Beatrice - 5

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Federball--sie hob ihn auf, da sie ihn vergessen im Grase liegen
sah--will ich nicht zurücklassen. Unsere Kinder, setzte sie leiser
hinzu, indem sie sich an mich drückte, unsere Kinder sollen damit
spielen, und dann erzählst du ihnen, daß du dein Herz gegen einen
solchen Ball vertauscht hast.-Wir waren an die Stelle gekommen, wo ich
damals über die Mauer gesehen hatte. Da unter den hohen Zweigen hatte
sich der Rasen noch frisch und weich erhalten, und man atmete die
reinste Luft, die kein Staub beschwerte. Laß uns nicht ins Haus
zurückgehn, sagte ich. Ich will eine Decke bringen und hier unter dem
Laubdach ausbreiten, da wird die Ruhe süßer sein als in unserm
schwülen Zimmer.
Tu's, sagte sie. Ich habe hier schon als Mädchen manche Nacht
geschlafen; Nina legte mir ihren Arm unter den Kopf, dann sah ich die
Sterne durch die Zweige blitzen, bis mir die Augen zufielen.
Ich brachte ein paar Kissen hinaus und ihren Mantel, da legte sie sich
bequem zurecht und gab mir die Hälfte von allem ab. Über uns regte
sich kein Laut, die Blätter hingen müde vom Sonnenbrand an den Zweigen,
nur die Fontäne plätscherte fort, und ich selbst konnte noch keinen
Schlaf finden, obwohl schon längst die stillen Atemzüge meines jungen
Weibes neben mir mich zur Ruhe einluden. Ein paarmal sprach sie aus
dem Traum, ich konnte die Worte nicht verstehen, aber noch jetzt hör'
ich den unschuldig süßen Klang und sehe dabei das Gesicht, das mit
geschlossenen Augenlidern gegen die graue Luft hinaufsah, die Brauen
wie fragend ein wenig gespannt, die Lippen geheimnisvoll lächelnd, als
träume sie Dinge, die sie selbst überraschten, die aber seliger seien
als alles, was sie je erlebt.
Zuletzt überkam auch mich der Schlaf.
Als ich aufwachte--ich weiß nicht, nach wieviel Stunden, aber der
Himmel hatte sich noch nicht gerötet--, fand ich mich allein und mußte
einen Augenblick mich besinnen, wie ich hier herausgekommen war. Dann
erschrak ich, daß sie nicht mehr neben mir ruhte. Warum hatte sie
sich fortgeschlichen? Ich sprang auf, um im Hause nachzusehen, ob sie
wenigstens den Alten zur Begleitung mitgenommen habe. Aber kaum hatte
ich einige Schritte getan, da höre ich, wie die Glocke draußen am
Portal heftig angezogen wird, und es überfiel mich im Nu die
entsetzlichste Ahnung, daß ich alle Vorsicht vergaß und quer durch den
Garten um das Haus herum nach dem Gitter hinstürzte. Dennoch war der
Alte mir zuvorgekommen. Als ich um die Ecke des Hauses bog, sah ich
ihn schon vorn am Portal, bemüht, eine dunkle Gestalt aufzuheben, die
draußen vor der Schwelle zusammengesunken war. Beatrice! schrie ich
und stürzte hinzu. Eben schlug sie, von Fabio gestützt, die Augen auf
und sah mich mit einem Blick der tiefsten Angst und Hoffnungslosigkeit
an. Gleich darauf versuchte sie wieder zu lächeln.
Es ist nichts, Amadeo, hauchte sie mühsam, die Hand aufs Herz gepreßt.
Ich fühle keinen Schmerz, ängstige dich nicht. Bist du mir böse, daß
ich fortging, ohne dich zu wecken? Ich sah dich so sanft schlafen,
und ich dachte auch, es hätte keine Gefahr. Woher sie es nur wissen,
daß du zurückgekehrt bist? Ach ja, ich vergaß dir zu erzählen, daß
Richino gestern mittag plötzlich sagte, auf französisch, damit es
niemand als ich verstehen sollte: Glauben Sie an Gespenster, Madame?
Wenn es welche gibt, so mögen sie spuken, soviel sie wollen. Aber
wenn Lebende sich einfallen lassen, revenants zu spielen, bei meiner
Ehre, so will ich dafür sorgen, sie zu wirklichen Schatten zu machen!
--Ich dachte, es sei nur so geredet. Ach, Amadeo, nun kann ich
freilich nicht reisen, nun mußt du allein fort, noch in dieser Stunde.
--Die zwei, die draußen lauerten, haben freilich gedacht, du kämst
vorbei. Sie riefen mich an, als ich kaum zehn Schritte vom Gitter
fort war. Meinen Namen sollt' ich nennen. Als ich schwieg, taten sie,
was man sie geheißen hatte. Aber es ist nicht gelungen; sieh, ich
kann noch gehen und sogar sprechen. Laß mich hier ohne Sorge, ich
werde gewiß nicht sterben, wenn ich weiß, daß du in Sicherheit bist.
Und dann--ich komme dir nach, sobald ich geheilt bin. Geh, mein
geliebter Mann--eh' es Tag wird--deine Hand--deinen Mund-Da versagte
ihr die Stimme, die Knie brachen ein, wir trugen sie bewußtlos in den
Saal und legten sie auf das niedere Ruhebett. Als wir den Mantel
zurückschlugen und das Röckchen öffneten, überströmte das Blut unsere
Hände. Ich beugte mich über sie, da atmete sie mit einem heftigen
Stöhnen auf und sah mich noch einmal an, und sank dann zurück--und war
stumm für immer.
Von diesem Morgen will ich schweigen.
Als die Sonne durch die Glastür hereinschien, lag ich noch auf der
Erde vor ihrem Ruhebett und starrte in ihr blasses Gesicht. Der Alte
kauerte in einem Winkel und schluchzte still in sich hinein, da hörten
wir draußen ihren Namen rufen, und die Nina kam hereingerannt und fiel
mit einem Schrei über die Tote und gebärdete sich, wie wenn sie selbst
zu Tode getroffen wäre. Dann, im heftigsten Krampf ihres Jammers,
faßte sie sich gewaltsam und wandte sich zu mir. Ihr müßt fort! sagte
sie. Ich bin nur herausgeeilt, sie und Euch zu warnen, denn eben ist
Richino in ihr Schlafzimmer gedrungen und hat sie gesucht, jetzt weiß
ich warum: um ihr zu sagen, daß ihr Geliebter nicht mehr lebe. Denn
daß es so kommen würde, hat er wohl nicht gedacht. Wie er sie nicht
fand, ist er totenblaß geworden und wieder gegangen. Aber glaubt mir,
er wird sie auch hier suchen, und wenn er die gräßliche Spur draußen
findet--horch! da kommen Schritte. Er ist es! Flieht, oder Ihr seid
des Todes!
Ich antwortete ihr nicht. Ich stand auf und blieb neben meinem toten
Weibe stehen. Da öffnete sich die Tür und er trat ein.
Was er auch hatte sagen wollen, als er hereinkam,--der Anblick
versteinerte ihn. Er wankte zurück und mußte sich am Türpfosten
halten. Sein fahles Gesicht verzerrte sich von ratlosem Entsetzen,
ich sah, wie er vergebens nach Atem rang.
Was suchen Sie hier? sagte ich endlich. Sie haben gehofft, mich in
meinem Blute zu finden; Ihre Leute haben Sie schnell bedient, aber sie
vergriffen sich leider in der Person. Nun sind Sie um die
Schadenfreude betrogen worden, Ihr Werk zu krönen und dieses arme Herz,
von dem Ihnen nie ein Blutstropfen gehört hat, mit der Nachricht zu
wecken, daß ihr Geliebter tot sei und nicht wiederkommen würde.--Was
hält mich ab, fuhr ich fort und näherte mich ihm, die Hände in Wut und
wahnsinnigem Schmerz geballt, was hält mich ab, dich jetzt zu
zermalmen, Elender, und dich mit dem Fuße über diese Schwelle
hinauszustoßen, daß du die Luft in diesem heiligen Haus des Todes mit
deinem Atem nicht länger entweihst? Wenn du sie noch geliebt hättest,
Jämmerlicher, daß doch eine menschliche Regung dein Tun beschönigte!
Aber sie an dich reißen, dies königliche Wesen zu dir herabziehen
wollen--nur einem elenden Gelüste zu liebe, und weil andere dich dazu
aufstachelten--geh, sag' ich, verstecke dein Gesicht in ewiges Dunkel,
Mörder! denn das schwöre ich dir: wenn du nur die Hand nach dieser
Toten ausstreckst, nur noch einen Blick auf sie richtest--mit diesen
Händen zerreiße ich dich! Fort!-Mitten in diesem Ausbruch meiner
fassungslosen Wut wurde ich plötzlich gebändigt durch den Anblick
seines Gesichts, auf dem ein Zug des tiefsten Jammers aufzuckte, als
wanke ihm die Erde unter den Füßen und wolle sich auftun, ihn zu
verschlingen. Er sah niemand an, versuchte sich aufzurichten, sank
wie zerschmettert auf der Schwelle zusammen und lag so einige Minuten.
Ich mußte mich abwenden, eine Art Mitleid wollte sich meiner
bemächtigen, das mir noch ein Verbrechen schien. Als ich mich so weit
gesammelt hatte, um ein letztes Wort an ihn zu richten, sah ich, daß
er mit gebrochener Kraft wie ein Trunkener nach dem Gittertor wankte
und den Garten verließ.
Da ließ ich Nina gewähren, die der Toten ihre Männerkleider auszog und
sie in dasselbe weiße Kleid hüllte, in dem ich sie zuerst gesehen. So
lag sie über Tag friedlich lächelnd unter den Blumen, die ihre Getreue
aus Garten und Glashaus hereintrug. Eben war sie fertig mit diesem
letzten Liebesdienst, da hörten wir einen Wagen heranrollen. Der
Vater saß darin, blaß und mit einem irren Lächeln um den welken Mund.
Fabio half ihm unter heißen Tränen heraus und führte ihn in den Saal.
Als er sein Kind im Totenschmuck sah, sank er lautlos neben ihr auf
die Knie und drückte die kahle Stirn gegen ihre gefalteten Hände. Wir
wollten ihn endlich aufheben, da fanden wir, daß ein mitleidiger
Herzschlag ihn mit seinem Liebling vereinigt hatte.
In der folgenden Nacht begruben wir sie beide. Niemand war zugegen
als Fabio und Nina, und Don Vigilio segnete die Leichen ein. Er sagte
mir nachher, daß Richino es so angeordnet und befohlen habe, mich in
allem gewähren zu lassen, als sei ich Herr in diesem Hause. Er selbst
habe niemand vorgelassen und sei nach einer heftigen Szene mit seiner
Schwiegermutter noch desselben Tages nach Rom abgereist, die Generalin
in ein Kloster, wo sie ihr Trauerjahr verbringen wolle. Ich selbst
nahm, sobald sich die Gruft über den beiden geschlossen hatte, ein
Pferd und ritt, noch ehe es Tag geworden war, die Straße nach Florenz.
Ein Jahr darauf las ich in der Zeitung, daß die Generalin dem jungen
Grafen, ihrem getreuen Anbeter, ihre Hand gereicht habe. Sooft ich
später nach Bologna kam, das Grab meines Weibes zu besuchen--ich habe
sie nie wiedergesehn.
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