Der Sturm, oder Die bezauberte Insel - 4

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sich (den redenden Personen unsichtbar) auf der Spize des Berges.
Verschiedne wunderbare Gespenster treten auf, tragen eine Tafel mit
Speisen und Getränk herzu, tanzen um dieselbe mit freundlichen
Gebehrden, als ob sie den König und seine Gefährten willkommen
heissen wollten, und nachdem sie dieselben eingeladen zu essen,
verschwinden sie wieder.)
Alonso.
Was für eine Harmonie ist diß? meine guten Freunde, horcht!
Gonsalo.
Eine wunderbar angenehme Musik.
Alonso.
Gieb uns freundliche Wirthe, o Himmel! Wer sind diese?
Sebastian.
Das ist ein Haupt-Spaß. Nun will ich glauben, daß es Einhörner
giebt; daß in Arabien ein einziger Baum ist, der Thron des Phönix,
und ein einziger Phönix, der bis auf diese Stunde da regiert.
Antonio.
Ich will beydes glauben, und was sonst nicht viel Credit hat, komme
nur zu mir, ich will schwören es sey wahr. Reisebeschreiber haben
nie gelogen, wenn schon Geken, die hinter dem Ofen sizen, sie
verurtheilen.
Gonsalo.
Wenn ich nach Neapel käme und das erzählte, würde man mir's
glauben? Wenn ich sagte: Ich sahe solche Insulaner (denn gewiß
sind das die Einwohner dieser Insel) und ob sie gleich von
mißgestalteter und abentheurlicher Bildung sind; so sind doch ihre
Manieren leutseliger und artiger als ihr bey manchen finden werdet,
die zum menschlichen Geschlecht gehören; ja, in der That.
Prospero (vor sich.)
Du ehrlicher Alter, du sprichst wohl; denn es sind hier einige
unter euch, die schlimmer als Teufels sind.
Alonso.
Ich kan nicht genug erstaunen; solche Gestalten, solche Gebehrden,
ein solcher Ton, der, (ob es ihnen gleich am Gebrauch der Zunge
fehlt) eine Art von einer vortrefflichen stummen Sprache ausmacht.
Prospero (vor sich.)
Diese Lobsprüche könnten zu voreilig seyn.
Francisco.
Sie verschwanden auf eine seltsame Art.
Sebastian.
Das hat nichts zu sagen, da sie uns zu essen hinterlassen haben;
denn ich denke, wir spüren alle, daß wir einen Magen haben.
Gefällt es Euer Majestät, etwas hievon zu kosten?
Alonso.
Ich habe keine Lust.
Gonsalo.
Auf meine Treue, Gnädigster Herr, ihr habt keine Ursache etwas zu
besorgen. Wie wir noch kleine Jungen waren, welcher unter uns
hätte geglaubt, daß es Leute in Gebürgen gebe, welche einen diken
hautigen Hals hätten wie die Ochsen, oder denen der Kopf in der
Brust stünde? Was man selbst sieht, glaubt man am besten.
Alonso.
Ich will mit zustehen, und essen, wenn es gleich mein leztes wäre;
es ligt mir nichts daran, das beste ist vorbey; Bruder, Herzog,
stehet zu, und machet's wie wir.

Vierte Scene.
(Donner und Blize. Ariel tritt in Gestalt einer Harpye auf,
schlägt mit seinen Flügeln auf die Tafel, und vermittelst einer
unmerklichen Veranstaltung verschwindet die Mahlzeit im gleichen
Augenblik.)

Ariel.
Ihr seyd drey Männer der Sünde, welche das rächende Schiksal (so
sich dieser untern Welt und alldessen was drinn ist, zu Werkzeugen
bedient) im Sturm auf diese unbewohnte Insel ausgeworfen,* als
Leute die höchst unwürdig sind unter Menschen zu leben. Ich hab'
eure Sinnen betäubt, und euch nicht mehr Stärke übrig gelassen, als
ein Mensch nöthig hat, sich selbst zu hängen oder zu ertränken.
Ihr Narren! ich und meine Gesellen sind Diener des Schiksals; die
Elemente woraus eure Schwerdter bereitet sind, könnten eben so wohl
den sausenden Wind verwunden, oder mit lächerlichen Stichen das
stets sich wieder schliessende Wasser tödten, als eine einzige
Pflaumfeder aus meinen Schwingen reissen. Meine Gesellen sind eben
so unverwundbar. Und wenn ihr uns auch verwunden könntet, so sind
eure Schwerdter zu schwer für eure izige Stärke, und ihr seyd nicht
einmal im Stande sie aufzuheben. Erinnert euch dann (denn das ist
mein Geschäft an euch) daß ihr drey es waret, die den rechtschafnen
Prospero aus Meiland vertrieben, und der offnen See, (die es euch
nun vergolten hat) ausgesezt, ihn und sein unschuldiges Kind! Um
dieser Übelthat willen haben die himmlischen Mächte, welche die
Bestrafung des Unrechts zwar verschieben aber nie vergessen, das
Meer und das feste Land, ja alle Geschöpfe wieder euch empört, dich,
Alonso, deines Sohnes beraubt, und sprechen nun durch mich das
Urtheil über euch aus; daß langsames Verderben, schreklicher als
irgend ein schneller Tod, Schritt für Schritt euch und eure Wege
verfolgen soll. Nichts kan euch vor ihrem Zorn (der sonst in
diesem wüsten Eiland auf eure Häupter fallen wird) beschüzen, als
ein reuevolles Herz, und in Zukunft ein reines Leben.
{ed.-* Im Original: "Welche das Schiksal u.s.w. von der gefräßigen
nimmersatten See hat ausrülpsen lassen, und an diese Insel" u.s.w.}
(Ariel verschwindt im Donner, darauf folget eine Symphonie mit
Sordinen; die Gespenster kommen, und tragen nach einem Tanz voller
seltsamer Grimassen die Tafel wieder hinweg.)
Prospero (vor sich.)
Du hast die Role dieser Harpye gut gemacht, mein Ariel--du hast
nichts von meiner Vorschrift ausgelassen--eben so gut in ihrer Art
haben auch meine geringern Diener ihre verschiednen Personen
gespielt; meine Bezauberungen würken, und diese meine Feinde von
betäubendem Schreken gefesselt, sind alle in meiner Gewalt. Ich
verlasse sie nun in diesem Zustand, um den jungen Ferdinand, den
sie für verlohren schäzen, und seinen und meinen Liebling zu
besuchen.
(Prospero geht ab.)
Gonsalo.
Im Namen alles dessen was heilig ist, Sire, warum steht ihr da, als
ob ihr ein Gespenste sähet?
Alonso.
O! es ist entsezlich, entsezlich! Mich däuchte die Wellen redeten
und warfen mir's vor; die Winde heulten mir's entgegen, und der
Donner, diese tieffe fürchterliche Orgelpfeiffe, sprach den Namen
Prospero aus--und gab das Zeichen zu meinem Tod--Um meines
Verbrechens willen ligt mein Sohn in einem nassen Bette; ich will
ihn suchen, tiefer als jemals ein Senkel-Bley gefallen ist, und
dort bey ihm im Schlamme begraben ligen.
(Geht ab.)
Sebastian.
Das war erst ein Teufel; ich will ihrer ganze Legionen zu Boden
fechten.
Antonio.
Und ich will dein Secondant seyn.
(Gehen ab.)
Gonsalo.
Alle drey sind in Verzweiflung; ihre schwere Verschuldung, gleich
einem Gift, das erst nach langer Zeit würken soll, fangt nun an,
ihre Lebensgeister zu nagen. Ich bitte euch, ihr die ihr
biegsamere Gelenke habt als ich, folget ihnen so eilfertig als ihr
könnt, und verhindert sie an dem, wozu die sinnlose Verzweiflung
sie treiben mag.
Adrian.
Folget mir, ich bitte euch.
(Sie gehen ab.)


Vierter Aufzug.

Erste Scene.
(Prospero's Celle.)
(Prospero, Ferdinand und Miranda.)

Prospero.
Wenn ich euch zu strenge begegnet bin, so hoffe ich, der Ersaz den
ich euch gegeben, wird es vergüten; denn ich habe euch einen Faden
von meinem eignen Leben gegeben, oder vielmehr das einzige, wofür
ich lebe. Hier liefre ich sie nochmals in deine Hand: Alle
Kränkungen, die du erduldet hast, waren nur Prüfungen deiner Liebe,
und du hast auf eine ausserordentliche Art die Probe gehalten.
Hier, im Angesicht des Himmels bestätige ich dieses mein reiches
Geschenk. O Ferdinand, lächle nicht über mich, daß ich stolz auf
sie bin; du wirst finden, daß sie alles Lob weit hinter sich zurüke
lassen wird.
Ferdinand.
Ich glaub' es gegen ein Orakel.
Prospero.
So empfange dann, als mein Geschenk und als dein wohlverdientes
Eigenthum, empfange meine Tochter. Aber wofern du ihren
jungfräulichen Gürtel auflösest, eh euer Bündniß durch alle
geheiligten Feyerlichkeiten, nach vollständigem Gebrauch
bekräftiget werden kan: So möge der Himmel alle die segensvollen
Einflüsse zurükhalten, die sonst euere Vereinigung bekrönen würden;
und statt derselben soll unfruchtbarer Haß, sauersehender
Widerwille und Zwietracht euer Bette mit so wildem Unkraut
bestreuen, daß ihr es beyde hassen sollet. Nimm dich also in Acht,
so lieb es dir ist, daß Hymens Fakel dir leuchte.
Ferdinand.
So wie ich ruhige Tage, eine schöne Nachkommenschaft, und ein
langes Leben, mit der unveränderten Dauer einer solchen Liebe, als
ich izt empfinde, mir wünsche; so gewiß soll die finsterste Höle,
die bequemste Gelegenheit und die stärkste Eingebung unsers bösen
Genius nimmermehr vermögend seyn, meine tugendhafte Liebe in
unordentliche Lust zu zerschmelzen, daß ich rauben sollte was jenem
feyerlichen Tag vorbehalten ist, bey dessen Anbruch mich's dünken
wird, entweder die Sonnenpferde seyen steif, oder die Nacht mit
Ketten angeschmiedet worden.
Prospero.
Wohl gesprochen! Size dann nieder und rede mit ihr, sie ist dein
eigen. Wie? Ariel, mein ausrichtsamer Diener, Ariel--

Zweyte Scene.
(Ariel zu den Vorigen.)

Ariel.
Was befiehlt mein mächtiger Gebieter? hier bin ich.
Prospero.
Du und deine geringern Mitgesellen haben vorhin ihren Dienst aufs
beste versehen, und ich will euch izt zu einem andern Spiel
gebrauchen. Geh, bring die Geisterschaar, über die ich dir Gewalt
gegeben habe, an diesen Ort; Muntre sie zu schnellen Bewegungen auf,
denn ich muß die Augen dieses jungen Paars mit irgend einer
Eitelkeit meiner Kunst belustigen; ich hab' es versprochen und sie
erwarten's von mir.
Ariel.
Sogleich?
Prospero.
Ja, in einem Augenblik.
Ariel.
Eh ihr sagen könnt, komm und geh, zweymal athmen, und ruffen, so,
so; soll jeder auf den Zehen tripplend hier seyn, und seine Künste
machen. Liebt ihr mich nun, mein Gebieter?*
{ed.-* Ariel sagt dieses im Original in kleinen Versen, die sich alle
in O reimen, und, weil sie alle ihre Artigkeit daher haben, sich
nicht in Reime übersezen lassen.}
Prospero.
Höchlich, mein sinnreicher Ariel; komm nicht zurük, bis ich dich
ruffe.
Ariel.
Gut, ich verstehe dich.
(Geht ab.)
Prospero (zu Ferdinand.)
Vergiß du nicht dein Wort zu halten; treibe den Scherz nicht zu
weit; die stärksten Eide sind nur Stroh für das Feuer in unserm
Blute; halte besser an dich, oder gute Nacht, Gelübde!
Ferdinand.
Ich versichre euch, mein Herr, dieser weisse kalte jungfräuliche
Schnee an mein Herz gedrükt, kühlt die Hize meiner Leber ab.
Prospero.
Gut; komm izt, mein Ariel; bringe lieber einen Geist zuviel, als
daß einer mangle; erscheine uns munter--Redet ihr kein Wort, seyd
lauter Auge; Still!
(Man hört eine angenehme Musik.)

Dritte Scene.
(Ein allegorisches Schauspiel.)
(Iris tritt auf.)

Iris.
Ceres,* huldreiche Göttin, deine goldnen Felder voll Waizen, Gerste,
Haber, Wiken und Bohnen, deine kräuterreichen Berge, mit grasenden
Schaafen bedekt, und deine ebnen Wiesen, wo sie in strohbedekten
Hürden ligen, deine mit Blumen eingelegte und mit Tulpen bordirte
Bänke, vom schwammichten Aprill auf deinen Befehl so geschmükt, um
für kalte Nymphen keusche Kränze zu machen, und deine braunen
Lauben, deren Schatten der von seinem Mädchen abgewiesene
Junggeselle liebt; deine eingezäunte Weinberge, und deine
unfruchtbaren Seebänke und Felsen, auf denen du dich zu verlüften
pflegst: Alles dieses befiehlt dir die Königin des Himmels, deren
Dienerin ich bin, zu verlassen, und auf diesem grünen Plaz ihrer
gebietenden Majestät Gesellschaft zu leisten. Ihre Pfauen sind in
vollem Anzug. Nähere dich, reiche Ceres, sie zu unterhalten.
{ed.-* Dieses ganze Spiel ist im Original in Reimen.}
(Ceres tritt auf.)
Ceres.
Heil dir, vielfarbichte Bötin und Aufwärterin der Gemahlin des
Jupiters, die du von deinen saffrangelben Schwingen honigtriefende,
erfrischende Regen auf meine Blumen schüttest, und mit jedem Ende
deines blauen Bogens, einer reichen Schärpe für meine stolze Erde,
meine schwellenden Felder und meine nakten Sandhügel bekrönst;
warum hat deine Königin mich hieher beruffen?
Iris.
Ein Bündniß treuer Liebe zu begehen, und die glüklichen Liebhaber
mit einem freywilligen Geschenke zu begaben.
Ceres.
Sage mir, himmlischer Bogen, ist dir nicht bekannt, ob Venus oder
ihr Sohn die Königin begleiten? Denn seitdem sie dem düstern Pluto
Vorschub gethan haben, meine Tochter zu entführen, hab' ich ihre
und ihres blinden Buben ärgerliche Gesellschaft verschworen.
Iris.
Fürchte dich nicht vor ihrer Gesellschaft. Ich begegnete ihrer
Deität, wie sie die Wolken gegen Paphos zu durchschnitt, sie und
ihr Sohn, von Dauben mit ihr gezogen; sie bildeten sich ein, durch
irgend ein leichtfertiges Zauberwerk diesen Jüngling und diß
Mädchen zu bethören, die das Gelübde gethan haben, sich der Rechte
des Ehebettes zu enthalten, bis Hymens Fakel ihnen angezündet wird;
aber die heisse Buhlerin des Kriegs-Gottes ist unverrichter Dingen
zurük gekommen, und ihr wespen-mässiger Sohn hat seinen Bogen
zerbrochen, und schwört, er wolle keinen Pfeil mehr anrühren,
sondern mit Spazen spielen und geradezu ein kleiner Junge seyn.
Ceres.
Die hohe Königin des Götter-Staats, die grosse Juno kommt; ich
erkenne sie an ihrem Gang.
(Juno steigt von ihrem Wagen und tritt auf.)
Juno.
Wie befindet sich meine mildreiche Schwester? Komm mit mir, dieses
Paar zu segnen, daß sie glüklich seyn, und eine ehrenvolle
Nachkommenschaft sehen mögen.
(Juno und Ceres singen ein Lied, worinn jede die Verlobten mit
ihren eignen Gaben beschenkt.)
Ferdinand.
Diß ist ein höchst majestätisches Gesicht, und eine bezaubernde
Harmonie; und darf ich kühnlich glauben, daß es Geister sind?
Prospero.
Geister, die ich durch meine Kunst aus ihren Bezirken hiehergerufen
habe, meine Phantasien auszuführen.
Ferdinand.
O! laßt mich hier ewig leben; ein so wundervoller Vater, und ein
solches Weib machen diesen Ort zu einem Paradiese.
Prospero.
Stille, mein Wehrter! Juno und Ceres lispeln einander ganz
ernsthaft etwas in die Ohren; es wird noch etwas zuthun seyn; husch,
seyd stumm, oder unser Spiel wird verdorben.
(Juno und Ceres reden leise mit einander, und schiken Iris mit
einem Auftrag ab.)
Iris.
Ihr Nymphen der schlängelnden Bäche, Najaden genannt, mit euern
Schilf-Kränzen und immer freundlichen Bliken, verlaßt eure
kräuselnden Canäle und kommt, Juno befiehlt's, auf diese grüne Flur.
Kommt, keusche Nymphen, und helft ein Bündniß treuer Liebe zu
feyern; säumt euch nicht!
(Eine Anzahl Nymphen treten auf.)
Iris (fahrt fort.)
Ihr von der Sonne verbrannten Schnitter, des Augusts müde, kommt
aus euern Furchen, und theilet unsre Lust. Macht Feyertag, sezt
eure Strohhüte auf, und jeder gebe einer von diesen frischen
Nymphen die Hand zum ländlichen Tanz.

Vierte Scene.
(Eine Anzahl von nettgekleideten Schnittern treten auf, und
vereinigen sich mit den Nymphen zu einem anmuthigen Tanz: Gegen das
Ende des Tanzes fährt Prospero plözlich auf, und spricht die
folgende Rede, worauf alles mit einem seltsamen holen und
verworrnen Getöse verschwindet.)

Prospero.
Ich hatte diese schändliche Zusammenverschwörung des Viehes Caliban
und seiner Gesellen gegen mein Leben völlig aus der Acht gelassen;
die Minute die sie zur Ausführung erkießt haben, ist beynahe
gekommen--Gut gemacht; hinweg, nichts mehr!
Ferdinand (leise zu Miranda.)
Diß ist seltsam, unser Vater ist in irgend einem Affect, der mit
Macht auf ihn würkt.
Miranda.
Niemals bis auf diesen Tag sah ich ihn in einem so heftigen
Unwillen.
Prospero.
Ihr seht bestürzt aus, mein Sohn; seyd gutes Muths, unsre Spiele
sind nun zu Ende. Diese unsre Schauspieler, wie ich euch vorhin
sagte, sind alle Geister, und zerflossen wieder in Luft, in dünne
Luft, und so wie diese wesenlose Luftgesichte, so sollen die mit
Wolken bekränzte Thürme, die stattlichen Paläste, die feyrlichen
Tempel, und diese grosse Erdkugel selbst, und alles was sie in sich
faßt, zerschmelzen, und gleich diesem verschwundnen unwesentlichen
Schauspiel nicht die mindeste Spur zurüklassen. Wir sind solcher
Zeug, woraus Träume gemacht werden, und unser kleines Leben endet
sich in einen Schlaf--mein Herr, ich bin beunruhigt, habt Geduld
mit meiner Schwachheit, mein altes Gehirn ist in Unordnung; laßt
euch diesen kleinen Zufall nicht anfechten; geht in meine Celle,
wenn's euch beliebt, und ruhet da--Ein oder zwey Auf- und Abgänge
werden mir wieder leichter machen.
Ferdinand. Miranda.
Wir wünschen euch Friede.
(Ferdinand und Miranda gehen ab.)
Prospero (vor sich.)
Komm in einem Gedanken--
(zu Ferdinand und Miranda.)
Ich danke euch--Ariel, komm.
(Prospero entfernt sich weiter von der Celle; Ariel zu ihm.)
Ariel.
Ich klammre mich an deine Gedanken an; was ist dein Wille?
Prospero.
Geist, wir müssen uns rüsten den Caliban zu empfangen.
Ariel.
Ja, mein Gebieter. Ich dachte, wie ich Ceres vorstellte, dir davon
gesagt zu haben; aber ich brach ab, aus Besorgniß dich verdrießlich
zu machen.
Prospero.
Sag es noch einmal, wo verliessest du diese Schurken?
Ariel.
Ich sagte euch, mein Herr, daß sie dik besoffen waren, und so voll
Dapferkeit, daß sie die Luft schlugen, weil sie sich unterstuhnd
ihnen ins Gesicht zu wehen, und den Boden stampften, weil er ihre
Füsse küßte, ohne inzwischen ihr Vorhaben aus der Acht zu lassen.
Ich schlug hierauf meine Trummel; dieses Getöse machte sie
aufmerksam; sie spizten wie unberittne Füllen ihre Ohren, zogen die
Auglieder in die Höhe, und strekten ihre Nasen vor sich hin, wie
sie Musik rochen; kurz, ich bezauberte ihre Ohren dergestalt, daß
sie wie Kälber meinem Brüllen folgten, durch stachlichte Genister,
Disteln, und Dornen, die in ihren dünnen Schienbeinen steken
blieben; endlich ließ ich sie in dem kothigen mit Unrath
bemantelten Sumpf, hinter eurer Celle, wo sie bis ans Knie
hineinsanken, daß der faule Morast ihre Füsse überstunk.
Prospero.
Das war wol gethan, mein Vogel; behalt immer deine unsichtbare
Gestalt. Geh, bringe mir die abgetragnen Kleider in meinem Hause
hieher, wir müssen diese Diebe in Versuchung sezen.*
{ed.-* Dieser Umstand bezieht sich auf den gemeinen Aberglauben
des Pöbels in unsers Autors Zeiten, als ob Zauberer, Hexen und
dergl. nicht eher eine Gewalt über diejenige, so sie bezaubern
wollen, haben, bis sie den Vortheil über sie erhalten, sie bey
irgend einer Sünde zu ertappen, als wie hier über Dieberey.
Warbürton.}
Ariel.
Ich geh, ich geh.
(Geht ab.)
Prospero (vor sich.)
Ein Teufel ist dieser Caliban, ein gebohrner Teufel, an dessen
Natur keine Erziehung haftet; an dem alle meine Mühe, Mühe wie man
an einen Menschen wendet, verlohren, gänzlich verlohren ist; und
wie mit dem Alter sein Leib in eine viehischere Ungestaltheit
auswächßt, so wird auch sein Gemüth ungeheurer; ich will sie alle
plagen, bis zum Heulen.
(Ariel kömmt mit allerley schimmerndem Geräthe beladen.)
Komm, hänge sie an dieses Seil.

Fünfte Scene.
(Caliban, Stephano und Trinculo treten alle wohl angefeuchtet und
von Morast triefend auf; Prospero und Ariel bleiben unsichtbar
zurük.)

Caliban.
Ich bitte euch, tretet leise, damit der blinde Maulwurf keinen Fuß
fallen hört. Wir sind nimmer weit von seiner Celle.
Stephano.
Ungeheuer, euer Kobolt, von dem ihr sagt, er sey ein freundlicher
Kobolt, der niemand ein Leid thut, hat nichts viel bessers gethan,
als den Narren mit uns gespielt.
Trinculo.
Ungeheuer, ich rieche lauter Pferd-Pisse, und ich kan dir's sagen,
es will meiner Nase gar nicht schmeken.
Stephano.
So geht's der meinigen auch; hört ihr's, Ungeheuer! Wenn ich einen
Unwillen wider euch fassen sollte--Sehet zu--
Trinculo.
Du wärst ein verlohrnes Ungeheuer.
Caliban.
Mein lieber gnädiger Herr, laß mich immer in deiner Gunst stehen;
gedulde, der Vortheil, zu dem ich dich führe, wird diesem Unfall
die Augen ausstechen; redet nur leise, es ist izt alles so still
als Mitternacht.
Trinculo.
Schon gut, aber unsre Flasche im Morast zu verliehren--
Stephano.
Es ist nicht nur Unannehmlichkeit und Schmach in diesem Abentheuer,
sondern ein unendlicher Verlust, du Ungeheuer.
Trinculo.
Das ist mir über meine Anfeuchtung, und doch ist das euer
freundlicher Kobold, der niemand kein Leid thut, Ungeheuer.
Stephano.
Ich will meine Flasche wieder hohlen, und wenn ich für meine Mühe
bis über die Ohren hineinplumpen sollte.
Caliban.
Ich bitte dich, mein König, sey ruhig; siehst du hier, diß ist der
Eingang in die Celle; kein Getöse, schleich hinein, thue diß gute
Unheil, das diese Insel auf ewig zu deinem Eigenthum macht; und ich
bin dein Caliban, auf ewig dein Fuß-Leker.
Stephano.
Gieb mir deine Hand, ich fange an, blutige Gedanken zu haben.
Trinculo.
O König Stephen, o Pair! o würdiger Stephen!* Sieh, was für eine
Garderobe hier für dich ist!
{ed.-* Der Spaß in diesen Zeilen besteht in einer Anspielung auf ein
altes bekanntes Gassenlied, welches anfängt: (King Stephen was a
worthy Peer), und die Sparsamkeit dieses Königs in Absicht auf
seine Garderobe anpreist. Es sind zwo Stanzen von diesem Lied im
Othello. Warbürton.}
Caliban.
Laß es gehen, du Narr, es ist nur Trödelwaare.
Trinculo.
Oh, oh, Ungeheuer, wir verstehen uns auch darauf, was in eine
Trödelbude gehört--o König Stephen--
Stephano.
Lange diesen Rok herunter, Trinculo; beym Element, ich will diesen
Rok haben.
Trinculo.
Deine Gnaden sollen ihn haben.
Caliban.
Daß du die Wassersucht kriegtest, du Dummkopf! Wie ungescheidt
seyd ihr, daß euch ein solcher Plunder in die Augen sticht! Geht
weiter und vollbringet vorher den Mord; wenn er aufwacht, wird er
uns vom Wirbel bis zum Zehen die Haut zerkneipen lassen; er wird
abscheulich mit uns umgehen.
Stephano.
Sey ruhig, Ungeheuer! Frau Seil, ist das nicht mein Wamms?
Trinculo.
Ungeheuer komm, schmier ein bißchen Quark an deine Finger, und weg
mit dem ganzen Plunder!
Caliban.
Ich will nichts davon; wir verderben hier die Zeit, und werden
zulezt noch alle in Barnakel** oder in Affen, mit verflucht niedern
Stirnen verwandelt werden.
{ed.-** Eine Art von Gänsen auf der Insel Baß, an der Schottischen
Küste, von denen ehmals die Tradition gieng, daß sie auf den Bäumen
wachsen.}
Stephano.
Ungeheuer, leg Hand an; hilf es wegtragen, an den nehmlichen Ort wo
mein Weinfaß ligt, oder ich werde dich aus meinem Königreich jagen;
geh, trag das!
Trinculo.
Und das.
Stephano.
Ja, und das.
(Man hört ein Getöse von Jägern. Verschiedne Geister, in Gestalt
von Hunden lauffen auf die Bühne und jagen sie fort; Prospero und
Ariel sezen ihnen nach. Caliban, Stephano und Trinculo werden
heulend ausgetrieben.)
Prospero.
Heyda, Sultan hey!
Ariel.
Waldmann, hier geht's, Waldmann.
Prospero.
Furie, Furie; hier, Tyrann, hier; horch! horch! Geh, sage meinen
Kobolden, daß sie ihre Gelenke mit Zükungen zermalmen, ihre Sehnen
mit Krämpfen zusammenziehen, und sie am ganzen Leibe von Zwiken und
Kneipen flekichter machen sollen als ein Panterthier.
Ariel.
Horch, wie sie heulen.
Prospero.
Laß sie weidlich herumgejagt werden. Nunmehr sind alle meine
Feinde in meiner Gewalt. In kurzem soll sich all mein Ungemach
enden, und du sollst deine Freyheit haben. Nur noch eine kleine
Weile folge mir, und thu mir Dienste.
(Sie gehen ab.)


Fünfter Aufzug.

Erste Scene.
(Vor der Celle.)
(Prospero tritt in seiner Magischen Kleidung mit Ariel auf.)

Prospero.
Nun ist mein Entwurf zu seiner Zeitigung gelangt; meine
Bezauberungen brechen nicht; meine Geister gehorchen, und die Zeit
geht aufrecht mit ihrer Ladung davon; wie viel ists am Tage?
Ariel.
Um die sechste Stunde, mein Gebieter, wann, wie ihr sagtet, unsre
Arbeit geendigt seyn sollte.
Prospero.
Das sagte ich gleich anfangs, wie ich den Sturm erregte; sage, mein
Geist, was macht der König und seine Gefährten?
Ariel.
Sie sind alle, euerm Befehl gemäß, zusammengebannt, gerade so wie
ihr sie verlassen habt, alle eure Gefangne, mein Herr, in dem
kleinen Hayne, der eure Celle vor dem Wetter schüzt. Sie können
nicht von der Stelle, bis ihr sie loslasset. Der König, sein
Bruder und der eurige sind alle drey in einer Art von Betäubung;
die übrigen trauern ihrentwegen, bis an den Rand mit Kummer und
Bestürzung angefüllt; insonderheit derjenige, den ihr den guten
alten Gonsalo nanntet. Seine Thränen lauffen über seinen Bart
herab, wie Winter-Tropfen von einem rohrbedekten Dach. Eure
Bezauberungen arbeiten so stark auf sie, daß, wenn ihr sie izt
sehen solltet, euer Herz gewiß zu Mitleiden erweicht würde.
Prospero.
Denkst du das, Geist?
Ariel.
Das meinige würd' es gewiß, wenn ich ein Mensch wäre.
Prospero.
Und das meinige auch. Hast du, der du nur Luft bist, eine Ahnung,
ein Gefühl von ihrem Leiden, und ich, einer von ihrer Gattung, der
allen ihren Leidenschaften und Bedürfnissen unterworffen ist,
sollte nicht zärtlicher gerührt werden als du? Ob sie mich gleich
durch schwere Beleidigungen bis in die Seele verwundet haben, so
soll doch mein edleres Selbst über meinen Unwillen siegen; es ist
mehr Würde in großmüthiger Vergebung als in Rache; da sie bußfertig
sind, so habe ich meine ganze Absicht erreicht; geh, erledige sie,
Ariel; ich will meine Bezauberungen brechen, ich will ihre Sinnen
wieder herstellen, und sie sollen wieder seyn, was sie gewesen sind.
Ariel.
Ich will sie herbeyführen, mein Gebieter.
(Er geht ab.)

Zweyte Scene.

Prospero.
Ihr Elfen der Hügel, der Bäche, stehenden Seen und Hayne, und die
auf Sandbänken mit leichtem Fuß den ebbenden Neptun zurükstossen,
und ihn fliehen, sobald er wiederkehrt; ihr kleinen Feen, die beym
Mondschein im Gras die kleinen sauren Ringe machen, von denen das
Schaaf nichts abfrezt; und ihr, deren Zeitvertreib ist,
Mitternachts-Schwämme zu machen; die sich freuen den Ruf des
feyrlichen Nachtwächters zu hören; durch deren Hülfe (so schwach
ihr auch seyd) ich die mittägliche Sonne verfinstert, die
widerspenstigen Winde herbeygenöthiget, und zwischen der grünen See
und dem azurnen Gewölbe heulenden Krieg erregt habe; dem
fürchterlich rasselnden Donner gab ich Feuer, und entwurzelte die
Eiche Jupiters mit seinem eignen Keil; ich machte die Grundfeste
der Vorgebürge zittern, und raufte die Fichte und die Ceder mit den
Wurzeln aus: Gräber thaten auf meinen Befehl ihren Rachen auf, und
liessen ihre Schläfer hervor, die meine mächtige Kunst erweket
hatte: Aber alle diese rauhe Zauberkunst schwör ich hier ab, und
wenn ich vorher eine himmlische Musik befohlen haben werde, wie ich
izt thue, (ihre von jenem magischen Donner gelähmten Sinnen wieder
herzustellen), so will ich meinen Stab zerbrechen, ihn etliche
Klafter tief in die Erde vergraben, und tiefer als jemals ein
Senkbley fiel, mein Zauberbuch im Meer versenken.
(Man hört eine feyrliche Musik.)

Dritte Scene.

(Ariel geht voran; ihm folget Alonso mit den Gebehrden eines von
Schwermuth verrükten Menschen, von Gonsalo geführt, hierauf
Sebastiano und Antonio auf gleiche Weise, von Adrian und Francisco
geleitet; sie gehen in den Cirkel den Prospero vorher gemacht hat,
und bleiben da bezaubert stehen. Indem sie kommen, fangt Prospero
an.)

Prospero.
Die Magische Gewalt der Harmonie, der besten Arzney für eine
zerrüttete Phantasie, heile dein izt untüchtiges Gehirn--hier
bleibt unbeweglich stehn!--Rechtschaffner Gonsalo, ehrwürdiger Mann,
meine Augen schmelzen, von den deinigen erschüttert, in
sympathetische Tropfen.--Die Bezauberung lößt auf einmal sich auf;
und wie der Morgen, die Nacht überraschend, die Finsterniß
hinwegschmelzen macht, so fangen ihre aufgehenden Sinnen an, die
betäubenden Nebel zu verjagen, die ihre Vernunft umhüllen--O! mein
guter Gonsalo, mein wahrer Erhalter, und ein redlicher Diener
dessen dem du folgest; ich will, wenn wir wieder zu Hause sind,
deine Wohlthaten beydes mit Worten und Werken bezahlen.--Du, Alonso,
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