Der Neffe als Onkel - 2

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desto besser!--Erlauben Sie, daß ich Ihnen hier diesen Herrn-Fr. v.
Dorsigny. Bitte tausendmal um Vergebung, meine Herren--die
Putzhändlerin wartet auf uns, wir sind gleich wieder da--Komm, meine
Tochter! (Ab.)
Oberst. Nun, nun! Diese Putzhändlerin könnte wohl auch einen
Augenblick warten, dächt' ich.
Sophie. Eben darum, weil sie nicht warten kann--Entschuldigen Sie,
meine Herren. (Ab.)
Oberst. Das mag sein--aber ich sollte doch denken-Fr. v. Mirville.
Die Herren, wissen wir wohl, fragen nach Putzhändlerinnen nichts;
aber für uns sind das sehr wichtige Personen. (Geht ab, sich tief
gegen Lormeuil verneigend.)
Oberst. Zum Teufel, das seh' ich, da man uns ihrentwegen stehen läßt.

Vierzehnter Auftritt.
Oberst Dorsigny. Lormeuil.

Oberst. Ein schöner Empfang, das muß ich sagen!
Lormeuil. Ist das so der Brauch bei den Pariser Damen, daß sie den
Putzhändlerinnen nachlaufen, wenn ihre Männer ankommen?
Oberst. Ich weiß gar nicht, was ich daraus machen soll. Ich schrieb,
daß ich erst in sechs Wochen zurück sein könnte; ich bin unversehens
da, und man ist nicht im geringsten mehr darüber erstaunt, als wenn
ich nie aus der Stadt gekommen wäre.
Lormeuil. Wer sind die beiden jungen Damen, die mich so höflich
grüßten?
Oberst. Die eine ist meine Nichte, und die andere meine Tochter,
Ihre bestimmte Braut.
Lormeuil. Sie sind Beide sehr hübsch.
Oberst. Der Henker auch! Die Frauen sind alle hübsch in meiner
Familie. Aber es ist nicht genug an dem Hübschsein--man muß sich
auch artig betragen.

Fünfzehnter Auftritt.
Vorige. Die drei Bedienten, die nach und nach hereinkommen.

Zweiter Bedienter (zur Linken des Obersten). Der Notar läßt sehr
bedauern, daß er mit Euer Gnaden nicht zu Nacht speisen kann--er wird
sich aber nach Tische einfinden.
Oberst. Was schwatzt Der da für närrisches Zeug?
Zweiter Bedienter. Die Postpferde werden Schlag eilf Uhr vor dem
Hause sein. (Ab.)
Oberst. Die Postpferde, jetzt, da ich eben ankomme!
Erster Bedienter (zu seiner rechten Seite). Der Juwelier, Euer
Gnaden, hat Bankerott gemacht und ist diese Nacht auf und davon
gegangen. (Ab.)
Oberst. Was geht das mich an? Er war mir nichts schuldig.
Jasmin (an seiner linken Seite). Ich war bei dem Herrn Simon, wie
Euer Gnaden befohlen. Er war krank und lag im Bette. Hier schickt
er Ihnen die Quittung.
Oberst. Was für eine Quittung, Schurke?
Jasmin. Nun ja, die Quittung, die Sie in der Hand haben. Belieben
Sie, sie zu lesen.
Oberst (liest). "Ich Endesunterzeichneter bekenne, von dem Herrn
Oberst von Dorsigny zweitausend Livres, welche ich seinem Herrn
Neffen vorgeschossen, richtig erhalten zu haben."
Jasmin. Euer Gnaden sehen, daß die Quittung richtig ist. (Ab.)
Oberst. O vollkommen richtig! Das begreife, wer' s kann; mein
Verstand steht still--Der ärgste Gauner in ganz Paris ist krank und
schickt mir die Quittung über das, was mein Neffe ihm schuldig ist.
Lormeuil. Vielleicht schlägt ihn das Gewissen.
Oberst. Kommen Sie! Kommen Sie, Lormeuil! Suchen wir
herauszubringen, was uns diesen angenehmen Empfang verschafft--und
hole der Teufel alle Notare, Juweliere, Postpferde, Geldmäkler und
Putzmacherinnen! (Beide ab.)


Zweiter Aufzug.
Die Scene ist ein Saal mit einer Thür im Fond, die zu einem Garten
führt. Aus beiden Seiten sind Kabinetsthüren.

Erster Auftritt.
Frau von Mirville. Franz von Dorsigny kommt aus einem Zimmer linker
Hand und sieht sich sorgfältig um.

Fr. v. Mirville (von der entgegengesetzten Seite). Wie unbesonnen!
Der Onkel wird den Augenblick da sein.
Dorsigny. Aber sage mir doch, was mit mir werden soll? Ist alles
entdeckt, und weiß meine Tante, daß ihr vorgeblicher Mann nur ihr
Neffe war?
Fr. v. Mirville. Nichts weiß man! Nichts ist entdeckt! Die Tante
ist noch mit der Modehändlerin eingeschlossen; der Onkel flucht auf
seine Frau--Herr von Lormeuil ist ganz verblüfft über die sonderbare
Aufnahme, und ich will suchen, die Entwicklung, die nicht mehr lange
anstehen kann, so lang als möglich zu verzögern, daß ich Zeit gewinne,
den Onkel zu deinem Vortheil zu stimmen, oder, wenn's nicht anders
ist, den Lormeuil in mich verliebt zu machen--denn eh' ich zugebe,
daß er die Cousine heiratet, nehm' ich ihn lieber selbst.

Zweiter Auftritt.
Vorige. Valcour.

Valcour (kommt schnell). Ah schön, schön, daß ich dich hier finde,
Dorsigny. Ich habe dir tausend Sachen zu sagen und in der größten
Eile.
Dorsigny. Hol' ihn der Teufel! Der kommt mir jetzt gelegen.
Valcour. Die gnädige Frau darf doch-Dorsigny. Vor meiner Schwester
hab' ich kein Geheimniß.
Valcour (zur Frau von Mirville sich wendend). Wie freue ich mich,
meine Gnädige, Ihre Bekanntschaft gerade in diesem Augenblicke zu
machen, wo ich so glücklich war, Ihrem Herrn Bruder einen
wesentlichen Dienst zu erzeigen.
Dorsigny. Was hör' ich? Seine Stimme! (Flieht in das Kabinet, wo
er herauskommen.)
Valcour (ohne Dorsignys Flucht zu bemerken, fährt fort). Sollte ich
jemals in den Fall kommen, meine Gnädige, Ihnen nützlich sein zu
können, so betrachten Sie mich als Ihren ergebensten Diener. (Er
bemerkt nicht, daß indeß der Oberst Dorsigny hereingekommen und sich
an den Platz des andern gestellt hat.)

Dritter Auftritt.
Vorige. Oberst Dorsigny. Lormeuil.

Oberst. Ja--diese Weiber sind eine wahre Geduldprobe für ihre Männer.
Valcour (kehrt sich um und glaubt mit dem jungen Dorsigny zu reden).
Ich wollte dir also sagen, lieber Dorsigny, daß dein Oberstlieutenant
nicht todt ist.
Oberst. Mein Oberstlieutenant?
Valcour. Mit dem du die Schlägerei gehabt hast. Er hat an meinen
Freund Liancour schreiben lassen; er läßt dir vollkommene
Gerechtigkeit widerfahren und bekennt, daß er der Angreifer gewesen
sei. Die Familie hat zwar schon angefangen, dich gerichtlich zu
verfolgen; aber wir wollen alles anwenden, die Sache bei Zeiten zu
unterdrücken. Ich habe mich losgemacht, dir diese gute Nachricht zu
überbringen, und muß gleich wieder zu meiner Gesellschaft.
Oberst. Sehr obligiert--aber-Valcour. Du kannst also ganz ruhig
schlafen. Ich wache für dich. (Ab.)

Vierter Auftritt.
Frau von Mirville. Oberst Dorsigny. Lormeuil.

Oberst. Sage mir doch, was der Mensch will?
Fr. v. Mirville. Der Mensch ist verrückt, das sehen Sie ja.
Oberst. Dies scheint also eine Epidemie zu sein, die alle Welt
ergriffen hat, seitdem ich weg bin; denn das ist der erste Narr nicht,
dem ich seit einer halben Stunde hier begegne.
Fr. v. Mirville. Sie müssen den trocknen Empfang meiner Tante nicht
so hoch aufnehmen. Wenn von Putzsachen die Rede ist, da darf man ihr
mit nichts Anderm kommen.
Oberst. Nun, Gott sei Dank! da hör' ich doch endlich einmal ein
vernünftiges Wort!--So magst du denn die Erste sein, die ich mit dem
Herrn von Lormeuil bekannt mache.
Lormeuil. Ich bin sehr glücklich, mein Fräulein, daß ich mich der
Einwilligung Ihres Herrn Vaters erfreuen darf--Aber diese
Einwilligung kann mir zu nichts helfen, wenn nicht die Ihrige-Oberst.
Nun fängt Der auch an!--Hat die allgemeine Raserei auch dich
angesteckt, armer Freund? Dein Compliment ist ganz artig, aber bei
meiner Tochter, und nicht bei meiner Nichte hättest du das anbringen
sollen.
Lormeuil. Vergeben Sie, gnädige Frau! Sie sagen der Beschreibung so
vollkommen zu, die mir Herr von Dorsigny von meiner Braut gemacht hat,
daß mein Irrthum verzeihlich ist.
Fr. v. Mirville. Hier kommt meine Cousine, Herr von Lormeuil!
Betrachten Sie sie recht und überzeugen Sie sich mit Ihren eigenen
Augen, daß sie alle die schönen Sachen verdient, die Sie mir
zugedacht haben.

Fünfter Auftritt.
Vorige. Sophie.

Sophie. Bitte tausendmal um Verzeihung, bester Vater, daß ich Sie
vorhin so habe stehen lassen; die Mama rief mir, und ich mußte ihrem
Befehl gehorchen.
Oberst. Nun, wenn man nur seinen Fehler einsieht und sich
entschuldigt-Sophie. Ach, mein Vater! wo finde ich Worte, Ihnen
meine Freude, meine Dankbarkeit auszudrücken, daß Sie in diese
Heirath willigen.
Oberst. So, so! Gefällt sie dir, diese Heirath?
Sophie. O gar sehr!
Oberst (leise zu Lormeuil). Du siehst, wie sie dich schon liebt,
ohne dich zu kennen! Das kommt von der schönen Beschreibung, die ich
ihr von dir gemacht habe, eh' ich abreiste.
Lormeuil. Ich bin Ihnen sehr verbunden.
Oberst. Ja, aber nun, mein Kind, wird es doch wohl Zeit sein, daß
ich mich nach deiner Mutter ein wenig umsehe; denn endlich werden mir
doch die Putzhändlerinnen Platz machen, hoffe ich--Leiste du indeß
diesem Herrn Gesellschaft. Er ist mein Freund, und mich soll's
freuen, wenn er bald auch der deinige wird--verstehst du? (Zu
Lormeuil.) Jetzt frisch daran--Das ist der Augenblick! Suche noch
heute ihre Neigung zu gewinnen, so ist sie morgen deine Frau--(Zu
Frau von Mirville.) Kommt, Nichte! Sie mögen es mit einander allein
ausmachen. (Ab.)

Sechster Auftritt.
Sophie. Lormeuil.

Sophie. Sie werden also auch bei der Hochzeit sein?
Lormeuil. Ja, mein Fräulein--Sie scheint Ihnen nicht zu mißfallen,
diese Heirath?
Sophie. Sie hat den Beifall meines Vaters.
Lormeuil. Wohl! Aber was die Väter veranstalten, hat darum nicht
immer den Beifall der Töchter.
Sophie. O was diese Heirath betrifft--die ist auch ein wenig meine
Anstalt.
Lormeuil. Wie das, mein Fräulein?
Sophie. Mein Vater war so gütig, meine Neigung um Rath zu fragen.
Lormeuil. Sie lieben also den Mann, der Ihnen zum Gemahl bestimmt
ist?
Sophie. Ich verberg' es nicht.
Lormeuil. Wie? und kennen ihn nicht einmal?
Sophie. Ich bin mit ihm erzogen worden.
Lormeuil. Sie wären mit dem jungen Lormeuil erzogen worden?
Sophie. Mit dem Herrn von Lormeuil--nein!
Lormeuil. Das ist aber Ihr bestimmter Bräutigam.
Sophie. Ja, das war anfangs.
Lormeuil. Wie, anfangs?
Sophie. Ich sehe, daß Sie noch nicht wissen, mein Herr-Lormeuil.
Nichts weiß ich! Nicht das Geringste weiß ich.
Sophie. Er ist todt.
Lormeuil. Wer ist todt?
Sophie. Der junge Herr von Lormeuil.
Lormeuil. Wirklich?
Sophie. Ganz gewiß.
Lormeuil. Wer hat Ihnen gesagt, daß er todt sei?
Sophie. Mein Vater!
Lormeuil. Nicht doch, Fräulein! Das kann ja nicht sein, das ist
nicht möglich.
Sophie. Mit Ihrer Erlaubniß, es ist! Mein Vater, der von Toulon
kommt, muß es doch besser wissen, als Sie. Dieser junge Edelmann
bekam auf einem Balle Händel, er schlug sich und erhielt drei
Degenstiche durch den Leib.
Lormeuil. Das ist gefährlich.
Sophie. Ja wohl, er ist auch daran gestorben.
Lormeuil. Es beliebt Ihnen, mit mir zu scherzen, gnädiges Fräulein.
Niemand kann Ihnen vom Herrn von Lormeuil bessere Auskunft geben, als
ich.
Sophie. Als Sie! Das wäre doch lustig.
Lormeuil. Ja, mein Fräulein, als ich! Denn, um es auf einmal
herauszusagen--ich selbst bin dieser Lormeuil und bin nicht todt, so
viel ich weiß.
Sophie. Sie wären Herr von Lormeuil?
Lormeuil. Nun, für wen hielten Sie mich denn sonst?
Sophie. Für einen Freund meines Vaters den er zu meiner Hochzeit
eingeladen.
Lormeuil. Sie halten also immer noch Hochzeit, ob ich gleich todt
bin?
Sophie. Ja freilich!
Lormeuil. Und mit wem denn, wenn ich fragen darf?
Sophie. Mit meinem Cousin Dorsigny.
Lormeuil. Aber Ihr Herr Vater wird doch auch ein Wort dabei mit zu
sprechen haben.
Sophie. Das hat er, das versteht sich! Er hat ja seine Einwilligung
gegeben.
Lormeuil. Wann hätt' er sie gegeben?
Sophie. Eben jetzt--ein paar Augenblicke vor Ihrer Ankunft.
Lormeuil. Ich bin ja aber mit ihm zugleich gekommen.
Sophie. Nicht doch, mein Herr! Mein Vater ist vor Ihnen hier
gewesen.
Lormeuil (an den Kopf greifend). Mir schwindelt--es wird mir drehend
vor den Augen--Jedes Wort, das Sie sagen, setzt mich in
Erstaunen--Ihre Worte in Ehren, mein Fräulein, aber hierunter muß ein
Geheimniß stecken, das ich nicht ergründe.
Sophie. Wie, mein Herr--sollten Sie wirklich im Ernst gesprochen
haben?
Lormeuil. Im vollen höchsten Ernst, mein Fräulein-Sophie. Sie wären
wirklich der Herr von Lormeuil?--Mein Gott, was hab' ich da
gemacht--Wie werde ich meine Unbesonnenheit-Lormeuil. Lassen Sie
sich's nicht leid sein, Fräulein--Ihre Neigung zu Ihrem Vetter ist
ein Umstand, den man lieber vor als nach der Heirath erfährt-Sophie.
Aber ich begreife nicht-Lormeuil. Ich will den Herrn von Dorsigny
aufsuchen--vielleicht löst er mir das Räthsel.--Wie es sich aber auch
immer lösen mag, Fräulein, so sollen Sie mit mir zufrieden sein,
hoff' ich. (Ab.)
Sophie. Er scheint ein sehr artiger Mensch--und wenn man mich nicht
zwingt, ihn zu heirathen, so soll es mich recht sehr freuen, daß er
nicht erstochen ist.

Siebenter Auftritt.
Sophie. Oberst. Frau von Dorsigny.

Fr. v. Dorsigny. Laß uns allein, Sophie. (Sophie geht ab.) Wie,
Dorsigny, Sie können mir ins Angesicht behaupten, daß Sie nicht kurz
vorhin mit mir gesprochen haben? Nun, wahrhaftig, welcher Andere als
Sie, als der Herr dieses Hauses, als der Vater meiner Tochter, als
mein Gemahl endlich, hätte das thun können, was Sie thaten?
Oberst. Was Teufel hätte ich denn gethan?
Fr. v. Dorsigny. Muß ich Sie daran erinnern? Wie? Sie wissen
nicht mehr, daß Sie erst vor kurzem mit unsrer Tochter gesprochen,
daß Sie ihre Neigung zu unserm Neffen entdeckt haben, und daß wir
eins worden sind, sie ihm zur Frau zu geben, sobald er wird
angekommen sein?
Oberst. Ich weiß nicht--Madame, ob das alles nur ein Traum Ihrer
Einbildungskraft ist, oder ob wirklich ein Anderer in meiner
Abwesenheit meinen Platz eingenommen hat. Ist das Letztere, so war's
hohe Zeit, daß ich kam--Dieser Jemand schlägt meinen Schwiegersohn
todt, verheirathet meine Tochter und sticht mich aus bei meiner Frau.
und meine Frau und meine Tochter lassen sich's Beide ganz
vortrefflich gefallen.
Fr. v. Dorsigny. Welche Verstockung!--In Wahrheit, Herr von
Dorsigny, ich weiß mich in Ihr Betragen nicht zu finden.
Oberst. Ich werde nicht klug aus dem Ihrigen.

Achter Auftritt.
Vorige. Frau von Mirville.

Fr. v. Mirville. Dacht' ich's doch, daß ich Sie Beide würde
beisammen finden!--Warum gleichen doch nicht alle Haushaltungen der
Ihrigen? Nie Zank und Streit! Immer ein Herz und eine Seele! Das
ist erbaulich! Das ist doch ein Beispiel! Die Tante ist gefällig
wie ein Engel, und der Onkel geduldig wie Hiob.
Oberst. Wahr gesprochen, Nichte!--Man muß Hiobs Geduld haben, wie
ich, um sie bei solchem Geschwätz nicht zu verlieren.
Fr. v. Dorsigny. Die Nichte hat Recht, man muß so gefällig sein wie
ich, um solche Albernheiten zu ertragen.
Oberst. Nun, Madame! Unsre Nichte hat mich seit meinem Hiersein
fast nie verlassen. Wollen wir sie zum Schiedsrichter nehmen?
Fr. v. Dorsigny. Ich bin's vollkommen zufrieden und unterwerfe mich
ihrem Ausspruch.
Fr. v. Mirville. Wovon ist die Rede?
Fr. v. Dorsigny. Stelle dir vor, mein Mann untersteht sich, mir ins
Gesicht zu behaupten, daß er' s nicht gewesen sei, den ich vorhin für
meinen Mann hielt.
Fr. v. Mirville. Ist's möglich?
Oberst. Stelle dir vor, Nichte, meine Frau will mich glauben machen,
daß ich hier, hier in diesem Zimmer, mit ihr gesprochen haben soll,
in demselben Augenblicke, wo ich mich auf der Touloner Poststraße
schütteln ließ.
Fr. v. Mirville. Das ist ja ganz unbegreiflich, Onkel--Hier muß ein
Mißverständniß sein--Lassen Sie mich ein paar Worte mit der Tante
reden.
Oberst. Sieh, wie du ihr den Kopf zurecht setzest, wenn's möglich
ist; aber es wird schwer halten.
Fr. v. Mirville (leise zur Frau von Dorsigny). Liebe Tante, das
alles ist wohl nur ein Scherz von dem Onkel?
Fr. v. Dorsigny (ebenso). Freilich wohl, er müßte ja rasend sein,
solches Zeug im Ernst zu behaupten.
Fr. v. Mirville. Wissen Sie was? Bezahlen Sie ihn mit gleicher
Münze--geben Sie's ihm heim! Lassen Sie ihn fühlen, daß Sie sich
nicht zum Besten haben lassen.
Fr. v. Dorsigny. Du hast Recht. Laß mich nur machen!
Oberst. Wird's bald? Jetzt denk' ich, war's genug.
Fr. v. Dorsigny (spottweise). Ja wohl ist's genug, mein Herr--und
da es die Schuldigkeit der Frau ist, nur durch ihres Mannes Augen zu
sehen, so erkenn' ich meinen Irrthum und will mir alles einbilden,
was Sie wollen.
Oberst. Mit dem spöttischen Ton kommen wir nicht weiter.
Fr. v. Dorsigny. Ohne Groll, Herr von Dorsigny! Sie haben auf
meine Unkosten gelacht, ich lache jetzt auf die Ihrigen, und so heben
wir gegen einander auf.--Ich habe jetzt einige Besuche zu geben.
Wenn ich zurückkomme und Ihnen der spaßhafte Humor vergangen ist, so
können wir ernsthaft miteinander reden. (Ab.)
Oberst (zu Frau von Mirville). Verstehst du ein Wort von allem, was
sie da sagt?
Fr. v. Mirville. Ich werde nicht klug daraus. Aber ich will ihr
folgen und der Sache auf den Grund zu kommen suchen. (Ab.)
Oberst. Thu' das, wenn du willst. Ich geb' es rein auf--so ganz
toll und närrisch hab' ich sie noch nie gesehen. Der Teufel muß in
meiner Abwesenheit meine Gestalt angenommen haben, um mein Haus
unterst zu oberst zu kehren, andere begreif' ich's nicht-

Neunter Auftritt.
Oberst Dorsigny. Champagne, ein wenig betrunken.

Champagne. Nun, das muß wahr sein!--Hier lebt sich's, wie im
Wirthshaus--Aber wo Teufel stecken sie denn alle?--Keine lebendige
Seele hab' ich mehr gesehen, seitdem ich als Kourier den Lärm
angerichtet habe--Doch, sieh da, mein gnädiger Herr, der
Hauptmann--Ich muß doch hören, wie unsere Sachen stehen. (Macht
gegen den Oberst Zeichen des Verständnisses und lacht selbstgefällig.)
Oberst. Was Teufel! ist das nicht der Schelm, der Champagne?--Wie
kommt der hieher, und was will der Esel mit seinen einfältigen
Grimassen?
Champagne (wie oben). Nun, nun, gnädiger Herr?
Oberst. Ich glaube, der Kerl ist besoffen.
Champagne. Nun, was sagen Sie? Hab' ich meine Rolle gut gespielt?
Oberst (für sich). Seine Rolle? Ich merke etwas--Ja, Freund
Champagne, nicht übel.
Champagne. Nicht übel! Was? Zum Entzücken hab' ich sie gespielt.
Mit meiner Peitsche und den Kourierstiefeln, sah ich nicht einem
ganzen Postillon gleich? Wie?
Oberst. Ja! ja! (Für sich.) Weiß der Teufel, was ich ihm antworten
soll.
Champagne. Nun, wie steht's drinnen? Wie weit sind Sie jetzt?
Oberst. Wie weit ich bin--wie's steht--nun, du kannst dir leicht
vorstellen, wie's steht.
Champagne. Die Heirath ist richtig, nicht wahr?--Sie haben als Vater
die Einwilligung gegeben?
Oberst. Ja.
Champagne. Und morgen treten Sie in Ihrer wahren Person als
Liebhaber auf.
Oberst (für sich). Es ist ein Streich von meinem Neffen.
Champagne. Und heirathen die Wittwe des Herrn von Lormeuil--Wittwe!
Hahaha!--die Wittwe von meiner Erfindung.
Oberst. Worüber lachst du?
Champagne. Das fragen Sie! Ich lache über die Gesichter, die der
ehrliche Onkel schneiden wird, wenn er in vier Wochen zurückkommt und
Sie mit seiner Tochter verheirathet findet.
Oberst (für sich). Ich möchte rasend werden!
Champagne. Und der Bräutigam von Toulon, der mit ihm angezogen kommt
und einen Andern in seinem Neste findet--das ist himmlisch!
Oberst. Zum Entzücken!
Champagne. Und wem haben Sie alles das zu danken? Ihrem treuen
Champagne!
Oberst. Dir? Wie so?
Champagne. Nun, wer sonst hat Ihnen denn den Rath gegeben, die
Person Ihres Onkels zu spielen?
Oberst (für sich). Ha der Schurke!
Champagne. Aber das ist zum Erstaunen, wie Sie Ihrem Onkel doch so
ähnlich sehen! Ich würde drauf schwören, er sei es selbst, wenn ich
ihn nicht hundert Meilen weit von uns wüßte.
Oberst (für sich). Mein Schelm von Neffen macht einen schönen
Gebrauch von meiner Gestalt.
Champagne. Nur ein wenig zu ältlich sehen Sie aus--Ihr Onkel ist ja
so ziemlich von Ihren Jahren; Sie hätten nicht nöthig gehabt, sich so
gar alt zu machen.
Oberst. Meinst du?
Champagne. Doch was thut's! Ist er doch nicht da, daß man eine
Vergleichung anstellen könnte--Und ein Glück für uns, daß der Alte
nicht da ist! Es würde uns schlecht bekommen, wenn er zurück käme.
Oberst. Er ist znrückgekommen.
Champagne. Wie? Was?
Oberst. Er ist zurückgekommen, sag' ich.
Champagne. Um Gotteswillen, und Sie stehen hier? Sie bleiben ruhig?
Thun Sie, was Sie wollen--Helfen Sie sich, wie Sie können--ich suche
das Weite. (Will fort.)
Oberst. Bleib, Schurke! zweifacher Hallunke, bleib! Das also sind
deine schönen Erfindungen, Herr Schurke?
Champagne. Wie, gnädiger Herr, ist das mein Dank?
Oberst. Bleib, Hallunke!--Wahrlich, meine Frau (hier macht Champagne
eine Bewegung des Schreckens) ist die Närrin nicht, für die ich sie
hielt--und einen solchen Schelmstreich sollte ich so hingehen
lassen?--Nein, Gott verdamm' mich, wenn ich nicht auf der Stelle
meine volle Rache dafür nehme.--Es ist noch nicht so spät. Ich eile
zu meinem Notar. Ich bring' ihn mit. Noch heute Nacht heirathet
Lormeuil meine Tochter--Ich überrasche meinen Neffen--er muß mir den
Heirathscontract seiner Base noch selbst mit unterzeichnen--Und was
dich betrifft, Hallunke-Champagne. Ich, gnädiger Herr, ich will mit
unterzeichnen--ich will auf der Hochzeit mit tanzen, wenn Sie's
befehlen.
Oberst. Ja, Schurke, ich will dich tanzen machen!--Und die Quittung
über die hundert Pistolen, merk' ich jetzt wohl, habe ich auch nicht
der Ehrlichkeit des Wucherers zu verdanken.--Zu meinem Glück hat der
Juwelier Bankerott gemacht--Mein Taugenichts von Neffe begnügte sich
nicht, seine Schulden mit meinem Gelde zu bezahlen; er macht auch
noch neue auf meinen Kredit.--Schon gut! Er soll mir dafür bezahlen!
--Und du, ehrlicher Gesell, rechne auf eine tüchtige Belohnung.--Es
thut mir leid, daß ich meinen Stock nicht bei mir habe; aber
aufgeschoben ist nicht aufgehoben. (Ab.)
Champagne. Ich falle aus den Wolken! Muß dieser verwünschte Onkel
auch gerade jetzt zurückkommen und mir in den Weg laufen, recht
ausdrücklich, um mich plaudern zu machen--Ich Esel, daß ich ihm auch
erzählen mußte--Ja, wenn ich noch wenigstens ein Glas zu viel
getrunken hätte--Aber so!

Zehnter Auftritt.
Champagne. Franz Dorsigny. Frau von Mirville.

Fr. v. Mirville (kommt sachte hervor und spricht in die Scene
zurück). Das Feld ist rein--du kannst herauskommen--es ist Niemand
hier als Champagne.
Dorsigny (tritt ein).
Champagne (kehrt sich um und fährt zurück, da er ihn erblickt). Mein
Gott, da kommt er schon wieder zurück! Jetzt wird's losgehen! (Sich
Dorsigny zu Füßen werfend.) Barmherzigkeit, gnädiger Herr!
Gnade--Gnade einem armen Schelm, der ja unschuldig--der es freilich
verdient hätte-Dorsigny. Was soll denn das vorstellen? Steh auf!
Ich will dir ja nichts zu Leide thun.
Champagne. Sie wollen mir nichts thun, gnädiger Herr-Dorsigny. Mein
Gott, nein! Ganz im Gegentheil, ich bin recht wohl mit dir
zufrieden--da du deine Rolle so gut gespielt hast.
Champagne (erkennt ihn). Wie, Herr, sind Sie's?
Dorsigny. Freilich bin ich's.
Champagne Ach Gott! Wissen Sie, daß Ihr Onkel hier ist?
Dorsigny. Ich weiß es. Was denn weiter?
Champagne. Ich hab' ihn gesehen, gnädiger Herr. Ich hab' ihn
angeredet--ich dachte, Sie wären's; ich hab' ihm alles gesagt, er
weiß alles.
Fr. v. Mirville. Unsinniger! was hast du gethan?
Champagne. Kann ich dafür? Sie sehen, daß ich eben jetzt den Neffen
für den Onkel genommen--ist's zu verwundern, daß ich den Onkel für
den Neffen nahm?
Dorsigny. Was ist zu machen?
Fr. v. Mirville. Da ist jetzt kein anderer Rath, als auf der Stelle
das Hans zu verlassen.
Dorsigny. Aber wenn er meine Cousine zwingt, den Lormeuil zu
heirathen-Fr. v. Mirville. Davon wollen wir morgen reden! Jetzt
fort, geschwind! da der Weg noch frei ist! (Sie führt ihn bis an die
hintere Thür, eben da er hinaus will, tritt Lormeuil aus derselben
herein, ihm entgegen, der ihn zurückhält und wieder vorwärts führt.)

Eilfter Auftritt.
Die Vorigen. Lormeuil.

Lormeuil. Sind Sie's? Ich suchte Sie eben.
Fr. v. Mirville (heimlich zu Dorsigny). Es ist der Herr von
Lormeuil. Er hält dich für den Onkel. Gib ihm so bald als möglich
seinen Abschied.
Lormeuil (zur Fr. v. Mirville). Sie verlassen uns, gnädige Frau?
Fr. v. Mirville. Verzeihen Sie, Herr von Lormeuil. Ich bin
sogleich wieder hier. (Geht ab, Champagne folgt.)

Zwölfter Auftritt.
Lormeuil. Franz Dorsigny.

Lormeuil. Sie werden sich erinnern, daß Sie mich mit Ihrer Fräulein
Tochter vorhin allein gelassen haben?
Dorsigny. Ich erinnere mich's.
Lormeuil. Sie ist sehr liebenswürdig; ihr Besitz würde mich zum
glücklichsten Manne machen.
Dorsigny. Ich glaub' es.
Lormeuil. Aber ich muß Sie bitten, ihrer Neigung keinen Zwang
anzuthun.
Dorsigny. Wie ist das?
Lormeuil. Sie ist das liebenswürdigste Kind von der Welt, das ist
gewiß! Aber Sie haben mir so oft von Ihrem Neffen Franz Dorsigny
gesprochen--Er liebt Ihre Tochter!
Dorsigny. Ist das wahr?
Lormeuil. Wie ich Ihnen sage, und er wird wieder geliebt!
Dorsigny. Wer hat Ihnen das gesagt?
Lormeuil. Ihre Tochter selbst
Dorsigny. Was ist aber da zu thun?--Was rathen Sie mir, Herr von
Lormeuil?
Lormeuil. Ein guter Vater zu sein.
Dorsigny. Wie?
Lormeuil. Sie haben mir hundertmal gesagt, daß Sie Ihren Neffen wie
einen Sohn liebten--Nun denn, so geben Sie ihm Ihre Tochter! Machen
Sie Ihre beiden Kinder glücklich.
Dorsigny. Aber was soll denn aus Ihnen werden?
Lormeuil. Aus mir?--Man will mich nicht haben, das ist freilich ein
Unglück! Aber beklagen kann ich mich nicht darüber, da Ihr Neffe mir
zuvorgekommen ist.
Dorsigny. Wie? Sie wären fähig, zu entsagen?
Lormeuil. Ich halte es für meine Pflicht.
Dorsigny (lebhaft). Ach, Herr von Lormeuil! Wie viel Dank bin ich
Ihnen schuldig!
Lormeuil. Ich verstehe Sie nicht.
Dorsigny. Nein, nein, Sie wissen nicht, welch großen, großen Dienst
Sie mir erzeigen--Ach, meine Sophie! Wir werden glücklich werden!
Lormeuil. Was ist das? Wie?--Das ist Herr von Dorsigny nicht--War's
möglich-Dorsigny. Ich habe mich verrathen.
Lormeuil. Sie sind Dorsigny, der Neffe? Ja, Sie sind's--Nun, Sie
habe ich zwar nicht hier gesucht, aber ich freue mich, Sie zu sehen.
--Zwar sollte ich billig auf Sie böse sein wegen der drei Degenstiche,
die Sie mir so großmüthig in den Leib geschickt haben-Dorsigny.
Herr von Lormeuil!
Lormeuil. Zum Glück sind sie nicht tödtlich, also mag's gut sein.
Ihr Herr Onkel hat mir sehr viel Gutes von Ihnen gesagt, Herr von
Dorsigny, und weit entfernt, mit Ihnen Händel anfangen zu wollen,
biete ich Ihnen von Herzen meine Freundschaft an und bitte um die
Ihrige.
Dorsigny. Herr von Lormeuil!
Lormeuil. Also zur Sache, Herr von Dorsigny--Sie lieben Ihre Cousine
und haben vollkommen Ursache dazu. Ich verspreche Ihnen, allen
meinen Einfluß bei dem Obersten anzuwenden, daß sie Ihnen zu Theil
wird--Dagegen verlange ich aber, daß Sie auch Ihrerseits mir einen
wichtigen Dienst erzeigen.
Dorsigny. Reden Sie! Fordern Sie! Sie haben sich ein heiliges
Recht auf meine Dankbarkeit erworben.
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