L'Arrabbiata - 2

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hinunter, alle beide, und auf einmal, und jetzt! schrie er überlaut,
und faßte sie plötzlich mit beiden Armen an. Aber im Augenblick zog
er die rechte Hand zurück, das Blut quoll hervor, sie hatte ihn
heftig hineingebissen.
Muß ich tun, was du willst? rief sie und stieß ihn mit einer raschen
Wendung von sich. Laß sehn, ob ich in deiner Macht bin!--Damit
sprang sie über den Bord des Kahns und verschwand einen Augenblick in
der Tiefe.
Sie kam gleich wieder herauf, ihr Röckchen umschloß sie fest, ihre
Haare waren von den Wellen aufgelöst und hingen schwer über den Hals
nieder, mit den Armen ruderte sie emsig und schwamm, ohne einen Laut
von sich zu geben, kräftig von der Barke weg nach der Küste zu. Der
jähe Schreck schien ihm die Sinne gelähmt zu haben. Er stand im Kahn,
vorgebeugt, die Blicke starr nach ihr hingerichtet, als begebe sich
ein Wunder vor seinen Augen. Dann schüttelte er sich, stürzte nach
den Rudern, und fuhr ihr mit aller Kraft, die er aufzubieten hatte,
nach, während der Boden seines Kahns von dem immer zuströmenden Blute
rot wurde.
Im Nu war er an ihrer Seite, so hastig sie schwamm. Bei Maria
Santissima! rief er, komm in den Kahn. Ich bin ein Toller gewesen;
Gott weiß, was mir die Vernunft benebelte. Wie ein Blitz vom Himmel
fuhr mir's ins Hirn, daß ich ganz aufbrannte und wußte nicht, was ich
tat und redete. Du sollst mir nicht vergeben, Laurella, nur dein
Leben retten und wieder einsteigen.
Sie schwamm fort, als habe sie nichts gehört.
Du kannst nicht bis ans Land kommen, es sind noch zwei Miglien. Denk
an deine Mutter. Wenn dir ein Unglück begegnete, sie stürbe vor
Entsetzen.
Sie maß mit einem Blick die Entfernung von der Küste. Dann, ohne zu
antworten, schwamm sie an die Barke heran, und faßte den Bord mit den
Händen. Er stand auf, ihr zu helfen; seine Jacke, die auf der Bank
gelegen, glitt ins Meer, als der Nachen von der Last des Mädchens
nach der einen Seite hinübergezogen wurde. Gewandt schwang sie sich
empor und erklomm ihren früheren Sitz. Als er sie geborgen sah,
griff er wieder zu den Rudern. Sie aber wand ihr triefendes Röckchen
aus, und rang das Wasser aus den Flechten. Dabei sah sie auf den
Boden der Barke, und bemerkte jetzt das Blut. Sie warf einen raschen
Blick nach der Hand, die, als sei sie unverwundet, das Ruder führte.
Da, sagte sie, und reichte ihm ihr Tuch. Er schüttelte den Kopf und
ruderte vorwärts. Sie stand endlich auf, trat zu ihm und band ihm
das Tuch fest um die tiefe Wunde. Darauf nahm sie ihm, soviel er
auch abwehrte, das eine Ruder aus der Hand und setzte sich ihm
gegenüber, doch ohne ihn anzusehn, fest auf das Ruder blickend, das
vom Blut gerötet war, und mit kräftigen Stößen die Barke forttreibend.
Sie waren beide blaß und still. Als sie näher ans Land kamen,
begegneten ihnen Fischer, die ihre Netze auf die Nacht auswerfen
wollten. Sie riefen Antonino an und neckten Laurella. Keins sah auf
oder erwiderte ein Wort.
Die Sonne stand noch ziemlich hoch über Procida (5), als sie die
Marine erreichten. Laurella schüttelte ihr Röckchen, das fast völlig
überm Meer getrocknet war und sprang ans Land. Die alte spinnende
Frau, die sie schon am Morgen hatte abfahren sehn, stand wieder auf
dem Dach. Was hast du an der Hand, Tonino? rief sie hinunter. Jesus
Christus, die Barke schwimmt ja in Blut.
{ed. (5) Kleine Insel bei Neapel }
's ist nichts, Commare (2), erwiderte der Bursch. Ich riß mich an
einem Nagel, der zu weit vorsah. Morgen ist's vorbei. Das
verwünschte Blut ist nur gleich bei der Hand, daß es gefährlicher
aussieht, als es ist.
{ed. (6) Gevatterin }
Ich will kommen und dir Kräuter auflegen, Comparello (7). Wart, ich
komme schon!
{ed. (7) Gevatterchen }
Bemüht Euch nicht, Commare. Ist schon alles geschehn und morgen
wird's vorbei sein und vergessen. Ich habe eine gesunde Haut, die
gleich wieder über jede Wunde zuwächst.
Addio, sagte Laurella, und wandte sich nach dem Pfad, der hinaufführt.
Gute Nacht! rief ihr der Bursch nach, ohne sie anzusehn. Dann trug
er das Gerät aus dem Schiff und die Körbe dazu, und stieg die kleine
Steintreppe zu seiner Hütte hinauf.

Es war keiner außer ihm in den zwei Kammern, durch die er nun hin und
her ging. Zu den offnen Fensterchen, die nur mit hölzernen Läden
verschlossen werden, strich die Luft etwas erfrischender herein, als
über das ruhige Meer, und in der Einsamkeit war ihm wohl. Er stand
auch lange vor dem kleinen Bilde der Mutter Gottes, und sah die aus
Silberpapier daraufgeklebte Sternenglorie andächtig an. Doch zu
beten fiel ihm nicht ein. Um was hätte er bitten sollen, da er
nichts mehr hoffte.
Und der Tag schien heute stillzustehn. Er sehnte sich nach der
Dunkelheit, denn er war müde, und der Blutverlust hatte ihn auch mehr
angegriffen, als er sich gestand. Er fühlte heftige Schmerzen an der
Hand, setzte sich auf einem Schemel und löste den Verband. Das
zurückgedrängte Blut schoß wieder hervor, und die Hand war stark um
die Wunde angeschwollen. Er wusch sie sorgfältig und kühlte sie
lange. Als er sie wieder vorzog, unterschied er deutlich die Spur
von Laurellas Zähnen. Sie hatte recht, sagte er. Eine Bestie war
ich und verdien es nicht besser. Ich will ihr morgen ihr Tuch durch
den Giuseppe zurückschicken, denn mich soll sie nicht wiedersehn.
--Und nun wusch er das Tuch sorgfältig und breitete es in der Sonne
aus, nachdem er sich die Hand wieder verbunden hatte, so gut er's mit
der Linken und den Zähnen konnte. Dann warf er sich auf sein Bett
und schloß die Augen.
Der helle Mond weckte ihn aus einem halben Schlaf, zugleich der
Schmerz in der Hand. Er sprang eben wieder auf, um die pochenden
Schläge des Bluts in Wasser zu beruhigen, als er ein Geräusch an
seiner Tür hörte. Wer ist da? rief er und öffnete. Laurella stand
vor ihm.
Ohne viel zu fragen trat sie ein. Sie warf das Tuch ab, das sie über
den Kopf geschlungen hatte und stellte ein Körbchen auf den Tisch.
Dann schöpfte sie tief Atem.
Du kommst, dein Tuch zu holen, sagte er, du hättest dir die Mühe
ersparen können, denn morgen in der Früh hätte ich Giuseppe gebeten,
es dir zu bringen.
Es ist nicht um das Tuch, erwiderte sie rasch. Ich bin auf dem Berg
gewesen, um dir Kräuter zu holen, die gegen das Bluten sind. Da!
Und sie hob den Deckel vom Körbchen.
Zu viel Mühe, sagte er, und ohne alle Herbigkeit, zu viel Mühe. Es
geht schon besser, viel besser, und wenn es schlimmer ginge, ging es
auch nach Verdienst. Was willst du hier um die Zeit? Wenn dich
einer hier träfe, du weißt, wie sie schwatzen, obwohl sie nicht
wissen, was sie sagen.
Ich kümmere mich um keinen, sprach sie heftig. Aber die Hand will
ich sehen und die Kräuter darauf tun, denn mit der Linken bringst du
es nicht zustande.
Ich sage dir, daß es unnötig ist.
So laß es mich sehen, damit ich's glaube.
Sie ergriff ohne weiteres die Hand, die sich nicht wehren konnte, und
band die Lappen ab. Als sie die starke Geschwulst sah, fuhr sie
zusammen und schrie auf: Jesus Maria!
Es ist ein bißchen aufgelaufen, sagte er. Das geht weg in einem Tag
und einer Nacht.
Sie schüttelte den Kopf: So kommst du in einer Woche lang nicht aufs
Meer.
Ich denke, schon übermorgen. Was tut's auch.
Indessen hatte sie ein Becken geholt und die Wunde von neuem
gewaschen, was er litt wie ein Kind. Dann legte sie die heilsamen
Blätter des Krauts darauf, die ihm das Brennen sogleich linderten und
verband die Hand mit Streifen Leinwand, die sie auch mitgebracht
hatte.
Als es getan war, sagte er: Ich danke dir. Und höre, wenn du mir
noch einen Gefallen tun willst, vergib mir, daß mir heut so eine
Tollheit über den Kopf wuchs und vergiß das alles, was ich gesagt und
getan habe. Ich weiß selbst nicht, wie es kam. Du hast mir nie
Veranlassung dazu gegeben, du wahrhaftig nicht. Und du sollst schon
nichts wieder von mir hören, was dich kränken könnte.
Ich habe dir abzubitten, fiel sie ein. Ich hätte dir alles anders
und besser vorstellen sollen und dich nicht aufbringen durch meine
stumme Art. Und nun gar die Wunde-Es war Notwehr und die höchste
Zeit, daß ich meiner Sinne wieder mächtig wurde. Und wie gesagt, es
hat nichts zu bedeuten. Sprich nicht von Vergeben. Du hast mir
wohlgetan, und das dank ich dir. Und nun geh schlafen und da--da ist
auch dein Tuch, daß du's gleich mitnehmen kannst.
Er reichte es ihr, aber sie stand noch immer und schien mit sich
selbst zu kämpfen. Endlich sagte sie: du hast auch deine Jacke
eingebüßt um meinetwegen; und ich weiß, daß das Geld für die Orangen
darin steckte. Es fiel mir alles erst unterwegs ein. Ich kann dir's
nicht so wieder ersetzen, denn wir haben es nicht, und wenn wir's
hätten, gehört' es der Mutter. Aber da hab ich das silberne Kreuz,
das mir der Maler auf den Tisch legte, als er das letzte Mal bei uns
war. Ich hab es seitdem nicht angesehn und mag es nicht länger im
Kasten haben. Wenn du es verkaufst, es ist wohl ein paar Piaster
wert, sagte damals die Mutter, so wäre dir dein Schaden ersetzt, und
was fehlen sollte, will ich suchen mit Spinnen zu verdienen, nachts,
wenn die Mutter schläft.
Ich nehme nichts, sagte er kurz und schob das blanke Kreuzchen zurück,
das sie aus der Tasche geholt hatte.
Du mußt's nehmen, sagte sie. Wer weiß, wie lang du mit dieser Hand
nichts verdienen kannst. Da liegt's und ich will's nie wieder sehn
mit meinen Augen.
So wirf es ins Meer.
Es ist ja kein Geschenk, was ich dir mache; es ist nicht mehr, als
dein gutes Recht und was dir zukommt.
Recht? Ich habe kein Recht auf irgendwas von dir. Wenn du mir
später einmal begegnen solltest, tu mir den Gefallen und sieh mich
nicht an, daß ich nicht denke, du erinnerst mich an das, was ich dir
schuldig bin. Und nun gute Nacht, und laß es das Letzte sein.
Er legte ihr das Tuch in den Korb und das Kreuz dazu und schloß den
Deckel darauf. Als er dann aufsah und ihr ins Gesicht, erschrak er.
Große schwere Tropfen stürzten ihr über die Wangen. Sie ließ ihnen
ihren Lauf.
Maria Santissima! rief er, bist du krank? Du zitterst von Kopf bis
Fuß.
Es ist nichts, sagte sie. Ich will heim! Und wankte nach der Tür.
Das Weinen übermannte sie, daß sie die Stirn gegen den Pfosten
drückte und nun laut und heftig schluchzte. Aber eh' er ihr nach
konnte, um sie zurückzuhalten, wandte sie sich plötzlich um und
stürzte ihm an den Hals.
Ich kann's nicht ertragen, schrie sie und preßte ihn an sich, wie
sich ein Sterbender ans Leben klammert, ich kann's nicht hören, daß
du mir gute Worte gibst und mich von dir gehen heißest mit all der
Schuld auf dem Gewissen. Schlage mich, tritt mich mit Füßen,
verwünsche mich!--oder, wenn es wahr ist, daß du mich lieb hast, noch,
nach alle dem Bösen, das ich dir getan habe, da nimm mich und
behalte mich und mach mit mir, was du willst. Aber schick mich nicht
so fort von dir!--Neues heftiges Schluchzen unterbrach sie.
Er hielt sie eine Weile sprachlos in den Armen. Ob ich dich noch
liebe? rief er endlich. Heilige Mutter Gottes, meinst du, es sei all
mein Herzblut aus der kleinen Wunde von mir gewichen? Fühlst du's
nicht da in meiner Brust hämmern, als wollt' es heraus und zu dir?
Wenn du's nur sagst, um mich zu versuchen oder weil du Mitleiden mit
mir hast, so geh und ich will auch das noch vergessen. Du sollst
nicht denken, daß du mir's schuldig bist, weil du weißt, was ich um
dich leide.
Nein, sagte sie fest und sah von seiner Schulter auf und ihm mit den
nassen Augen heftig ins Gesicht, ich liebe dich, und daß ich's nur
sage, ich hab es lange gefürchtet und dagegen getrotzt. Und nun will
ich anders werden, denn ich kann's nicht mehr aushalten, dich nicht
anzusehn, wenn du mir auf der Gasse vorüberkommst. Nun will ich dich
auch küssen, sagte sie, daß du dir sagen kannst, wenn du wieder in
Zweifel sein solltest: Sie hat mich geküßt, und Laurella küßt keinen,
als den sie zum Manne will.
Sie küßte ihn dreimal und dann machte sie sich los und sagte: Gute
Nacht, mein Liebster! Geh nun schlafen und heile deine Hand, und geh
nicht mit mir, denn ich fürchte mich nicht, vor keinem, als nur vor
dir.
Damit huschte sie durch die Tür und verschwand in den Schatten der
Mauer. Er aber sah noch lange durchs Fenster, aufs Meer hinaus, über
dem alle Sterne zu schwanken schienen.

Als der kleine Padre Curato das nächste Mal aus dem Beichtstuhl kam,
in dem Laurella lange gekniet hatte, lächelte er still in sich hinein.
Wer hätte gedacht, sagte er bei sich selbst, daß Gott sich so
schnell dieses wunderlichen Herzens erbarmen würde. Und ich machte
mir noch Vorwürfe, daß ich den Dämon Eigensinn nicht härter bedräut
hatte. Aber unsere Augen sind kurzsichtig für die Wege des Himmels.
Nun so segne sie der Herr und lasse mich's erleben, daß mich
Laurellas ältester Bube einmal an seines Vaters Statt über Meer führt.
Ei ei ei! l'Arrabbiata!
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