Die Irrungen, oder die Doppelten Zwillinge - 2

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{ed.-** Der Einfall ligt im Original in der Zweydeutigkeit
des Worts (basting), welches zugleich eine Tracht Schläge, und das
Beträuffen, dessen was am Spieß gebraten wird, bedeutet.}
Antipholis.
Gut, Bursche, so wird es troken seyn.
Dromio von Syracus.
Wenn es so ist, so bitt' ich euch, esset nichts davon.
Antipholis.
Warum?
Dromio von Syracus.
Weil es euch cholerisch machen, und mir noch eine andre Tracht
Schläge zuziehen würde.
Antipholis.
Gut, junger Herr, lernt eure Zeit wol in Acht nehmen, wenn ihr
spassen wollt; ein jedes Ding hat seine Zeit.

Fünfte Scene.
(Adriana und Luciana zu den Vorigen.)

Adriana.
Ja, ja, Antipholis, sieh nur fremde und verdrieslich aus, eine
andre Gebieterin hat deine zärtlichen Blike: ich bin nicht mehr
Adriana, noch dein Weib. Es war eine Zeit, da du ungeheissen
schwurest, daß keine Worte Musik in deinem Ohr seyen, als die ich
rede; daß kein Gegenstand dein Aug entzüke, als mein Anblik; daß
keine andre Berührung deiner Hand willkommen sey, als die meinige--
Wie kommt es dann izt, mein Gemal, o sage wie kommt es, daß du so
fremde gegen dich selbst worden bist--Gegen dich selbst nenn' ich
es, da du es gegen mich bist, die auf eine so unzertrennliche Art
dir einverleibt bin, daß ich mehr bin als der größre Theil von dir
selbst. Eher könntest du einen Tropfen Wassers in die tieffe See
fallen lassen, und unvermengt mit andern eben diesen Tropfen wieder
zurüknehmen; als dich von mir losreissen, ohne mich mitzunehmen.
Wie sehr würd' es dich bis in die Seele kränken, wenn du nur hören
würdest, daß ich ausgelassen sey, und daß dieser dir allein
geheiligte Leib durch unkeusche Lust besudelt würde! Würdest du
mich nicht anspeyen, nicht mit Füssen stossen, und mir den Namen
eines Ehmanns ins Gesicht werfen, und die beflekte Haut von meiner
Huren-Stirne reissen, und von meiner treulosen Hand den Trauring
abhauen, und ihn mit einem auf ewig uns scheidenden Gelübde
zerbrechen?Ich weiß du kanst es, also thu es auch--ich bin mit
einem ehebrecherischen Fleken beschmizt; mein Blut ist mit dem
Schmuz der Unzucht vermengt; denn wenn wir beyde eins sind, und du
untreu wirst, so theilst du mir das Gift mit, das in deinen Adern
schäumt, und machst mich durch Anstekung zur Hure. O so kehre dann
zu deiner Pflicht zurük, und bleibe deinem keuschen Bette getreu,
damit ich unbeflekt lebe, und du unentehrt.
Antipholis.
Klagt ihr über mich, schönes Frauenzimmer?Ich kenne euch ja nicht.
Ich bin in Ephesus kaum zwoo Stunden alt, und mit eurer Stadt so
unbekannt als mit euern Reden. Ich strenge allen meinen Wiz
vergeblich an, nur ein Wort von allem dem was ihr mir sagtet, zu
verstehen.
Luciana.
Fy, Bruder, was für eine Veränderung ist das bey euch?Wenn wart
ihr gewohnt, meiner Schwester so zu begegnen; Sie schikte den
Dromio, euch zum Mittag-Essen heim zu holen.
Antipholis.
Den Dromio?
Dromio von Syracus.
Mich?
Adriana.
Ja dich, und du brachtest uns zurük, daß er dir Maulschellen
gegeben, und unter den Maulschellen mein Haus und mich als sein
Weib verläugnet habe.
Antipholis.
Habt ihr mit diesem Frauenzimmer gesprochen?Was für ein
Verständniß habt ihr mit ihr, und was soll die Absicht davon seyn?
Dromio von Syracus.
Ich, Herr, ich habe sie meine Tage nie gesehen als izt.
Antipholis.
Du lügst, du Galgenschwengel; denn du brachtest mir ihre eigensten
Worte auf den Markt.
Dromio von Syracus.
Ich habe sie in meinem Leben nie gesprochen.
Antipholis.
Woher kan sie uns denn bey unsern Namen nennen, es wäre dann, daß
sie einen Wahrsager-Geist hätte?
Adriana.
Wie übel steht es euerm Character an, eine so niederträchtige
Comödie mit euerm Sclaven zu spielen, um meiner auf eine grobe Art
ins Gesicht zu spotten?Ich bin beleidigt genug, daß ihr so
entfremdet von mir seyd; häuffet euer Unrecht nicht noch durch
einen solchen Grad von Verachtung. Komm, laß mich um deine Schläfe
mich winden; du bist eine Ulme, mein lieber Mann, und ich eine
schwache Rebe, die mit deinem stärkern Stamm vermählt, an deiner
Stärke Antheil nimmt, ohne sie zu vermindern; alles was dich von
mir trennen will, ist Unkraut, diebischer Epheu und unnüzes Mooß,
das sich, wenn es nicht bey Zeiten abgeschnitten wird, bis zu
deinem Mark einfrißt, und von deinem Verderben seine Nahrung zieht.
Antipholis. (bey Seite.)
Sie spricht mir so ernstlich zu, daß ich nicht weiß, was ich
denken oder sagen soll. Bin ich im Traum mit ihr vermählt worden?
Oder schlaf ich izt, und bilde mir ein, daß ich alles diß höre?Was
für ein Irrthum bethört unsre Augen und Ohren?Bis ich erfahren kan,
was ich aus dieser unbegreiflichen Sache machen soll, wird das
sicherste seyn, den günstigen Betrug zu unterhalten.
Luciana.
Dromio, geh, sage den Bedienten, daß sie anrichten.
Dromio von Syracus. (bey Seite.)
Nun, bey meinem Rosenkranz! Ich will das Kreuz machen; Gott sey
bey uns! wir sind im Feen-Land, wir reden mit lauter Kobolten,
Gespenstern und Nacht-Frauen; wenn wir nicht thun was sie haben
wollen, so werden sie uns den Athem aussaugen, und uns braun und
blau zwiken.
Luciana.
Was plauderst du da mit dir selber, und antwortest nicht?Dromio,
du Hummel, du Schneke, du träger Kerl, du Sot!
Dromio von Syracus.
Ich bin verwandelt, Herr, nicht wahr?
Antipholis.
Ich denke du bist's am Gemüth, wie ich selbst.
Dromio von Syracus.
Nein, Herr, an beydem, an Seel und Leib.
Antipholis.
Du hast deine eigne Gestalt.
Dromio.
Nein, ich bin ein Affe.
Luciana.
Wenn du in etwas verwandelt bist, so ist's in einen Esel.
Dromio.
Das ist es; sie reitet mich, und es hungert mich nach Gras; es ist
so, ich bin ein Esel, sonst könnt' es unmöglich seyn, daß ich sie
nicht so gut kennte, als sie mich.
Adriana.
Kommt, kommt, ich will nicht länger ein Narr seyn, und den Finger
in die Augen steken und weinen, indeß daß Herr und Knecht meines
Kummers lachen. Kommt, mein Herr, zum Mittag-Essen; Dromio, hüte
die Thüre. Mein lieber Mann, ich will heut oben mit euch zu Mittag
essen, und ihr sollt mir alle eure kleinen Schelmereyen beichten--
Kerl, wenn jemand nach deinem Herrn fragt, so sag', er ißt ausser
dem Haus, und laß keinen lebendigen Menschen herein. Kommt,
Schwester; Dromio, sey du ein guter Thürhüter.
Antipholis.
Bin ich auf der Erde, im Himmel oder in der Hölle?Schlafend oder
wachend, verrükt oder bey Sinnen?Diesen Leuten bekannt, und mir
selbst verborgen?Ich will sagen was sie sagen, und es darauf
ankommen lassen, was aus diesem Abentheuer werden mag.
Dromio von Syracus.
Herr, soll ich hier Thürhüter seyn?
Adriana.
Ja, laß niemand herein, oder ich breche dir den Hals.
Luciana.
Kommt, kommt, Antipholis, wir werden spät zu Mittag essen.
(Sie gehen ab.)


Dritter Aufzug.

Erste Scene.
(Die Strasse vor Antipholis Haus.)
(Antipholis von Ephesus, Dromio von Ephesus, Angelo und Balthasar
treten auf.)

Antipholis von Ephesus.
Mein lieber Herr Angelo, ihr müßt uns entschuldigen; meine Frau ist
verdrießlich, wenn ich nicht zur gewöhnlichen Zeit nach Hause komme;
sagt, ich habe mich bey euch in eurer Werkstatt aufgehalten, um
der Arbeit ihrer Kette zuzusehen, und ihr wollet ihr sie morgen
überbringen. Aber hier ist ein Galgenschwengel, der mir ins Gesicht
behaupten will, er habe mich auf dem Markt angetroffen; und ich
hab' ihm Schläge gegeben, und tausend Mark an Gold von ihm gefodert,
und ich hab' ihm meine Frau und mein Haus abgeläugnet: Du
besoffener Kerl, du, was meyntest du mit allem diesem Gewäsche?
Dromio von Ephesus.
Sagt was ihr wollt, Herr, ich weiß doch was ich weiß; daß ihr mich
auf dem Markt geschlagen habt, das kan ich mit eurer Hand beweisen;
wäre mein Fell Pergament, und die Ohrfeigen die ihr mir gegeben
habt, Dinte, so würde eure eigne Handschrift sagen was ich denke.
Antipholis von Ephesus.
Ich denke, du bist ein Esel.
Dromio von Ephesus.
Mein Six, das erhellet aus den Schlägen, die ich ohne Ursache
gekriegt habe.
Antipholis von Ephesus.
Ihr seyd düster, Herr Balthasar?Der Himmel gebe, daß unsre
Mahlzeit meinem guten Willen entspreche. Wenn ihr nicht gut
bewirthet werdet, so seyd wenigstens versichert, daß ihr nicht
willkommner seyn könntet.
(Er will die Thür aufmachen.)
Sachte! die Thür ist verriegelt; geh', Dromio, sag' ihnen, daß sie
uns einlassen.
Dromio von Ephesus.
Mathilde, Brigitte, Marian, Cäcile, Cathrine, Susanne!
Dromio von Syracus (hinter der Thür.)
Flegel, Schlingel, Bengel, Gek, Mauskopf, Frazen-Gesicht! Entweder
scherr dich von der Thüre, oder siz' auf die Zaken; was für eine
verzweifelte Menge Menscher beschwörst du da zusammen, da es an
einer zuviel gegen einem ist; scherr dich von der Thür.
Dromio von Ephesus.
Was für ein Flegel ist Thürhüter bey uns worden?Mein Herr wartet
hier auf der Strasse, mach auf.
Dromio von Syracus.
Laß ihn gehn woher er gekommen ist, oder er möchte sich die Füsse,
hier erkälten.
Antipholis von Ephesus.
Wer redt da drinnen?holla; macht die Thür auf.
Dromio von Syracus.
Gleich, Herr, wenn ihr mir nur erst sagen wollt, warum?
Antipholis von Ephesus.
Warum, Schurke?Weil ich zu mittag essen will; ich habe heute noch
nichts gegessen.
Dromio von Syracus.
Und werdet heute auch in diesem Hause nichts zu essen kriegen;
kommt ein ander mal wieder.
Antipholis von Ephesus.
Wer bist du, der mich zu meinem eignen Hause hinausschließt?
Dromio von Syracus.
Der zeitige Thürhüter, Herr, und mein Nam ist Dromio, wenn's euch
lieb ist.
Dromio von Ephesus.
O du Galgenvogel, hast du mir meinen Namen zusammt meinem Amt
gestohlen?Bist du Dromio?Ich wollte du wärst es heute gewesen; es
war ein Anlas, wo ich meinen Namen wohlfeil gegeben hätte.*
{ed.-* Man ist genöthiget, hier einen guten Theil von kleinen
sinnreichen Reden auszulassen, die zwischen den Bedienten und einer
Magd vorfallen, und in lauter Wortspielen bestehen, so sie einander
zuwerfen.}
(Weil man den Antipholis nicht einlassen will, fangt dieser an
ungeduldig werden, und will die Thür mit Gewalt einstossen, worüber
ein grosser Lerm entsteht.)
Adriana (hinter der Scene.)
Wer ist da vor der Thür, der einen solchen Lermen macht?
Dromio von Syracus.
Bey meiner Six, es giebt böse Buben in eurer Stadt.
Antipholis von Ephesus.
Seyd ihr da, Frau?Ihr hättet wol bälder kommen können.
Adriana.
Eure Frau, Herr Spizbube?Geht, pakt euch von der Thüre fort.
Angelo.
Mein Herr, ich sehe wol, hier ist weder was gutes zu essen, noch
ein freundlicher Willkomm zu haben--wir halten uns vergeblich auf.
Antipholis von Ephesus.
Geh', hole mir was, daß ich die Thür aufbrechen kan.
Dromio von Syracus.
Versuchts, und brecht hier was, wenn ihr wollt daß ich euch den
Schädel zerbrechen soll.
Antipholis von Ephesus.
Geh', sag' ich, hole mir ein Stemm-Eisen --
Balthasar.
Habt Geduld, mein Herr; ich bitte euch, fangt nichts dergleichen an;
ihr würdet einen Anfall auf euren eignen guten Namen thun, und die
nie verlezte Ehre eurer Frauen in Verdacht bringen. Bedenket nur
das; die lange Erfahrung, die ihr von ihrer klugen Aufführung und
von ihrer Tugend habt, ihre bekannte Sittsamkeit, und selbst ihr
geseztes Alter rechtfertigen sie gegen allen Verdacht; es muß
irgend eine gute Ursache seyn, wenn ihr sie gleich nicht wißt,
warum die Thüren dißmal so vor euch verriegelt sind; und zweifelt
nicht, mein Herr, daß sie sich vollkommen deßwegen wird
rechtfertigen können. Folget mir, und zieht euch in Geduld zurük,
und laßt uns alle in den Tyger zum Mittag-Essen gehen, auf den
Abend geht dann allein nach Hause, und erkundigst euch um die
Ursache dieser seltsamen Begebenheit. Wenn ihr mit Gewalt ins Haus
einbrechen wolltet, am hellen Tag und da alle Strassen voller Leute
sind, so würde gleich ein allgemeines Stadt-Mährchen draus werden;
und das könnte, so wie die Welt alles aufs schlimmste auszudeuten
pflegt, eurer Ehre einen Fleken anhängen, der euch bis ins Grab
bleiben könnte.
Antipholis von Ephesus.
Ihr habt mich überzeugt; ich will in der Stille abziehen, und ich
hab' im Sinn mich lustig zu machen, so wenig ich auch Ursache dazu
habe. Ich kenne ein Weibsbild von unvergleichlichem Umgang, hübsch
und wizig, muthwillig, und doch artig. Dort wollen wir zu Mittag
essen; meine Frau hat mir sie schon oft, aber versichert ohne
Ursache, vorgerupft; wir wollen geh'n und bey ihr zu Mittag essen.
Geht ihr heim, Angelo, und holt die Kette; sie wird izt wol fertig
seyn; bringt sie, ich bitte euch, zum Stachel-Schwein, denn das ist
das Haus; ich will die Kette meiner Wirthin dort geben, und wenn es
auch nur meiner Frauen zum Possen wäre. Säumt euch nicht, mein
werther Herr. Weil meine eigne Thüre mich nicht einlassen will, muß
ich sehen wo ich eine andre offen finde.
Angelo.
Mein Herr, ich will euch in einer oder zwo Stunden daselbst
aufwarten.
Antipholis von Ephesus.
Gut, mein Herr;
(für sich.)
Dieser Spaß wird mich Geld kosten.
(Sie gehen ab.)

Zweyte Scene.
(Das Haus des Antipholis von Ephesus.)
(Luciana und Antipholis von Syracus treten auf.)

Luciana.
Wie, ist denn möglich, daß ihr so plözlich habt vergessen können,
was die Pflicht eines Ehmanns ist?Wie, Antipholis, sollen schon im
Frühling deiner Liebe die Quellen deiner* Liebe vertroknen?Fällt
das Gebäude eurer Liebe schon zusammen, da es kaum aufgeführt ist?
Wenn ihr meine Schwester bloß um ihres Vermögens willen geheurathet
habt, so begegnet ihr, wenigstens um ihres Vermögens willen,
freundlicher; oder wenn ihr irgend eine andre lieber habt, so thut
es doch heimlich; laßt meine Schwester eure Untreu nicht so
deutlich in euern Augen lesen, und macht eure Zunge nicht zum
Redner eurer eignen Schande; seht sie freundlich an, gebt ihr gute
Worte; seyd mit einer guten Art ungetreu, kleidet das Laster wie
einen Hausgenossen der Tugend; nehmt eine schöne Gestalt an, wenn
schon euer Herz besudelt ist; mit einem Wort, seyd heimlich untreu;
wozu braucht Sie es zu wissen?Welcher Dieb ist so einfältig, mit
seinen eignen Streichen zu pralen?Beredet uns wenigstens, uns arme
Weiber, die so leicht zu bereden sind, daß ihr uns liebt; wenn
gleich andre den Arm haben, so zeigt uns wenigstens ein
freundliches Gesicht; wir werden nur von Euch in Bewegung gesezt,
und ihr könnt aus uns machen was ihr wollt. Kommt also wieder mit
mir hinein, mein lieber Bruder; tröstet meine Schwester, thut
freundlich mit ihr, nennt sie euer Weib; wenn es auch nur
Schmeicheley ist, so dient es doch zu ihrer Beruhigung.
{ed.-* Ein Wortspiel mit dem Wort Spring, welches Frühling, und Quelle
heißt.}
Antipholis von Syracus.
Anmuthsvolle Gebieterin, (keinen andern Namen weiß ich euch nicht
zu geben, noch begreiff ich, durch was für ein Wunderwerk ihr den
meinigen entdekt habt,) eure Schönheit und diese Probe eurer
Wissenschaft beweisen beyde, daß ihr eher irgend eine Gottheit als
ein irdisches Wesen seyd; lehre mich, schönste Gestalt, wie ich
denken und wie ich reden soll; entfalte vor meinen zu groben
irdischen, in Irrthum eingehüllten Sinnen, den geheimnisvollen
Inhalt deiner Reden--Warum bemüht ihr euch so sehr, mich in einem
unbekannten Feld irre zu führen?Seyd ihr eine Göttin?Wollt ihr
mich neu erschaffen?So verwandelt mich dann, ich unterwerffe mich
eurer Macht. Aber so lang ich ich selbst bin, weiß ich gewiß, und
es ist umsonst die lautre Wahrheit meiner Seele einer Falschheit
anzuklagen, daß eure weinende Schwester mein Weib nicht ist, und
daß ich keine von diesen Pflichten ihr schuldig bin, die ihr mir
einschärfet. Warum wollt ihr mich dann nöthigen sie zu lieben, da
mein Herz weit stärker, weit stärker zu euch gezogen wird?O, loke
mich nicht, holdes Meer-Mädchen, durch dein Zauberlied, um in der
Thränenfluth deiner Schwester mich zu ertränken; sing' für dich
selbst, Syrene, und ich bin lauter Liebe; spreite deine goldnen
Loken über die Silberwellen, und ich will sie zu meinem Bette
machen, und da ligen, und den Tod, den du mir geben wirst, mit
Entzüken annehmen.
Luciana.
Wie, seyd ihr wahnwizig, daß ihr so schwärmt?
Antipholis von Syracus.
Nicht wahnwizig, aber geblendet; wie, weiß ich selbst nicht.
Luciana.
Der Fehler ligt in euern Augen.
Antipholis von Syracus.
Weil ich zu lang, o schöne Sonne, in eure Stralen schaute.
Luciana.
Schaut wohin ihr sollt, das wird euer Gesicht wieder aufklären.
Antipholis von Syracus.
Das ist soviel, meine süsse Liebe, als ob ihr mir befählet, in die
Nacht zu schauen.
Luciana.
Warum nennt ihr mich, Liebe?Nennt meine Schwester so.
Antipholis von Syracus.
Deiner Schwester Schwester.
Luciana.
Das ist meine Schwester.
Antipholis.
Nein, das bist du selbst, die bessere Helfte des meinigen, das Auge
meiner Augen, und meines Herzens theureres Herz; meine Nahrung,
mein Glük und mein Anspruch an den Himmel.
Luciana.
Alles diß ist meine Schwester, oder sollt es doch seyn.
Antipholis von Syracus.
Nenne dich selbst Schwester, meine Liebe, denn ich meyne dich; dich
will ich lieben, und mit dir mein Leben leben. Du hast noch keinen
Mann; ich noch kein Weib; gieb mir deine Hand.
Luciana.
O, sachte, mein Herr, haltet noch ein wenig ein; ich will nur
vorher meine Schwester holen, damit sie ihre Einwilligung geben kan.
(Luciana geht ab.)

Dritte Scene.
(Dromio von Syracus, (über die Bühne lauffend.)

Antipholis von Syracus.
He, holla, Dromio, wohin laufst du so eilig?
Dromio von Syracus.
Kennt ihr mich dann, Herr?Bin ich Dromio?Bin ich euer Knecht?Bin
ich ich selbst?
Antipholis von Syracus.
Du bist Dromio, mein Knecht, und du selbst.
Dromio von Syracus.
Ich bin ein Esel, eines Weibes Mann, und ausser mir selbst.
Antipholis von Syracus.
Was für eines Weibes Mann, und wie ausser dir selbst?
Dromio von Syracus.
Meiner Six, Herr, in so fern ich ausser mir selbst bin, gehör' ich
einem Weib an; einer, die Ansprüche an mich macht, die mir
allenthalben nachläuft, und mich haben will.
Antipholis von Syracus.
Was für Ansprüche macht sie an dich?
Dromio von Syracus.
Sapperment, Herr, so einen Anspruch wie ihr auf euer Pferd machen
könnt; einen recht bestialischen Anspruch; denn ich müßte nichts
geringere als ein Stier seyn, wenn ihr Anspruch gültig wäre, so
ähnlich ist sie einer Kuh aus Flandern.
Antipholis von Syracus.
Wer ist es dann?
Dromio von Syracus.
Eine sehr respectable Person, Herr; eine Person, von der man nicht
reden darf, ohne zu sagen: Mit Respect. Ich mache nur ein sehr
mageres Glük, wenn ich den Handel eingehe, und doch ist sie eine
erstaunlich fette Parthey.
Antipholis von Syracus.
Was meynst du damit?
Dromio von Syracus.
Sapperment, Herr, sie ist das Küchen-Mensch und lauter Schmeer; ich
wüßte nicht was man aus ihr machen könnte als eine Lampe, um bey
ihrem eignen Licht vor ihr davon zu lauffen. Ich steh' euch dafür,
ihre Lumpen und das Talg darinn, würden einen Lapländischen Winter
lang brennen.
Antipholis.
Wie heißt sie?
Dromio von Syracus.
Nell, Herr--Aber ihr Name, Herr, und drey Viertel, (das ist eine
Ell und drey Viertel,) reichte noch lange nicht zu, sie von einer
Hüfte zur andern auszumessen.
Antipholis.
Sie ist also räsonnabel breit?
Dromio von Syracus.
Nicht länger vom Kopf zum Fuß als von einer Hüfte zur andern; sie
ist rund wie ein Globus: Ich wollte Länder auf ihr finden.
Antipholis.
Wo wolltest du zum Exempel Irrland finden?
Dromio von Syracus*.
{ed.-* Der Leser wird uns vielleicht eher verzeihen, daß wir ihm die
Antwort des Dromio schuldig bleiben, als daß wir ihn und uns
bereits mit so vielen andern albernen Possen, wovon dieses Stük
wimmelt, geplagt haben. Die Idee von einem Globus hat unserm Autor
so kurzweilig gedäucht, daß Dromio seinem Herrn beynahe alle Länder
des Erdbodens auf dieser seltsamen Weltkugel aufsuchen muß; welches
er dann auf eine so ekelhafte und schmuzige Art thut, als der
Gegenstand ist, der seinem pöbelhaften Wiz diesen schönen Anlas
giebt, sich zu zeigen.}
--Mit einem Wort, diese Unholde machte
Anspruch an mich, nannte mich Dromio, schwur daß ich mit ihr
verheurathet sey, sagte mir was für geheime Merkmale ich an mir
habe, als die Fleken auf meiner Schulter, das Gewächs an meinem
Hals, die grosse Warze an meinem linken Arm; so daß ich voller
Schreken davon lief, weil ich wol sah, daß sie eine Hexe seyn mußte.
Ich glaube, meiner Treu, wenn ich nicht ein so guter Christ wäre,
sie hätte mich in einen Hund ohne Schwanz verwandelt, und mich
gezwungen, die Braten in ihrer Küche zu wenden.
Antipholis von Syracus.
Geh', so schnell als du kanst, lauf an die Rhede, und wenn irgend
ein Wind vom Ufer wegtreibt, so will ich keine Nacht mehr in dieser
Stadt zubringen. Wenn du ein Schiff findest, das abfahren will, so
komm auf den Markt; ich will dort auf und ab gehen, bis du wieder
kommst; wenn uns jedermann kennt, und wir kennen niemand, so ist es
hohe Zeit, denk' ich, seinen Bündel zu machen, und davon zu gehen.
(Dromio geht ab.)

Vierte Scene.

Antipholis von Syracus.
Das ist gewiß, daß lauter Zaubervolk hier wohnt, und es ist also
nicht gut, sich hier lang aufzuhalten. Es graut mir in der Seele
vor dem Gedanken, daß diejenige mein Weib seyn sollte, die mich als
ihren Mann anspricht. Aber ihre schöne Schwester hat ein so
unwiderstehlich angenehmes Wesen, und einen so bezaubernden Umgang,
daß sie mich beynahe zum Verräther an mir selbst gemacht hat. Aber
wenn ich mich selbst nicht in Unglück stürzen will, muß ich meine
Ohren gegen den Gesang dieser Syrene verstopfen. (Angelo tritt mit
einer goldnen Kette auf.)
Angelo.
Herr Antipholis--
Antipholis von Syracus.
Ja, so heiß' ich.
Angelo.
Das weiß ich wohl, mein Herr: seht, hier ist die Kette; ich dachte
ich wollte euch im Stachelschwein antreffen, ich mußte so lange
ausbleiben, weil die Kette noch nicht fertig war.
Antipholis von Syracus.
Was wollt ihr daß ich damit thun soll?
Angelo.
Was ihr selbst wollt, mein Herr; ich habe sie für euch gemacht.
Antipholis von Syracus.
Für mich gemacht, mein Herr?Ich bestellte sie ja nicht.
Angelo.
Nicht ein oder zweymal, wohl zwanzig mal habt ihr sie bestellt,
geht heim und macht eurer Frauen eine Freude damit; gleich nach dem
Nachtessen will ich zu euch kommen, und das Geld dafür abholen.
Antipholis von Syracus.
Ich bitte euch, mein Herr, nehmt das Geld lieber izt ein, ihr
möchtet sonst weder Geld noch Kette wieder sehen.
Angelo.
Es beliebt euch zu spassen, mein Herr; lebet wohl.
(Er geht ab.)
Antipholis von Syracus.
Was ich hievon denken soll, kan ich nicht sagen; aber das denk ich,
es ist niemand so albern, der eine so schöne Kette nicht annehme,
wenn man sie ihm anbietet. Ich sehe wohl, es hat einer hier keine
Kunstgriffe nöthig, um leben zu können, da einem auf der Strasse so
kostbare Geschenke in die Hände lauffen. Ich will nun auf den Markt,
und den Dromio erwarten, und wenn irgend ein Schiff abgeht, auf
und davon!


Vierter Aufzug.

Erste Scene.
(Die Strasse.)
(Ein Kauffmann, Angelo und ein Gerichtsdiener treten auf.)

Kauffmann.
Ihr wißt, die Summe war schon um Pfingsten verfallen, und ich hab'
euch seither nicht viel beunruhiget, und würd' es auch izt nicht
thun, wenn ich nicht eine Reise nach Persien vor mir hätte, wozu
ich Geld brauche; befriedigt mich also auf der Stelle, oder hier
ist ein Gerichtsdiener, der sich eurer versichern wird.
Angelo.
Die nemliche Summe, die ihr an mich zu fodern habt, ist Antipholis
mir schuldig, für eine goldne Kette, die ich ihm einen Augenblik eh
ich euch antraf, zugestellt hatte; diesen Abend um fünfe soll ich
das Geld davor einnehmen; seyd nur so gut mit mir zu seinem Hause
zu gehen, und ich will euch mit Dank bezahlen. (Antipholis von
Ephesus, und Dromio von Ephesus, kommen aus dem Hause der
Courtisane, und begegnen den Vorigen.)
Gerichtsdiener.
Ihr könnt euch eine Mühe ersparen; seht, da kommt er selbst.
Antipholis von Ephesus.
Indessen ich zum Goldschmidt gehe, geh' du, und kauf mir ein
hübsches Stük von einem Seil; ich will meine Frau und Compagnie
damit begaben, dafür daß sie mich heut aus dem Haus hinaus gesperrt
haben--Aber sachte, da seh' ich den Goldschmidt: Geh' du, und
kauffe den Strik, und bring ihn mir nach Hause.
(Dromio geht ab.)
Antipholis.
Dem ist wohl geholfen, der sich auf euch verläßt; ihr versprachet
mir eure Gegenwart und die Kette; aber es kam weder Kette noch
Goldschmidt; ihr habt vermuthlich gedacht, unsre Freundschaft
möchte zu lange dauren, wenn sie mit einer Kette zusammengebunden
wäre, und darum seyd ihr nicht gekommen.
Angelo.
Mit Erlaubniß des lustigen Humors, worinn ihr heute seyd, hier ist
die Note, wie viel eure Kette auf den äussersten Carath wiegt, die
Feinheit des Goldes, und die mühsame Arbeit; alles beläuft sich auf
drey Ducaten mehr als ich diesem Herrn hier schuldig bin; ich bitte
euch, übernehmet es, ihn sogleich zu befriedigen; er muß über Meer
reisen, und wartet nur um dessentwillen.
Antipholis von Ephesus.
Ich habe nicht so viel baares Geld bey mir, und überdas hab' ich
Geschäfte in der Stadt; mein lieber Herr, führt den Fremden in mein
Haus, und nehmt die Kette mit euch, und saget meiner Frau, daß sie
euch nach Empfang derselben bezahlen soll; vielleicht bin ich so
bald dort, als ihr.
Angelo.
Wollt ihr also die Kette nicht lieber selbst mitbringen?
Antipholis von Ephesus.
Nein, tragt ihr sie hin, auf den Fall, daß ich etwann nicht früh
genug kommen könnte.
Angelo.
Ganz gut, mein Herr; habt ihr die Kette bey euch?
Antipholis von Ephesus.
Wenn ich sie nicht habe, Herr, so hoff' ich, ihr habt sie; oder ihr
könnt ohne euer Geld wieder fortgehen.
Angelo.
Nein, mein Herr, ich bitt' euch, gebt mir die Kette; Wind und Fluth
warten auf diesen Herrn hier, ich darf ihn nicht länger aufhalten.
Antipholis von Ephesus.
Mein guter Herr, ihr wollt vermuthlich mit dieser Schäkerey
entschuldigen, daß ihr euer Wort nicht gehalten und ins
Stachelschwein gekommen seyd: Ich hätte euch deßwegen ausschelten
sollen, aber ihr macht es wie die bösen Weiber; wenn sie Keiffe
verdient haben, so fangen sie zuerst an zu schnurren.
Kauffmann.
Die Zeit verläuft; ich bitte euch, mein Herr, beschleunigt die
Sache.
Angelo.
Ihr hört ja selbst wie er mir's macht; die Kette --
Antipholis von Ephesus.
Gebt sie meiner Frauen, sag' ich ja, und laßt euch euer Geld geben.
Angelo.
Kommt, kommt, ihr wißt ja, daß ich sie euch nur erst gegeben habe.
Entweder schikt die Kette, oder gebt mir sonst ein Merkzeichen mit,
wodurch ich mich eurer Frauen legitimiren kan.
Antipholis von Ephesus.
Fy, Herr, ihr treibt den Spaß zu weit; kommt, wo ist die Kette; ich
bitt' euch, laßt mich sie sehen.
Kauffmann.
Meine Geschäfte können diese Kurzweile nicht aushalten; mein Herr,
erklärt euch, ob ihr mich bezahlen wollt oder nicht; wenn nicht, so
will ich ihn dem Gerichtsdiener überlassen.
Antipholis von Ephesus.
Ich euch bezahlen?Was soll ich euch bezahlen?
Angelo.
Das Geld, so ihr mir für die Kette schuldig seyd.
Antipholis von Ephesus.
Ich bin euch kein Geld schuldig, bis ich die Kette habe.
Angelo.
Ihr wißt, daß ich sie euch vor einer halben Stunde gegeben habe.
Antipholis von Ephesus.
Ihr habt mir nichts gegeben; ihr thut mir Unrecht, wenn ihr das
sagt.
Angelo.
Ihr thut mir grössers Unrecht, Herr, daß ihr's läugnet; bedenket,
daß mir mein Credit darauf steht.
Kauffmann.
Wohlan, Gerichtsdiener, arretirt ihn auf mein Ansuchen.
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