Wallensteins Lager - 2

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Ihr sitzt hier warm. Wir, in Feindes Land,
Mußten derweil uns schlecht bequemen.
=Trompeter.=
Man sollt's euch nicht ansehn, ihr seid galant.
=Wachtmeister.=
Ja, ja, im Saalkreis und auch in Meißen
Hört man euch Herrn nicht besonders preisen.
=Zweiter Jäger.=
Seid mir doch still! Was will das heißen?
Der Kroat es ganz anders trieb,
Uns nur die Nachles' übrig blieb.
=Trompeter.=
Ihr habt da einen saubern Spitzen
Am Kragen, und wie euch die Hosen sitzen!
Die feine Wäsche, der Federhut!
Was das alles für Wirkung tut!
Daß doch den Burschen das Glück soll scheinen,
Und so was kommt nie an unser einen!
=Wachtmeister.=
Dafür sind wir des Friedländers Regiment,
Man muß uns ehren und respektieren.
=Erster Jäger.=
Das ist für uns andre kein Kompliment,
Wir ebenso gut seinen Namen führen.
=Wachtmeister.=
Ja, ihr gehört auch so zur ganzen Masse.
=Erster Jäger.=
Ihr seid wohl von einer besondern Rasse?
Der ganze Unterschied ist in den Röcken,
Und ich ganz gern mag in meinem stecken.
=Wachtmeister.=
Herr Jäger, ich muß Euch nur bedauern,
Ihr lebt so draußen bei den Bauern;
Der feine Griff und der rechte Ton,
Das lernt sich nur um des Feldherrn Person.
=Erster Jäger.=
Sie bekam Euch übel, die Lektion.
Wie er räuspert, und wie er spuckt,
Das habt Ihr ihm glücklich abgeguckt;
Aber sein Schenie, ich meine sein Geist
Sich nicht auf der Wachparade weist.
=Zweiter Jäger.=
Wetter auch! wo Ihr nach uns fragt,
Wir heißen des Friedländers wilde Jagd
Und machen dem Namen keine Schande --
Ziehen frech durch Feindes und Freundes Lande,
Querfeldein durch die Saat, durch das gelbe Korn --
Sie kennen das Holkische Jägerhorn! --
In einem Augenblick fern und nah,
Schnell wie die Sündflut, so sind wir da --
Wie die Feuerflamme bei dunkler Nacht
In die Häuser fähret, wenn niemand wacht --
Da hilft keine Gegenwehr, keine Flucht,
Keine Ordnung gilt mehr und keine Zucht. --
Es sträubt sich -- der Krieg hat kein Erbarmen --
Das Mägdlein in unsern sehnigten Armen --
Fragt nach, ich sag's nicht, um zu prahlen;
In Baireuth, im Voigtland, in Westfalen,
Wo wir nur durchgekommen sind --
Erzählen Kinder und Kindeskind
Nach hundert und aber hundert Jahren
Von dem Holk noch und seinen Scharen.
=Wachtmeister.=
Nun, da sieht man's! Der Saus und Braus,
Macht denn der den Soldaten aus?
Das Tempo macht ihn, der Sinn und Schick,
Der Begriff, die Bedeutung, der feine Blick.
=Erster Jäger.=
Die Freiheit macht ihn! Mit Euren Fratzen!
Daß ich mit Euch soll darüber schwatzen. --
Lief ich darum aus der Schul' und der Lehre,
Daß ich die Fron' und die Galeere,
Die Schreibstub' und ihre engen Wände
In dem Feldlager wiederfände? --
Flott will ich leben und müßig gehn,
Alle Tage was Neues sehn,
Mich dem Augenblick frisch vertrauen,
Nicht zurück, auch nicht vorwärts schauen --
Drum hab' ich meine Haut dem Kaiser verhandelt,
Daß keine Sorg' mich mehr anwandelt.
Führt mich ins Feuer frisch hinein,
Über den reißenden, tiefen Rhein --
Der dritte Mann soll verloren sein;
Werde mich nicht lang sperren und zieren. --
Sonst muß man mich aber, ich bitte sehr,
Mit nichts weiter inkommodieren.
=Wachtmeister.=
Nu, nu, verlangt Ihr sonst nichts mehr?
Das ließ sich unter dem Wams da finden.
=Erster Jäger.=
Was war das nicht für ein Placken und Schinden
Bei Gustav, dem Schweden, dem Leuteplager!
Der machte eine Kirch' aus seinem Lager,
Ließ Betstunde halten, des Morgens, gleich
Bei der Reveille und beim Zapfenstreich.
Und wurden wir manchmal ein wenig munter,
Er kanzelt' uns selbst wohl vom Gaul herunter.
=Wachtmeister.=
Ja, es war ein gottesfürchtiger Herr.
=Erster Jäger.=
Dirnen, die ließ er gar nicht passieren,
Mußten sie gleich zur Kirche führen.
Da lief ich, konnt's nicht ertragen mehr.
=Wachtmeister.=
Jetzt geht's dort auch wohl anders her.
=Erster Jäger.=
So ritt ich hinüber zu den Ligisten,
Sie täten sich just gegen Magdeburg rüsten.
Ja, das war schon ein ander Ding!
Alles da lustiger, loser ging,
Soff und Spiel und Mädels die Menge!
Wahrhaftig, der Spaß war nicht gering,
Denn der Tilly verstand sich aufs Kommandieren.
Dem eigenen Körper war er strenge,
Dem Soldaten ließ er vieles passieren,
Und ging's nur nicht aus seiner Kassen,
Sein Spruch war: leben und leben lassen.
Aber das Glück blieb ihm nicht stet --
Seit der Leipziger Fatalität
Wollt' es eben nirgends mehr flecken,
Alles bei uns geriet ins Stecken;
Wo wir erschienen und pochten an,
Ward nicht gegrüßt noch aufgetan.
Wir mußten uns drücken von Ort zu Ort,
Der alte Respekt war eben fort. --
Da nahm ich Handgeld von den Sachsen,
Meinte, da müßte mein Glück recht wachsen.
=Wachtmeister.=
Nun, da kamt Ihr ja eben recht
Zur böhmischen Beute.
=Erster Jäger.=
Es ging mir schlecht.
Sollten da strenge Mannszucht halten,
Durften nicht recht als Feinde walten,
Mußten des Kaisers Schlösser bewachen,
Viel Umständ' und Komplimente machen,
Führten den Krieg, als wär's nur Scherz,
Hatten für die Sach' nur ein halbes Herz,
Wollten's mit niemand ganz verderben,
Kurz, da war wenig Ehr zu erwerben,
Und ich wär' bald für Ungeduld
Wieder heimgelaufen zum Schreibepult,
Wenn nicht eben auf allen Straßen
Der Friedländer hätte werben lassen.
=Wachtmeister.=
Und wie lang denkt Ihr's hier auszuhalten?
=Erster Jäger.=
Spaßt nur! Solange _der_ tut walten,
Denk' ich Euch, mein Seel! an kein Entlaufen.
Kann's der Soldat wo besser kaufen? --
Da geht alles nach Kriegessitt',
Hat alles 'nen großen Schnitt,
Und der Geist, der im ganzen Korps tut leben,
Reißet gewaltig, wie Windesweben,
Auch den untersten Reiter mit.
Da tret' ich auf mit beherztem Schritt,
Darf über den Bürger kühn wegschreiten,
Wie der Feldherr über der Fürsten Haupt.
Es ist hier wie in den alten Zeiten,
Wo die Klinge noch alles tät bedeuten;
Da gibt's nur _ein_ Vergehn und Verbrechen:
Der Ordre fürwitzig widersprechen.
Was nicht verboten ist, ist erlaubt;
Da fragt niemand, was einer glaubt.
Es gibt nur zwei Ding' überhaupt:
Was zur Armee gehört und nicht;
Und nur der Fahne bin ich verpflicht.
=Wachtmeister.=
Jetzt gefallt Ihr mir, Jäger! Ihr sprecht
Wie ein Friedländischer Reitersknecht.
=Erster Jäger.=
Der führt's Kommando nicht wie ein Amt,
Wie eine Gewalt, die vom Kaiser stammt!
Es ist ihm nicht um des Kaisers Dienst,
Was bracht' er dem Kaiser für Gewinst?
Was hat er mit seiner großen Macht
Zu des Landes Schirm und Schutz vollbracht?
Ein Reich von Soldaten wollt' er gründen,
Die Welt anstecken und entzünden,
Sich alles vermessen und unterwinden --
=Trompeter.=
Still! Wer wird solche Worte wagen!
=Erster Jäger.=
Was ich denke, das darf ich sagen.
Das Wort ist frei, sagt der General.
=Wachtmeister.=
So sagt er, ich hört's wohl einigemal,
Ich stand dabei. »Das Wort ist frei,
Die Tat ist stumm, der Gehorsam blind,«
Dies urkundlich seine Worte sind.
=Erster Jäger.=
Ob's just seine Wort' sind, weiß ich nicht;
Aber die Sach ist so, wie er spricht.
=Zweiter Jäger.=
Ihm schlägt das Kriegsglück nimmer um,
Wie's wohl bei andern pflegt zu geschehen.
Der Tilly überlebte seinen Ruhm.
Doch unter des Friedländers Kriegspanieren,
Da bin ich gewiß zu viktorisieren.
Er bannet das Glück, es muß ihm stehen.
Wer unter seinem Zeichen tut fechten,
Der steht unter besondern Mächten.
Denn das weiß ja die ganze Welt,
Daß der Friedländer einen Teufel
Aus der Hölle im Solde hält.
=Wachtmeister.=
Ja, daß er fest ist, das ist kein Zweifel.
Denn in der blut'gen Affär bei Lützen
Ritt er euch unter des Feuers Blitzen
Auf und nieder mit kühlem Blut.
Durchlöchert von Kugeln war sein Hut,
Durch den Stiefel und Koller fuhren
Die Ballen, man sah die deutlichen Spuren;
Konnt' ihm keine die Haut nur ritzen,
Weil ihn die höllische Salbe tät schützen.
=Erster Jäger.=
Was wollt Ihr da für Wunder bringen!
Er trägt ein Koller von Elendshaut,
Das keine Kugel kann durchdringen.
=Wachtmeister.=
Nein, es ist die Salbe von Hexenkraut,
Unter Zaubersprüchen gekocht und gebraut.
=Trompeter.=
Es geht nicht zu mit rechten Dingen!
=Wachtmeister.=
Sie sagen, er les' auch in den Sternen
Die künftigen Dinge, die nahen und fernen;
Ich weiß aber besser, wie's damit ist.
Ein graues Männlein pflegt bei nächtlicher Frist
Durch verschlossene Türen zu ihm einzugehen;
Die Schildwachen haben's oft angeschrien,
Und immer was Großes ist drauf geschehen,
Wenn je das graue Röcklein kam und erschien.
=Zweiter Jäger.=
Ja, er hat sich dem Teufel übergeben,
Drum führen wir auch das lustige Leben.


7. Auftritt.

_Vorige. Ein Rekrut. Ein Bürger. Dragoner._
=Rekrut= (tritt aus dem Zelt, eine Blechhaube auf dem Kopfe, eine
Weinflasche in der Hand).
Grüß den Vater und Vaters Brüder!
Bin Soldat, komme nimmer wieder.
=Erster Jäger.=
Sieh, da bringen sie einen Neuen!
=Bürger.=
O, gib acht, Franz! es wird dich reuen.
=Rekrut= (singt).
Trommeln und Pfeifen,
Kriegrischer Klang!
Wandern und streifen
Die Welt entlang,
Rosse gelenkt,
Mutig geschwenkt,
Schwert an der Seite,
Frisch in die Weite,
Flüchtig und flink,
Frei, wie der Fink
Auf Sträuchern und Bäumen,
In Himmels Räumen!
Heisa! ich folge des Friedländers Fahn!
=Zweiter Jäger.=
Seht mir, das ist ein wackrer Kumpan!
(Sie begrüßen ihn.)
=Bürger.=
O, laßt ihn. Er ist guter Leute Kind.
=Erster Jäger.=
Wir auch nicht auf der Straße gefunden sind.
=Bürger.=
Ich sag' euch, er hat Vermögen und Mittel.
Fühlt her, das feine Tüchlein am Kittel.
=Trompeter.=
Des Kaisers Rock ist der höchste Titel.
=Bürger.=
Er erbt eine kleine Mützenfabrik.
=Zweiter Jäger.=
Des Menschen Wille, das ist sein Glück.
=Bürger.=
Von der Großmutter einen Kram und Laden.
=Erster Jäger.=
Pfui, wer handelt mit Schwefelfaden!
=Bürger.=
Einen Weinschank dazu von seiner Paten,
Ein Gewölbe mit zwanzig Stückfaß Wein.
=Trompeter.=
Den teilt er mit seinen Kameraden.
=Zweiter Jäger.=
Hör du! wir müssen Zeltbrüder sein.
=Bürger.=
Eine Braut läßt er sitzen in Tränen und Schmerz.
=Erster Jäger.=
Recht so, da zeigt er ein eisernes Herz.
=Bürger.=
Die Großmutter wird für Kummer sterben.
=Zweiter Jäger.=
Desto besser, so kann er sie gleich beerben.
=Wachtmeister= (tritt gravitätisch herzu, dem Rekruten die Hand auf
die Blechhaube legend).
Sieht Er! das hat Er wohl erwogen.
Einen neuen Menschen hat Er angezogen;
Mit dem Helm da und Wehrgehäng
Schließt Er sich an eine würdige Meng.
Muß ein fürnehmer Geist jetzt in Ihn fahren --
=Erster Jäger.=
Muß besonders das Geld nicht sparen.
=Wachtmeister.=
Auf der Fortuna ihrem Schiff
Ist Er zu segeln im Begriff;
Die Weltkugel liegt vor Ihm offen,
Wer nichts waget, der darf nichts hoffen.
Es treibt sich der Bürgersmann, träg und dumm,
Wie des Färbers Gaul, nur im Ring herum.
Aus dem Soldaten kann alles werden,
Denn Krieg ist jetzt die Losung auf Erden.
Seh' Er mal _mich_ an! In diesem Rock
Führ' ich, sieht Er, des Kaisers Stock.
Alles Weltregiment, muß Er wissen,
Von dem Stock hat ausgehen müssen;
Und das Zepter in Königs Hand
Ist ein Stock nur, das ist bekannt.
Und wer's zum Korporal erst hat gebracht,
Der steht auf der Leiter zur höchsten Macht,
Und so weit kann Er's auch noch treiben.
=Erster Jäger.=
Wenn Er nur lesen kann und schreiben.
=Wachtmeister.=
Da will ich Ihm gleich ein Exempel geben;
Ich tät's vor kurzem selbst erleben.
Da ist der Schef vom Dragonerkorps,
Heißt Buttler, wir standen als Gemeine
Noch vor dreißig Jahren bei Köln am Rheine,
Jetzt nennt man ihn Generalmajor.
Das macht, er tät sich baß hervor,
Tät die Welt mit seinem Kriegsruhm füllen;
Doch meine Verdienste, die blieben im stillen.
Ja, und der Friedländer selbst, sieht Er,
Unser Hauptmann und hochgebietender Herr,
Der jetzt alles vermag und kann,
War erst nur ein schlichter Edelmann,
Und weil er der Kriegsgöttin sich vertraut,
Hat er sich diese Größ' erbaut,
Ist nach dem Kaiser der nächste Mann,
Und wer weiß, was er noch erreicht und ermißt,
(pfiffig) Denn noch nicht aller Tage Abend ist.
=Erster Jäger.=
Ja, er fing's klein an und ist jetzt so groß.
Denn zu Altorf im Studentenkragen
Trieb er's, mit Permiß zu sagen,
Ein wenig locker und burschikos,
Hätte seinen Famulus bald erschlagen.
Wollten ihn drauf die Nürnberger Herren
Mir nichts, dir nichts ins Karzer sperren;
's war just ein neugebautes Nest,
Der erste Bewohner sollt' es taufen.
Aber wie fängt er's an? Er läßt
Weislich den Pudel voran erst laufen.
Nach dem Hunde nennt sich's bis diesen Tag;
Ein rechter Kerl sich dran spiegeln mag.
Unter des Herrn großen Taten allen
Hat mir das Stückchen besonders gefallen.
(Das Mädchen hat unterdessen aufgewartet; der zweite Jäger schäkert mit
ihr.)
=Dragoner= (tritt dazwischen).
Kamerad, laß Er das unterwegen!
=Zweiter Jäger.=
Wer, Henker! hat sich da drein zu legen!
=Dragoner.=
Ich will's Ihm nur sagen, die Dirn ist mein.
=Erster Jäger.=
Der will ein Schätzchen für sich allein!
Dragoner, ist Er bei Troste? sag' Er!
=Zweiter Jäger.=
Will was Apartes haben im Lager.
Einer Dirne schön Gesicht
Muß allgemein sein, wie's Sonnenlicht! (Küßt sie.)
=Dragoner= (reißt sie weg).
Ich sag's noch einmal, das leid' ich nicht.
=Erster Jäger.=
Lustig, lustig! da kommen die Prager!
=Zweiter Jäger.=
Sucht Er Händel? Ich bin dabei.
=Wachtmeister.=
Fried', ihr Herren! Ein Kuß ist frei!


8. Auftritt.

_Bergknappen_ treten auf und spielen einen Walzer, erst langsam und dann
immer geschwinder. Der _erste Jäger_ tanzt mit der _Aufwärterin_, die
_Marketenderin_ mit dem _Rekruten_; das Mädchen entspringt, der Jäger
hinter ihr her und bekommt den _Kapuziner_ zu fassen, der eben
hereintritt.
=Kapuziner.=
Heisa, juchheia! Dudeldumdei!
Das geht ja hoch her. Bin auch dabei!
Ist das eine Armee von Christen?
Sind wir Türken? sind wir Antibaptisten?
Treibt man so mit dem Sonntag Spott,
Als hätte der allmächtige Gott
Das Chiragra, könnte nicht drein schlagen?
Ist's jetzt Zeit zu Saufgelagen?
Zu Banketten und Feiertagen?
~Quid hic statis otiosi?~
Was steht ihr und legt die Hände in Schoß?
Die Kriegsfuri ist an der Donau los,
Das Bollwerk des Bayerlands ist gefallen,
Regensburg ist in des Feindes Krallen,
Und die Armee liegt hier in Böhmen,
Pflegt den Bauch, läßt sich's wenig grämen,
Kümmert sich mehr um den Krug als den Krieg,
Wetzt lieber den Schnabel als den Sabel,
Hetzt sich lieber herum mit der Dirn,
Frißt den Ochsen lieber als den Oxenstirn.
Die Christenheit trauert in Sack und Asche,
Der Soldat füllt sich nur die Tasche.
Es ist eine Zeit der Tränen und Not,
Am Himmel geschehen Zeichen und Wunder,
Und aus den Wolken, blutigrot,
Hängt der Herrgott den Kriegsmantel 'runter.
Den Kometen steckt er, wie eine Rute,
Drohend am Himmelsfenster aus,
Die ganze Welt ist ein Klagehaus,
Die Arche der Kirche schwimmt in Blute,
Und das römische _Reich_ -- daß Gott erbarm!
Sollte jetzt heißen römisch _Arm_;
Der _Rheinstrom_ ist worden zu einem _Peinstrom_,
Die _Klöster_ sind ausgenommene _Nester_,
Die _Bistümer_ sind verwandelt in _Wüsttümer_,
Die _Abteien_ und die _Stifter_
Sind nun _Raubteien_ und _Diebesklüfter_,
Und alle die gesegneten deutschen _Länder_
Sind verkehrt worden in _Elender_ --
Woher kommt das? Das will ich euch verkünden:
Das schreibt sich her von euern Lastern und Sünden,
Von dem Greuel und Heidenleben,
Dem sich Offizier und Soldaten ergeben.
Denn die Sünd' ist der Magnetenstein,
Der das Eisen ziehet ins Land herein.
Auf das Unrecht, da folgt das Übel,
Wie die Trän' auf den herben Zwiebel,
Hinter dem =U= kömmt gleich das =W=eh,
Das ist die Ordnung im ABC.
~Ubi erit victoriae spes,~
~Si offenditur Deus?~ Wie soll man siegen,
Wenn man die Predigt schwänzt und die Meß,
Nichts tut, als in den Weinhäusern liegen?
Die Frau in dem Evangelium
Fand den verlornen Groschen wieder,
Der Gaul seines Vaters Esel wieder,
Der Joseph seine saubern Brüder;
Aber wer bei den Soldaten sucht
Die Furcht Gottes und die gute Zucht
Und die Scham, der wird nicht viel finden,
Tät' er auch hundert Laternen anzünden.
Zu dem Prediger in der Wüsten,
Wie wir lesen im Evangelisten,
Kamen auch die Soldaten gelaufen,
Taten Buß und ließen sich taufen,
Fragten ihn: ~Quid faciemus nos?~
Wie machen wir's, daß wir kommen in Abrahams Schoß?
~Et ait illis~, und er sagt:
~Neminem concutiatis~,
Wenn ihr niemanden schindet und plackt;
~Neque calumniam faciatis~,
Niemand verlästert, auf niemand lügt.
~Contenti estote~, euch begnügt,
~Stipendiis vestris~, mit eurer Löhnung
Und verflucht jede böse Angewöhnung.
Es ist ein Gebot: Du sollst den Namen
Deines Herrgotts nicht eitel auskramen!
Und wo hört man mehr blasphemieren,
Als hier in den Friedländischen Kriegsquartieren?
Wenn man für jeden Donner und Blitz,
Den ihr losbrennt mit eurer Zungenspitz,
Die Glocken müßt' läuten im Land umher,
Es wär' bald kein Mesner zu finden mehr.
Und wenn euch für jedes böse Gebet,
Das aus eurem ungewaschnen Munde geht,
Ein Härlein ausging aus eurem Schopf,
Über Nacht wär' er geschoren glatt,
Und wär' er so dick wie Absalons Zopf.
Der Josua war doch auch ein Soldat,
König David erschlug den Goliath,
Und wo steht denn geschrieben zu lesen,
Daß sie solche Fluchmäuler sind gewesen?
Muß man den Mund doch, ich sollte meinen,
Nicht weiter aufmachen zu einem Helf Gott!
Als zu einem Kreuz Sackerlot!
Aber wessen das Gefäß ist gefüllt,
Davon es sprudelt und überquillt.
Wieder ein Gebot ist: Du sollst nicht stehlen.
Ja, das befolgt ihr nach dem Wort,
Denn ihr tragt alles offen fort.
Vor euren Klauen und Geiersgriffen,
Vor euren Praktiken und bösen Kniffen
Ist das Geld nicht geborgen in der Truh,
Das Kalb nicht sicher in der Kuh,
Ihr nehmt das Ei und das Huhn dazu.
Was sagt der Prediger? ~contenti estote~,
Begnügt euch mit eurem Kommißbrote.
Aber wie soll man die Knechte loben,
Kömmt doch das Ärgernis von oben!
Wie die Glieder, so auch das Haupt!
Weiß doch niemand, an wen _der_ glaubt!
=Erster Jäger.=
Herr Pfaff! uns Soldaten mag Er schimpfen,
Den Feldherrn soll Er uns nicht verunglimpfen.
=Kapuziner.=
~Ne custodias gregem meam!~
Das ist so ein Ahab und Jerobeam,
Der die Völker von der wahren Lehren
Zu falschen Götzen tut verkehren.
=Trompeter= und =Rekrut=.
Laß Er uns das nicht zweimal hören!
=Kapuziner.=
So ein Bramarbas und Eisenfresser,
Will einnehmen alle festen Schlösser.
Rühmte sich mit seinem gottlosen Mund,
Er müsse haben die Stadt Stralsund,
Und wär' sie mit Ketten an den Himmel geschlossen.
Hat aber sein Pulver umsonst verschossen!
=Trompeter.=
Stopft ihm keiner sein Lästermaul?
=Kapuziner.=
So ein Teufelsbeschwörer und König Saul,
So ein Jehu und Holofern,
Verleugnet, wie Petrus, seinen Meister und Herrn,
Drum kann er den Hahn nicht hören krähn --
=Beide Jäger.=
Pfaffe! Jetzt ist's um dich geschehn!
=Kapuziner.=
So ein listiger Fuchs Herodes --
=Trompeter= und =beide Jäger= (auf ihn eindringend).
Schweig stille! Du bist des Todes!
=Kroaten= (legen sich drein).
Bleib da, Pfäfflein, fürcht' dich nit,
Sag dein Sprüchel und teil's uns mit.
=Kapuziner= (schreit lauter).
So ein hochmütiger Nebukadnezer,
So ein Sündenvater und muffiger Ketzer,
Läßt sich nennen den _Wallenstein_;
Ja freilich ist er uns _allen_ ein _Stein_
Des Anstoßes und Ärgernisses,
Und solang der Kaiser diesen Friedeland
Läßt walten, so wird nicht Fried' im Land.
(Er hat nach und nach bei den letzten Worten, die er mit erhobener
Stimme spricht, seinen Rückzug genommen, indem die Kroaten die übrigen
Soldaten von ihm abwehren.)


9. Auftritt.

_Vorige_, ohne den _Kapuziner_.
=Erster Jäger= (zum Wachtmeister).
Sagt mir, was meint' er mit dem Göckelhahn,
Den der Feldherr nicht krähen hören kann?
Es war wohl nur so gesagt ihm zum Schimpf und Hohne?
=Wachtmeister.=
Da will ich Euch dienen. Es ist nicht ganz ohne!
Der Feldherr ist wundersam geboren,
Besonders hat er gar kitzlichte Ohren.
Kann die Katze nicht hören mauen,
Und wenn der Hahn kräht, so macht's ihm Grauen.
=Erster Jäger.=
Das hat er mit dem Löwen gemein.
=Wachtmeister.=
Muß alles mausstill um ihn sein.
Den Befehl haben alle Wachen,
Denn er denkt gar zu tiefe Sachen.
=Stimmen= (im Zelt; Auflauf).
Greift ihn, den Schelm! Schlagt zu! Schlagt zu!
=Des Bauern Stimme.=
Hilfe! Barmherzigkeit!
=Andre Stimmen.=
Friede! Ruh!
=Erster Jäger.=
Hol mich der Teufel! Da setzt's Hiebe.
=Zweiter Jäger.=
Da muß ich dabei sein!
(Laufen ins Zelt.)
=Marketenderin= (kommt heraus).
Schelmen und Diebe!
=Trompeter.=
Frau Wirtin, was setzt Euch so in Eifer?
=Marketenderin.=
Der Lump! der Spitzbub! der Straßenläufer!
Das muß mir in meinem Zelt passieren!
Es beschimpft mich bei allen Herrn Offizieren.
=Wachtmeister.=
Bäschen, was gibt's denn?
=Marketenderin.=
Was wird's geben?
Da erwischten sie einen Bauer eben,
Der falsche Würfel tät bei sich haben.
=Trompeter.=
Sie bringen ihn hier mit seinem Knaben.


10. Auftritt.

_Soldaten_ bringen den Bauer geschleppt.
=Erster Jäger.=
Der muß baumeln!
=Scharfschützen= und =Dragoner=.
Zum Profoß! Zum Profoß!
=Wachtmeister.=
Das Mandat ist noch kürzlich ausgegangen.
=Marketenderin.=
In einer Stunde seh' ich ihn hangen!
=Wachtmeister.=
Böses Gewerbe bringt bösen Lohn.
=Erster Arkebusier= (zum andern).
Das kommt von der Desperation.
Denn seht, erst tut man sie ruinieren,
Das heißt sie zum Stehlen selbst verführen.
=Trompeter.=
Was? Was? Ihr red't ihm das Wort noch gar?
Dem Hunde! Tut Euch der Teufel plagen?
=Erster Arkebusier.=
Der Bauer ist auch ein Mensch -- so zu sagen.
=Erster Jäger= (zum Trompeter).
Laß sie gehen! sind Tiefenbacher,
Gevatter Schneider und Handschuhmacher!
Lagen in Garnison zu Brieg,
Wissen viel, was der Brauch ist im Krieg.


11. Auftritt.

_Vorige. Kürassiere._
=Erster Kürassier.=
Friede! Was gibt's mit dem Bauer da?
=Erster Scharfschütz.=
's ist ein Schelm, hat im Spiel betrogen!
=Erster Kürassier.=
Hat er dich betrogen etwa?
=Erster Scharfschütz.=
Ja, und hat mich rein ausgezogen.
=Erster Kürassier.=
Wie? Du bist ein Friedländischer Mann,
Kannst dich so wegwerfen und blamieren,
Mit einem Bauer dein Glück probieren?
Der laufe, was er laufen kann.
(Bauer entwischt, die andern treten zusammen.)
=Erster Arkebusier.=
Der macht kurze Arbeit, ist resolut,
Das ist mit solchem Volke gut.
Was ist's für einer? Es ist kein Böhm.
=Marketenderin.=
's ist ein Wallon! Respekt vor dem!
Von des Pappenheims Kürassieren.
=Erster Dragoner= (tritt dazu).
Der Piccolomini, der junge, tut sie jetzt führen.
Den haben sie sich aus eigner Macht
Zum Oberst gesetzt in der Lützner Schlacht,
Als der Pappenheim umgekommen.
=Erster Arkebusier.=
Haben sie sich so was 'rausgenommen?
=Erster Dragoner.=
Dies Regiment hat was voraus,
Es war immer voran bei jedem Strauß.
Darf auch seine eigene Justiz ausüben,
Und der Friedländer tut's besonders lieben.
=Erster Kürassier= (zum andern).
Ist's auch gewiß? Wer bracht' es aus?
=Zweiter Kürassier.=
Ich hab's aus des Obersts eigenem Munde.
=Erster Kürassier.=
Was Teufel! Wir sind nicht ihre Hunde.
=Erster Jäger.=
Was haben die da? Sind voller Gift.
=Zweiter Jäger.=
Ist's was, ihr Herrn, das uns mitbetrifft?
=Erster Kürassier.=
Es hat sich keiner drüber zu freuen.
(Soldaten treten herzu.)
Sie wollen uns in die Niederland' leihen;
Kürassiere, Jäger, reitende Schützen,
Sollen achttausend Mann aufsitzen.
=Marketenderin.=
Was? Was? Da sollen wir wieder wandern?
Bin erst seit gestern zurück aus Flandern.
=Zweiter Kürassier= (zu den Dragonern).
Ihr Buttlerischen sollt auch mitreiten.
=Erster Kürassier.=
Und absonderlich wir Wallonen.
=Marketenderin.=
Ei, das sind ja die allerbesten Schwadronen!
=Erster Kürassier.=
Den aus Mailand sollen wir hinbegleiten.
=Erster Jäger.=
Den Infanten! Das ist ja kurios!
=Zweiter Jäger.=
Den Pfaffen! Da geht der Teufel los.
=Erster Kürassier.=
Wir sollen von dem Friedländer lassen,
Der den Soldaten so nobel hält,
Mit dem Spanier ziehen zu Feld,
Dem Knauser, den wir von Herzen hassen?
Nein, das geht nicht! Wir laufen fort.
=Trompeter.=
Was, zum Henker! sollen wir dort?
Dem Kaiser verkauften wir unser Blut
Und nicht dem hispanischen roten Hut.
=Zweiter Jäger.=
Auf des Friedländers Wort und Kredit allein
Haben wir Reitersdienst genommen;
Wär's nicht aus Lieb' für den Wallenstein,
Der Ferdinand hätt' uns nimmer bekommen.
=Erster Dragoner.=
Tät uns der Friedländer nicht formieren?
Seine Fortuna soll uns führen.
=Wachtmeister.=
Laßt euch bedeuten, hört mich an.
Mit dem Gered' da ist's nicht getan.
Ich sehe weiter als ihr alle,
Dahinter steckt eine böse Falle.
=Erster Jäger.=
Hört das Befehlbuch! Stille doch!
=Wachtmeister.=
Bäschen Gustel, füllt mir erst noch
Ein Gläschen Melnecker für den Magen,
Alsdann will ich euch meine Gedanken sagen.
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