Die Juden - 3

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ich sagte alles, was ich davon wußte; das ist: ich sagte, ich wüßte
nichts. Sie können leicht glauben, daß diese Nachricht sehr
unzulänglich war, und daß man wenig Ursache hatte, damit zufrieden zu
sein. Man drang also weiter in mich; allein umsonst! Ich blieb
verschwiegen, weil ich nichts zu verschweigen hatte. Doch endlich
brachte mich ein Geschenk, welches man mir anbot, dahin, daß ich mehr
sagte, als ich wußte; das ist: ich log.
Der Reisende. Schurke! ich befinde mich, wie ich sehe, bei Euch in
feinen Händen.
Christoph. Ich will doch nimmermehr glauben, daß ich von ohngefähr
die Wahrheit sollte gelogen haben?
Der Reisende. Unverschämter Lügner, Ihr habt mich in eine Verwirrung
gesetzt, aus der--
Christoph. Aus der Sie sich gleich helfen können, sobald Sie das
schöne Beiwort, das Sie mir jetzt zu geben beliebten, bekannter machen.
Der Reisende. Werde ich aber alsdenn nicht genötiget sein, mich zu
entdecken?
Christoph. Desto besser! so lerne ich Sie bei Gelegenheit auch kennen.
--Allein, urteilen Sie einmal selbst, ob ich mir wohl, mit gutem
Gewissen, dieser Lügen wegen ein Gewissen machen konnte? (Er zieht
die Dose heraus.) Betrachten Sie diese Dose! Hätte ich Sie leichter
verdienen können?
Der Reisende. Zeigt mir sie doch!--(Er nimmt sie in die Hand.) Was
seh ich?
Christoph. Ha! ha! ha! Das dachte ich, daß Sie erstaunen würden.
Nicht wahr, Sie lögen selber ein Gesetzchen, wenn Sie so eine Dose
verdienen könnten.
Der Reisende. Und also habt Ihr mir sie entwendet?
Christoph. Wie? was?
Der Reisende. Eure Treulosigkeit ärgert mich nicht so sehr, als der
übereilte Verdacht, den ich deswegen einem ehrlichen Mann zugezogen
habe. Und Ihr könnt noch so rasend frech sein, mich überreden zu
wollen, sie wäre ein,--obgleich beinahe ebenso schimpflich erlangtes,
--Geschenk? Geht! kommt mir nicht wieder vor die Augen!
Christoph. Träumen Sie, oder--aus Respekt will ich das andre noch
verschweigen. Der Neid bringt Sie doch nicht auf solche
Ausschweifungen? Die Dose soll Ihre sein? Ich soll sie Ihnen, salva
venia, gestohlen haben? Wenn das wäre; ich müßte ein dummer Teufel
sein, daß ich gegen Sie selbst damit prahlen sollte.--Gut, da kömmt
Lisette! Hurtig komm Sie; helf Sie mir doch, meinen Herrn wieder
zurechte bringen.

Zwanzigster Auftritt
Lisette. Der Reisende. Christoph.

Lisette. O mein Herr, was stiften Sie bei uns für Unruhe! Was hat
Ihnen denn unser Vogt getan? Sie haben den Herrn ganz rasend auf ihn
gemacht. Man redt von Bärten, von Dosen, von Plündern; der Vogt weint
und flucht, daß er unschuldig wäre, daß Sie die Unwahrheit redten.
Der Herr ist nicht zu besänftigen, und jetzt hat er sogar nach dem
Schulzen und den Gerichten geschickt, ihn schließen zu lassen. Was
soll denn das alles heißen?
Christoph. Oh! das ist alles noch nichts, hör Sie nur, hör Sie, was
er jetzt gar mit mir vorhat--
Der Reisende. Ja freilich, meine liebe Lisette, ich habe mich
übereilt. Der Vogt ist unschuldig. Nur mein gottloser Bedienter hat
mich in diese Verdrüßlichkeiten gestürzt. Er ist's, der mir meine
Dose entwandt hat, derenwegen ich den Vogt im Verdacht hatte; und der
Bart kann allerdings ein Kinderspiel gewesen sein, wie er sagte. Ich
geh, ich will ihm Genugtuung geben, ich will meinen Irrtum gestehn,
ich will ihm, was er nur verlangen kann--
Christoph. Nein, nein, bleiben Sie! Sie müssen mir erst Genugtuung
geben. Zum Henker, so rede Sie doch, Lisette, und sage Sie, wie die
Sache ist. Ich wollte, daß Sie mit Ihrer Dose am Galgen wäre! Soll
ich mich deswegen zum Diebe machen lassen? Hat Sie mir sie nicht
geschenkt?
Lisette. Ja freilich! und sie soll Ihm auch geschenkt bleiben.
Der Reisende. So ist es doch wahr? Die Dose gehört aber mir.
Lisette. Ihnen? das habe ich nicht gewußt.
Der Reisende. Und also hat sie wohl Lisette gefunden? und meine
Unachtsamkeit ist an allen den Verwirrungen schuld? (Zu Christophen.)
Ich habe Euch auch zuviel getan! Verzeiht mir! Ich muß mich schämen,
daß ich mich so übereilen können.
Lisette (beiseite). Der Geier! nun werde ich bald klug. Oh! er wird
sich nicht übereilt haben.
Der Reisende. Kommt, wir wollen--

Einundzwanzigster Auftritt
Der Baron. Der Reisende. Lisette. Christoph.

Der Baron (kömmt hastig herzu). Den Augenblick, Lisette, stelle dem
Herrn seine Dose wieder zu! Es ist alles offenbar; er hat alles
gestanden. Und du hast dich nicht geschämt, von so einem Menschen
Geschenke anzunehmen? Nun? wo ist die Dose?
Der Reisende. Es ist also doch wahr?--
Lisette. Der Herr hat sie lange wieder. Ich habe geglaubt, von wem
Sie Dienste annehmen können, von dem könne ich auch Geschenke annehmen.
Ich habe ihn sowenig gekannt, wie Sie.
Christoph. Also ist mein Geschenk zum Teufel? Wie gewonnen, so
zerronnen!
Der Baron. Wie aber soll ich, teuerster Freund, mich gegen Sie
erkenntlich erzeigen? Sie reißen mich zum zweitenmal aus einer gleich
großen Gefahr. Ich bin Ihnen mein Leben schuldig. Nimmermehr würde
ich, ohne Sie, mein so nahes Unglück entdeckt haben. Der Schulze, ein
Mann, den ich für den ehrlichsten auf allen meinen Gütern hielt, ist
sein gottloser Gehilfe gewesen. Bedenken Sie also, ob ich jemals dies
hätte vermuten können! Wären Sie heute von mir gereiset--
Der Reisende. Es ist wahr--so wäre die Hilfe, die ich Ihnen gestern
zu erweisen glaubte, sehr unvollkommen geblieben. Ich schätze mich
also höchst glücklich, daß mich der Himmel zu dieser unvermuteten
Entdeckung ausersehen hat; und ich freue mich jetzt so sehr, als ich
vorher, aus Furcht zu irren, zitterte.
Der Baron. Ich bewundre Ihre Menschenliebe, wie Ihre Großmut. O
möchte es wahr sein, was mir Lisette berichtet hat!

Zweiundzwanzigster Auftritt
Das Fräulein und die Vorigen.

Lisette. Nun, warum sollte es nicht wahr sein?
Der Baron. Komm, meine Tochter, komm! Verbinde deine Bitte mit der
meinigen: ersuche meinen Erretter, deine Hand, und mit deiner Hand
mein Vermögen anzunehmen. Was kann ihm meine Dankbarkeit Kostbarers
schenken, als dich, die ich ebensosehr liebe, als ihn? Wundern Sie
sich nur nicht, wie ich Ihnen so einen Antrag tun könne. Ihr
Bedienter hat uns entdeckt, wer Sie sind. Gönnen Sie mir das
unschätzbare Vergnügen, erkenntlich zu sein! Mein Vermögen ist meinem
Stande, und dieser dem Ihrigen gleich. Hier sind Sie vor Ihren
Feinden sicher und kommen unter Freunde, die Sie anbeten werden.
Allein Sie werden niedergeschlagen? Was soll ich denken?
Das Fräulein. Sind Sie etwa meinetwegen in Sorgen? Ich versichere
Sie, ich werde dem Papa mit Vergnügen gehorchen.
Der Reisende. Ihre Großmut setzt mich in Erstaunen. Aus der Größe
der Vergeltung, die Sie mir anbieten, erkenne ich erst, wie klein
meine Wohltat ist. Allein, was soll ich Ihnen antworten? Mein
Bedienter hat die Unwahrheit gered't, und ich--
Der Baron. Wollte der Himmel, daß Sie das nicht einmal wären, wofür
er Sie ausgibt! Wollte der Himmel, Ihr Stand wäre geringer, als der
meinige! So würde doch meine Vergeltung etwas kostbarer, und Sie
würden vielleicht weniger ungeneigt sein, meine Bitte stattfinden zu
lassen.
Der Reisende (beiseite). Warum entdecke ich mich auch nicht?--Mein
Herr, Ihre Edelmütigkeit durchdringet meine ganze Seele. Allein
schreiben Sie es dem Schicksale, nicht mir zu, daß Ihr Anerbieten
vergebens ist. Ich bin--Der Baron. Vielleicht schon verheiratet?
Der Reisende. Nein--
Der Baron. Nun? was?
Der Reisende. Ich bin ein Jude.
Der Baron. Ein Jude? grausamer Zufall!
Christoph. Ein Jude?
Lisette. Ein Jude?
Das Fräulein. Ei, was tut das?
Lisette. St! Fräulein, st! ich will es Ihnen hernach sagen, was das
tut.
Der Baron. So gibt es denn Fälle, wo uns der Himmel selbst verhindert,
dankbar zu sein?
Der Reisende. Sie sind es überflüssig dadurch, daß Sie es sein wollen.
Der Baron. So will ich wenigstens soviel tun, als mir das Schicksal
zu tun erlaubt. Nehmen Sie mein ganzes Vermögen. Ich will lieber arm
und dankbar, als reich und undankbar sein.
Der Reisende. Auch dieses Anerbieten ist bei mir umsonst, da mir der
Gott meiner Väter mehr gegeben hat, als ich brauche. Zu aller
Vergeltung bitte ich nichts, als daß Sie künftig von meinem Volke
etwas gelinder und weniger allgemein urteilen. Ich habe mich nicht
vor Ihnen verborgen, weil ich mich meiner Religion schäme. Nein! Ich
sahe aber, daß Sie Neigung zu mir, und Abneigung gegen meine Nation
hatten. Und die Freundschaft eines Menschen, er sei wer er wolle, ist
mir allezeit unschätzbar gewesen.
Der Baron. Ich schäme mich meines Verfahrens.
Christoph. Nun komm ich erst von meinem Erstaunen wieder zu mir
selber. Was? Sie sind ein Jude, und haben das Herz gehabt, einen
ehrlichen Christen in Ihre Dienste zu nehmen? Sie hätten mir dienen
sollen. So wär' es nach der Bibel recht gewesen. Potz Stern! Sie
haben in mir die ganze Christenheit beleidigt--Drum habe ich nicht
gewußt, warum der Herr, auf der Reise, kein Schweinfleisch essen
wollte, und sonst hundert Alfanzereien machte.--Glauben Sie nur nicht,
daß ich Sie länger begleiten werde! Verklagen will ich Sie noch dazu.
Der Reisende. Ich kann es Euch nicht zumuten, daß Ihr besser, als der
andre christliche Pöbel, denken sollt. Ich will Euch nicht zu Gemüte
führen, aus was für erbärmlichen Umständen ich Euch in Hamburg riß.
Ich will Euch auch nicht zwingen, länger bei mir zu bleiben. Doch
weil ich mit Euren Diensten so ziemlich zufrieden bin, und ich Euch
vorhin außerdem in einem ungegründeten Verdachte hatte, so behaltet
zur Vergeltung, was diesen Verdacht verursachte. (Gibt ihm die Dose.)
Euren Lohn könnt Ihr auch haben. Sodann geht, wohin Ihr wollt!
Christoph. Nein, der Henker! es gibt doch wohl auch Juden, die keine
Juden sind. Sie sind ein braver Mann. Topp, ich bleibe bei Ihnen!
Ein Christ hätte mir einen Fuß in die Rippen gegeben, und keine Dose!
Der Baron. Alles was ich von Ihnen sehe, entzückt mich. Kommen Sie,
wir wollen Anstalt machen, daß die Schuldigen in sichere Verwahrung
gebracht werden. O wie achtungswürdig wären die Juden, wenn sie alle
Ihnen glichen!
Der Reisende. Und wie liebenswürdig die Christen, wenn sie alle Ihre
Eigenschaften besäßen! (Der Baron, das Fräulein und der Reisende
gehen ab.)

Letzter Auftritt
Lisette. Christoph.

Lisette. Also, mein Freund, hat Er mich vorhin belogen?
Christoph. Ja, und das aus zweierlei Ursachen. Erstlich, weil ich
die Wahrheit nicht wußte; und anderns, weil man für eine Dose, die man
wiedergeben muß, nicht viel Wahrheit sagen kann.
Lisette. Und wann's dazu kömmt, ist Er wohl gar auch ein Jude, so
sehr Er sich verstellt?
Christoph. Das ist zu neugierig für eine Jungfer gefragt! Komm Sie
nur!
(Er nimmt sie untern Arm, und sie gehen ab.)
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