Ein St.-Johannis-Nachts-Traum - 1

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Ein St. Johannis Nachts-Traum
William Shakespeare
Übersetzt von Christoph Martin Wieland

Personen:
Theseus.
Egeus.
Lysander.
Demetrius.
Philostratus.
Hippolita.
Hermia.
Helena.
Squenz.
Schnok.
Zettel.
Flaut.
Schnauz.
Schluker.
Vorredner.
Löwe.
Mondschein.
Pyramus.
Thisbe.
Oberon, König der Feen.
Puk.
Titania, die Königin.
Feen.
Spinneweb.
Senfsaamen.
Die Scene ist in Athen, und einem Wald nicht weit davon.


Erster Aufzug.

Erster Auftritt.
(Des Herzogs Pallast in Athen.)
(Theseus, Hippolita, Philostratus und Gefolge, treten auf.)

Theseus.
Nun nähert sich, Hippolita, die Stunde
Die unser Bündniß knüpft, mit starken Schritten.
Vier frohe Tage bringen einen andern Mond.
Doch o! wie langsam, deucht mich, schwindet
Nicht diese alte Luna! Sie ermüdet
Mein sehnend Herz, gleich einer allzuzähen
Stiefmutter oder Wittwe, die zu lang
An eines jungen Mannes Renten zehrt.
Hippolita.
Schnell werden sich vier Tag' in Nächte tauchen,
Vier Nächte schnell die Zeit vorüberträumen;
Dann wird der Mond gleich einem Silberbogen
Neu aufgespannt im Himmel, auf die Nacht
Die unsre Liebe krönt, herunter winken.
Theseus.
Geh, Philostrat, und ruffe durch Athen
Die Jugend auf zu Lustbarkeiten! wecke
Den leichten muntern Geist der Frölichkeit.
Die blasse Schwermuth sey zu Leichen-Zügen,
Wozu sie besser taugt, von unserm Fest verbannt!
Hippolita, ich buhlte mit dem Schwerdt
Um dich, und unterm Lerm der wilden Waffen
Gewann ich deine Gunst; doch froher soll
Mit Pomp, Triumph und mitternächtlichen Spielen
Der Tag, der uns vermählt, begangen werden. (Egeus, Hermia,
Lysander und Demetrius treten auf.)
Egeus.
Glüklich sey Theseus, unser grosser Fürst.
Theseus.
Dank, edler Egeus! was bringst du uns Neues?
Egeus.
Voll Unmuth komm ich, Fürst, mit Klagen über
Mein Kind, mit Klagen über Hermia--tritt
Hervor, Demetrius!--dieser Mann, o Herr,
Hat meinen Beyfall, sie zur Eh zunehmen--
Lysander, steh' hervor! Und dieser Mann
Hat meines Kindes Herz bezaubert. Ja du,
Lysander, du, du gabst ihr Reime,
Und wechseltest verstohlne Liebespfänder
Mit meinem Kinde. Falsche Buhlerlieder
Sangst du beym Mondschein mit verstellter Stimme
Vor ihrem Fenster ab, und hast durch Bänder
Von deinen Haaren, Ringe, Trödelwerke,
Durch Naschereyen, Puppen, Blumensträusse
Den Abdruk ihrer Phantasie gestohlen.
Durch Ränke hast du meiner Tochter Herz
Entwandt und den Gehorsam, welchen sie
Mir schuldig ist, in Widerspenstigkeit
Und schnöden Troz verkehrt. Wofern sie also,
Mein königlicher Herr, nicht hier
Vor Eurer Hoheit sich bequemen will,
Dem Mann, den ich erkohr', die Hand zu geben;
So sprech ich hier der Bürger von Athen
Uraltes Vorrecht, und die Freyheit an,
Mit ihr als meinem Eigenthum zu schalten:
Und diß wird seyn, sie diesem Edelmanne,
Wo nicht, dem Tod zu überliefern, wie
In einem solchen Fall der Buchstab' des Gesezes
Ausdrüklich lautet--
Theseus.
Was sagt Hermia
Hiezu? bedenke dich, mein schönes Kind!
In deinen Augen soll dein Vater
Ein Gott, der Schöpfer deiner Schönheit, seyn.
Mit ihm verglichen, bist du nichts als eine
Von ihm in Wachs gebildete Figur,
Die er, nachdem es ihm beliebt, erheben
Und wieder tilgen kan. Demetrius ist
Ein würdiger Edelmann.
Hermia.
Das ist Lysander auch.
Theseus.
Er ist es an sich selbst,
Doch da ihm deines Vaters Stimme mangelt,
So ist der andre würdiger anzusehen.
Hermia.
O! daß mein Vater nicht mit meinen Augen sieht.
Theseus.
Weit besser wär' es, deine Augen sähen
Mit deines Vaters Klugheit.
Hermia.
--Eure Hoheit
Vergebe mir. Ich weiß nicht, welche Macht
Mir diese Kühnheit eingehaucht, noch wie
Vor so viel Augen, meine Sittsamkeit
Sich überwinden kan, für meine Neigung
Das Wort zu nehmen. Aber, meldet mir,
Mein Herr, das schlimmste, das mich treffen kan,
Wenn ich mich weig're diesen Mann zu nehmen.
Theseus.
Den Tod zu sterben, oder Lebenslang
Die männliche Gesellschaft abzuschwören.
Befrage also deine Neigung, Hermia!
Bedenke deine Jugend; Ist dein Blut
So kühl, und hast du, wenn du deines Vaters
Beschloßner Wahl dich nicht ergeben willst,
Auch Muth genug, auf ewig eingeschleyert
In eines öden Klosters trübe Schatten
Verschlossen, eine unfruchtbare Schwester
Dein Leben hinzuleben; traurige Hymnen
Dem kalten Mond entgegenächzend--
Dreymal beglükt, die, ihres Blutes Meister,
Solch' eine keusche Pilgrimschaft bestehen!
Doch irdischer glüklich ist die abgepflükte Rose,
Als die am unvermählten Stoke welkend
In einzelner Glükseligkeit, von niemand
Gesehen, ungenossen, wächßt und blüht und stirbt.
Hermia.
So will ich wachsen, so verblüh'n und sterben,
Mein Königlicher Herr, eh meine Freyheit
Dem Joch des Manns sich unterwerffen soll,
Deß unerwünschte Herrschaft meine Seele
Nicht über sich erkennt.
Theseus.
Nimm dir Bedenkzeit,
Und auf den nächsten Neuenmond, den Tag
Der durch Hippolita mich glüklich macht,
Bereite dich, nach deines Vaters Willen
Dich dem Demetrius zu ergeben; oder
Durch deinen Tod des Ungehorsams Frefel
Zu büssen; oder an Dianens Altar
Des Klosterlebens strenge Pflicht zu schwören.
Demetrius.
Erweiche, Schönste, dich; und du Lysander,
Tritt deinen schwachen Anspruch meinem stärkern Rechte
Freywillig ab--
Lysander.
Du hast, Demetrius, ihres Vaters Liebe,
Laß du nur Hermias mir; heurathe ihn!
Egeus.
Ja, hönischer Lysander, es ist wahr,
Er hat sie, meine Liebe; und was mein ist,
Soll meine Lieb' ihm geben; sie ist mein,
Und all mein Recht an sie trett' ich Demetrio ab.
Lysander.
Ich bin so edel als wie er gebohren;
Ich bin so reich als er, und liebe mehr
Als er; mein Glüke blüht an jedem Zweige,
So schön als seines, um nicht mehr zu sagen;
Und was diß alles dessen er sich rühmet
Allein schon überwiegt, mich liebt die schöne Hermia.
Und sollt ich denn mein Recht nicht durchzusezen suchen?
Demetrius, ins Gesicht behaupt' ichs ihm,
Bewarb sich kürzlich noch um Nedars Tochter
Die schöne Helena, und gewann ihr Herz.
Izt schmachtet sie, die sanfte Seele! schmachtet
Bis zur Abgötterey um diesen falschen
Treulosen Mann--
Theseus.
Ich muß gestehen
Daß ich davon gehört, und mit Demetrius
Davon geredt zu haben, mich beredet;
Doch eigne Sorgen machten's mir entfallen.
Kommt ihr indeß, Demetrius und Egeus,
Ich hab euch beyden etwas aufzutragen,
Das mich sehr nah' betrift. Du aber, Hermia,
Sieh' zu, soll anders nicht die ganze Strenge
Der Sazung von Athen, die ich nicht schwächen kan,
Dich treffen, daß du deine Schwärmerey
Dem Willen deines Vaters unterwerffest.
Wie steht's, Hippolita?* Komm, meine Liebe!
Demetrius, und Egeus folget mir!
{ed.-* Hippolita hatte diese ganze Zeit über nicht ein einziges Wort
gesprochen. Hätte ein neuerer Poet das Amt gehabt, ihr ihre Rolle
anzuweisen, so würden wir sie geschäftiger als alle andre gefunden,
und zweifelsohne möchten auch die Liebhaber ein gelinderes Urtheil
von ihr erwartet haben: Allein Shakespearewußte besser was er zu
thun hatte, und beobachtete das Decorum. Warbürton.}
(Sie gehen ab.)

Zweyter Auftritt.
(Lysander und Hermia bleiben.)

Lysander.
Wie? meine Liebe? wie ist deine Wange
So blaß? warum verwelken ihre Rosen?
Hermia.
Vielleicht weil sie des Regens mangeln,
Woraus ich aus den Wolken meiner Augen
Sie reichlich überthauen könnte.
Lysander.
Hermia; so viel ich in Geschichten las,
Und aus Erzählung hörte, floß der Strom
Der wahren Liebe niemals sanft dahin.
Entweder hemmte ihn des Standes, oder
Der Jahre Abstand, oder Widerwille
Der Anverwandten; und wenn ja die Wahl
Der Liebenden durch ihre Sympathie
Beglükt zu seyn versprach, so stellte sich
Krieg, Krankheit oder Tod dazwischen
Und macht' ihr Glük vergänglich wie der Schall,
Flüchtig wie Schatten, kurz als wie ein Traum,
Vorüberfahrend wie der helle Bliz
In einer schwarzen Nacht, der Erd und Himmel
In einem Wink enthüllt, und eh noch einer Zeit hat
Zu sagen: Sieh! schon von dem offnen Schlunde
Der Finsterniß verschlungen ist.
So eitel sind die Dinge, die am schönsten glänzen!
Hermia.
Wenn denn getreue Liebe jederzeit
Durch Wiederwärtigkeit geprüfet wurde,
Und diß der feste Schluß des Schiksals ist;
So laß uns unsre Prüfung mit Geduld
Besteh'n, weil Widerwärtigkeit und Leiden
Ein eben so gewöhnlichs Zugehör
Der Liebe ist, als Staunen, Träume, Seufzer,
Wünsche und Thränen, das gewöhnliche
Gefolg der liebeskranken Phantasie.
Lysander.
Ein guter Glaube! Höre mich dann, Hermia.
Nur sieben Stadien von Athen entfernt
Wohnt eine meiner Basen, reich, verwittwet,
Und kinderlos. Sie hält und liebet mich
Wie ihren eignen Sohn. Dort, schönste Hermia,
Dort kan ein ewig Bündniß uns vereinen,
Und bis dorthin kan auch Athens Gesez
Uns nicht verfolgen. Liebest du mich also,
So schleiche morgen Nachts aus deines Vaters Hause
Dich weg, in jenen Wald, nah' bey Athen,
Wo ich dich einst mit Helena gefunden,
Als ihr des ersten Maytags Ankunft feyrtet.
Hermia.
Ach! mein Lysander!
Lysander.
Zaudert Hermia?--
Hermia.
Nein!
Bey Amors stärkstem Bogen schwör ich dir,*
Beym schärfsten seiner goldgespizten Pfeile,
Lysander, bey der unschuldvollen Einfalt
Der Dauben, die der Venus Wagen ziehen,
Beym Feuer das Carthagos Königin
Verzehrte, da sie mit geblähten Seegeln
Den ungetreuen Troyer fliehen sah;
Bey dem was Seelen an einander küttet,
Bey jedem Schwur, den je ein Mann gebrochen,
Bey mehr als Mädchen jemals ausgesprochen;
An jenem Plaz, im Schatten jener Linden,
Sollt du mich zur bestimmten Stunde finden.
{ed.-* Der Dr. Warbürton fand, daß Hermia sich zu schnell, und
was das schlimmste ist, auf den ersten Antrag, durch eine Reihe
von Eyden verbinde, mit dem Lysander davon zu lauffen. Er
glaubt, daß Shakespearenicht fähig gewesen einen solchen Fehler
zu machen, und schreibt also allen alten und neuen Ausgaben
unsers Dichters zuwider, diese schöne Rede: (Bey Amors
stärkstem Bogen,) u.s.w. dem Lysander, und nur die zween lezten
Verse der Hermia zu. Meine Empfindung widerspricht hier den
Vernunftschlüssen des Kunstrichters. Ich finde eine solche
Weiblichkeit in dieser Rede, daß sie mit Anständigkeit nur von
Hermia gesagt werden kan. Empfindende Leserinnen mögen den
Ausspruch thun. Damit aber doch das von Warbürton in dem Text
vermißte Decorum gerettet werde, habe ich nach seinem Beyspiel die
Freyheit gebraucht, auf die Worte Hermias, (my good Lysander), den
Lysander sagen zu lassen: Zaudert Hermia? welches er im Englischen
nicht sagt. Worauf dann Hermia, als ob sie sich recolligire,
erwiedert: Nein! bey Amors u.s.w.}
Lysander.
Vergiß nicht dein Versprechen, holde Liebe.
Schau, hier kömmt Helena.

Dritter Auftritt.

Hermia.
Wie eilig, schöne Helena, wohin?
Helena.
Mich nennst du schön? O! nimm diß Schön zurük.
Demetrius liebet dich! du bist ihm schön
Glüksel'ge Schöne! Deine Augen sind
Die Sterne, die ihn leiten; süsser tönt
Ihm deine Stimme, als der Lerche Lied
Dem Ohr des Hirten, wenn die Wiesen grünen,
Und junge Knospen um den Hagdorn blinken!
Krankheit ist erblich! O! wär's auch die Kunst
Die uns gefallen macht: Wie wollt ich, eh ich gehe,
Die deine haschen! Meine Blike sollten
Die Zauberkraft von deinem Blik, mein Mund
Den süssen Wohlklang deiner Lippe haschen.
Wär' mein die Welt, und blieb Demetrius mir,
Wie gerne ließ ich alles andre dir!
O lehre mich, wie blikest du ihn an?
Mit was für Künsten, schöne Freundin, sprich,
Beherrschest du die Triebe seines Herzens?
Hermia.
Die Stirne rümpf ich ihm, doch liebt er mich.
Helena.
O möchten deiner Stirne Falten
Mein Lächeln solche Wirkung lehren.
Hermia.
Verwünschung geb ich ihm, doch giebt er stets mir Liebe.
Helena.
O! wäre mein Gebett von solcher Kraft!
Hermia.
Je mehr ich hasse, folgt er mir.
Helena.
Je mehr ich liebe, haßt er mich.
Hermia.
Sey guten Muths! er soll mich nicht mehr sehen.
Lysander und ich selbst verlassen diese Gegend.
Eh ich Lysandern sah, schien mir Athen
Elysium. O! welch ein Reiz muß dann
In meiner Liebe seyn, da sie den Ort
Der einst ein Himmel war, zur Hölle macht.
Lysander.
Laß uns, o Freundin, unsre Seelen dir
Vertraut enthüllen. Morgen Mitternachts,
Wenn Phöbe in der Wellen feuchtem Spiegel
Ihr silbern Angesicht beschaut, und dekt
Den grünen Wasen mit zerfloßnen Perlen,
Zur Zeit, die oft der Liebe Flucht verheelte,
Sind wir entschlossen, Helena, uns durch
Die Thore von Athen hinweg zu stehlen.
Hermia.
Und in dem Hayn, wo oftmals du und ich
Auf Frühlings-Blumen hingegossen lagen,
Und unsre von jungfräulichen Gedanken
Geschwellte Busen ihrer Last entleerten;
Dort werden wir, Lysander und ich selbst,
Uns finden, und dann von Athen die Augen wenden,
Um neue Freunde unter neuen Himmeln
Zu suchen. Lebe wohl, anmuthige Gespielin!
Und wie du für uns betest, gebe dir
Ein günstig Glük den Jüngling den du liebest!
Lysander halte Wort!--Nun müssen unsre Augen
Bis morgen Nachts der Liebe Kost entbehren.
Lysander.
Ich will, meine Hermia!--Lebe wohl, Helena,
Demetrius liebe dich, wie du ihn liebest!
(Lysander und Hermia gehen ab.)
Helena (allein.)
Wie manche doch vor manchen glüklich sind!
Durch ganz Athen werd ich so schön geachtet
Als Sie--Was hilft es mir? Demetrius nur
Denkt anders! Er für den ich es allein
Zu seyn verlange, kan nicht, will nicht sehen,
Was Aller Augen ausser ihm gestehen.
Der gleiche Irrthum, der nach Hermias Bliken
Ihn schmachten macht, bethört mein Herz für ihn.
Den unscheinbarsten blödsten Dingen kan
Die Liebe Glanz, Gestalt und Würde geben.
Die Liebe siehet durch die Phantasie,
Nicht durch die Augen, und deßwegen wird
Der goldbeschwingte Amor blind gemahlt.
Geflügelt ohne Augen deutet er
Der Liebe Hastigkeit im Wählen an;
Und weil sie leicht verläßt was sie erkohr,
So stellt man ihn als einen Knaben vor;
Wie Knaben oft beym Spiel meineydig werden,
So scherzt des Knaben Amors Leichtsinn auch
Mit seinen Schwüren. Eh Demetrius
Auf Hermias Augen sahe, hagelt er
Eydschwüre ewig mein zu seyn, herab;
Allein es fühlte dieser Hagel kaum
Die Glut von ihrem Blik, so schmolz er hin.
Izt will ich geh'n und Hermias Flucht ihm melden.
Dann wird er morgen Nachts sie in den Hayn
Verfolgen, und wenn anders die Entdekung
Mir Dank gewinnt, so wird er theur erkauft.
Doch wird mir dieses meine Pein versüssen,
Wenn ich es sehe* wie er sie zu finden,
Der Ungetreue! hie und dort und da
Umsonst in zitternder Verwirrung läuft;
Und mein verschmähtes Auge durch den Anblik
Der eiteln Wuth ergözt, womit er wieder kehrt.
{ed.-* Der Übersezer hat sich hier eine Freyheit erlaubt, die er
selten zu nehmen gedenkt, nemlich einen etwas dunkeln Vers durch
fünf andre zu paraphrasieren. Ob er aber den Sinn des Poeten
getroffen, wird dem Ausspruch der Kunstrichter überlassen.}
(Geht ab.)

Vierter Auftritt.
(Squenz, Schnok, Zettel, Flaut, Schnauz und Schluker treten auf.)

Squenz.
Ist die Companie beysammen?
Zettel.
Es wär' am besten, ihr rieffet sie alle Mann für Mann auf, wie es
der Rodel giebt.
Squenz.
Hier ist die Liste von jedermanns Namen, der in ganz Athen für
tüchtig gehalten wird, in unserm Zwischenspiel vor dem Herzog und
der Herzogin zu spielen, an seinem Hochzeittag zu Nacht.
Zettel.
Vor allen Dingen, guter Peter Squenz, sagt uns, wovon das Stük
handelt; dann leset die Namen von den Agenten, und so eins nach dem
andern.
Squenz.
Sapperment! es ist die höchstklägliche Comödie, und der
jämmerliche Tod von Pyramus und Thisbe.
Zettel.
Ein recht gutes Stük Arbeit, ich kan's euch sagen; und lustig! Izt,
wakrer Peter Squenz, ruft euere Agenten nach dem Rodel auf--ihr
Herren! macht euch fertig!
Squenz.
Antwortet wie ich euch ruffe. Claus Zettel, der Weber!
Zettel.
Hier! Nennet meinen Part, und weiter!
Squenz.
Ihr, Claus Zettel, seyd für den Pyramus hingesezt.
Zettel.
Was ist Pyramus? Ein Liebhaber oder ein Tyrann?
Squenz.
Ein Liebhaber, der sich selber nur auf eine recht galante Art aus
Liebe ersticht.
Zettel.
Das wird einige Zähren erfodern, wofern es recht gemacht werden
soll. Wenn ich es mache, dann mögen die Zuschauer zu ihren Augen
sehen! Ich will Stürme erregen, ich will condolieren, daß es eine
Art haben soll! weiter!--Aber meine gröste Declination ist zu
einem Tyrannen. Ich wollte einen Herkles spielen, etwas rares!
Oder einen Part, wo ich ein Vorgebürg einreissen müßte, daß alles
zersplitterte--"Der Felsen Schooß und toller Stoß zerbricht das
Schloß der Kerkerthür, und Febbus Karr'n, Kommt angefahr'n, und
macht erstarr'n, des stolzen Schiksals Zier!"--Das gieng hoch!--
Namset izt die übrigen Agenten--Das war Herklessens Ader! Eine
Tyrannen-Ader! Ein Liebhaber geht schon gravitätischer.
Squenz.
Franz Flaut, der Blasbalg-Fliker.
Flaut.
Hier, Peter Squenz.
Squenz.
Ihr müßt Thisbe über euch nehmen.
Flaut.
Was ist Thisbe? Ein irrender Ritter?
Squenz.
Es ist die Princessin, in die Pyramus verliebt ist.
Flaut.
Nein, mein Six! gebt mir keinen Weiber-Part, ich fange schon an
einen Bart zu bekommen.
Squenz.
Das ist all eins! Ihr müßt in einer Maske spielen; und ihr könnt
so zart reden, als ihr wollt.
Zettel.
Wenn ich mein Gesicht verbergen darf, so gebt mir Thisbe auch; ich
will mit einer monstrosen zarten Stimme reden--"Thisne, Thisne, ach!
Pyrimus, mein Liebster werth, dein' Thisbe zart, dein Liebchen
zart"--

Squenz.
Nein, nein, ihr müßt beym Pyramus bleiben, und Flaut muß Thisbe
seyn.
Zettel.
Gut! fortgefahren!
Squenz.
Max Schluker, der Schneider.
Schluker.
Hier, Peter Squenz.
Squenz.
Max Schluker, ihr müßt Thisbes Mutter seyn. Hans Schnauz, der
Keßler!
Schnauz.
Hier, Peter Squenz.
Squenz.
Ihr, des Pyramus Vater, ich selbst Thisbes Vater. Schnok, der
Schreiner, ihr macht des Löwen Part. Ich hoffe, nun ist unsre
Comödie in der Ordnung.
Schnok.
Habt ihr des Löwen Part geschrieben? Wenn es ist, so seyd so gut
und gebt ihn mir; denn ich bin nicht gar fix zum Studieren.
Squenz.
Ihr könnt ihn ex tempore machen; denn es ist weiter nichts zu thun,
als zu brüllen.
Zettel.
Gebt ihr mir den Löwen noch dazu; ich will brüllen, daß es den
Leuten im Herzen wohl thun soll; ich will brüllen, daß der Herzog
sagen soll: Laßt ihn noch einmal brüllen, laßt ihn noch einmal
brüllen!
Squenz.
Wenn ihr es gar zu gut machtet, so könntet ihr die Herzogin und die
Damen so erschreken, daß sie zu schreyen anfiengen, und das wäre
genug, uns alle an den Galgen zu bringen.
Alle.
Ja, das würde uns jeden Mutter-Sohn hängen.
Zettel.
Sapperment! Das glaub ich wol, wenn wir sie erst aus ihren fünf
Sinnen schrekten, so würden sie nicht mehr Secretion haben, als uns
aufzuhängen. Aber ich will meine Stimme schon aggraviren, ich will
euch so artig brüllen wie irgend eine junge Daube, ich will euch
brüllen, als ob es eine Nachtigall wäre.
Squenz.
Ihr könnet keinen andern Part machen als den Pyramus; denn Pyramus
ist ein Mann mit einem Weibergesichtchen, ein sauberer Mann als man
irgend an einem Sommers-Tag sehen mag, gar ein hübscher Junker-
mässiger Mann; und also müßt ihr nothwendig den Pyramus machen.
Zettel.
Gut, ich will ihn auf mich nehmen. Mit was für einem Bart wollt
ihr, daß ich spielen soll?
Squenz.
Wie? Was für einen ihr wollt!
Zettel.
Mir gilt es auch gleich; ich will ihn entweder in euerm
strohfarbnen Bart machen, oder in euerm orangebraunen Bart, oder in
euerm carmesin-rothen Bart, oder in euerm französisch-kron-farbnen
Bart, in euerm hochgelben!
Squenz.
Etliche von unsern französischen Kronen haben gar kein Haar mehr,
und das liesse als ob ihr gar mit einem kahlen Gesicht spieltet.
Aber, ihr Herren, hier sind eure Pärte, und ich bitte, ermahne und
ersuche euch, sie bis morgen Nachts auswendig zu lernen, und in den
Schloßwald, eine halbe Stunde von der Stadt, wieder zu mir zu
kommen, damit wir dort beym Mondschein probieren; denn wenn wir in
der Stadt zusammen kämen, so würden wir Zuhörer kriegen, und die
Sache käme aus. Unterdessen will ich einen Aufsaz von den
Zurüstungen machen, die wir zu unserm Spiele nöthig haben. Ich
bitte, bleibt mir nicht aus.
Zettel.
Wir wollen kommen! Der Einfall ist gut; wir können im Wald
obscener und herzhafter probieren.
Squenz.
Bey des Herzogs Eiche wollen wir einander antreffen.
Zettel.
Genug, die Stränge mögen halten oder brechen!--

(Sie gehen alle ab.)


Zweyter Aufzug.

Erster Auftritt.
(Ein Wald. Eine Fee tritt von einer, und Puk von der andern Seite
auf.)

Puk.
Wohin, Geist, wohin wanderst du?
Fee.
Über Berg, über Thal,
Durch Heken und Ruthen,
Über Holz, über Pfahl,
Durch Feuer und Fluthen;
Schneller als des Mondes Sphär
Wandr' ich rastlos hin und her.
Ich dien' der Feen-Königin,
Zum stillen Tanz,
Beym Sternen-Glanz,
Bethaute Kreis' im Grünen ihr zu zieh'n.
Sie ist der Primuln Pflegerin,
Die auf den jungen Wiesen glüh'n.
Auf ihrem göldenen Gewand
Ist jeder Fleken ein Rubin,
Worein der milden Feyen Hand
Die Düfte gießt, die euch entzüken.
Izt muß ich geh'n, und Thau vom Grase pflüken,
Und jeder Primul Ohr mit einer Perle schmüken.
Fahr wol, du tölpelhafter Geist, ich muß entflieh'n;
Die Königin mit allen ihren Elfen
Ist im Begriff hieher zu zieh'n.
Puk.
Der König pflegt die Nacht durch hier zu schlummern.
Gieb Acht, daß deine Königin
Ihm ja nicht vor die Augen komme.
Denn Oberon ist noch von Zorn entbrannt,
Daß sie am Indus jüngst den schönsten Knaben,
Zu ihrer Aufwart, einem König raubte.
Der eifersücht'ge Oberon begehrt
Den schönen Knaben, daß er auf die Jagd
Ihn durch den wilden Forst begleiten helfe,
Von ihr zurük; doch immer unerbittlich
Behält sie ihren Liebling ganz für sich,
Bekränzt mit eigner Hand sein lokicht Haar,
Und macht aus ihm nur alle ihre Lust.
Seitdem begegnen sie sich niemals mehr
In Lauben, noch auf grünen Fluren, noch
An Silber-Quellen, noch beym Sternen-Licht;
So heftig ist ihr Zwist, daß alle ihre Elfen
Vor Angst in Ahorn-Becher sich verkriechen.
Feye.
Entweder irr' ich mich an deiner Bildung
Und Mine gänzlich, oder du
Bist jener schelmische leichtfert'ge Geist,
Den Robin Gutgesell das Landvolk nennt.
Bist du's nicht, der die Mädchen aus dem Dorfe
Bey Nacht erschrekt, der Milch die Sahne raubt,
Die Mühle heimlich dreht, macht daß umsonst die Bäurin
An fettem Rahm sich aus dem Athem rührt,
Und daß im Bier sich keine Hefen sezt;
Der arme Wandrer oft des Nachts verleitet,
In Sümpfe fährt, und ihres Harms noch lachet;
Allein für die, die dich Hob-Goblin nennen,
Und holden Puk, ihr Werk unsichtbar thust,
Und machst, daß sie gut Glük in allem haben;
Bist du nicht der?
Puk.
Du irrst dich nicht, ich bin's.
Ich bin der muntre Nachtgeist, den du meynest.
Ich gaukle stets um Oberon, und mach' ihn lächeln,
Wenn ich ein fettes bohnen-sattes Roß
Vergeblich wiehern mach'; ihm in Gestalt
Der schönsten Stutte nahend. Auch verberg ich mich
Oft in den Becher einer guten alten
Gevatterin, die gern den Becher leert;
Gleich einem rothgesottnen Krebs schwimm ich
Darinn herum, und wenn sie trinken will
Spring ich an ihre Lippen auf, und schütte
Den Kofent über ihren schlappen Busen.
Oft sieht, indem sie durch ein fröstig Mährchen
Die Nachbarinnen sanft zum Schlaf befödert,
Ein weises Mütterlein, troz ihrer Weisheit,
Für einen dreygebeinten Stuhl mich an;
Dann schlüpf ich unter ihr hinweg, sie wakelt
Mit Schwur und lächerlichem Zorn zu Boden;
Die ganze Zeche hält mit beyden Händen
Den Bauch, und schlägt das hallende Getäfel
Mit wieherndem Gelächter, klatscht und schwört,
Noch nie so lustig sich gemacht zu haben.*
Doch, Fee, flieh du, hier kömmt Oberon!
{ed.-* Ich habe mich genöthiget gesehen, einige ekelhafte Ausdrüke
aus diesem Gemählde in Ostadens Geschmak, wegzulassen. Ein Dichter,
der nur für Zuhörer arbeitete, hat sich im sechszehnten Jahrhundert
Freyheiten erlauben können, die sein Übersezer, der im achtzehnten
für Leser arbeitet, nicht nehmen darf.}
Feye.
Und hier, zum Unglük, meine Königin.

Zweyter Auftritt.
(Oberon der König der Feen, tritt auf einer, und Titania die
Königin der Feen, auf der andern Seite auf.)

Oberon.
Du suchst beim Mondschein mich, Titania?
Titania.
Wie, eifersücht'ger Oberon? du irrest!
Ihr Feen, schlüpft mit mir hinweg, ich habe
Sein Bett, und seinen Umgang abgeschworen.
Oberon.
Halt, Unverschämte, bin ich nicht dein Herr?
Titania.
So bin ich deine Frau! allein ich weiß
Die Zeit noch wol, da du vom Feen-Land
Dich heimlich stahlst, und in Corins Gestalt,
Den ganzen Tag an einer Linde sizend,
Auf deinem Haber-Rohr verliebte Seufzer
Der schönen Phyllida entgegen girrtest!
Sprich, warum eiltest du vom fernsten Gipfel
Des Inder-Lands hieher? Weßwegen sonst,
Als weil die strozende, Dianen-gleich
Geschürzte Amazonin, deine kriegrische
Gebieterin, mit Theseus sich vermählt?
Du kömmst, nicht wahr? ihr Bette zu beglüken?
Oberon.
Wie? läßt die Schaam diß zu, Titania,
Die Gunst Hippolitas mir vorzurüken?
Und weissest doch, ich kenne deine Liebe
Zu Theseus? Warest du es nicht, die ihn
Bey deinem eignen Schimmer, durch die Schatten
Der stillen Nacht, von Perigenias Seite,
Die er vorher geraubet hatt', entführte!
Und wer als du verführt' ihn, seine Schwüre
So viel betrognen Nymphen, Ariadnen,
Der schönen Ägle, und Antiope
Zu brechen?--
Titania.
Falsche, grillenhafte Träume
Der Eifersucht! Seit diese dich beherrschet,
Seit jenem Sommer kamen wir nicht mehr
Auf Hügeln, noch im Thal, im Hayn, auf Wiesen,
Am Quell' der über kleine Kiesel rauschet,
Noch raschen Bächen, die aus Felsen sprudeln,
Noch an des Meeres klippenvollem Strande,
Zum frohen Tanz zusammen, unsre Loken
Zum Spiel der flüsternden, scherzhaften Winde
Zu machen. Alle unsre Spiele hat
Dein Groll gestört. Drum haben auch die Winde,
Vergeblich uns zu pfeiffen überdrüssig,
Als wie zur Rache, seuchenschwangre Nebel
Tief aus der See gesogen, die hernach,
Aufs Land ergossen, jeden über uns
Erzürnten Bach mit solchem Stolze schwellten,
Daß ihre Fluth die Ebnen überströmte.
Umsonst hat nun der Stier sein Joch getragen,
Der Akermann hat seinen Schweiß verlohren,
Die grüne Ähre fault, eh ihre Jugend
Das erste Milchhaar kränzt.
Leer steh'n die Hürden im ertränkten Felde,
Und Krähen mästet die ersäufte Heerde.
Mit Schlamme ligt der Kegelplaz erfüllt,
Unkennbar und verschwemmt der glatte Pfad,
Der durch des Frühlings grüne Labyrinthe
Sonst leitete. Die Sterblichen entbehren
Der winterkürzenden gewohnten Freuden,
Und keine Nacht wird Hymnen mehr geweyht.
Nur Luna, die Beherrscherin der Fluthen,
Vor Unmuth bleich, wascht überall die Luft,
Und füllet sie mit fieberhaften Flüssen.
Die Jahreszeiten selbst verwirren sich,
Beschneyte Fröste sinken in den Schoos
Der frischen Ros', und auf des alten Winters
Eys-grauer Scheitel wird, als wie zum Spott,
Ein Kranz gesezt von holden Sommer-Knospen.
Der Lenz, der Sommer, der fruchtreiche Herbst,
Der Winter wechseln ihre Liverey,
Und die erstaunte Welt erkennt nicht mehr
An dem gewohnten Schmuk, wer jeder ist.
Diß ganze Heer von Plagen kömmt allein
Von unserm Groll, von unsrer Zwiespalt her.
Wir sind die Eltern dieser schwarzen Brut!
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