Ein St.-Johannis-Nachts-Traum - 5

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lauter Buzen ist.
Hippolita.
Dieser Mond macht mir lange Weile; ich wollte, er änderte sich.
Theseus.
Man sieht an seinem bescheidnen Licht, daß er im Abnehmen ist; aus
Höflichkeit und von rechtswegen müssen wir nun schon das Ende
abwarten.
Lysander.
Komm besser hervor, Mond!
Mondschein.
Alles was ich zu sagen habe, ist euch zu melden, daß diese Laterne
der Mond ist; ich, der Mann im Mond, dieser Dornbusch, mein
Dornbusch, und dieser Hund, mein Hund.
Demetrius.
Alle diese Dinge sollten also in der Laterne seyn. Doch stille,
hier kömmt Thisbe. (Thisbe tritt auf.)
Thisbe.
Diß ist ja Ninnys Grab, wo ist mein Liebchen dann?
Löwe.
Oh!--
(der Löwe brüllt, Thisbe läuft davon.)
Demetrius.
Wol gebrüllt, Löwe.
Theseus.
Wol geloffen, Thisbe.
Hippolita.
Wol geschienen, Mond. In der That, der Mond scheint mit einer
recht guten Art.
Demetrius.
Und da kam Pyramus.
Lysander.
Und da verschwand der Löwe. (Pyramus tritt auf.)
Pyramus.
Ich dank dir, süsser Mond, für deine Sonnenstralen,
Die also hell und schön den Erdenball bemahlen;
Dieweil bey deinem Gold und funkelnd süssem Licht
Zu kosten ich verhoff mein'r Thisbe Angesicht.
Doch halt! o Pein!
Was soll diß seyn?
Was für ein Graus ist diß?
Aug, siehst du noch?
O! schweres Joch!
Mein Herz, mein Liebchen süß,
Dein Mantel gut,
Beflekt mit Blut!
Ihr Furien kommt in Trab,
Herbey und rächt
Und löscht und brecht
Den Lebensfaden ab!
Theseus.
Diese Leidenschaft und der Tod eines werthen Freundes, würden nahe
zu hinreichen, einen Mann finster sehen zu machen.
Hippolita.
Ich möchte mir selbst Böses wünschen, daß ich mich nicht verwahren
kan, den Mann zu bedauern.
Pyramus.
Warum denn, o Natur, thätst du den Löwen bauen?
Weil solch ein schnöder Löw mein' Lieb' hat defloriert;
Sie welche ist--Nein! war--die schönste aller Frauen,
Die je des Tages Glanz mit ihrem Schein geziert.
Komm, Thränenschaar,
Aus, Schwerdt, durfahr
Die Brust des Pyramo!
Die Linke hier,
Wo s'Herz hüpft mir,
So sterb' ich denn, So, so!
Nun bin ich tod,
Aus ist die Noth,
Mein' Seel im Himmel lacht;
Verliehr dein'n Schein,
O Zunge mein,
Flieh' Mond; gut Nacht, gut Nacht!
Demetrius.
So stirb dann, oder ein Aß für ihn, denn er ist doch eines.
Lysander.
Minder als ein Aß, Mann; denn er ist todt; er ist nichts.
Theseus.
Mit Hülfe eines Barbiers möchte er vielleicht noch aufkommen, und
ein Aß werden.
Hippolita.
Wie? der Mondschein ist gegangen, eh Thisbe zurük kömmt, und ihren
Liebhaber findet. (Thisbe kömmt.)
Theseus.
Sie wird ihn beym Sternenlicht finden. Hier kömmt sie, und ihre
Passion endet das Spiel.
Hippolita.
Mich dünkt, sie sollte keine lange für einen solchen Pyramus nöthig
haben; ich hoffe sie wird kurz seyn.
Thisbe. Schläfst du, mein Kind?
Steh auf geschwind!
Wie? Täubchen, bist du todt?
O! Sprich, o sprich!
O! rege dich!
Ach! todt ist er! O Noth!
Dein Lilien-Mund,
Dein Auge rund,
Wie Schnittlauch frisch und grün,
Dein Kirschen-Nas'
Dein' Wangen blaß
Die wie ein Goldlak blüh'n,
Soll nun ein Stein
Bedeken fein,
O klopf, mein Herz, und brich!
Ihr Schwestern drey
Kommt, kommt herbey,
Und leget Hand an mich!
Schweig, Zunge still,
Komm, Schwerdt, und ziel
Nach meines Busens Schnee;
So fahr ich hin
Mit treuem Sinn,
Adieu, adieu, adieu!
(stirbt.)
Theseus.
Monschein und Löwe sind noch übrig, die Todten zu begraben.
Demetrius.
Ja, und (Wand) auch.
Zettel.
Nein, ich versichre euch, die Wand ist niedergerissen, die ihrer
Väter Häuser trennte. Gefällt es euch den Epilogus zu sehen, oder
einen Bergomasker-Tanz zwischen zween aus unsrer Companie zu hören?
Theseus.
Keinen Epilogus, wenn ich bitten darf. Euer Schauspiel bedarf
keiner Entschuldigung. Keine Entschuldigung! Denn wenn die
Schauspieler alle todt sind, so hat man nicht nöthig jemand zu
tadeln. Wahrhaftig, wenn der Autor dieses Stüks den Pyramus
gemacht, und sich selbst an Thisbes Strumpfband erhenkt hätte, so
wäre es eine feine Tragödie gewesen; und das ist es auch, in der
That, und auf eine recht merkwürdige Art vorgestellt. Aber kommt,
euer Ballet; laßt euern Epilogus nur weg.
(Hier folgt ein Tanz von Bauern.)
Theseus.
Schon hat die eiserne Zunge der Mitternacht zwölfe geruffen. Ihr
Liebhaber, zu Bette! Es ist schon Feen-Zeit. Ich fürchte, wir
werden den nächsten Morgen verschlaffen, wie wir diese Nacht
verwacht haben. Dieses handgreiflich-dumme Schauspiel hat uns doch
den schweren Gang der Nacht unmerklich gemacht. Zu Bette, lieben
Freunde. Vierzehn solche Nächte sollen noch mit nächtlichen
Spielen, und immer ändernden Lustbarkeiten zugebracht werden.*
{ed.-* Hier folget im Original noch ein kleiner Feen-Auftritt, wo Puk
zuerst mit einem Besem erscheint, um das Haus zuvor auszukehren,
Oberon und Titania aber mit ihrem Gefolge dasselbe durchtanzen, und
durch einen Gesang einsegnen. Es ist mir unmöglich gewesen, diese
Scene, welche ohnehin bloß die Stelle eines Divertissement vertritt,
in kleine gereimte Verse zu übersezen; in Prosa aber, oder in
einer andern Versart als in kleinen Jamben und Trochäen, würde sie
das tändelnde und Feen-mässige gänzlich verlohren haben, das alle
ihre Anmuth ausmacht.}

Ein St. Johannis Nachts-Traum, von William Shakespeare
(Übersetzt von Christoph Martin Wieland).
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