Die Juden - 2

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Dank bei mir verdienen.
Lisette. Gehen Sie nur.
Christoph. Sie werden es also nicht übelnehmen, mein Herr, daß wir es
uns bei Ihnen gefallen lassen. Aber ich bitte, machen Sie sich
meinetwegen keine Ungelegenheit; ich bin mit allem zufrieden, was da
ist.
Der Baron. Lisette, ich übergebe ihn deiner Aufsicht. Laß ihn an
nichts Mangel leiden. (Geht ab.)
Christoph. Ich empfehle mich also, Mademoisell, Dero gütigen Aufsicht,
die mich an nichts wird Mangel leiden lassen (will abgehen).

Zehnter Auftritt
Lisette. Christoph.

Lisette (hält ihn auf). Nein, mein Herr, ich kann es unmöglich über
mein Herz bringen, Sie so unhöflich sein zu lassen--Bin ich denn nicht
Frauenzimmers genug, um einer kurzen Unterhaltung wert zu sein?
Christoph. Der Geier! Sie nehmen die Sache genau, Mamsell. Ob Sie
Frauenzimmers genug oder zuviel sind, kann ich nicht sagen. Wenn ich
zwar aus Ihrem gesprächigen Munde schließen sollte, so dürfte ich
beinahe das letzte behaupten. Doch dem sei, wie ihm wolle; jetzt
werden Sie mich beurlauben;--Sie sehen, ich habe Hände und Arme voll.
--Sobald mich hungert oder dürstet, werde ich bei Ihnen sein.
Lisette. So macht's unser Schirrmeister auch.
Christoph. Der Henker! das muß ein gescheuter Mann sein: er macht's
wie ich!
Lisette. Wenn Sie ihn wollen kennenlernen: er liegt vor dem
Hinterhause an der Kette.
Christoph. Verdammt! ich glaube gar, Sie meinen den Hund. Ich merke
also wohl, Sie werden den leiblichen Hunger und Durst verstanden haben.
Den aber habe ich nicht verstanden; sondern den Hunger und Durst der
Liebe. Den, Mamsell, den! Sind Sie nun mit meiner Erklärung
zufrieden?
Lisette. Besser als mit dem Erklärten.
Christoph. Ei! im Vertrauen:--Sagen Sie etwa zugleich auch damit so
viel, daß Ihnen ein Liebesantrag von mir nicht zuwider sein würde?
Lisette. Vielleicht! Wollen Sie mir einen tun? im Ernst?
Christoph. Vielleicht!
Lisette. Pfui! was das für eine Antwort ist! vielleicht!
Christoph. Und sie war doch nicht ein Haar anders, als die Ihrige.
Lisette. In meinem Munde will sie aber ganz etwas anders sagen.
Vielleicht, ist eines Frauenzimmers größte Versicherung. Denn so
schlecht unser Spiel auch ist, so müssen wir uns doch niemals in die
Karte sehen lassen.
Christoph. Ja, wenn das ist!--Ich dächte, wir kämen also zur Sache.
--(Er schmeißt beide Mantelsäcke auf die Erde.) Ich weiß nicht, warum
ich mir's so sauer mache? Da liegt!--Ich liebe Sie, Mamsell.
Lisette. Das heiß ich, mit wenigen viel sagen. Wir wollen's
zergliedern--
Christoph. Nein, wir wollen's lieber ganz lassen. Doch,--damit wir
in Ruhe einander unsre Gedanken eröffnen können;--belieben Sie sich
niederzulassen!--Das Stehn ermüdet mich.--Ohne Umstände!--(Er nötiget
sie auf den Mantelsack zu sitzen.)--Ich liebe Sie, Mamsell.--
Lisette. Aber,--ich sitze verzweifelt hart.--Ich glaube gar, es sind
Bücher darin--
Christoph. Darzu recht zärtliche und witzige;--und gleichwohl sitzen
Sie hart darauf? Es ist meines Herrn Reisebibliothek. Sie besteht
aus Lustspielen, die zum Weinen, und aus Trauerspielen, die zum Lachen
bewegen; aus zärtlichen Heldengedichten; aus tiefsinnigen Trinkliedern,
und was dergleichen neue Siebensachen mehr sind.--Doch wir wollen
umwechseln. Setzen Sie sich auf meinen;--ohne Umstände!--meiner ist
der weichste.
Lisette. Verzeihen Sie! So grob werde ich nicht sein--
Christoph. Ohne Umstände,--ohne Komplimente!--Wollen Sie nicht?--So
werde ich Sie hintragen.--
Lisette. Weil Sie es denn befehlen--(Sie steht auf und will sich auf
den andern setzen.)
Christoph. Befehlen? behüte Gott!--Nein! befehlen will viel sagen.
--Wenn Sie es so nehmen wollen, so bleiben Sie lieber sitzen.--(Er
setzt sich wieder auf seinen Mantelsack.)
Lisette (beiseite). Der Grobian! Doch ich muß es gut sein lassen--
Christoph. Wo blieben wir denn?--Ja,--bei der Liebe--Ich liebe Sie
also, Mamsell. Je vous aime, würde ich sagen, wenn Sie eine
französische Marquisin wären.
Lisette. Der Geier! Sie sind wohl gar ein Franzose?
Christoph. Nein, ich muß meine Schande gestehn: ich bin nur ein
Deutscher.--Aber ich habe das Glück gehabt, mit verschiedenen
Franzosen umgehen zu können, und da habe ich denn so ziemlich gelernt,
was zu einem rechtschaffnen Kerl gehört. Ich glaube, man sieht mir es
auch gleich an.
Lisette. Sie kommen also vielleicht mit Ihrem Herrn aus Frankreich?
Christoph. Ach nein!--
Lisette. Wo sonst her? freilich wohl!--
Christoph. Es liegt noch einige Meilen hinter Frankreich, wo wir
herkommen.
Lisette. Aus Italien doch wohl nicht?
Christoph. Nicht weit davon.
Lisette. Aus Engeland also?
Christoph. Beinahe; Engeland ist eine Provinz davon. Wir sind über
funfzig Meilen von hier zu Hause.--Aber, daß Gott!--meine Pferde,--die
armen Tiere stehen noch gesattelt. Verzeihen Sie, Mamsell!--Hurtig!
stehen Sie auf!--(Er nimmt die Mantelsäcke wieder untern Arm. )--Trotz
meiner inbrünstigen Liebe muß ich doch gehn, und erst das Nötige
verrichten.--Wir haben noch den ganzen Tag, und, was das meiste ist,
noch die ganze Nacht vor uns. Wir wollen schon noch eins werden.--Ich
werde sie wohl wieder zu finden wissen.

Eilfter Auftritt
Martin Krumm. Lisette.

Lisette. Von dem werde ich wenig erfahren können. Entweder, er ist
zu dumm, oder zu fein. Und beides macht unergründlich.
Martin Krumm. So, Jungfer Lisette? Das ist auch der Kerl darnach,
daß er mich ausstechen sollte!
Lisette. Das hat er nicht nötig gehabt.
Martin Krumm. Nicht nötig gehabt? Und ich denke, wer weiß wie fest
ich in Ihrem Herzen sitze.
Lisette. Das macht, Herr Vogt, Er denkt's. Leute von Seiner Art
haben das Recht, abgeschmackt zu denken. Drum ärgre ich mich auch
nicht darüber, daß Er's gedacht hat; sondern, daß Er mir's gesagt hat.
Ich möchte wissen, was Ihn mein Herz angeht? Mit was für
Gefälligkeiten, mit was für Geschenken hat Er sich denn ein Recht
darauf erworben?--Man gibt die Herzen jetzt nicht mehr, so in den Tag
hinein, weg. Und glaubt Er etwa, daß ich so verlegen mit dem meinigen
bin? Ich werde schon noch einen ehrlichen Mann dazu finden, ehe ich's
vor die Säue werfe.
Martin Krumm. Der Teufel, das verschnupft! Ich muß eine Prise Tabak
darauf nehmen.--Vielleicht geht es wieder mit dem Niesen fort.--(Er
zieht die entwende Dose hervor, spielt einige Zeit in den Händen damit,
und nimmt endlich, auf eine lächerlich hochmütige Art, eine Prise.)
Lisette (schielt ihn von der Seite an). Verzweifelt! wo bekömmt der
Kerl die Dose her?
Martin Krumm. Belieben Sie ein Prischen?
Lisette. Oh, Ihre untertänige Magd, mein Herr Vogt! (Sie nimmt.)
Martin Krumm. Was eine silberne Dose nicht kann!--Könnte ein
Ohrwürmchen geschmeidiger sein?
Lisette. Ist es eine silberne Dose?
Martin Krumm. Wann's keine silberne wäre, so würde sie Martin Krumm
nicht haben.
Lisette. Ist es nicht erlaubt, sie zu besehn?
Martin Krumm. Ja, aber nur in meinen Händen.
Lisette. Die Fasson ist vortrefflich.
Martin Krumm. Ja, sie wiegt ganzer fünf Lot.
Lisette. Nur der Fasson wegen möchte ich so ein Döschen haben.
Martin Krumm. Wenn ich sie zusammenschmelzen lasse, steht Ihnen die
Fasson davon zu Dienste.
Lisette. Sie sind allzu gütig!--Es ist ohne Zweifel ein Geschenk?
Martin Krumm. Ja, sie kostet mir nicht einen Heller.
Lisette. Wahrhaftig, so ein Geschenk könnte ein Frauenzimmer recht
verblenden! Sie können Ihr Glück damit machen, Herr Vogt. Ich
wenigstens würde mich, wenn man mich mit silbernen Dosen anfiele, sehr
schlecht verteidigen können. Mit so einer Dose hätte ein Liebhaber
gegen mich gewonnen Spiel.
Martin Krumm. Ich versteh's, ich versteh's!
Lisette. Da sie Ihnen so nichts kostet, wollte ich Ihnen raten, Herr
Vogt, sich eine gute Freundin damit zu machen--
Martin Krumm. Ich versteh's, ich versteh's!-Lisette (schmeichelnd).
Wollten Sie mir sie wohl schenken?--
Martin Krumm. O um Verzeihung!--Man gibt die silbernen Dosen jetzt
nicht mehr, so in den Tag hinein, weg. Und glaubt Sie denn, Jungfer
Lisette, daß ich so verlegen mit der meinigen bin? Ich werde schon
noch einen ehrlichen Mann dazu finden, ehe ich sie vor die Säue werfe.
Lisette. Hat man jemals eine dümmre Grobheit gefunden!--Ein Herz
einer Schnupftabaksdose gleich zu schätzen?
Martin Krumm. Ja, ein steinern Herz einer silbern Schnupftabaksdose--
Lisette. Vielleicht würde es aufhören, steinern zu sein, wenn--Doch
alle meine Reden sind vergebens--Er ist meiner Liebe nicht wert--Was
ich für eine gutherzige Närrin bin!--(will weinen) beinahe hätte ich
geglaubt, der Vogt wäre noch einer von den ehrlichen Leuten, die es
meinen, wie sie es reden--
Martin Krumm. Und was ich für ein gutherziger Narre bin, daß ich
glaube, ein Frauenzimmer meine es, wie sie es red't!--Da, mein
Lisettchen, weine Sie nicht!--(Er gibt ihr die Dose.)--Aber nun bin
ich doch wohl Ihrer Liebe wert?--Zum Anfange verlange ich nichts, als
nur ein Küßchen auf Ihre schöne Hand!--(Er küßt sie.) Ah, wie schmeckt
das!

Zwölfter Auftritt
Das Fräulein. Lisette. Martin Krumm.

Das Fräulein (sie kömmt dazu geschlichen, und stößt ihn mit dem Kopfe
auf die Hand). Ei! Herr Vogt,--küß Er mir doch meine Hand auch!
Lisette. Daß doch!--
Martin Krumm. Ganz gern, gnädiges Fräulein--(Er will ihr die Hand
küssen.)
Das Fräulein (gibt ihm eine Ohrfeige). Ihr Flegel, versteht Ihr denn
keinen Spaß?
Martin Krumm. Den Teufel mag das Spaß sein!
Lisette. Ha! ha! ha! (Lacht ihn aus.) O ich bedaure Ihn, mein lieber
Vogt--Ha! ha! ha!
Martin Krumm. So? und Sie lacht noch dazu? Ist das mein Dank? Schon
gut, schon gut! (Gehet ab.)
Lisette. Ha! ha! ha!

Dreizehnter Auftritt
Lisette. Das Fräulein.

Das Fräulein. Hätte ich's doch nicht geglaubt, wenn ich's nicht
selbst gesehen hätte. Du läßt dich küssen? und noch dazu vom Vogt?
Lisette. Ich weiß auch gar nicht, was Sie für Recht haben, mich zu
belauschen? Ich denke, Sie gehen im Garten mit dem Fremden spazieren.
Das Fräulein. Ja, und ich wäre noch bei ihm, wenn der Papa nicht
nachgekommen wäre. Aber so kann ich ja kein kluges Wort mit ihm
sprechen. Der Papa ist gar zu ernsthaft--
Lisette. Ei, was nennen Sie denn ein kluges Wort? Was haben Sie denn
wohl mit ihm zu sprechen, das der Papa nicht hören dürfte?
Das Fräulein. Tausenderlei!--Aber du machst mich böse, wo du mich
noch mehr fragst. Genug, ich bin dem fremden Herrn gut. Das darf ich
doch wohl gestehn?
Lisette. Sie würden wohl greulich mit dem Papa zanken, wenn er Ihnen
einmal so einen Bräutigam verschaffte? Und im Ernst, wer weiß, was er
tut. Schade nur, daß Sie nicht einige Jahre älter sind: es könnte
vielleicht bald zustande kommen.
Das Fräulein. Oh, wenn es nur am Alter liegt, so kann mich ja der
Papa einige Jahr älter machen. Ich werde ihm gewiß nicht
widersprechen.
Lisette. Nein, ich weiß noch einen bessern Rat. Ich will Ihnen
einige Jahre von den meinigen geben, so ist uns allen beiden geholfen.
Ich bin alsdann nicht zu alt, und Sie nicht zu jung.
Das Fräulein. Das ist auch wahr; das geht ja an!
Lisette. Da kömmt des Fremden Bedienter; ich muß mit ihm sprechen.
Es ist alles zu Ihrem Besten--Lassen Sie mich mit ihm allein.--Gehen
Sie.
Das Fräulein. Vergiß es aber nicht, wegen der Jahre--Hörst du,
Lisette?

Vierzehnter Auftritt
Lisette. Christoph.

Lisette. Mein Herr, Sie hungert oder durstet gewiß, daß Sie schon
wiederkommen? nicht?
Christoph. Ja freilich!--Aber wohlgemerkt, wie ich den Hunger und
Durst erklärt habe. Ihr die Wahrheit zu gestehn, meine liebe Jungfer,
so hatte ich schon, sobald ich gestern vom Pferde stieg, ein Auge auf
Sie geworfen. Doch weil ich nur einige Stunden hierzubleiben
vermeinte, so glaubte ich, es verlohne sich nicht der Mühe, mich mit
Ihr bekannt zu machen. Was hätten wir in so kurzer Zeit können
ausrichten? Wir hätten unsern Roman von hinten müssen anfangen.
Allein es ist auch nicht allzusicher, die Katze bei dem Schwanze aus
dem Ofen zu ziehen.
Lisette. Das ist wahr! nun aber können wir schon ordentlicher
verfahren. Sie können mir Ihren Antrag tun; ich kann darauf antworten.
Ich kann Ihnen meine Zweifel machen; Sie können mir sie auflösen.
Wir können uns bei jedem Schritte, den wir tun, bedenken, und dürfen
einander nicht den Affen im Sacke verkaufen. Hätten Sie mir gestern
gleich Ihren Liebesantrag getan; es ist wahr, ich würde ihn angenommen
haben. Aber überlegen Sie einmal, wieviel ich gewagt hätte, wenn ich
mich nicht einmal nach Ihrem Stande, Vermögen, Vaterlande, Bedienungen
und dergleichen mehr zu erkundigen Zeit gehabt hätte?
Christoph. Der Geier! wäre das aber auch so nötig gewesen? So viel
Umstände? Sie könnten ja bei dem Heiraten nicht mehrere machen?--
Lisette. Oh! wenn es nur auf eine kahle Heirat angesehen wäre, so
wär' es lächerlich, wenn ich so gewissenhaft sein wollte. Allein mit
einem Liebesverständnisse ist es ganz etwas anders! Hier wird die
schlechteste Kleinigkeit zu einem wichtigen Punkte. Also glauben Sie
nur nicht, daß Sie die geringste Gefälligkeit von mir erhalten werden,
wenn Sie meiner Neugierde nicht in allen Stücken ein Gnüge tun.
Christoph. Nu? wie weit erstreckt sich denn die?
Lisette. Weil man doch einen Diener am besten nach seinem Herrn
beurteilen kann, so verlange ich vor allen Dingen zu wissen--
Christoph. Wer mein Herr ist? Ha! ha! das ist lustig. Sie fragen
mich etwas, das ich Sie gern selbst fragen möchte, wenn ich glaubte,
daß Sie mehr wüßten, als ich.
Lisette. Und mit dieser abgedroschnen Ausflucht denken Sie
durchzukommen? Kurz, ich muß wissen, wer Ihr Herr ist, oder unsre
ganze Freundschaft hat ein Ende.
Christoph. Ich kenne meinen Herrn nicht länger, als seit vier Wochen.
So lange ist es, daß er mich in Hamburg in seine Dienste genommen hat.
Von da aus habe ich ihn begleitet, niemals mir aber die Mühe
genommen, nach seinem Stande oder Namen zu fragen. So viel ist gewiß,
reich muß er sein; denn er hat weder mich noch sich auf der Reise
notleiden lassen. Und was brauch ich mich mehr zu bekümmern?
Lisette. Was soll ich mir von Ihrer Liebe versprechen, da Sie meiner
Verschwiegenheit nicht einmal eine solche Kleinigkeit anvertrauen
wollen? Ich würde nimmermehr gegen Sie so sein. Zum Exempel, hier
habe ich eine schöne silberne Schnupftabaksdose--
Christoph. Ja? nu?--
Lisette. Sie dürften mich ein klein wenig bitten, so sagte ich Ihnen,
von wem ich sie bekommen habe--
Christoph. Oh! daran ist mir nun eben so viel nicht gelegen. Lieber
möchte ich wissen, wer sie von Ihnen bekommen sollte?
Lisette. Über den Punkt habe ich eigentlich noch nichts
beschlossen. Doch wenn Sie sie nicht sollten bekommen, so haben Sie
es niemanden anders, als sich selbst zuzuschreiben. Ich würde Ihre
Aufrichtigkeit gewiß nicht unbelohnt lassen.
Christoph. Oder vielmehr meine Schwatzhaftigkeit! Doch, so wahr ich
ein ehrlicher Kerl bin, wann ich dasmal verschwiegen bin, so bin ich's
aus Not. Denn ich weiß nichts, was ich ausplaudern könnte. Verdammt!
wie gern wollte ich meine Geheimnisse ausschütten, wann ich nur welche
hätte.
Lisette. Adieu! ich will Ihre Tugend nicht länger bestürmen. Nur
wünsch ich, daß sie Ihnen bald zu einer silbernen Dose und einer
Liebsten verhelfen möge, so wie sie Sie jetzt um beides gebracht hat.
(Will geben.)
Christoph. Wohin? wohin? Geduld! (Beiseite.) Ich sehe mich genötigt,
zu lügen. Denn so ein Geschenk werde ich mir doch nicht sollen
entgehn lassen? Was wird's auch viel schaden?
Lisette. Nun, wollen Sie es näher geben? Aber,--ich sehe schon, es
wird Ihnen sauer. Nein, nein; ich mag nichts wissen--
Christoph. Ja, ja, Sie soll alles wissen!--(Beiseite.) Wer doch recht
viel lügen könnte!--Hören Sie nur!--Mein Herr ist--ist einer von Adel.
Er kömmt,--wir kommen miteinander aus--aus--Holland. Er hat
müssen--gewisser Verdrüßlichkeiten wegen--einer Kleinigkeit--eines
Mords wegen--entfliehen--
Lisette. Was? eines Mords wegen?
Christoph. Ja,--aber eines honetten Mords--eines Duells wegen
entfliehen.--Und jetzt eben--ist er auf der Flucht--
Lisette. Und Sie, mein Freund?--
Christoph. Ich, bin auch mit ihm auf der Flucht. Der Entleibte hat
uns--will ich sagen, die Freunde des Entleibten haben uns sehr
verfolgen lassen; und dieser Verfolgung wegen--Nun können Sie leicht
das übrige erraten.--Was Geier, soll man auch tun? Überlegen Sie
es selbst; ein junger naseweiser Laffe schimpft uns. Mein Herr stößt
ihn übern Haufen. Das kann nicht anders sein!--Schimpft mich jemand,
so tu ich's auch,--oder--oder schlage ihn hinter die Ohren. Ein
ehrlicher Kerl muß nichts auf sich sitzen lassen.
Lisette. Das ist brav! solchen Leuten bin ich gut; denn ich bin auch
ein wenig unleidlich. Aber sehen Sie einmal, da kömmt Ihr Herr!
sollte man es ihm wohl ansehn, daß er so zornig, so grausam wäre?
Christoph. O kommen Sie! wir wollen ihm aus dem Wege gehn. Er möchte
mir es ansehn, daß ich ihn verraten habe.
Lisette. Ich bin's zufrieden--
Christoph. Aber die silberne Dose--
Lisette. Kommen Sie nur. (Beiseite.) Ich will erst sehen, was mir von
meinem Herrn für mein entdecktes Geheimnis werden wird: Lohnt sich das
der Mühe, so soll er sie haben.

Funfzehnter Auftritt
Der Reisende.

Der Reisende. Ich vermisse meine Dose. Es ist eine Kleinigkeit;
gleichwohl ist mir der Verlust empfindlich. Sollte mir sie wohl der
Vogt?--Doch ich kann sie verloren haben,--ich kann sie aus
Unvorsichtigkeit herausgerissen haben.--Auch mit seinem Verdachte muß
man niemand beleidigen.--Gleichwohl,--er drängte sich an mich heran;
--er griff nach der Uhr:--ich ertappte ihn; könnte er auch nicht nach
der Dose gegriffen haben, ohne daß ich ihn ertappt hätte?

Sechzehnter Auftritt
Martin Krumm. Der Reisende.

Martin Krumm (als er den Reisenden gewahr wird, will er wieder
umkehren). Hui!
Der Reisende. Nu, nu, immer näher, mein Freund!--(Beiseite.) Ist er
doch so schüchtern, als ob er meine Gedanken wüßte!--Nu? nur näher!
Martin Krumm (trotzig). Ach! ich habe nicht Zeit! Ich weiß schon,
Sie wollen mit mir plaudern. Ich habe wichtigere Sachen zu tun. Ich
mag Ihre Heldentaten nicht zehnmal hören. Erzählen Sie sie jemanden,
der sie noch nicht weiß.
Der Reisende. Was höre ich? vorhin war der Vogt einfältig und höflich,
jetzt ist er unverschämt und grob. Welches ist denn Eure rechte
Larve?
Martin Krumm. Ei! das hat Sie der Geier gelernt, mein Gesicht eine
Larve zu schimpfen. Ich mag mit Ihnen nicht zanken,--sonst--(Er will
fortgehen.)
Der Reisende. Sein unverschämtes Verfahren bestärkt mich in meinem
Argwohne.--Nein, nein, Geduld! Ich habe Euch etwas Notwendiges zu
fragen--
Martin Krumm. Und ich werde nichts drauf zu antworten haben, es mag
so notwendig sein, als es will. Drum sparen Sie nur die Frage.
Der Reisende. Ich will es wagen--Allein, wie leid würde mir es sein,
wann ich ihm unrecht täte.--Mein Freund, habt Ihr nicht meine Dose
gesehn?--Ich vermisse sie.--
Martin Krumm. Was ist das für eine Frage? Kann ich etwas dafür, daß
man sie Ihnen gestohlen hat?--Für was sehen Sie mich an? für den
Hehler? oder für den Dieb?
Der Reisende. Wer redt denn vom Stehlen? Ihr verratet Euch fast
selbst--
Martin Krumm. Ich verrate mich selbst? Also meinen Sie, daß ich sie
habe? Wissen Sie auch, was das zu bedeuten hat, wenn man einen
ehrlichen Kerl dergleichen beschuldigt. Wissen Sie's?
Der Reisende. Warum müßt Ihr so schreien? Ich habe Euch noch nichts
beschuldigt. Ihr seid Euer eigner Ankläger. Dazu weiß ich eben nicht,
ob ich großes Unrecht haben würde? Wen ertappte ich denn vorhin, als
er nach meiner Uhr greifen wollte?
Martin Krumm. Oh! Sie sind ein Mann, der gar keinen Spaß versteht.
Hören Sie's!--(Beiseite.) Wo er sie nur nicht bei Lisetten gesehen
hat--Das Mädel wird doch nicht närrisch sein, und sich damit breit
machen--
Der Reisende. Oh! ich verstehe den Spaß so wohl, daß ich glaube, Ihr
wollt mit meiner Dose auch spaßen. Allein wenn man den Spaß zu weit
treibt, verwandelt er sich endlich in Ernst. Es ist mir um Euren
guten Namen leid. Gesetzt, ich wäre überzeugt, daß Ihr es nicht böse
gemeint hättet, würden auch andre--
Martin Krumm. Ach,--andre!--andre!--andre wären es längst überdrüssig,
sich so etwas vorwerfen zu lassen. Doch, wenn Sie denken, daß ich
sie habe: befühlen Sie mich,--visitieren Sie mich--
Der Reisende. Das ist meines Amts nicht. Dazu trägt man auch nicht
alles bei sich in der Tasche.
Martin Krumm. Nun gut! damit Sie sehen, daß ich ein ehrlicher Kerl
bin, so will ich meine Schubsäcke selber umwenden.--Geben Sie acht!
--(Beiseite.) Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn sie herausfiele.
Der Reisende. O macht Euch keine Mühe!
Martin Krumm. Nein, nein: Sie sollen's sehn, Sie sollen's sehn. (Er
wendet die eine Tasche um.) Ist da eine Dose? Brotkrümel sind drinne:
das liebe Gut! (Er wendet die andere um.) Da ist auch nichts! Ja;
--doch! ein Stückchen Kalender.--Ich hebe es der Verse wegen auf, die
über den Monaten stehen. Sie sind recht schnurrig.--Nu, aber daß wir
weiterkommen. Geben sie acht: da will ich den dritten umwenden. (Bei
dem Umwenden fallen zwei große Bärte heraus.) Der Henker! was laß ich
da fallen?
(Er will sie hurtig aufheben, der Reisende aber ist hurtiger, und
erwischt einen davon.)
Der Reisende. Was soll das vorstellen?
Martin Krumm (beiseite). O verdammt! ich denke, ich habe den Quark
lange von mir gelegt.
Der Reisende. Das ist ja gar ein Bart. (Er macht ihn vors Kinn.) Sehe
ich bald einem Juden so ähnlich?--
Martin Krumm. Ach geben Sie her! geben Sie her! Wer weiß, was Sie
wieder denken? Ich schrecke meinen kleinen Jungen manchmal damit.
Dazu ist er.
Der Reisende. Ihr werdet so gut sein, und mir ihn lassen. Ich will
auch damit schrecken.
Martin Krumm. Ach! vexieren Sie sich nicht mit mir. Ich muß ihn
wiederhaben. (Er will ihn aus der Hand reißen.)
Der Reisende. Geht, oder-Martin Krumm (beiseite). Der Geier! nun mag
ich sehen, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat.--Es ist schon gut;
es ist schon gut! Ich seh's, Sie sind zu meinem Unglücke
hiehergekommen. Aber, hol mich alle Teufel, ich bin ein ehrlicher
Kerl! und den will ich sehn, der mir etwas Schlimmes nachreden kann.
Merken Sie sich das! Es mag kommen zu was es will, so kann ich es
beschwören, daß ich den Bart zu nichts Bösem gebraucht habe.--(Geht ab.)

Siebzehnter Auftritt
Der Reisende.

Der Reisende. Der Mensch bringt mich selbst auf einen Argwohn, der
ihm höchst nachteilig ist.--Könnte er nicht einer von den verkappten
Räubern gewesen sein?--Doch ich will in meiner Vermutung behutsam
gehen.

Achtzehnter Auftritt
Der Baron. Der Reisende.

Der Reisende. Sollten Sie nicht glauben, ich wäre gestern mit den
jüdischen Straßenräubern ins Handgemenge gekommen, daß ich einem davon
den Bart ausgerissen hätte? (Er zeigt ihm den Bart.)
Der Baron. Wie verstehn Sie das, mein Herr?--Allein, warum haben Sie
mich so geschwind im Garten verlassen?
Der Reisende. Verzeihen Sie meine Unhöflichkeit. Ich wollte gleich
wieder bei Ihnen sein. Ich ging nur meine Dose zu suchen, die ich
hier herum muß verloren haben.
Der Baron. Das ist mir höchst empfindlich. Sie sollten noch bei mir
zu Schaden kommen?
Der Reisende. Der Schade würde so groß nicht sein--Allein betrachten
Sie doch einmal diesen ansehnlichen Bart!
Der Baron. Sie haben mir ihn schon einmal gezeigt. Warum?
Der Reisende. Ich will mich Ihnen deutlicher erklären. Ich
glaube--Doch nein, ich will meine Vermutungen zurückhalten.--
Der Baron. Ihre Vermutungen? Erklären Sie sich!
Der Reisende. Nein; ich habe mich übereilt. Ich könnte mich irren--
Der Baron. Sie machen mich unruhig.
Der Reisende. Was halten Sie von Ihrem Vogt?
Der Baron. Nein, nein; wir wollen das Gespräch auf nichts anders
lenken--Ich beschwöre Sie bei der Wohltat, die Sie mir erzeigt haben,
entdecken Sie mir, was Sie glauben, was Sie vermuten, worinne Sie sich
könnten geirrt haben!
Der Reisende. Nur die Beantwortung meiner Frage kann mich antreiben,
es Ihnen zu entdecken.
Der Baron. Was ich von meinem Vogte halte?--Ich halte ihn für einen
ganz ehrlichen und rechtschaffnen Mann.
Der Reisende. Vergessen Sie also, daß ich etwas habe sagen wollen.
Der Baron. Ein Bart,--Vermutungen,--der Vogt,--wie soll ich diese
Dinge verbinden?--Vermögen meine Bitten nichts bei Ihnen?--Sie könnten
sich geirrt haben? Gesetzt, Sie haben sich geirrt; was können Sie bei
einem Freunde für Gefahr laufen?
Der Reisende. Sie dringen zu stark in mich. Ich sage Ihnen also, daß
der Vogt diesen Bart aus Unvorsichtigkeit hat fallen lassen; daß er
noch einen hatte, den er aber in der Geschwindigkeit wieder zu sich
steckte; daß seine Reden einen Menschen verrieten, welcher glaubt, man
denke von ihm ebensoviel Übels, als er tut; daß ich ihn auch sonst
über einem nicht allzugewissenhaften--wenigstens nicht allzuklugen
Griffe, ertappt habe.
Der Baron. Es ist als ob mir die Augen auf einmal aufgingen. Ich
besorge,--Sie werden sich nicht geirrt haben. Und Sie trugen Bedenken,
mir so etwas zu entdecken?--Den Augenblick will ich gehn, und alles
anwenden, hinter die Wahrheit zu kommen. Sollte ich meinen Mörder in
meinem eignen Hause haben?
Der Reisende. Doch zürnen Sie nicht auf mich, wenn Sie, zum Glücke,
meine Vermutungen falsch befinden sollten. Sie haben mir sie
ausgepreßt, sonst würde ich sie gewiß verschwiegen haben.
Der Baron. Ich mag sie wahr oder falsch befinden, ich werde Ihnen
allzeit dafür danken.

Neunzehnter Auftritt
Der Reisende (und hernach) Christoph.

Der Reisende. Wo er nur nicht zu hastig mit ihm verfährt! Denn so
groß auch der Verdacht ist, so könnte der Mann doch wohl noch
unschuldig sein.--Ich bin ganz verlegen.--In der Tat ist es nichts
Geringes, einem Herrn seine Untergebnen so verdächtig zu machen. Wenn
er sie auch unschuldig befindet, so verliert er doch auf immer das
Vertrauen zu ihnen.--Gewiß, wenn ich es recht bedenke, ich hätte
schweigen sollen--Wird man nicht Eigennutz und Rache für die Ursachen
meines Argwohns halten, wenn man erfährt, daß ich ihm meinen Verlust
zugeschrieben habe?--Ich wollte ein Vieles darum schuldig sein, wenn
ich die Untersuchung noch hintertreiben könnte-Christoph (kömmt
gelacht). Ha! ha! ha! wissen Sie, wer Sie sind, mein Herr?
Der Reisende. Wißt Ihr, daß Ihr ein Narr seid? Was fragt Ihr?
Christoph. Gut! wenn Sie es denn nicht wissen, so will ich es Ihnen
sagen. Sie sind einer von Adel. Sie kommen aus Holland. Allda haben
Sie Verdrüßlichkeiten und ein Duell gehabt. Sie sind so glücklich
gewesen, einen jungen Naseweis zu erstechen. Die Freunde des
Entleibten haben Sie heftig verfolgt. Sie haben sich auf die Flucht
begeben. Und ich habe die Ehre, Sie auf der Flucht zu begleiten.
Der Reisende. Träumt Ihr, oder raset Ihr?
Christoph. Keines von beiden. Denn für einen Rasenden wäre meine
Rede zu klug, und für einen Träumenden zu toll.
Der Reisende. Wer hat Euch solch unsinniges Zeug weisgemacht?
Christoph. O dafür ist gebeten, daß man mir's weismacht. Allein
finden Sie es nicht recht wohl ausgesonnen? In der kurzen Zeit, die
man mir zum Lügen ließ, hätte ich gewiß auf nichts Bessers fallen
können. So sind Sie doch wenigstens vor weitrer Neugierigkeit sicher!
Der Reisende. Was soll ich mir aber aus alledem nehmen?
Christoph. Nichts mehr, als was Ihnen gefällt; das übrige lassen Sie
mir. Hören Sie nur, wie es zuging. Man fragte mich nach Ihrem Namen,
Stande, Vaterlande, Verrichtungen; ich ließ mich nicht lange bitten,
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