost, und beruhiget euch.
Alonso.
Ich bitte dich, schweige.
[Sebastian.*
Er nimmt deinen Trost an, wie kalte Suppe.
{ed.-* Alle diese Reden, welche man zur Unterscheidung in [ ]
eingeschlossen, scheinen von einer fremden Hand, vielleicht von
Schauspielern, eingeschoben, um so mehr als es nicht nur an sich
sehr ungereimtes Zeug, sondern in dem Mund unglüklicher
schiffbrüchiger Leute eine höchst unnatürliche und unschikliche
Spaßhaftigkeit ist. Es kommen noch mehr Reden von dieser Art in
dem übrigen Theil dieser Scene vor. Pope.}
Antonio.
Gonsalo wird sich nicht so leicht abweisen lassen.
Sebastian.
Seht, er zieht seinen Wiz auf wie eine Taschenuhr, den Augenblik
wird er schlagen.
Gonsalo.
Gnädigster Herr--
Sebastian.
Eins; zählet, Antonio--
Gonsalo.
Wenn einer einem jeden Verdruß der ihm aufstößt, nachhängen will,
so hat er nichts davon als--
Sebastian.
Einen Thaler.
Gonsalo.
(Dolores),** in der That, ihr habt besser gesprochen, als ihr im
Sinne hattet.
{ed.-** Der frostige Spaß ligt in dem ähnlichen Schall der Worte
(dollar), und (dolour).}
Sebastian.
Und ihr habt es weislicher aufgenommen, als ich euch zugetraut habe.
Gonsalo.
Folglich, gnädigster Herr--
Antonio.
Pfui, wie der Mann seine Zunge verschwendet!
Alonso.
Ich bitte dich, sey ruhig.
Gonsalo.
Gut, ich bin fertig; aber doch--
Sebastian.
Will er reden.
Antonio.
Was wetten wir, wer von beyden, er oder Adrian zuerst anfangen wird
zu krähen?
Sebastian.
Der alte Hahn.
Antonio.
Der junge.
Sebastian.
Gut, was wetten wir?
Antonio.
Ein Gelächter.
Sebastian.
Es bleibt darbey.
Adrian.
Obgleich diese Insel wüste scheint--
Sebastian.
Ha, ha, ha--So, ihr seyd bezahlt.
Adrian.
Unbewohnbar, und in der That ganz unzugangbar--
Sebastian.
So kan sie doch--
Adrian.
So kan sie doch--
Antonio.
So kan er doch nicht weiter--
Adrian.
Nicht anders, als von einer subtilen zärtlichen und angenehmen
Temperatur seyn.
Antonio.
(Temperantia) war ein hübsches Mensch.
Sebastian.
Ja, und subtil, wie er auf eine sehr gelehrte Art angemerkt hat.
Adrian.
Die Luft weht uns hier recht lieblich an--
Sebastian.
So lieblich, als ob sie eine faule Lunge hätte.
Antonio.
Oder als ob sie von einem Morast parfümirt würde.
Gonsalo.
Man findet alles hier, was zu einem angenehmen Leben gehört.
Antonio.
In der That, ausser nichts zu essen.
Sebastian.
Nun, das eben nicht.
Gonsalo.
Wie frisch und anmuthig das Gras aussieht! wie grün!
Antonio.
In der That, der Boden ist braungelb.
Sebastian.
Mit einem Gedanken von grün vermengt.
Antonio.
Er trift es doch nicht übel.
Sebastian.
Nicht übel; es ist weiter nichts, als daß er die Wahrheit ganz und
gar verfehlt.
Gonsalo.
Das seltsamste aber, und was in der That allen Glauben übersteigt--
Sebastian.
Wie manche Raritäten der Reisebeschreiber--
Gonsalo.
Ist, daß unsre Kleider, ungeachtet sie im Meer wohl durchnezt
worden, nichts destoweniger Farbe und Glanz behalten haben; man
sollte eher denken, sie seyen noch einmal gefärbt, als vom
Seewasser beflekt worden.
Antonio.
Wenn nur eine von seinen Taschen reden könnte, würde sie ihn nicht
Lügen strafen?
Gonsalo.
Mich dünkt, unsre Kleider sehen so neu aus, als wie wir sie in
Africa das erstemal anzogen, da der König seine schöne Tochter
Claribella mit dem Könige von Tunis vermählte.
Sebastian.
Es war eine lustige Hochzeit, und die Heimreise schlägt uns recht
wohl zu.
Adrian.
Tunis hat noch nie die Ehre gehabt, eine Königin von so seltnen
Vollkommenheiten zu haben.
Gonsalo.
Seit der Wittwe Dido Zeiten nicht.
Antonio.
Wittwe? daß der Henker die Wittwe! Wie kommt diese Wittwe hieher?
warum Wittwe Dido?
Sebastian.
Und wie, wenn er noch gesagt hätte: Wittwer Äneas? Euer Gnaden
nehmen ihm auch alles zum schlimmsten auf.
Adrian.
Wittwe Dido, sagtet ihr? Dabey fällt mir auch etwas aus der Schule
ein. Dido war von Carthago, nicht von Tunis.
Gonsalo.
Aber Tunis, mein guter Herr, war einst Carthago.
Adrian.
Carthago?
Gonsalo.
Das versichre ich euch, Carthago.
Antonio.
Sein Wort ist über die wunderthätige Harfe Amphions.
Sebastian.
Es richtet die Mauren mit samt den Häusern auf.
Antonio.
Was für unmögliche Dinge wird er nun zustande bringen?
Sebastian.
Ich denke, er wird auf der Heimreise diese Insel in seine Tasche
steken, und sie seinem Buben statt eines Apfels nach Hause bringen.
Antonio.
Und die Kerne davon in das Meer säen, damit er eine junge Zucht von
Inseln kriegt.
Alonso.
Wie, wovon sprecht ihr?
Gonsalo.
Gnädigster Herr, wir redten davon, daß unsre Kleider noch so neu
aussehen, als wie wir sie zu Tunis auf eurer Tochter
Vermählungsfest trugen.]
Alonso.
Ihr erinnert mich zur Unzeit an das, worüber ich mir selbst nur
allzuviel Vorwürfe mache--Wollte der Himmel, ich hätte meine
Tochter nie zu Tunis verheurathet! Weil ich dahin reißte, hab ich
meinen Sohn verlohren, und meiner Rechnung nach, sie dazu; da sie
soweit von Italien entfernt ist, daß ich sie nimmer wiedersehen
werde. O du mein Erbe von Neapel und Meiland, was für einem Meer-
Ungeheuer bist du zur Speise geworden!
Francisco.
Sire, verhoffentlich lebt er noch. Ich sah ihn die
entgegenschwellenden Wellen unter ihm wegschlagen, und auf ihrem
bezwungenen Rüken reiten; er erhielt sein kühnes Haupt immer über
ihnen empor, und steurte sich selbst mit starken Armen ans Ufer,
welches sich über seine von den Wellen abgespülte Basis in die See
hinaus bog, als ob es ihm eine Zuflucht darbieten wollte. Ich
zweifle nicht, er kam lebendig ans Land.
Alonso.
Nein, nein, er ist nicht mehr.
Sebastian.
Sire, diesen grossen Verlust habt ihr niemand zu danken als euch
selbst, da ihr eure Tochter lieber an einen Africaner verliehren,
als unser Europa mit ihr beglükseligen wolltet.
Alonso.
Ich bitte dich, sey ruhig.
Sebastian.
Wir alle ermüdeten euch ihrentwegen mit Bitten und Kniefällen, und
die schöne Seele selbst wog zwischen Neigung und Gehorsam, wohin
sich das Wagzünglein neigen sollte. Ich besorge, wir haben euern
Sohn auf ewig verlohren; Meiland und Neapel haben mehr Weiber, die
dieses Geschäfte zu Wittwen gemacht hat, als wir Männer mitbringen
sie zu trösten. Der Fehler ist euer eigen.
Alonso.
So wie der gröste Verlust.
Gonsalo.
Prinz Sebastian, wenn ihr gleich die Wahrheit sagt, so sagt ihr sie
doch auf eine unfreundliche Art, und zur Unzeit; ihr reibt die
Wunde, da ihr ein Pflaster drauf legen solltet.
Sebastian.
Wohl gesprochen!
Antonio.
Und sehr chirurgisch!
Gonsalo.
Sire, es ist schlimmes Wetter bey uns allen, wenn Euer Majestät
bewölkt ist.
Sebastian.
Schlimmes Wetter?
Antonio.
Sehr schlimmes.
Gonsalo.
Hätte ich eine Pflanzstätte in dieser Insel anzulegen, Gnädigster
Herr--
Antonio.
So würd' er Brenn-Nessel-Saamen drein säen.
Sebastian.
Oder Kletten und Pappel-Kraut.
Gonsalo.
Und wäre der König davon, was würd' ich thun?
Sebastian.
Euch wenigstens nicht betrinken, denn ihr hättet keinen Wein.
Gonsalo.
Die Einrichtung des gemeinen Wesens müßte mir gerade das
Wiederspiel von allen unsrigen seyn; denn ich wollte keine Art von
Handel und Wandel gestatten; Von Obrigkeitlichen Ämtern sollte nur
nicht der Name bekannt seyn; Von allen Wissenschaften sollte man
nichts wissen; Kein Reichthum, keine Armuth, kein Unterschied der
Stände; nichts von Käuffen, Erbschaften, Marchen, Grenzsteinen,
Braachfeldern noch Weinbergen; Kein Gebrauch von Metall, Korn, Wein
oder Öl; Keine Arbeit, alle Leute müßig, alle, und die Weiber dazu;
aber alles in Unschuld. Keine Oberherrschaft--
Sebastian.
Und doch wollt' er König davon seyn.
Antonio.
Das Ende von seiner Republik vergißt den Anfang***
{ed.-*** Dieses ganze Gespräch ist eine feine Satyre über die
Utopischen Tractate von Regierungsformen, und die schimärischen
und unbrauchbaren Entwürfe, die darinn angepriesen werden.
Warbürton.}
Gonsalo.
Alle Dinge sollten gemein seyn; die Natur sollte alles von sich
selbst hervorbringen, ohne Arbeit und Schweiß der Menschen. Keine
Verrätherey, keine Übelthaten, folglich auch kein Schwerdt, kein
Spieß, kein Messer, kein Schießgewehr, kurz keine Nothwendigkeit
von irgend einem Instrument; denn die Natur sollte aus eignem Trieb
alles in Überfluß hervorbringen, was zum Unterhalt meines
unschuldigen Volkes nöthig wäre.
Sebastian.
Würde man denn in seiner Republik nicht auch heurathen?
Antonio.
Heurathen? Nichts weniger; lauter müßiges Volk, Huren und
Spizbuben.
Gonsalo.
Ich wollte mit einer solchen Vollkommenheit regieren, Gnädigster
Herr, daß das goldne Alter selbst nicht damit in Vergleichung
kommen sollte.
Sebastian.
Der Himmel schüze seine Majestät!
Antonio.
Lang lebe Gonsalo!
Gonsalo.
Ihr versteht mich doch--

Alonso.
Ich bitte dich, hör auf; du unterhältst mich mit einem Gespräch von
Nichts.
Gonsalo.
Das glaub ich Euer Majestät, und ich that es bloß, um diesen beyden
Herren Gelegenheit zum Lachen zu geben; denn sie haben so reizbare
und zärtliche Lungen, daß sie immer über nichts zu lachen pflegen.
Antonio.
Wir lachten über euch.
Gonsalo.
Der in dieser Art von Spaßhaftigkeit gegen euch nichts ist; ihr
könnt also fortfahren, über nichts zu lachen.
Antonio.
Das hat eine Ohrfeige seyn sollen?
Sebastian.
Wenn sie nicht neben bey gefallen wäre.
Gonsalo.
Ihr seyd tapfre Herren; ihr würdet den Mond aus seinem Kreise heben,
wenn er nur fünf Wochen nach einander ohne abzunehmen scheinen
würde.
(Ariel erscheint, den redenden Personen unsichtbar, mit einer
ernsthaften und einschläfrenden Musik.)
Sebastian.
Das wollten wir, und dann auf den Vogel-Heerd.
Antonio (zu Gonsalo.)
Nein, mein guter Herr, werdet nicht böse.
Gonsalo.
Ich stehe euch davor, daß ich zu gescheidt bin über eure Einfälle
böse zu werden. Wollt ihr mich in den Schlaf lachen? denn ich bin
ganz schläfrig.
Antonio.
Geht, schlaft und hört uns zu.
Alonso.
Wie? Alle schon eingeschlafen! Meine Augen schliessen sich auch,
möchten sie meine Gedanken zugleich verschliessen!
Sebastian.
Sire, wiedersteht dem Schlummer nicht, der sich euch anbietet. Er
besucht selten den Kummer, und wenn er's thut, ist er ein Tröster.
Antonio.
Wir zween, Gnädigster Herr, wollen indessen daß ihr der Ruhe
geniesset, für eure Sicherheit wachen.
Alonso.
Ich danke euch--eine wunderbare Schläfrigkeit! --
(Alle schlaffen, ausser Sebastian und Antonio.)
Sebastian.
Was für ein seltsamer Taumel ist das, der sich ihrer bemeistert?
Antonio.
Die Beschaffenheit des Clima muß daran Ursache seyn.
Sebastian.
Warum sinken dann unsre Auglieder nicht auch? Ich spüre nicht die
mindeste Schläfrigkeit.
Antonio.
Ich auch nicht; meine Lebensgeister sind ganz munter. Sie fielen
alle hin als ob sie es mit einander abgeredet hätten, sie sanken um,
wie vom Donner gerührt. Was könnte, würdiger Sebastian--O! was
könnte--Nichts weiter!--Und doch, dünkt mich, ich seh es in deinem
Gesicht, was du seyn solltest. Die Gelegenheit sagt es dir, und
meine Einbildungs-Kraft sieht eine Krone über deinem Haupte
schweben.
Sebastian.
Wie? wachest du?
Antonio.
Hört ihr mich denn nicht reden?
Sebastian.
Ich höre dich, aber wahrhaftig es sind Reden eines Schlafenden; du
sprichst im Schlaf. Was sagtest du? Es ist ein seltsamer Schlaf,
mit weitofnen Augen zu schlafen; stehen, reden, sich bewegen, und
doch so hart eingeschlaffen seyn!
Antonio.
Edler Sebastian, du lässest dein Glük schlafen. Stirb lieber! du
wachest mit geschloßnen Augen.
Sebastian.
Du schnarchest verständlich; es ist Bedeutung in deinem Schnarchen.
Antonio.
Ich bin ernsthafter als meine Gewohnheit ist. Seyd auch so, wenn
ich euch rathen darf; und es wird euer Glük seyn, euch rathen zu
lassen.
Sebastian.
Gut, ich bin stehendes Wasser.
Antonio.
Ich will euch fliessen lehren.
Sebastian.
Thue das; stehen lehrt mich meine angeerbte Trägheit.
Antonio.
O! wenn ihr nur wißtet, wie sehr ihr meinen Vorschlag liebet, ob
ihr ihn gleich zu verwerfen, wie ihr euch immer mehr darinn
verwikelt, je mehr ihr euch loß zu winden scheint. Langsame Leute
werden oft durch ihre Zagheit oder Trägheit nur desto schneller auf
den Grund gezogen.
Sebastian.
Ich bitte dich, sprich deutlich. Dein Blik und deine glühende
Wange verkündigen, daß du mit irgend einem grossen Vorhaben
schwanger gehst, von dem du so voll bist, daß du es nicht länger
zurükhalten kanst.
Antonio.
Hier ist es, Prinz. Ungeachtet dieser Höfling, schwachen
Angedenkens (es wird gewiß seiner wenig gedacht werden, wenn er
einmal eingescharrt ist) den König beynahe überredet hat (denn er
ist ein Geist der Überredung, er kan sonst nichts als überreden)
daß sein Sohn noch lebe; so ist es doch so unmöglich, daß er nicht
im Wasser umgekommen seyn sollte, als daß der schwimmt, der hier
schläft.
Sebastian.
Ich habe keine Hoffnung, daß er mit dem Leben davongekommen seyn
möchte.
Antonio.
O sagt mir nichts von Hoffnung--Was für grosse Hoffnung hättet ihr--
die Hoffnung ligt nicht auf diesem Wege; es ist ein andrer, der zu
einer so hohen Hoffnung führt, daß der Ehrgeiz keinen Blik dahin
thut, ohne an der Würklichkeit dessen was er sieht zu zweifeln.
Wollt ihr mir eingestehen, daß Ferdinand umgekomen ist?
Sebastian.
Ich glaub es.
Antonio.
So sagt mir dann, wer ist der nächste Erbe von Neapel?
Sebastian.
Claribella.
Antonio.
Sie, welche Königin von Tunis ist; sie, die zehen Meilen hinter
einem Menschenalter wohnt; sie, die von Neapel nicht eher eine
Nachricht haben kan, (es wäre denn daß die Sonne der Postillion
seyn wollte, der Mann im Monde wäre zu langsam) bis neugebohrne
Kinne bärtig worden sind; sie, um deren willen wir vom Meer
verschlungen worden; obgleich einige, die wieder ausgeworfen worden,
von diesem Zufall Gelegenheit nehmen mögen, eine Scene zu spielen,
wovon das Vergangne der Prologus ist;
Sebastian.
Was für Zeug ist das? Was sagt ihr? Es ist wahr, meines Bruders
Tochter ist Königin von Tunis, sie ist auch Erbin von Neapel, und
zwischen diesen beyden Reichen ist ein ziemlicher Raum.
Antonio.
Ein Raum, wovon jede Spanne auszuruffen scheint: wie? soll diese
Claribella uns nach Neapel zurük messen? Sie mag in Tunis bleiben,
und Sebastian mag erwachen. Sagt mir, gesezt was sie izt befallen
hat wäre der Tod, nun denn, sie wären nicht weniger gefährlich als
sie izt sind; es giebt jemand, der Neapel eben so gut regieren kan
als der so schläft; Leute genug, die so langweilig und unnöthig
plaudern können als dieser Gonsalo; ich selbst wollte eine eben so
geschwäzige Dole machen können. O! daß ihr mein Herz hättet! was
für ein vortheilhafter Schlaf wäre diß für euch! Versteht ihr mich?
Sebastian.
Mich däucht ja.
Antonio.
Und wie gefällt euch euer gutes Glük?
Sebastian.
Ich erinnre mich, daß ihr euern Bruder Prospero aus dem Sattel
hubet.
Antonio.
Das that ich, und seht wie wohl mir meine Kleider stehen; meines
Bruders Diener waren einst meine Gesellen, izt sind sie meine Leute.
Sebastian.
Aber euer Gewissen--
Antonio.
Nun ja, Herr; wo ligt das? Wenn es ein Hünerauge wäre, so müßt'
ich in Pantoffeln gehen; aber in meinem Busen fühl ich diese
Gottheit nicht. Hätten zehen Gewissen zwischen mir und Meiland
gestanden, sie hätten gefrieren und wieder aufthauen mögen so oft
sie gewollt hätten, ohne mich zu beunruhigen. Hier ligt euer
Bruder--nicht besser als die Erde worauf er liegt, wenn er das wäre,
was er izt zu seyn scheint, todt; mit drey Zollen von diesem
gehorsamen Stahl kan ich ihn auf ewig einschläfern; ihr, wenn ihr
eben das thun würdet, könntet diesen altfränkischen Moralisten,
diesen Sir Prudentius befördern, damit er uns keine Händel machen
könne. Was die übrigen betrift, das sind Leute die sich berichten
lassen; sie werden uns die Gloke zu einem jeden Geschäfte sagen,
das unserm Angeben nach, in dieser oder jener Stunde gethan werden
muß.
Sebastian.
Dein Beyspiel, theurer Freund, soll mein Muster seyn; Ich will
Neapel gewinnen wie du Meiland. Zieh deinen Degen; Ein einziger
Streich soll dich von dem Tribut befreyen, den du bezahlst, und zum
Liebling eines Königs machen.
Antonio.
Ziehet auch, und wenn ich mit dem Arm aushohle, so fallet über
Gonsalo her.
Sebastian.
O! nur ein Wort noch--
(Ariel erscheint mit Musik.)
Ariel.
Mein Gebieter, der die Gefahr worinn seine Freunde sind, vorhersah,
sendet mich, da sein Entwurf von ihrem Leben abhangt, sie zu
erhalten.
(Er singt dem Gonsalo ins Ohr:)
Ihr schlaft und schnarchet sorgenfrey,
Weil mördrische Verrätherey
Zu euerm Unglük wacht.
Auf, auf, seht den gezükten Tod
Der euerm sichern Naken droht;
Erwacht! Erwacht! Erwacht!
Antonio.
So laß uns schnell seyn.
Gonsalo.
Ha, ihr guten Engel, beschüzt den König!
(Alle erwachen.)
Alonso.
Wie, was ist dieses? ha! Erwachet! Warum steht ihr mit
entblößtem Degen? Warum solche gespenstmäßige Blike?
Gonsalo.
Was ist begegnet?
Sebastian.
Weil wir hier standen für die Sicherheit eurer Ruhe zu wachen,
hörten wir eben izt ein holes Gebrüll wie von Ochsen, oder vielmehr
von Löwen. Erwachtet ihr nicht daran? Es schallte recht
fürchterlich in meine Ohren.
Alonso.
Ich hörte nichts.
Antonio.
O! es war ein Getös, eines Ungeheuers Ohr zu erschreken, ein
Erdbeben zu verursachen; gewiß es war das Gebrüll einer ganzen
Heerde von Löwen.
Alonso zu (Gonsalo.)
Hörtet ihr's?
Gonsalo.
Auf meine Ehre, Sire, ich hörte ein Sumsen, und das ein recht
seltsames, wovon ich erwachte. Ich rüttelte euch, Gnädigster Herr,
und schrie; wie ich meine Augen aufthat, sah ich ihre Degen gezogen;
es war ein Getöse, das ist die Wahrheit. Das beste wird seyn,
wenn wir auf unsrer Huth stehen, oder diesen Ort gar verlassen.
Wir wollen unsre Degen ziehen.
Alonso.
Wir wollen weiter gehen, und fortfahren meinen armen Sohn zu suchen.
Gonsalo.
Der Himmel schüze ihn vor diesen wilden Thieren; denn er ist gewiß
in der Insel.
Alonso.
Laß uns alle gehen.
Ariel.
Prospero mein Gebieter soll sogleich erfahren, was ich gethan habe.
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