Ein St.-Johannis-Nachts-Traum - 2

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Oberon.
So helfet dann, es ligt allein an euch!
Wie kan Titania ihren Oberon
Noch länger quälen? Alles was ich bitte,
Ist nur ein kleiner Laff von einem Jungen,
Aus dem ich einen Pagen machen will.
Titania.
Gebt euch zufrieden! Niemals kan diß seyn.
Das ganze Feenland erkaufte nicht
Diß Kind von mir. Ich liebte seine Mutter,
Sie war von meinem Orden, und hat oft
Des Nachts in Indiens süß-gewürzter Luft
Durch ihre Spiele mir die Nacht verkürzt.
Sie saß dann auf Neptuni gelbem Sand
Bey mir, und sah den göldnen Schiffen nach,
Die durch die Fluth mit Pegus Schäzen eilten;
Wir lachten, wenn wir sahen, wie die Seegel,
Vom ausgelaßnen Wind geschwängert, schwollen;
Diß äffte sie, mir eine Lust zu machen,
Mit anmuthsvoller schwimmender Bewegung,
Kurzweilend nach, (ihr Leib war damals reich
Von meinem jungen Ritter) segelte
Ans Land, mir Kleinigkeiten abzuholen,
Und kehrte wieder, wie von einer Reise,
Mit reichen Waaren, um. Jedoch da sie
Nur sterblich war, starb sie an diesem Kinde,
Und ihrentwegen zieh' ich ihren Knaben auf,
Und ihrentwegen will ich ihn nicht lassen.
Oberon.
Wie lange denkt ihr noch in diesem Hayn zu bleiben?
Titania.
Vielleicht bis nach dem Hochzeittag des Theseus.
Gefällt es euch in unserm Kreis zu tanzen,
Und unsern Mondlicht-Spielen zuzusehen,
So folget uns; wo nicht, so weicht mich aus,
So wie ich eure Jagden meiden will.
Oberon.
Gieb mir den Knaben, und ich geh' mit dir.
Titania.
Nicht für dein Königreich. Ihr Elfen, weg!
Es giebt nur Zank, wenn wir uns länger säumen.
(Die Königin, und ihr Gefolg geht ab.)

Oberon.
Gut, geh' nur deinen Weg! eh du den Hayn
Verlassen hast, soll dich dein Troz bestraffen--
Hieher, mein muntrer Puk! Besinn'st du dich,
Daß ich auf einem Vorgebürg einst saß,
Und hörte der Syrenen einer zu,
Wie sie, auf eines Delphins Rüken sizend,
So zaubrisch-süsse Töne von sich hauchte,
Daß selbst die rohe See bey ihrem Liede
Mild ward, und liebestrunkne Sterne taumelnd
Aus ihren Sphären sanken, der Musik
Der Wasser-Nymphe zuzuhören?--
Puk.
--Ich
Erinnere mich's ganz wol.
Oberon.
Zu gleicher Zeit sah' ich, (du konntest nicht)
Den Liebesgott in hastiger Unruh, zwischen
Dem Erdball und dem kalten Monde fliegen;
Er hielt, und richtete den straffen Bogen
Nach einer göttlichen Vestalin,* die
Im Westen thront', und schoß mit solcher Macht
Den Liebespfeil von seinem Bogen ab,
Als sollt' er hunderttausend Herzen spalten;
Allein ich sah' es, wie sein feur'ger Pfeil
Im keuschen Stral des feuchten Monds sich löschte,
Und in jungfräulichen Betrachtungen,
Mit freyem Geist, die königliche Schöne
Vorübergieng. Da merkt' ich, wo der Pfeil
Des Amors fiel--Er fiel
Auf eine kleine Blume, vormals weiß
Wie Milch, izt röthlicht von der Liebes-Wunde,
Und Mäd'gens nennen sie die müssige Liebe.
Brich' diese Blume mir; ich zeigte dir
Das Kräutchen einst; ihr Saft auf schlummernde
Auglieder ausgegossen, hat die Kraft,
Mann oder Mädchen bis zum Aberwiz
Ins nächste Ding, das ihrem Blik begegnet,
Verliebt zu machen. Pflüke diese Blume,
Und sey mir wieder hier,
Eh Leviathan eine Meile schwimmt.
{ed.-* Der Umstand, daß dieses Lustspiel noch unter der Regierung der
Königin Elisabeth aufgeführt worden, wird es einem jeden merklich
machen, daß die Vestalin niemand anders als diese jungfräuliche
Heldin bezeichne. Daß aber unter der Syrene die Königin Maria von
Schottland abgebildet sey, scheint der scharfsichtige Warbürton
zuerst angemerkt zu haben. Er bemerkt überhaupt, dieser
allegorische Schleyer, unter welchem ein Gemisch von Lob und
Satyre verborgen ist, müsse uns auf den Schluß leiten, daß die
Rede von einer Person sey, welche der Poet unverdekt weder loben
noch schelten durfte. Dieses passe nun völlig auf Maria von
Schottland. Die Königin Elisabeth konnte nicht leiden, wenn Maria
gelobt wurde; und ihr Nachfolger, (Jakob der 1ste,) würde eine
Satyre auf seine Mutter nicht vergeben haben. Allein, fährt
Warbürton fort, der Poet hat jeden unterscheidenden Umstand ihres
Lebens und Charakters in dieser schönen Allegorie so deutlich
ausgezeichnet, daß über seine geheime Absicht kein Zweifel übrig
bleiben kan. Sie wird 1.) eine Syrene genannt aus dem
entgegengesezten Grunde, warum Elisabeth eine Vestalin heißt,
nemlich einer Untugend wegen, um derentwillen diese unglükliche
Princessin eben so berüchtigt ist, als die Syrene bey den alten
Dichtern. 2.) Der Rüken des Delphins, worauf sie sizt, deutet auf
die Vermählung der Königin Maria mit dem Dauphin von Frankreich,
dem Sohn Heinrichs des 2ten. 3.) Der bezaubernde Gesang dieser
Syrene ist eine Anspielung auf die ausserordentlichen Reizungen und
Talente der gedachten Princessin, wodurch sie bey ihrem Aufenthalt
am Französischen Hofe alle Welt in Verwundrung sezte. 4.) Daß ihre
Stimme die wilde See selbst zahm gemacht, deutet auf die während
ihrer Abwesenheit in Schottland entstandnen Unruhen, die ihre
Wiederkunft sogleich wieder gestillet. Warbürton merkt an, die
Schönheit dieses Bildes sey desto grösser, weil der gemeinen Sage
nach, die Syrenen oder Meerweiber nur in Stürmen singen. 5.) Die
verliebten Sterne, die ihr zulieb aus ihren Sphären sanken,
bezeichnen verschiedene Herren von dem Englischen hohen Adel,
welche von dieser Princessin in ihr unglükliches Schiksal gezogen
worden, besonders die Grafen von Northumberland und Westmorland,
und den Herzog von Norfolk, den das Project sie zu heurathen das
Leben kostete.}
Puk.
Ich wollte, wenn du es befählest,
In viermal zeh'n Minuten einen Gürtel
Rings um die Erde zieh'n.
(Geht ab.)
Oberon.
--Hab' ich nun
Erst diesen Saft, so will ich lauern, bis
Titania schlafend ligt, und dann die Tropfen
Auf ihre Augen träufeln.
Das nächste Ding, worauf sodann erwachend
Ihr Auge ruht, sey's Löwe oder Bär,
Wolf oder Stier, Waldteufel oder Affe,
Wird sie mit Sehnsucht, mit dem Geist der Liebe
Verfolgen. Nimmer will ich diesen Zauber
Von ihren Augen nehmen, (wie ich's kan),
Bis sie den Knaben mir bewilligt hat.
Wer kömmt hier, ich bin unsichtbar, und will
Behorchen, was sie sprechen--

Dritter Auftritt.
(Demetrius, welchem Helena folget)

Demetrius.
Was verfolgst
Du den, der dich nicht liebt? Wo ist Lysander? wo
Die schöne Hermia? jenen will ich tödten,
Und diese tödtet mich. Du sagtest mir,
Sie hätten sich in diesen Wald gestohlen;
Und hier bin ich, und wild in diesem Walde,*
Weil ich hier meine Hermia nicht entdeke.
Weg, pake dich, und folge mir nicht mehr!
{ed.-* (And here am I, and Wood within this Wood. Wood) heißt
Wald, und heißt auch wüthend, wild; dieses dem Shakespeareso
gewöhnliche Spiel mit dem Schall der Worte hat im Deutschen hier
nur unvollkommen ausgedrükt werden können, und wird künftig oft
gar nicht geachtet werden.}
Helena.
Du ziehst mich an, hartherziger Magnet,
Doch ziehest du nicht Eisen; denn mein Herz
Ist treu wie Stah'l. Hör' auf mich anzuziehen,
Und ich will unterlassen dir zu folgen.
Demetrius.
Such' ich dich zu gewinnen? Sag' ich dir
Liebkosungen? und nicht vielmehr mit runder
Aufrichtigkeit, daß ich dich weder liebe,
Noch lieben kan?
Helena.
--Und eben dessentwegen
Lieb' ich dich desto mehr; ich bin dein Hündchen,
Demetrius! das nur destomehr liebkoset,
Je mehr du's schlägest. Halte mich nur so,
Als wie dein Hündchen, scheuche, schlage mich,
Vergiß, verliehr' mich, nur erlaube mir,
So werthlos als ich bin, dir stets zu folgen;
Welch schlechtern Plaz kan ich in deiner Liebe
Erfleh'n, (und doch ist er in meinen Augen hoch!)
Als daß du mich wie deinen Hund nur haltest?
Demetrius.
Reiz nicht zu sehr den Abscheu meiner Seele;
Mir wird schon übel, wenn ich dich nur sehe.
Helena.
Und mir ist übel, wenn ich dich nicht sehe.
Demetrius.
Du sezest deine Tugend in zu grosse
Gefahr, die Stadt so zu verlassen, und
Dich in die Hände eines Manns, der dich
Nicht liebt zu liefern, und der lokenden
Bequemen Nacht, und dieses öden Waldes
Versuchung, deiner jungferlichen Ehre
Kostbaren Werth so sorglos zu vertrauen.
Helena.
O! Meine Sicherheit ist deine Tugend!
Und darum, däucht mich, bin ich nicht im Dunkeln.
Es ist nicht Nacht, wenn ich dein Antliz sehe;
Auch fehlt es diesem Hayne nicht an Welten
Gesellschaft; denn für mich bist du die ganze Welt.
Wie kan man denn, daß ich allein sey, sagen,
Wenn alle Welt hier ist, und auf mich schaut?
Demetrius.
Ich werde von dir rennen, in das Farrenkraut;
Mich dort versteken, und den wilden Thieren
Dich überlassen--
Helena.
--O! das wildeste
Hat kein solch Herz wie du! Flieh', wenn du willst,
Flieh' nur, so wird sich die Geschichte drehen,
Apollo flieh'n, und Daphne ihn verfolgen.
Die Daube jagt den Gey'r, die sanfte Hindin eilt
Den Tyger zu erhaschen. Schwaches Eilen!
Wenn Zagheit jagt, und Dapferkeit entflieht.
Demetrius.
Ich will nicht länger säumen, deine Fragen
Zu hören. Laß mich geh'n; und folgst du mir,
So glaube nur, ich füge dir ein Leid
In diesem Holze zu--
Helena.
--O! in der Stadt
Im Feld, im Tempel fügst du Leid mir zu!
O! schäme dich, Demetrius, deine Härte
Entehret mein Geschlecht. Wir können nicht
Für Liebe fechten, wie die Männer mögen;
Gesucht zu werden, und nicht selbst zu suchen,
Sind wir gemacht!--jedoch, ich folge dir;
Und selbst der Tod von dieser werthen Hand
Wird eine Hölle mir zum Himmel machen.
(Sie gehen ab.)

Vierter Auftritt.

Oberon.
Fahr wol, o Nymph'! eh du den Hayn verlässest,
Sollt du ihn flieh'n, er deine Liebe suchen. (Puk tritt auf.) Wo
ist die Blume? Willkommen, Wand'rer!
Puk.
Hier ist sie!
Oberon.
Gieb sie her. Ein Hügel
Ist mir bekannt, wo wilder Thymus blüht,
Wo Ochsenzung' und wankende Violen,
Hoch überwölbt von weichem Geißblatt,
Von Muscus-Rosen und Hambutten wachsen;
Dort schläft Titania einen Theil der Nacht,
Durch Tänz' und Scherz in Blumen eingewiegt,
Und eingeschleyert in der schönsten Schlange
Geschmelzte Haut, die sie dort abwarf, weit
Genug, um eine Fee darein zu wikeln.
Schläft sie, dann will ich diesen Zauber-Saft
Auf ihre Augen streichen, und ihr Hirn
Mit ungereimten Phantasien füllen.
Nimm du davon, und suche durch den Hayn.
Ein holdes Mädchen von Athen verfolgt,
Von Liebe krank, den Jüngling der sie hasset.
Bestreiche seine Augen, aber so,
Damit das erste was er wachend sieht
Das Mädchen sey. Du wirst am Attischen Gewand
Ihn leicht erkennen. Mache daß er sie
Inbrünstiger noch liebe, als sie ihn,
Und siehe zu noch vor dem ersten Krähen
Des frühen Hahns, mich wieder hier zu finden.
Puk.
Verlaß dich, Herr, auf deines Dieners Fleiß!
(Sie gehen ab.)

Fünfter Auftritt.
(Die Königin der Feen, und ihr Gefolge.)

Königin.
Kommt einen Rundtanz und ein Feen-Lied,
Dann für den dritten Theil der Nacht hinweg!
Die einen in der Muscus-Rose Knospen
Der Raupen Brut zu tödten; andre sollen
Mit Fledermäusen um ihre Flügel kämpfen,
Um meinen Elfen Röke draus zu machen!
Andre die schreyerische Eule, die uns nächtlich
Belauscht, und unsrer Scherze sich verwundert
Von hinnen treiben! Singt mich nun in Schlaf,
Denn weg zu eurer Pflicht, und laßt mich ruhen. (Die Feen singen.)
1. Ihr zweygezüngten bunten Schlangen,
Ihr dornenvollen Igel, hin!
Ihr Nattern, die um Blumen hangen
Nah't nicht unsrer Königin!
Philomelens Melodey
Sing' in unsrer Lullabey!
Lulla, lulla, lullabey, :|:
Kein Harm und keine Zauberey,
Komm unsrer holden Frauen bey!
So gute Nacht mit lullabey. 2. Ihr webenden Spinnen flieht von
hier,
Du langgebeinte--* flieh!
Ihr schwarzen Schröter nah't nicht ihr!
Kein Wurm noch Schnaak berühre sie!
Philomelens Melodie u.s.w.
{ed.-* Spider.}
Eine Fee.
Hinweg, Sie schläft schon, folget mir,
Doch Eine bleib und wache hier!
(Die Feen gehen ab.)
(Oberon tritt wieder auf.)
Oberon.
Was du sieh'st, wenn du erwach'st,
Soll dein Herz mit Glut erfüllen,
Brenn' und schmacht' um seinetwillen,
Möcht es Panther, Stachelschwein,
Löwe oder Kaze seyn!
Was zuerst dein Aug erblikt,
Ist der Schaz, der dich entzükt!

Sechster Auftritt.
(Lysander und Hermia.)

Lysander.
Du schmachtest, Theure, von dem langen Irren
Im Walde, und die Wahrheit zu gesteh'n,
Die Nacht hat uns vom rechten Weg verleitet;
Laß uns hier ruhen, Hermia, und den Tag
Wenn dir's beliebt, erwarten.
Hermia.
--Sey es so
Lysander! Suche dir ein Lager aus;
Ich will mein Haupt auf diesen Wasen legen.
Lysander.
Ein Wasen soll zum Kissen beyden dienen;
Ein Herz, ein Bett, zween Busen, eine Treu!
Hermia.
Nicht so, Lysander! Mir zu lieb, mein Werther,
Lig weiter weg, lig nicht so nah' bey mir!
Lysander.
Nimm, Holde, was ich sagte, wie ich's meynte;
Laß deiner eignen Liebe Unschuld dir
Die Sprache meiner Liebe deuten.
Mein Herz ist so dem deinigen verwebt,
Daß eine Seele nur in beyden lebt!
Zween Busen, durch den gleichen Eyd verschlungen;
So sind's zween Busen zwar, doch eine Treue!
Versag' mir also nicht den Plaz an deiner Seite,
O Hermia, denn so ligend lüg ich nicht.
Hermia.
Lysander spielt ganz artig mit den Worten.
Doch, liebster Freund, aus Zärtlichkeit und Achtung
Für mich, lig weiter weg; so weit die Zucht,
Der Menschheit Vorrecht, sagt, daß einem Mädchen
Und einem tugendhaften Jüngling zieme,
So weit entferne dich! Nun gute Nacht,
Mein süsser Freund, und möge deine Liebe
Sich nur mit deinem holden Leben enden!
Lysander.
Mein Leben ende dann, wenn meine Liebe!
Hier soll mein Bette seyn. Der sanfte Schlaf
Mög' alle seine Ruh' auf dich ergiessen!
Hermia.
Und dieses Wunsches Helfte des Wünschers Augen schliessen!
(Sie schlaffen.)
(Puk tritt auf)
Puk.
Keinen Jüngling von Athen
Konnt ich in dem Hayn erspäh'n,
Dessen Auge dieser Blume
Zauberkraft bewähren könne!
Nacht und Stille! Wer ist der?
Kleider von Athen trägt er.
Der ist's, den der König meynt,
Um den diß gute Mädchen weint.
Hier ligt es, hier, und schläft gesund
Auf dem feuchten lokern Grund.
Die holde Seele! durft's nicht wagen,
Sich näher zu dem wilden Manne,
Dem Mädchen-Hässer hinzulegen.
Kerl'! ich gieß auf deine Augen
Allen Zauber dieser Blume!
Wach'st du auf, so soll dem Schlummer
Amors Zorn auf deinem Auglied
Den gewohnten Siz verbieten.
(Geht ab.)

Siebender Auftritt.
(Demetrius, und Helena, die ihm nacheilt.)

Helena.
Steh' hier, Demetrius, wär's auch mich zu tödten!
Demetrius.
Ich sag's dir, weg, und jage mich nicht so!
Helena.
Ach! willt du hier im Dunkeln mich verlassen?
Demetrius.
Bleib wo du willt, ich will alleine geh'n.
(Demetrius geht ab.)
Helena.
O! ich bin athemlos von dieser Jagd.
Glüksel'ge Hermia, wo du izt auch ligst,
Dich hat des Himmels Gunst allein mit Augen
Die Seelen an sich zieh'n, begabt.
Was machte sie so glänzend? wahrlich nicht
Gesalzne Thränen; diese waschen öfter
Die meinen als die ihrigen! Nein! ich bin
So häßlich als ein Bär, die Thiere selbst
Die mir begegnen flieh'n erschrekt von mir.
Was Wunder, daß, wenn mich Demetrius sieh't,
Er meine Gegenwart wie eines Scheusals flieht.
Welch ein verwünschtes lügenhaftes Glas
Beredte mich, mit Hermias Sternen-Augen
Die meinen zu vergleichen!--Wer ist hier?
Lysander auf dem Grund! todt oder schlafend?
Ich sehe weder Blut noch Wund'. Erwache
Lysander, wenn du lebst, so höre mich!
Lysander (erwachend.)
Und durch die Flammen selbst renn' ich für dich!
Glanzreiche Helena! welch eine Kunst,
Beweiset die Natur, die mich dein Herz
Durch deinen Busen sehen läßt!
Wo ist Demetrius? O! verhaßter Name,
Gemacht, auf meinem Schwerdte zu ersterben.
Helena.
O! Sprich nicht so, Lysander, sprich nicht so!
Liebt er gleich deine Hermia! was ists mehr?
Sie liebet doch nur dich; drum sey zufrieden!
Lysander.
Mit Hermia? Wahrlich, nein! wie reuen mich
Die freudenlosen Augenblike,
Die sie mir stahl! Nicht Hermia, Helena
Ist's die ich liebe. Wer wird nicht den Raben
Um eine Daube tauschen? Unser Wille
Wird durch Vernunft beherrscht, und diese sagt,
Du sey'st die Liebenswerthere unter beyden.
Was noch erst wächßt, reift nicht vor seiner Zeit!
So reift' ich, noch zu jung, nicht zur Vernunft
Bis diesen Augenblik. Izt da mein Wachsthum
Den Punct der Reiff erreicht hat, ist Vernunft
Der Marschall über meinen Willen,
Und leitet mich zu deinen Augen hin,
Der Liebe reizendste Geschichten in
Der Liebe reichstem Buch zu lesen.
Helena.
Wofür ward ich zu diesem Hohn gebohren?
Wenn hab' ich diese Schmach um dich verdient?
Ists nicht genug, ists nicht genug, o Jüngling,
Daß von Demetrius Augen ich noch nie
Mir einen günstigen Blik erwerben konnte?
Must du noch meines Unvermögens spotten?
Diß ist unedel! Ja, fürwahr, es ist!
Doch fahre wohl! Du zwingst mir's ab, zu sagen,
Daß ich dich Meister beßrer Sitten glaubte.
O! daß ein Mädchen, die ein Mann verschmäht,
Vom andern noch verspottet werden soll!
(Sie geht.)
Lysander.
Sie siehet Hermia nicht; Hier, schlaf du, Hermia!
Und möchtest du Lysandern nimmer nahen!
Denn wie das Übermaaß der angenehmsten Speisen
Den Magen nur mit grösserm Ekel drükt;
Wie Kezereyen, wenn wir sie verlassen,
Uns nur verhaßter sind, je mehr sie einst uns täuschten,
So sey du, meine Unverdaulichkeit,
Und meine Kezerey,* von aller Welt
Gehasset, doch von niemand mehr als mir!
Und alle Kräfte meines Wesens sollen,
Für Helena zu Liebestrieben werden.
{ed.-* Man hat, so seltsam diese Einfälle tönen, eine wörtliche
Übersezung derselben gut befunden; und wird dieses noch öfters
thun, damit die Leser den Shakespeareauch von dieser Seite kennen
lernen.}
(Er geht ab.)
Hermia.
Hilf mir, Lysander! hilf! ich flehe dir,
Reiß diese Schlang' aus meiner Brust!--Weh mir!
Was für ein Traum war das! Lysander! sieh'
Wie ich vor Schreken schlottre--Eine Schlange,
Fraß, däuchte mich, mein Herz, und du
Sah'st lächelnd zu!--Lysander!--wie? Entfernt?
Lysander! Freund! Wie bist du denn so ferne,
Daß du nicht hören kanst?--Kein Wort, kein Laut!
Ach, ach! wo bist du, sprich, wenn du noch hör'st,
O sprich, um aller Liebesgötter willen!
(Mir wird vor Angst ohnmächtig)--Nun?--Ich will
Es bald erfahren, ob du ferne bist.
Ich geh' den Tod zu finden, oder dich.
(Geht ab.)


Dritter Aufzug.

Erster Auftritt.
(Der Wald.)
(Squenz, Zettel, Schnok, Flaut, Schnauz und Schluker treten auf.)
(Die Feen-Königin ligt noch schlafend.)

Zettel.
Sind wir alle beysammen?
Squenz.
Recht gut! recht gut! Das ist ein unvergleichlicher Plaz zu
unsrer Probe. Dieser grüne Plaz soll unser Schauplaz seyn; die
kleine Wiese hinter diesem Weißdorn-Zaun unsre Kammer zum Ankleiden;
und wir wollen nur gleich so agieren, als ob es vor dem Herzog
wäre.
Zettel.
Peter Squenz--
Squenz.
Was willt du, Schurke Zettel?
Zettel.
Es sind Sachen in dieser Comödie von Pyramus und Thisbe, die
nimmermehr gefallen werden. Fürs erste: So muß Pyramus ein
Schwerdt ziehen, sich selbst umzubringen, und das werden die Damen
nicht aushalten können. Was antwortet ihr auf das?
Schnauz.
Beym Velten, das wird Kopf-Verbrechens brauchen!
Schluker.
Ich denke, wir müssen eben das Umbringen auslassen, wenn alles
andre vorbey ist.
Zettel.
Nichts, nichts! ich habe einen Einfall der alles gut machen wird:
Schreibet mir einen Prologus, und laßt ihn sagen, daß wir mit
unsern Schwerdtern kein Unglük anstellen werden, und daß Pyramus
nicht würklich umgebracht wird; und zu desto grösserer Sicherheit
laßt ihn sagen, daß ich Pyramus nicht Pyramus bin, sondern Claus
Zettel der Weber; das wird ihnen schon die Furcht benehmen.
Squenz.
Gut, wir wollen einen solchen Prologus haben, und er soll in acht
und sechsen* geschrieben seyn.
{ed.-* In einem Sonnet, welches wie bekannt, nur vierzehn Zeilen
haben darf.}
Zettel.
Nein, machet zwey mehr; schreibt es in acht und achten.
Schnauz.
Werden die Damen nicht auch über den Löwen erschreken?
Schluker.
Ich fürcht' es, das versprach' ich euch.
Zettel.
Ihr Herren, bedenket vorher was ihr thun wollt; einen Löwen, Gott
bewahr uns! unter Damen zu bringen, ist eine fürchterliche Sache;
denn es ist kein schlimmerer Waldvogel als euer Löwe, wenn er
lebendig ist; wir können zusehen.
Schnauz.
Es muß also ein andrer Prologus sagen, daß er kein Löwe ist.
Zettel.
Man kan ja seinen Namen nennen, und sein halbes Gesicht durch des
Löwen Hals hervor guken lassen; und er selbst kan daraus hervor
reden, und so oder zu eben diesem Defect sagen: Lädies, oder schöne
Lädies, ich wollte wünschen, oder ich wollte gebetten haben, oder
ich wollte ersucht haben, fürchten Sie sich nicht, zittern Sie
nicht so; mein Leben für das Ihrige, es soll ihnen nichts geschehen!
Wenn Sie dächten, ich komme hieher als ein Löwe, so daurte mich
nur meine Haut; Nein, nein, ich bin nichts dergleichen, ich bin ein
Mensch wie andre Menschen; und dann kan er sich ja nennen, und
ihnen rund heraus sagen, daß er Schnok der Schreiner ist.
Squenz.
Gut, so soll es seyn. Aber es sind noch zwey harte Puncten: Eins
ist, wie wollen wir den Mondschein in das Zimmer bringen? denn ihr
wißt, Pyramus und Thisbe kommen beym Mondschein zusammen.
Schnok.
Scheint der Mond in der Nacht, worinn wir spielen?
Zettel.
Einen Calender! einen Calender! sehet in den Almanach: Suchet
Mondschein, suchet Mondschein!
Squenz.
Ja, er scheinet diese Nacht.
Zettel.
Nun, so kan man ja einen Flügel von dem grossen Kammerfenster, wo
wir spielen, offen lassen; und der Mond kan durch den Flügel herein
scheinen.
Squenz.
Ja, oder es könnte auch einer mit einem Dornbusch und einer Laterne
heraus kommen, und sagen, er komme die Person des Mondscheins zu
presidieren, oder zu defiguriren. Aber es ist noch etwas; wir
müssen in der grossen Kammer eine Wand haben, denn Pyramus und
Thisbe, sagt die Historie, redten durch die Spalte einer Wand mit
einander.
Schnok.
Ihr werdet nimmermehr keine Wand hinein bringen können. Was sagst
du, Zettel?
Zettel.
Einer oder ein Andrer muß die Wand vorstellen; er kan etwas
Pflaster, oder etwas Leim, oder etwas Merdel an sich haben, das
eine Mauer bedeutet; oder laßt ihn seine Finger so halten, und
durch die Spalte können Pyramus und Thisbe wispern.
Squenz.
Wenn das angeht, so ist alles gut. Kommet, jeder Mutters-Sohn size
nieder, und probieret eure Pärte. Pyramus, ihr fanget an; wenn ihr
eure Rede gesprochen habet, so geht hinter diesen Zaun; und so ein
jeder wie es sein Merkwort erfodert.

Zweyter Auftritt.
(Puk tritt von hinten auf.)

Puk.
Was für ein Hauffen Galgenschwengel lermen
So nah' beym Lager unsrer Königin?
Wie? Gar ein Schauspiel? Ich will Hörer seyn;
Vielleicht auch Acteur, wenn ich Anlas finde.
Squenz.
Redet, Pyramus, Thisbe stehet weiter weg.
Pyramus.
"Thisbe, wie eine Blum' schmekt von Geschmäken süß."
Squenz.
Gerüchen! Gerüchen!
Pyramus.
"Gerüchen G'schmäken süß.
So thut dein Athem auch, o Thisbe, meine Zier!
Doch horch, ich hör ein' Stimm'; es ist mein Vater g'wiß,
Bleib eine Weile steh'n, ich bin gleich wieder hier."
Puk.
Ein Pyramus, wie man nicht immer sieht!
Thisbe.
Muß ich izt reden?
Squenz.
Ja, zum Henker, freylich müßt ihr; ihr müßt wissen, daß er nur
weggegangen ist, weil er ein Getöse gehört hat; er wird gleich
wieder kommen.
Thisbe.
"Umstrahlter Pyramus, an Farbe Lilien-weiß,
Und roth wie eine Ros' auf triumphiern'dem Strauch.
Du muntrer Juvenil, der Männer Zier und Preis,
Treu wie das treuste Roß, das nie ermüdet auch.
Ich will dich treffen an, glaub mir, bey Ninny's* Grab."
Squenz.
Nini Grab, Mann! Aber das müßt ihr nicht izo sagen; das antwortet
ihr dem Pyramus. Ihr sagt euern ganzen Part auf einmal her,
Merkwörter und allen Plunder!--Pyramus!--heraus! Euer Merkwort ist
schon gesagt, es ist ermüdet auch. (Zettel kömmt wieder mit einem
Eselskopf heraus.)
Thisbe.
O! "So treu wie's treuste Roß das nie ermüdet auch."
Pyramus.
"Wenn, Thisbe, ich wär' schön, so wär' ich einzig dein."
Squenz.
O! Abentheur! O! Wunder! Es spükt um uns herum. Helft, ihr
Herren! flieht, ihr Herren, helft!
(Sie lauffen alle davon.)
Puk.
Ich will euch folgen, ich will euch im Kreise
Durch Sumpf und Busch, durch Kraut und Disteln jagen,
Ein Pferd will ich bald seyn, und bald ein Hund,
Ein Schwein, ein Bär, und bald ein flatternd Feuer,
Und wiehern, bellen, grunzen, brummen, brennen,
Wie Pferd, und Hund, und Schwein, und Bär, und Feuer.
(Geht ab.)
Zettel.
Warum lauffen sie davon. Es ist nur eine Schelmerey von ihnen, mir
Angst zu machen. (Schnauz kommt heraus.)
Schnauz.
Zettel, du bist verwandelt! was seh' ich auf dir?
Zettel.
Was du sieh'st? du sieh'st einen Eselskopf auf deinem eignen;
nicht so?
(Schnauz geht ab.)
(Squenz kommt)
Squenz.
Der Himmel sey dir gnädig, Zettel, du bist transferirt.
(Geht ab.)
Zettel.
Ich merke ihre Schelmerey, sie wollen einen Esel aus mir machen,
und mich erschreken wenn sie könnten; aber ich will nicht von der
Stelle gehen, thun sie was sie können; ich will hier auf und ab
spazieren, und singen, damit sie hören, daß ich mir nicht fürchte.
(Er singt.)
Der Amsel-Hahn von Farb so schwarz,
Von Schnabel Orangen-gelb,
Die Drostel, die so lustig singt,
Das muntre Zeisiglein.
Titania (erwachend.)
Welch Engel weket mich von meinem Blumenbette?
Zettel.
Der Fink, der Sperling und die Lerch,
Der graue Kukuk fein,
Des wahrhaft Lied so mancher hört,
Und darf nicht sagen, Nein! Denn, in der That, wer wollte seinen
Wiz gegen einen so närrischen Vogel sezen? Wer wollte einen Vogel
lügen heissen, und wenn er noch so viel Kuku** schrie?
Titania.
Ich bitte dich, sing' wieder, o du schönster
Der Sterblichen, mein Ohr ist ganz verliebt
In deine Melodey; so ist mein Auge
Entzükt von deiner Bildung, und mein Mund
Von deiner schönen Tugend Macht gezwungen,
Beym ersten Blik dir zu gesteh'n, zu schwören,
Daß ich dich liebe--
Zettel.
Mich dünkt, Frau, ihr solltet nicht viel Ursache dazu haben; und
doch, die Wahrheit zu sagen, Vernunft und Liebe halten einander
heut zu Tage selten Gesellschaft. Es ist zu bedauern, daß nicht
ein oder andre ehrliche Nachbarn sie zu Freunden machen. Gelt!
ich kan bey Gelegenheit auch spassen?
Titania.
Du bist so weise, als du reizend bist.
Zettel.
Keines sonderlich; doch wenn ich Wiz genug hätte, wieder aus diesem
Wald zu kommen, so hätte ich gerade so viel, als ich für mich
selbst brauche.
Titania.
O! wünsche nicht aus diesem Hayn zu kommen;
Hier sollt du bleiben, willig oder nicht.
Ich bin ein Geist, von nicht gemeiner Art,
Ein ew'ger Sommer wohnt auf meinem Staate;
Ich liebe dich; drum geh' mit mir, ich will
Dir Feen geben, welche dich bedienen,
Und dir Juweelen aus der Tieffe holen,
Und singen, wenn auf Blumen du entschlummerst;
Und deine grobe sterbliche Natur
Will ich zur Feinheit lüftiger Geister läutern.
Senfsaamen, Bohnenblühte, Milbe, Spinnenweb! * Das Wortspiel ligt
in der Verwechslung von (Ninus's) und (Ninny's. Ninny) heißt ein
Tölpel, oder dummer Junge. ** Auch hier ligt der Scherz in der
Ähnlichkeit des Worts (Cuckow), welches einen Kukuk, und (Cuckold),
welches einen Ritter von dem Orden der grossen Brüderschaft
bezeichnet.

Dritter Auftritt.
(Die vier Feen treten auf.)

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