Der Neffe als Onkel - 3

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Lormeuil. Sie haben eine Schwester, Herr von Dorsigny. Da Sie aber
für Niemand Augen haben, als für Ihre Base, so bemerkten Sie
vielleicht nicht, wie sehr Ihre Schwester liebenswürdig ist--Ich
aber--ich habe es recht gut bemerkt--und daß ich's kurz mache--Frau
von Mirville verdient die Huldigung eines Jeden! Ich habe sie
gesehen, und ich-Dorsigny. Sie lieben sie! Sie ist die Ihre!
Zählen Sie auf mich!--Sie soll Ihnen bald gut sein, wenn sie es nicht
schon jetzt ist--dafür steh' ich. Wie sich doch alles so glücklich
fügen muß!--Ich gewinne einen Freund, der mir behilflich sein will,
meine Geliebte zu besitzen, und ich bin im Stand, ihn wieder
glücklich zu machen.
Lormeuil. Das steht zu hoffen; aber so ganz ausgemacht ist es doch
nicht--Hier kommt Ihre Schwester! Frisch, Herr von
Dorsigny--sprechen Sie für mich! Führen Sie meine Sache! Ich will
bei dem Onkel die Ihrige führen. (Ab.)
Dorsigny. Das ist ein herrlicher Mensch, dieser Lormeuil! Welche
glückliche Frau wird meine Schwester!

Dreizehnter Auftritt.
Frau von Mirville. Franz Dorsigny.

Fr. v. Mirville. Nun, wie steht's, Bruder?
Dorsigny. Du hast eine Eroberung gemacht, Schwester! Der Lormeuil
ist Knall und Fall sterblich in dich verliebt worden. Eben hat er
mir das Geständniß gethan, weil er glaubte mit dem Onkel zu reden!
Ich sagte ihm aber, diese Gedanken sollte er sich nur vergehen
lassen--du hättest das Heirathen auf immer verschworen--Ich habe
recht gethan, nicht?
Fr. v. Mirville. Allerdings--aber--du hättest eben nicht gebraucht,
ihn auf eine so rauhe Art abzuweisen. Der arme Junge ist schon übel
genug daran, daß er bei Sophien durchfällt.

Vierzehnter Auftritt.
Vorige. Champagne.

Champagne. Nun, gnädiger Herr! machen Sie, daß Sie fort kommen. Die
Tante darf Sie nicht mehr hier antreffen, wenn sie
zurückkommt-Dorsigny. Nun, ich gehe! Bin ich doch nun gewiß, daß
mir Lormeuil die Cousine nicht wegnimmt. (Ab mit Frau v. Mirville.)

Fünfzehnter Auftritt.
Champagne allein.

Da bin ich nun allein!--Freund Champagne, du bist ein Dummkopf, wenn
du deine Unbesonnenheit von vorhin nicht gut machst--Dem Onkel die
ganze Karte zu verrathen! Aber laß sehen! Was ist da zu
machen?--Entweder den Onkel oder den Bräutigam müssen wir uns auf die
nächsten zwei Tage vom Halse schaffen, sonst geht's nicht--Aber wie
Teufel ist's da anzufangen?--Wart--laß sehen--(Nachsinnend.) Mein
Herr und dieser Herr von Lormeuil sind zwar als ganz gute Freunde
auseinander gegangen, aber es hätte doch Händel zwischen ihnen setzen
können! Können, das ist mir genug! Davon laßt uns ausgehen--Ich muß
als ein guter Diener Unglück verhüten! Nichts als redliche Besorgniß
für meinen Herrn--Also gleich zur Polizei! Man nimmt seine Maßregeln,
und ist's dann meine Schuld, wenn sie den Onkel für den Neffen
nehmen?--Wer kann für die Aehnlichkeit--Das Wagestück ist groß, groß,
aber ich wag's. Mißlingen kann's nicht, und wenn auch--Es kann nicht
mißlingen--Im äußersten Fall bin ich gedeckt! Ich habe nur meine
Pflicht beobachtet! Und mag dann der Onkel gegen mich toben, so viel
er will--ich verstecke mich hinter den Neffen, ich verhelfe ihm zu
seiner Braut, er muß erkenntlich sein--Frisch, Champagne, ans
Werk--Hier ist Ehre einzulegen. (Geht ab.)


Dritter Aufzug.

Erster Auftritt.
Oberst Dorsigny kommt. Gleich darauf Lormeuil.

Oberst. Muß der Teufel auch diesen Notar gerade heute zu einem
Nachtessen führen! Ich hab' ihm ein Billet dort gelassen, und mein
Herr Neffe hatte schon vorher die Mühe auf sich genommen.
Lormeuil (kommt). Für diesmal denke ich doch wohl den Onkel vor mir
zu haben und nicht den Neffen.
Oberst. Wohl bin ich's selbst! Sie dürfen nicht zweifeln.
Lormeuil. Ich habe Ihnen viel zu sagen, Herr von Dorsigny.
Oberst. Ich glaub' es wohl, guter Junge! Du wirst rasend sein vor
Zorn--Aber keine Gewalttätigkeit, lieber Freund, ich bitte darum!
--Denken Sie daran, daß Der, der Sie beleidigt hat, meine Neffe
ist--Ihr Ehrenwort verlang' ich, daß Sie es mir überlassen wollen,
ihn dafür zu strafen.
Lormeuil. Aber so erlauben Sie mir-Oberst. Nichts erlaub' ich! Es
wird nichts daraus!--So seid ihr jungen Leute! Ihr wißt keine andere
Art, Unrecht gut zu machen, als daß ihr einander die Hälse brecht.
Lormeuil. Das ist aber ja nicht mein Fall. Hören Sie doch nur.
Oberst. Mein Gott! ich weiß ja! Bin ich doch auch jung gewesen!
--Aber laß dich das alles nicht anfechten, guter Junge! du wirst doch
mein Schwiegersohn! Du wirst's--dabei bleibt's!
Lormeuil. Ihre Güte--Ihre Freundschaft erkenn' ich mit dem größten
Dank--Aber, so wie die Sachen stehen-Oberst (lauter) Nichts! Kein
Wort mehr!

Zweiter Auftritt.
Champagne mit zwei Unteroffizieren. Vorige.

Champagne (zu diesen). Sehen Sie's, meine Herren? Sehen Sie's?
Eben wollten sie an einander gerathen.
Lormeuil. Was suchen diese Leute bei uns?
Erster Unterofficier. Ihre ganz gehorsamen Diener, meine Herren!
Habe ich nicht die Ehre, mit Herrn von Dorsigny zu sprechen?
Oberst. Dorsigny heiß' ich.
Champagne. Und dieser hier ist Herr von Lormeuil?
Lormeuil. Der bin ich, ja. Aber was wollen die Herren von mir?
Zweiter Unterofficier. Ich werde die Ehre haben, Euer Gnaden zu
begleiten.
Lormeuil. Mich zu begleiten? Wohin? Es fällt mir gar nicht ein,
ausgehen zu wollen.
Erster Unterofficier (zum Oberst). Und ich, gnädiger Herr, bin
beordert, Ihnen zur Escorte zu dienen.
Oberst. Aber wohin will mich der Herr eskortieren?
Erster Unterofficier. Das will ich Ihnen sagen, gnädiger Herr. Man
hat in Erfahrung gebracht, daß Sie auf dem Sprung stünden, sich mit
diesem Herrn zu schlagen, und damit nun-Oberst. Mich zu schlagen!
Und weswegen denn?
Erster Unterofficier. Weil Sie Nebenbuhler sind--weil Sie Beide das
Fräulein von Dorsigny lieben. Dieser Herr hier ist der Bräutigam des
Fräuleins, den ihr der Vater bestimmt hat--und Sie, gnädiger Herr,
sind ihr Cousin und ihr Liebhaber--O wir wissen alles!
Lormeuil. Sie sind im Irrthum, meine Herren.
Oberst. Wahrlich, Sie sind an den Unrechten gekommen.
Champagne (zu den Wachen). Frisch zu! Lassen Sie sich nichts weis
machen, meine Herren! (Zu Herrn von Dorsigny.) Lieber, gnädiger Herr!
werfen Sie endlich Ihre Maske weg! Gestehen Sie, wer Sie sind!
Geben Sie ein Spiel auf, wobei Sie nicht die beste Rolle spielen!
Oberst. Wie, Schurke, das ist wieder ein Streich von dir-Champagne.
Ja, gnädiger Herr, ich hab' es so veranstaltet, ich leugn' es gar
nicht--ich rühme mich dessen--Die Pflicht eines rechtschaffenen
Dieners habe ich erfüllt, da ich Unglück verhütete.
Oberst. Sie können mir's glauben, meine Herren! Der, den Sie suchen,
bin ich nicht; ich bin sein Onkel.
Erster Unterofficier. Sein Onkel? Gehn Sie doch! Sie gleichen dem
Herrn Onkel außerordentlich, sagt man, aber uns soll diese
Aehnlichkeit nicht betrügen.
Oberst. Aber sehen Sie mich doch nur recht an! Ich habe ja eine
Perrücke, und mein Neffe trägt sein eigenes Haar.
Erster Unterofficier. Ja, ja, wir wissen recht gut, warum Sie die
Tracht Ihres Herrn Onkels angenommen--Das Stückchen war sinnreich; es
thut uns leid, daß es nicht besser geglückt ist.
Oberst. Aber, mein Herr, so hören Sie doch nur an-Erster
Unterofficier. Ja, wenn wir Jeden anhören wollten, den wir
festzunehmen beordert sind--wir würden nie von der Stelle
kommen--Belieben Sie, uns zu folgen, Herr von Dorsigny! Die
Postchaise hält vor der Thür und erwartet uns.
Oberst. Wie? was? die Postchaise?
Erster Unterofficier. Ja, Herr! Sie haben Ihre Garnison heimlich
verlassen! Wir sind beordert, Sie stehenden Fußes in den Wagen zu
packen und nach Straßburg zurückzubringen.
Oberst. Und das ist wieder ein Streich von diesem verwünschten
Taugenichts! Ha, Lotterbube!
Champagne. Ja, gnädiger Herr, es ist meine Veranstaltung--Sie wissen,
wie sehr ich dawider war, daß Sie Straßburg ohne Urlaub verließen.
Oberst (hebt den Stock auf). Nein, ich halte mich nicht mehr-Beide
Unterofficiere. Mäßigen Sie sich, Herr von Dorsigny!
Champagne. Halten Sie ihn, meine Herren! ich bitte--Das hat man
davon, wenn man Undankbare verpflichtet. Ich rette vielleicht Ihr
Leben, da ich diesem unseligen Duell vorbeuge, und zum Dank hätten
Sie mich todt gemacht, wenn diese Herren nicht so gut gewesen wären,
es zu verhindern.
Oberst. Was ist hier zu thun, Lormeuil?
Lormeuil. Warum berufen Sie sich nicht auf die Personen, die Sie
kennen müssen?
Oberst. An wen, zum Teufel! soll ich mich wenden? Meine Frau, meine
Tochter sind ausgegangen--meine Nichte ist vom Complott--die ganze
Welt ist behext.
Lormeuil. So bleibt nichts übrig, als in Gottes Namen nach Straßburg
zu reisen, wenn diese Leute nicht mit sich reden lassen.
Oberst. Das wäre aber ganz verwünscht-Erster Unterofficier (zu
Champagne). Sind Sie aber auch ganz gewiß, daß es der Neffe ist?
Champagne. Freilich! Freilich! Der Onkel ist weit weg--Nur Stand
gehalten! Nicht gewankt!

Dritter Auftritt.
Ein Postillon. Vorige

Postillon (betrunken). He! Holla! Wird's bald, ihr Herren? Meine
Pferde stehen schon eine Stunde vor dem Hause, und ich bin nicht des
Wartens wegen da.
Oberst. Was will der Bursch?
Erster Unterofficier. Es ist der Postillon, der Sie fahren soll.
Postillon. Sieh doch! Sind Sie's, Herr Hauptmann, der abreist?--Sie
haben kurze Geschäfte hier gemacht--Heute Abend kommen Sie an, und in
der Nacht geht's wieder fort.
Oberst. Woher weißt denn du?
Postillon. Ei! Ei! War ich' s denn nicht, der Sie vor etlichen
Stunden an der Hinterthür dieses Hauses absetzte? Sie sehen, mein
Capitän, daß ich Ihr Geld wohl angewendet--ja, ja, wenn mir Einer was
zu vertrinken gibt, so erfüll' ich gewissenhaft und redlich die
Absicht.
Oberst. Was sagst du, Kerl? Mich hättest du gefahren? Mich?
Postillon. Sie, Herr!--Ja doch, beim Teufel, und da steht ja Ihr
Bedienter, der den Vorreiter machte--Gott grüß' dich, Gaudieb! Eben
der hat mir's ja im Vertrauen gesteckt, daß Sie ein Herr Hauptmann
seien und von Straßburg heimlich nach Paris gingen.-Oberst. Wie,
Schurke? Ich wäre das gewesen?
Postillon. Ja, Sie! Und der auf dem ganzen Wege laut mit sich
selbst sprach und an Einem fort rief: Meine Sophie! Mein liebes
Bäschen! Mein englisches Cousinchen!--Wie? haben Sie das schon
vergessen?
Champagne (zum Oberst). Ich bin's nicht, gnädiger Herr, der ihm
diese Worte in den Mund legt--Wer wird aber auch auf öffentlicher
Poststraße so laut von seiner Gebieterin reden!
Oberst. Es ist beschlossen, ich seh's, ich soll nach Straßburg, um
der Sünden meines Neffen willen-Erster Unterofficier. Also, mein
Herr Hauptmann-Oberst. Also, mein Herr Geleitsmann, also muß ich
freilich mit Ihnen fort, aber ich kann Sie versichern, sehr wider
meinen Willen.
Erster Unterofficier. Das sind wir gewohnt, mein Capitän, die Leute
wider ihren Willen zu bedienen.
Oberst. Du bist also mein Bedienter?
Champagne. Ja, gnädiger Herr.
Oberst. Folglich bin ich dein Gebieter.
Champagne. Das versteht sich.
Oberst. Ein Bedienter muß seinem Herrn folgen--du gehst mit mir nach
Straßburg.
Champagne (für sich). Verflucht!
Postillon. Das versteht sich--Marsch!
Champagne. Es thut mir leid, Sie zu betrüben, gnädiger Herr--Sie
wissen, wie groß meine Anhänglichkeit an Sie ist--ich gebe Ihnen eine
starke Probe davon in diesem Augenblick--aber Sie wissen auch, wie
sehr ich mein Weib liebe. Ich habe sie heute nach einer langen
Trennung wieder gesehen! Die arme Frau bezeigte eine so herzliche
Freude über meine Zurückkunft, daß ich beschlossen habe, sie nie
wieder zu verlassen und meinen Abschied von Ihnen zu begehren. Sie
werden sich erinnern, daß Sie mir noch von drei Monaten Gage schuldig
sind.
Oberst. Dreihundert Stockprügel bin ich dir schuldig, Bube!
Erster Unterofficier. Herr Capitän, Sie haben kein Recht, Diesen
ehrlichen Diener wider seinen Willen nach Straßburg mitzunehmen--und
wenn Sie ihm noch Rückstände schuldig sind-Oberst. Nichts, keinen
Heller bin ich ihm schuldig.
Erster Unterofficier. So ist das kein Grund, ihn mit Prügeln
abzulohnen.
Lormeuil. Ich muß sehen, wie ich ihm heraus helfe--Wenn es nicht
anders ist--in Gottes Namen, reisen Sie ab, Herr von Dorsigny. Zum
Glück bin ich frei, ich habe Freunde, ich eile, sie in Bewegung zu
setzen, und bringe Sie zurück, eh' es Tag wird.
Oberst. Und ich will den Postillon dafür bezahlen, daß er so langsam
fährt als möglich, damit Sie mich noch einholen können--(Zum
Postillon.) Hier, Schwager! Vertrink das auf meine Gesundheit--aber
du mußt mich fahren-Postillon (treuherzig). Daß die Pferde dampfen.
Oberst. Nicht doch! nein! so mein' ich's nicht-Postillon. Ich will
Sie fahren wie auf dem Herweg! Als ob der Teufel Sie davon führte.
Oberst. Hol' der Teufel dich selbst, du verdammter Trunkenbold! Ich
sage dir ja-Postillon. Sie haben's eilig! Ich auch! Sei'n Sie ganz
ruhig! Fort soll's gehen, daß die Funken hinauf fliegen. (Ab.)
Oberst (ihm nach). Der Kerl macht mich rasend! Warte doch, höre!
Lormeuil. Beruhigen Sie sich! Ihre Reise soll nicht lange dauern.
Oberst. Ich glaube, die ganze Hölle ist heute losgelassen. (Geht ab,
der erste Unterofficier folgt.)
Lormeuil (zum zweiten). Kommen Sie, mein Herr, folgen Sie mir, weil
es Ihnen so befohlen ist--aber ich sage Ihnen vorher, ich werde Ihre
Beine nicht schonen! Und wenn Sie sich Rechnung gemacht haben, diese
Nacht zu schlafen, so sind Sie garstig betrogen, denn wir werden
immer auf den Straßen sein.
Zweiter Unterofficier. Nach Ihrem Gefallen, gnädiger Herr--Zwingen
Sie sich ganz und gar nicht--Ihr Diener, Herr Champagne!
(Lormeuil und der zweite Unterofficier ab.)

Vierter Auftritt.
Champagne. Dann Frau von Mirville.

Champagne (allein). Sie sind fort--Glück zu, Champagne! Der Sieg
ist unser. Jetzt frisch ans Werk, daß wir die Heirath noch in dieser
Nacht zu Stande bringen--Da kommt die Schwester meines Herrn; ihr
kann ich alles sagen.
Fr. v. Mirville. Ah, bist du da, Champagne? Weißt du nicht, wo der
Onkel ist?
Champagne. Auf dem Weg nach Straßburg.
Fr. v. Mirville. Wie? Was? Erkläre dich!
Champagne. Recht gern, Ihr Gnaden. Sie wissen vielleicht nicht, daß
mein Herr und dieser Lormeuil einen heftigen Zank zusammen gehabt
haben.
Fr. v. Mirville. Ganz im Gegentheil. Sie sind als die besten
Freunde geschieden, das weiß ich.
Champagne. Nun, so habe ich's aber nicht gewußt. Und in der Hitze
meines Eifers ging ich hin, mir bei der Polizei Hilfe zu suchen. Ich
komme her mit zwei Sergeanten, davon der eine Befehl hat, dem Herrn
von Lormeuil an der Seite zu bleiben, der andere, meinen Herrn nach
Straßburg zurück zu bringen.--Nun reitet der Teufel diesen
verwünschten Sergeanten, daß er den Onkel für den Neffen nimmt, ihn
beinahe mit Gewalt in die Kutsche packt, und fort mit ihm, jagst du
nicht, so gilt's nicht, nach Straßburg!
Fr. v. Mirville. Wie--Champagne! du schickst meinen Onkel anstatt
meines Bruders auf die Reise? Nein, das kann nicht dein Ernst sein.
Champagne. Um Vergebung, es ist mein voller Ernst--Das Elsaß ist ein
charmantes Land; der Herr Oberst haben sich noch nicht darin
umgesehen, und ich verschaffe Ihnen diese kleine Ergötzlichkeit.
Fr. v. Mirville. Du kannst noch scherzen? Was macht aber der Herr
von Lormeuil?
Champagne. Er führt seinen Sergeanten in der Stadt spazieren.
Fr. v. Mirville. Der arme Junge! Er verdient wohl, daß ich Antheil
an ihm nehme.
Champagne. Nun, gnädige Frau! Ans Werk! Keine Zeit verloren! Wenn
mein Herr seine Cousine nur erst geheirathet hat, so wollen wir den
Onkel zurückholen. Ich suche meinen Herrn auf; ich bringe ihn her,
und wenn nur Sie uns beistehen, so muß diese Nacht alles richtig
werden. (Ab.)

Fünfter Auftritt.
Frau von Mirville. Dann Frau von Dorsigny. Sophie.

Fr. v. Mirville. Das ist ein verzweifelter Bube; aber er hat seine
Sache so gut gemacht, daß ich mich mit ihm verstehen muß--Hier kommt
meine Tante; ich muß ihr die Wahrheit verbergen.
Fr. v. Dorsigny. Ach, liebe Nichte! Hast du deinen Onkel nicht
gesehen?
Fr. v. Mirville. Wie? Hat er denn nicht Abschied von Ihnen
genommen?
Fr. v. Dorsigny. Abschied? Wie?
Fr. v. Mirville. Ja, er ist fort.
Fr. v. Dorsigny. Er ist fort? Seit wann?
Fr. v. Mirville. Diesen Augenblick.
Fr. v. Dorsigny. Das begreif' ich nicht. Er wollte ja erst gegen
eilf Uhr wegfahren. Und wo ist er denn hin, so eilig?
Fr. v. Mirville. Das weiß ich nicht. Ich sah ihn nicht
abreisen--Champagne erzählte mir's.

Sechster Auftritt.
Die Vorigen. Franz Dorsigny in seiner eigenen Uniform und ohne
Perrücke.

Champagne. Da ist er, Ihr Gnaden, da ist er!
Fr. v. Dorsigny. Wer? Mein Mann?
Champagne. Nein, nicht doch! Mein Herr, der Herr Hauptmann.
Sophie (ihm entgegen). Lieber Vetter!
Champagne. Ja--er hatte wohl recht, zu sagen, daß er mit seinem
Brief zugleich eintreffen werde.
Fr. v. Dorsigny. Mein Mann reist ab, mein Neffe kommt an! Wie
schnell sich die Begebenheiten drängen!
Dorsigny. Seh' ich Sie endlich wieder, beste Tante! Ich komme voll
Unruhe und Erwartung-Fr. v. Dorsigny. Guten Abend, lieber Neffe!
Dorsigny. Welcher frostige Empfang?
Fr. v. Dorsigny. Ich bin herzlich erfreut, dich zu sehen. Aber
mein Mann-Dorsigny. Ist dem Onkel etwas zugestoßen?
Fr. v. Mirville. Der Onkel ist heute Abend von einer großen Reise
zurückgekommen, und in diesem Augenblick verschwindet er wieder, ohne
daß wir wissen, wo er hin ist.
Dorsigny. Das ist ja sonderbar!
Champagne. Es ist ganz zum Erstaunen!
Fr. v. Dorsigny. Da ist ja Champagne! Der kann uns allen aus dem
Traume helfen.
Champagne. Ich, gnädige Frau?
Fr. v. Mirville. Ja, du! Mit dir allein hat der Onkel ja
gesprochen, wie er abreiste.
Champagne. Das ist wahr! Mit mir allein hat er gesprochen.
Dorsigny. Nun, so sage nur, warum verreiste er so plötzlich?
Champagne. Warum? Ei, er mußte wohl! Er hatte ja Befehl dazu von
der Regierung.
Fr. v. Dorsigny. Was?
Champagne. Er hat einen wichtigen geheimen Auftrag, der die größte
Eilfertigkeit erfordert--der einen Mann erfordert--einen Mann--Ich
sage nichts mehr. Aber Sie können sich etwas darauf einbilden,
gnädige Frau, daß die Wahl auf den Herrn gefallen ist.
Fr. v. Mirville. Allerdings! Eine solche Auszeichnung ehrt die
ganze Familie!
Champagne. Euer Gnaden begreifen wohl, daß er sich da nicht lange
mit Abschiednehmen aufhalten konnte. Champagne, sagte er zu mir, ich
gehe in wichtigen Staatsangelegenheiten nach--nach Sanct Petersburg.
Der Staat befiehlt--ich muß gehorchen--beim ersten Postwechsel
schreib' ich meiner Frau--was übrigens die Heirath zwischen meinem
Neffen und meiner Tochter betrifft--so weiß sie, daß ich vollkommen
damit zufrieden bin.
Dorsigny. Was hör' ich! mein lieber Onkel sollte-Champagne. Ja,
gnädiger Herr! er willigt ein.--Ich gebe meiner Frau unumschränkte
Vollmacht, sagte er, alles zu beendigen, und ich hoffe bei meiner
Zurückkunft unsere Tochter als eine glückliche Frau zu finden.
Fr. v. Dorsigny. Und so reiste er allein ab?
Champagne. Allein? Nicht doch! Er hatte noch einen Herrn bei sich,
der nach etwas recht Vornehmem aussah-Fr. v. Dorsigny. Ich kann
mich gar nicht drein finden.
Fr. v. Mirville. Wir wissen seinen Wunsch. Man muß dahin sehen,
daß er sie als Mann und Frau findet bei seiner Zurückkunft.
Sophie. Seine Einwilligung scheint mir nicht im geringsten
zweifelhaft, und ich trage gar kein Bedenken, den Vetter auf der
Stelle zu heirathen.
Fr. v. Dorsigny. Aber ich trage Bedenken--und will seinen ersten
Brief noch abwarten.
Champagne (beiseite). Da sind wir nun schön gefördert, daß wir den
Onkel nach Petersburg schicken.
Dorsigny. Aber, beste Tante!

Siebenter Auftritt.
Die Vorigen. Der Notarius.

Notar (tritt zwischen Dorsigny und seine Tante). Ich empfehle mich
der ganzen hochgeneigten Gesellschaft zu Gnaden.
Fr. v. Dorsigny. Sieh da, Herr Gaspar, der Notar unsers Hauses.
Notar. Zu Dero Befehl, gnädige Frau! Es beliebte Dero Herrn Gemahl,
sich in mein Haus zu verfügen.
Fr. v. Dorsigny. Wie? Mein Mann wäre vor seiner Abreise noch bei
Ihnen gewesen?
Notar. Vor dero Abreise! Was Sir mir sagen! Sieh! sieh doch!
Darum hatten es der gnädige Herr so eilig und wollten mich gar nicht
in meinem Hause erwarten. Dieses Billet ließen mir Hochdieselben
zurück--Belieben Ihro Gnaden es zu durchlesen. (Reicht der Frau von
Dorsigny das Billet.)
Champagne (leise zu Dorsigny). Da ist der Notar, den Ihr Onkel
bestellt hat.
Dorsigny. Ja, wegen Lormeuils Heirath.
Champagne (leise). Wenn wir ihn zu der Ihrigen brauchen könnten?
Dorsigny. Still! Hören wir, was er schreibt!
Fr. v. Dorsigny (liest). "Haben Sie die Güte, mein Herr, sich noch
diesen Abend in mein Haus zu bemühen und den Ehekontrakt mit zu
bringen, den Sie für meine Tochter aufgesetzt haben. Ich habe meine
Ursachen, diese Heirath noch in dieser Nacht abschließen--Dorsigny."
Champagne. Da haben wir's schwarz auf weiß! Nun wird die gnädige
Frau doch nicht mehr an der Einwilligung des Herrn Onkels zweifeln?
Sophie. Es ist also gar nicht nöthig, daß der Papa Ihnen schreibt,
liebe Mutter, da er diesem Herrn geschrieben hat.
Fr. v. Dorsigny. Was denken Sie von der Sache, Herr Gaspar?
Notar. Nun, dieser Brief wäre deutlich genug, dächt' ich.
Fr. v. Dorsigny. In Gottes Namen, meine Kinder! Seid glücklich!
Gebt euch die Hände, weil doch mein Mann selbst den Notar herschickt.
Dorsigny. Frisch, Champagne! Einen Tisch, Feder und Tinte; wir
wollen gleich unterzeichnen.

Achter Auftritt.
Oberst Dorsigny. Valcour. Vorige.

Fr. v. Mirville. Himmel! Der Onkel!
Sophie. Mein Vater!
Champagne. Führt ihn der Teufel zurück?
Dorsigny. Jawohl, der Teufel! Dieser Valcour ist mein böser Genius!
Fr. v. Dorsigny. Was seh' ich! Mein Mann!
Valcour (den ältern Dorsigny präsentierend). Wie schätz' ich mich
glücklich, einen geliebten Neffen in den Schooß seiner Familie
zurückführen zu können! (Wie er den jüngern Dorsigny gewahr wird.)
Wie Teufel, da bist du ja--(Sich zum ältern Dorsigny wendend.) Und
wer sind Sie denn, mein Herr?
Oberst. Sein Onkel, mein Herr.
Dorsigny. Aber erkläre mir, Valcour-Valcour. Erkläre du mir selbst!
Ich bringe in Erfahrung, daß eine Ordre ausgefertigt sei, dich nach
deiner Garnison zurück zu schicken--Nach unsäglicher Mühe erlange ich,
daß sie widerrufen wird--ich werfe mich aufs Pferd, ich erreiche
noch bald genug die Postchaise, wo ich dich zu finden glaubte, und
finde auch wirklich-Oberst. Ihren gehorsamen Diener, fluchend und
tobend über einen verwünschten Postknecht, dem ich Geld gegeben hatte,
um mich langsam zu fahren, und der mich wie ein Sturmwind davon
führte.
Valcour. Dein Herr Onkel findet es nicht für gut, mich aus meinem
Irrthum zu reißen; die Postchaise lenkt wieder um, nach Paris zurück,
und da bin ich nun--Ich hoffe, Dorsigny, du kannst dich nicht über
meinen Eifer beklagen.
Dorsigny. Sehr verbunden, mein Freund, für die mächtigen Dienste,
die du mir geleistet hast! Es thut mir nur leid um die unendliche
Mühe, die du dir gegeben hast.
Oberst. Herr von Valcour! Mein Neffe erkennt Ihre große Güte
vielleicht nicht mit der gehörigen Dankbarkeit; aber rechnen Sie
dafür auf die meinige.
Fr. v. Dorsigny. Sie waren also nicht unterwegs nach Rußland?
Oberst. Was Teufel sollte ich in Rußland?
Fr. v. Dorsigny. Nun, wegen der wichtigen Commission, die das
Ministerium Ihnen auftrug, wie Sie dem Champagne sagten.
Oberst. Also wieder der Champagne, der mich zu diesem hohen Posten
befördert. Ich bin ihm unendlichen Dank schuldig, daß er so hoch mit
mir hinaus will.--Herr Gaspar, Sie werden zu Hause mein Billet
gefunden haben; es würde mir lieb sein, wenn der Ehekontrakt noch
diese Nacht unterzeichnet würde.
Notar. Nichts ist leichter, gnädiger Herr! Wir waren eben im
Begriff, dieses Geschäft auch in Ihrer Abwesenheit vorzunehmen.
Oberst. Sehr wohl! Man verheirathet sich zuweilen ohne den Vater;
aber wie ohne den Bräutigam, das ist mir doch nie vorgekommen.
Fr. v. Dorsigny. Hier ist der Bräutigam! Unser lieber Neffe.
Dorsigny. Ja, bester Onkel! Ich bin's.
Oberst. Mein Neffe ist ein ganz hübscher Junge; aber meine Tochter
bekommt er nicht.
Fr. v. Dorsigny. Nun, wer soll sie denn sonst bekommen?
Oberst. Wer, fragen Sie? Zum Henker! Der Herr von Lormeuil soll
sie bekommen.
Fr. v. Dorsigny. Er ist also nicht todt, der Herr von Lormeuil?
Oberst. Nicht doch, Madame! Er lebt, er ist hier. Sehen Sie sich
nur um, dort kommt er.
Fr. v. Dorsigny. Und wer ist denn der Herr, der mit ihm ist?
Oberst. Das ist ein Kammerdiener, den Herr Champagne beliebt hat,
ihm an die Seite zu geben.

Neunter Auftritt.
Die Vorigen. Lormeuil mit seinem Unterofficier, der sich im
Hintergrunde des Zimmers niedersetzt.

Lormeuil (zum Obersten). Sie schicken also Ihren Onkel an Ihrer
Statt nach Straßburg? Das wird Ihnen nicht so hingehen, mein Herr.
Oberst. Sieh, sieh doch! Wenn du dich ja mit Gewalt schlagen willst,
Lormeuil, so schlage dich mit meinem Neffen. und nicht mit mir.
Lormeuil (erkennt ihn). Wie? Sind Sie's? Und wie haben Sie's
gemacht, daß Sie so schnell zurückkommen?
Oberst. Hier, bei diesem Herrn von Valcour bedanken Sie sich, der
mich aus Freundschaft für meinen Neffen spornstreichs zurückholte.
Dorsigny. Ich begreife Sie nicht, Herr von Lormeuil! Wir waren ja
als die besten Freunde von einander geschieden--Haben Sie mir nicht
selbst, noch ganz kürzlich, alle Ihre Ansprüche auf die Hand meiner
Cousine abgetreten?
Oberst. Nichts, nichts! Daraus wird nichts! Meine Frau, meine
Tochter, meine Nichte, mein Neffe, alle zusammen sollen mich nicht
hindern, meinen Willen durchzusetzen.
Lormeuil. Herr von Dorsigny! Mich freut's von Herzen, daß Sie von
einer Reise zurück sind, die Sie wider Ihren Willen angetreten--Aber
wir haben gut reden und Heirathspläne schmieden, Fräulein Sophie wird
darum doch Ihren Neffen lieben.
Oberst. Ich verstehe nichts von diesem allem! Aber ich werde den
Lormeuil nicht von Toulon nach Paris gesprengt haben, daß er als ein
Junggesell zurückkehren soll.
Dorsigny. Was das betrifft, mein Onkel--so ließe sich vielleicht
eine Auskunft treffen, daß Herr von Lormeuil keinen vergeblichen Weg
gemacht hätte.--Fragen Sie meine Schwester.
Fr. v. Mirville. Mich? Ich habe nichts zu sagen.
Lormeuil. Nun, so will ich denn reden--Herr von Dorsigny, Ihre
Nichte ist frei; bei der Freundschaft, davon Sie mir noch heute einen
so großen Beweis geben wollten, bitte ich Sie, verwenden Sie allen
ihren Einfluß bei Ihrer Nichte, daß sie es übernehmen möge, Ihre
Wortbrüchigkeit gegen mich gut zu machen.
Oberst. Was? Wie?--Ihr sollt ein Paar werden--Und dieser Schelm,
der Champagne, soll mir für alle zusammen bezahlen.
Champagne. Gott soll mich verdammen, gnädiger Herr, wenn ich nicht
selbst zuerst von der Aehnlichkeit betrogen wurde.--Verzeihen Sie mir
die kleine Spazierfahrt, die ich Sie machen ließ, es geschah meinem
Herrn zum Besten.
Oberst (zu beiden Paaren). Nun, so unterzeichnet!
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  • Der Neffe als Onkel - 3
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