Briefe Schillers und Goethes an A. W. Schlegel - 3

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* * * * *
Seit dem neuen Jahre habe ich vergebens gehofft Sie, und wäre es auch
nur auf kurze Zeit, in Jena zu sehen. Auch den nächsten Monat komme ich
schwerlich hier los. Ich nehme mir daher die Freyheit die Elegien zu
überschicken, über die ich mich mit Ihnen gern noch mündlich unterhalten
hätte.
Es sind zwey Exemplare, in dem einen werden Sie die von uns
angestrichenen Stellen, in dem andern die Correcturen finden die ich
versucht habe. Vielleicht finden Sie Mittel die bisher refractairen
Stellen zu zwingen. Sollte es nicht überall gehen; so wollen wir uns
drein ergeben und der Zukunft etwas vorbehalten.
Wenn wir uns wiedersehen habe ich manches mitzutheilen und ich bin
überzeugt daß von Ihrer Seite ein Gleiches nicht fehlen wird.
Leben Sie recht wohl und erneuern Sie mein Andenken in Ihrem Kreise.
Weimar am 26 Febr 1800.
=Goethe=
* * * * *
Durch die Vorschläge zur Verbesserung meiner Elegieen haben Sie mir eine
besondere Gefälligkeit erzeigt. Ich habe sie meistens eingeschaltet und
nun folgt mit meinem Dank freylich auch die zweyte Sammlung. Sogar die
Epigramme werden nachkommen, welche Ihrer Theilnahme vielleicht am
meisten bedürfen.
Meine gegenwärtige Lage ist so unpoetisch als uncritisch und es sind mir
daher bey diesem Geschäfft, dem ich nicht ausweichen kann die
freundschafftlichen Winke um desto schätzbarer.
Mit Verlangen erwarte ich was Sie und Ihre Geistesverwandten uns neues
zubereiten. Grüßen Sie alle.
Den guten Tiek bedaure ich sehr. Ich habe diese Zeit her manchmal an ihn
gedacht und beklagt, daß ein so schönes Talent, in seiner Blüthe, solche
Hindernisse freyer und fröhlicher Kraftausübung erfahren soll.
Haben Sie doch die Güte Herrn Professor Schelling zu sagen: daß der Van
Cower bey mir liegt. Unter den Karten findet sich nichts daß auf
Abweichung der Magnetnadel Bezug hätte. Das Werk selbst konnte ich nicht
durchlaufen und habe es bis jetzt nicht geschickt, weil es drey große
Quartbände sind.
Vielleicht kann mir Herr Schelling bezeichnen welcher von diesen Bänden
ihm interessant ist, sonst kann ich sie auf Verlangen alle drey senden.
Leben Sie recht wohl und erhalten mir ein geneigtes Andenken, so wie ich
immer an dem was Sie leisten, so wie an dem was Ihnen begegnet einen
lebhaften Antheil nehme. Weimar am 5 März 1800.
=Goethe=
* * * * *
Auch die Epigramme folgen hier zu gefälliger Durchsicht. Wie sehr hätte
ich gewünscht diese Revision mit Ihnen in Jena machen zu können, da die
Deliberation in einem solchen Falle so instructiv ist.
Sie finden ein einziges neues Epigramm und ich habe sie überhaupt nicht
numerirt weil Sie vielleicht eins oder das andere heraus votiren wenn es
gar zu refractair seyn sollte. Wie z. B. das mit dem doppelten Ueberall.
Die Weissagungen des Bakis sollten eigentlich zahlreicher seyn damit
selbst die Masse verwirrt machte. Aber der gute Humor, der zu solchen
Thorheiten gehört, ist leider nicht immer bey der Hand.
Auch lege ich die Metamorphose der Pflanzen bey die denn leider sehr
isolirt stehen wird.
Leben Sie recht wohl und verzeihen
Weimar am 20 März 1800.
G
* * * * *
In dankbarer Erwiederung Ihrer Sendung lege ich hier das erste der
famosen Sonnette bey, nach und nach sollen die übrigen anlangen. Über
dem Portal steht das Gegenwärtige warlich nicht unbedeutend. Sie
erhalten zugleich auch meine Uebersetzung des Mahomets. Da sie einmal
gemacht ist, wollen wir sie doch zum besten kehren und nutzen. Lassen
Sie uns denselben zum Grunde legen wenn wir uns gelegentlich über unsern
Jambus, und besonders über dessen dramatischen Gebrauch unterhalten.
Haben Sie Dank daß Sie meine Jahreszeiten ausschmücken wollen. Die
Episteln, dächt ich, ließe man liegen, bis sich etwa die Lust findet
etwas neues in dieser Art zu machen.
Ob es der Mühe werth seyn wird den Reineke Fuchs nochmals gleichsam
umzuarbeiten darüber müssen wir gelegentlich zu Rathe gehen.
Die Uebersetzung der Walpolischen Schrifften ist mir sehr willkommen.
Die großen Quartbände des Originals schreckten mich ab, und eine
Auswahl, wie sie Ihre Vorrede einleitet ist freylich einladender.
Möchte doch das Frühjahr auf Ihre liebe Gattin einen guten Einfluß
haben. In einiger Zeit hoffe ich mit einem guten Glas ungarischen
aufwarten zu können.
Die Herren Meyer und Büry empfehlen sich bestens. Da wir sämmtlich jetzt
nicht viel vom Flecke kommen, so hätten wir gewünscht daß Sie neulich
Ihren Besuch möchten verlängert haben. Auch hätten wir noch gar gerne
mehr von der spanischen Litteratur vernommen. Ein Land, das man selbst
nicht mehr besuchen wird, hört man so gern von scharfsinnigen Reisenden
beschreiben.
Nicht allein Ihre grammatische, sondern auch Ihre critische Bemerkungen
im allgemeinen könnten einem Werke, das ich angefangen habe, sehr zu
statten kommen, wenn ich nur den Muth hätte gegenwärtig daran zu denken.
Doch wage ich nichts davon sehen zu lassen, bis ich weiter vorgerückt
bin.
Leben Sie indessen so wohl als fleißig und gedenken Sie unser in Ihrem
Kreise.
Weimar am 2 April 1800.
=Goethe=
* * * * *
Schillern habe ich nicht in Weimar angetroffen, er hat sich nach
Ettersburg begeben um dort ungestörter arbeiten zu können. Ich kann
Ihnen daher von seiner Entschliessung wegen des Almanachs nichts melden
doch wollte ich nicht ganz schweigen und sende daher diese Zeilen ab.
Leben Sie recht wohl in dem Leipzig, das nun wohl bald ruhiger werden
wird und wenn Sie in unserer Nähe sind hoffe ich Sie bald einmal wieder
bey uns zu sehen. Weimar am 19 May 1800.
=Goethe=
* * * * *
Indem ich den mir communicirten Brief und das erste Exemplar Ihrer
Gedichte zurück schicke melde ich dankbar daß Ihre heutige Sendung
angekommen ist worauf ich das weitere nächstens antworten werde.
Weimar am 31 May 1800.
G
* * * * *
Ueber Ihre Sache mag ich nachdenken wie ich will, so kann ich Ihnen
nicht rathen sie an die Höfe zu bringen. Die Ursachen das nächste mal
wenn ich Sie spreche.
Da Sie aber freylich zu der Ihnen zugefertigten Resolution nicht ganz
stille schweigen können, so schlage ich vor beyliegendes Schreiben an
den Senat abzulassen. Sie werden die Absicht desselben leicht erkennen;
doch muß ich Sie dabey ersuchen ja darinnen nichts abzuändern, obgleich
der Styl nicht der beste ist. Wollten Sie es ja thun so wünschte ich
vorher das veränderte Concept zu sehen.
Von Ihrem Gedichte, das Schiller auch mit Vergnügen gelesen hat, bey
Uebersendung desselben nächstens.
Weimar am 10 Juni 1800.
G
* * * * *
Die übersendeten _Don Quixote_ sind glücklich angekommen. Wenn Sie die
andern Bände gebrauchen, so haben sie nur die Gefälligkeit sie von mir
zu verlangen.
Ihren Herrn Bruder würde ich auf den nächsten Mittwoch mit Vergnügen bey
mir sehen, ich will mich einrichten daß wir uns ruhig unterhalten
können. Doch wäre mir angenehm wenn ich, durch die Botenfrauen bey
zeiten Mitwochs, oder, die vorhergehenden Tage, durch die Post,
Nachricht erhalten könnte.
Was die bewußte Sache betrifft sage ich meine weitern Gedanken mündlich;
denn endlich hoffe ich Sie einmal auf kürzere oder längere Zeit, in Jena
zu sehen.
Die verlangten Stücke sind mit der Theaterbibliothek nach Lauchstädt.
Leben Sie recht wohl und grüßen Ihren Herrn Bruder. Weimar am 12 Jul
1800.
G
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Viel Dank für Ihre freundliche Zuschrifft und die Versicherung meiner
Freude über Ihre glückliche Zurückkunft. Auch ich werde bald wieder in
Ihrer Nähe seyn und hoffe auf manche angenehme und lehrreiche
Unterhaltung.
Daß _Mad:_ Unzelmann sich entschließt zu uns zu kommen ist mir höchst
angenehm, haben Sie die Güte ihr das, mit meinem schönsten Gruße,
eiligst zu vermelden. Ich werde zwar mit der nächsten directen Post auch
an sie schreiben, diese geht aber erst übermorgen Nachmittag ab und es
kommt darauf an, welcher von unsern Briefen sie zuerst erreicht. Leben
Sie recht wohl und besuchen Sie mich ja, sobald ich nach Weimar komme.
Nach dem verlangten Buche will ich mich sogleich erkundigen.
Kassel am 18 August 1801.
* * * * *
Auf mehrere Ihrer werthen Briefe habe ich nicht geantwortet; Sie
verzeihens, da ich indeß nicht weniger an Sie gedacht und an allem was
Sie betrifft Theil genommen habe. Aus der Vorstellung Ihres =Ions= hat
sich eine Ilias von Händeln entwickelt, die, wie ein ächtes
rhapsodisches Werk, noch immer kein Ende nehmen will.
Können Sie es einrichten daß Sie Pfingsten in Weimar sind; so treffen
Sie mich daselbst. Vielleicht wird es auch möglich alsdann Ihren =Ion=
zu geben.
Können Sie mir eine leichte Skizze von Genelli's Decoration verschaffen;
so würde ich, in so fern es möglich, die Idee für unser Theater nutzen.
Der Tempel war die schwächste Seite unserer Darstellung, den ich wohl
mit einem bedeutendern künftig auswechseln möchte.
Schicken Sie mir doch baldigst die Nachträge zu =Alarkos=, den ich
ehestens geben werde; die Rollen sind schon ausgeschrieben. Das Stück
hat mir in seiner Gedrängtheit viel Vergnügen gemacht, weniger
=Octavian= in seiner Diffusion, ob man gleich das Tiekische Talent, im
Einzelnen, nicht verkennen kann.
Grüßen Sie den Bruder Bildhauer aufs beste und treiben ihn an daß er
bald kommt. Ich wünschte, wenn Durchl. der Herzog von den Inspectionen
zurückkommen, daß schon etwas gethan wäre.
Leben Sie recht wohl und gedenken mein und erfreuen sich der guten
Aufnahme, die Sie in Berlin gefunden haben.
Ihr Herr Bruder, den ich gelegentlich zu grüßen bitte, hat noch einige
Bücher, die Theils mir, theils der Bibliothek angehören, ich wünschte,
daß er sie mir bald wieder zurückstellen könnte. Jena am 3 Mai 1802.
=Goethe=
* * * * *
Das Lustspiel, welches Sie mir vor einiger Zeit gesendet, hätte ich gern
auf das Theater gebracht, um die Wirkung davon zu erfahren; allein ich
konnte die zwei Frauenzimmer, welche in Mannskleidern erscheinen müssen,
nicht so austheilen, daß ich gegründete Hoffnung des Gelingens hätte
fassen können. Will der Verfasser es auf andern Theatern versuchen, so
wüßte ich nichts dagegen zu erinnern.
Denn es steht überhaupt mit den Concurrenzstücken wunderlich. Es sind
dreyzehen angekommen, davon keines aufzuführen war, ob man gleich
einigen manches Verdienst zusprechen mußte.
Uns haben diese Erscheinungen Vergnügen und Belehrung gegeben, wollte
man aber öffentlich darüber sprechen; so wäre mehr Zeitaufwand nöthig,
als das Resultat werth seyn könnte. Vielleicht spreche ich einmal, im
Vorbeygehen, bey anderer Gelegenheit, davon.
Der gute Tiek, dessen Zustand ich bedaure, setzt mich, durch sein
Außenbleiben, in nicht geringe Verlegenheit. Sagen Sie ihm dieß und
wiederholen Sie meinen Wunsch, daß er sich bald auf den Weg machen möge.
Es ist ihm erinnerlich daß ich ihn ältern Concurrenten vorgezogen und es
ist leicht möglich daß, bey Rückkunft Durchl. des Herzogs, welcher, nach
einer ausdrücklichen Aeußerung bey seiner Abreise, Herrn Tiek schon in
völliger Arbeit zu finden glaubt, jene Verhältnisse, auf eine für mich
sehr unangenehme Weise, zur Sprache kommen könnten. Ja es bleibt mir
nichts übrig als noch eine kurze Zeit abzuwarten und alsdann Herrn Tiek
einen peremtorischen Termin zu setzen, welches ich nicht gern thue, doch
aber auch die Verantwortung einer solchen Zögerung nicht auf mich nehmen
kann.
Leben Sie recht wohl und thätig und gedenken mein. Jena am 13 May 1802.
=Goethe=
* * * * *
Weimar am 2 Octbr 1803.
Die Beylagen werden mich genugsam entschuldigen, wenn ich auf Ihre
theilnehmende Briefe nicht schneller antwortete, ja wenn ich heute nur
einen flüchtigen Laut von mir hören lasse.
Seit einigen Wochen bin ich mit der Ausstellung beschäftigt, deren
Einrichtung immer viel Mühe macht, die Abende habe ich meist dem Cäsar
gewidmet, um ihn, im einzelnen und im ganzen zu probiren. Ich habe mich
recht gesammelt, mit völligem Bewußtseyn diese schwierige Unternehmung
zu leiten und ich kann sagen daß alle, die dabey zu thun haben, sich
nach Vermögen bestrebten mit dem Autor und Uebersetzer zu wetteifern.
So eben erhalte ich ein Billet von Freund Schillern und lasse ihn
sprechen:
»Diesen Vormittag gehe ich nach Jena. Ich nehme einen großen
Eindruck mit und über 8 Tage bey der zweyten Vorstellung werde ich
Ihnen etwas darüber sagen können. Es ist keine Frage daß der Julius
Cäsar alle Eigenschaften hat um ein Pfeiler des Theaters zu werden.
Interessante Handlung, Abwechslung und Reichthum, Gewalt der
Leidenschaft und sinnliches Leben _vise a vise_ des Publikums -- und
der Kunst gegenüber hat er alles was man wünscht und braucht. Alle
Mühe, die man also noch daran wendet ist ein reiner Gewinn und die
wachsende Vollkommenheit bey der Vorstellung dieses Stücks muß
zugleich die Fortschritte unsers Theaters zu bezeichnen dienen.«
Wie gern möchte ich Sie nun bald mit diesem Stück bewirthen und es durch
Ihre Gegenwart, Berathung und Theilnahme immer weiter zu steigern.
Wie Sie uns besuchen, so gewinnen wir für das critische Institut sehr
viel; denn schreiben läßt sich warlich jetzt nicht was man über die Lage
unserer Litteratur denkt.
Schreiben Sie mir voraus wann Sie einzutreffen denken? kann ich Sie
nicht selbst logiren; so besorge ich Ihnen ein Quartier in der Nähe und
an meinem Tisch sollen Sie immer heitere Gesellschaft finden. Bis dahin
sey manches verspart. Heute nur noch so viel:
Haben Sie ja die Gefälligkeit Herrn Steffens zu ersuchen daß er bald die
Reihe Schrifften anzeigt, welche er nachzuholen und zu beurtheilen
geneigt ist. Sobald ich nur ein wenig zur Besinnung komme schicke ich
einen Brief für ihn. Es thut mir sehr leid ihn nicht gesprochen zu
haben.
Dank für die Blumensträuße! Es sind wirklich Erscheinungen aus einer
andern Welt.
Wenn Sie zu uns kommen hoffe ich Ihnen wenigstens einige Scenen aus dem
Calderon bey verschlossenen Thüren sehen zu lassen. Ich habe
didascalische Stunden eingeleitet, die mir viel Vergnügen gewähren und
wodurch die öffentlichen Vorstellungen sehr gewinnen. So habe ich seit
acht Wochen drey Junge Leute, die noch nie oder kaum auf dem Theater
gewesen, dergestalt zugerichtet, daß sie im Cäsar einklingend auftreten
konnten. Ohne diese Vorbereitung wäre diese Vorstellung unmöglich
gewesen.
G.
* * * * *
Weimar am 2 Octobr 1803.
Vom werthen Schelling weiß ich leider nichts zu sagen als daß jeder
Gedanke an ihn von dem Bedauern über seinen Verlust begleitet ist. Man
sagt er sey in Würzburg wirklich angestellt. Ich wünsche ihm, wo er auch
sey, das Glück das er verdient.
So eben gehen mir noch Belobungsschreiben wegen der gestrigen Aufführung
zu. Man bemerkt daß das Stück in England nie unverkürzt und seit 50
Jahren gar nicht mehr gegeben worden weil Garrick selbst einmal daran
gescheitert war. Man erinnert sich des großen Aufwandes den Herr
v. Dalberg in Manheim vormals gemacht hatte ohne das Stück beleben oder
lebendig erhalten zu können.
Sie nehmen gewiß Theil an der Freude dieses Gelingens. An Sorgfalt haben
wir es wenigstens nicht fehlen lassen. Nächstens mehr.
G

Am 3ten Octobr.
Bey dem Rumor, welchen die Aufführung des Cäsars erregt hat es mich sehr
gefreut daß das Publikum unaufgefordert einsieht daß nur Ihre
Uebersetzung eine solche Darstellung möglich gemacht. Ich wünsche daß
Sie Zeuge seyn mögen von der guten Disposition die dadurch entstanden.
* * * * *
Meine letzten Blätter die ich abschickte, waren, so viel ich mich
erinnere nur voll von Julius Cäsar, und Sie haben gewiß, statt mir die
Leidenschafft zu verargen, mein Interesse getheilt. Heute und morgen
Abend beschäftigen mich wieder die Proben davon, um so manches
nachzuholen und aufzuputzen. Sonabend den 8ten wird die zweyte
Vorstellung seyn.
Einen Kunstgriff muß ich Ihnen noch mittheilen, den ich gebraucht, um
die Sinnen zu reizen und zu beschäftigen; ich habe nämlich den
Leichenzug viel weiter ausgedehnt als das Stück ihn fordert, und, nach
den Ueberlieferungen aus dem Alterthum, mit blasenden Instrumenten,
Lictoren, Fahnenträgern, mit verschiedenen _Feretris_, welche Städte,
Burgen, Flüsse, Bilder der Vorfahren, zum schauen bringen, ferner mit
Freygelassnen, Klageweibern, Verwandten &c. ausgeschmückt, daß ich
dadurch auch die rohere Masse heranzuziehen, bey halbgebildeten, dem
Gehalte des Stücks mehr Eingang zu verschaffen und gebildeten ein
geneigtes Lächeln abzugewinnen hoffe.
Ich breche ab, mit dem Wunsche daß Sie es selbst sehen mögen; denn sonst
käm' ich in Gefahr wieder ein Blatt nach dem andern mit Betrachtungen
über den Werth des Stücks, so wie der Uebersetzung, über unsere
bisherige Leistungen und über unsere ernstlichen Vorsätze auszufüllen.
Lassen Sie uns dagegen ein Wort von dem critischen Institute sprechen.
Sie haben das was dabey zu thun ist in Ihrem ersten Briefe so gut
geschildert, daß ich nichts hinzu zu setzen brauche.
Die versäumten Bücher nachzuholen ist allerdings ein Haupterforderniß
und kann gleich dadurch das erste Vierteljahr gehaltvoll werden. Mögen
Sie mir also Beyträge zu dem Verzeichniß, mit einigen Vorschlägen der
Vertheilung, liefern, so werden Sie unsere Entschlüsse beschleunigen und
bestimmen helfen.
An Herrn Steffens lege ich einen Brief offen bey; Sie werden auch aus
demselben sehen daß wir durchaus einstimmig sind. Es kann auch wohl bey
Männern die die Sache durchschauen nur Eine Stimme seyn.
Durchaus hoffe ich das Beste. Denn wenn diejenigen die productiv sind
und auf mancherley Weise etwas leisten können, die Critik im
eigentlichen Sinne, nicht wohl treiben mögen; so ist es denn doch auch
erfreulich gelegentlich die Ideen und Maximen, von denen unsere übrige
Thätigkeit geleitet und bestimmt wird, auszusprechen und auch durch die
Reflexion dem Unsichtbaren und unaussprechlichen eine Art von Körper zu
leihen. Und dieß bey Gelegenheit, nicht etwa _ex professo_, wozu man
sich nicht leicht entschließt. Hiemit lassen Sie mich endigen, damit der
Brief heute fortkomme.
Sollte es Ihre Lage, wie ich wünsche, erlauben uns zu besuchen; so
wünsche ich es bey Zeiten zu erfahren damit Sie mich in Weimar finden.
W. d. 6ten Octobr 1803.
G
* * * * *
Daß wir von einem Posttage zum andern auf Ihre bedeutenden Beyträge
warten, können Sie wohl selbst denken. Von Ihnen, Steffens, Bernardi,
Schleyermacher vernehmen wir kein Wort, möchten Sie doch sämmtlich bald
sich desto erfreulicher zeigen! Mehr sage ich nicht und füge nur ein
herzliches Lebewohl hinzu
Weimar am 12 Jan. 1804.
=Goethe=
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Könnt ich einen bessern Dank für das Ueberschickte und einen bedeutendern
Gruß als durch HE. Hofr. v. Müller übermachen
W. d. 7 Febr 1804
G
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Frau von Stael wünscht Sie näher zu kennen, sie glaubt daß einige Zeilen
von mir die erste Einleitung erleichtern. Ich schreibe sie gern, weil
ich nun Dank von beyden Theilen verdiene, wo sich alles von selbst
gegeben hätte. Erhalten Sie mir ein freundliches Andenken.
W. d. 1 März 1804
=Goethe=
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An der freundlich baldigen Erfüllung meines bescheiden geäußerten
Wunsches, durft ich wohl ein fortgesetztes früheres Wohlwollen dankbar
gewahr werden.
Das folgereiche Gelingen eines jeden Unternehmens, dem Sie Ihre
Thätigkeit widmen möchten, war mir niemals zweifelhaft und so bin ich
auch Ihren Bemühungen in der indischen Literatur mit Antheil, wenn auch
nur von ferne gefolgt, und freue mich zu sehen wie auch hier Kritik und
Technik dem belebenden Genius willfährig die Hand reichen.
Kann ich zwar der indischen Kunst, insofern sie plastisch ist, nicht
günstig seyn, da sie die Einbildungskraft, anstatt sie zu sammeln und zu
regeln, zerstreut und verwirrt; so gehör ich doch gewiß zu den
redlichsten und beständigsten Verehrern jener Dichtkunst, die aus den
abstrußesten Regionen des Geistes durch alle Stufen des innern und
äußern Sinnes uns auf die bewundernswürdigste Weise hindurch führt.
Ueber allem und jedem Zwiespalt eine glückliche Vermittelung zu finden,
möcht ich gar zu gern unter den Merkwürdigkeiten Bonns auch Ihrer
gesammelten Bildschätze mich erfreuen und unter Ihrer Leitung in einer
so erfreulich charakteristischen Region mich mit allem Hohen und Tiefen
so wie mit allem Äußern und Innern in vollkommenem Einklang fühlen.
gehorsamst
JW v =Goethe=.
Weimar
den 15 _Decbr._
1824
Als Nachschrift füge den Wunsch hinzu, daß Gesundheit und alles Günstige
das große Unternehmen =Ramajana= herauszugeben befördern möge. Wie ich
mir denn die Freyheit nehme für Großherzogl. Weimarische Bibliothek auf
ein Exemplar der vier Lieferungen hiermit zu unterzeichnen.
JW v =Goethe=
Weimar
den 15. Decbr
1824.

Bonn, gedruckt bei Carl Georgi.

[Nachträglich.]
Für so manches Gute und Angenehme habe ich Ihnen nicht gedankt, nicht
für Ion, nicht für Calderon. Ein angefangener Brief liegt schon lange da
und Muse zum Briefschreiben kommt nie, wenn man sie erwartet. Nun regt
eine äußere Veranlassung mich auf Ihnen zu schreiben, eine alte Schuld
abzutragen und neue Verhältnisse anzuknüpfen.
Das alte Band der jenaischen Litteraturzeitung löst sich auf, neue
müssen geknüpft werden und ich mag wohl, um des allgemeinen Besten
willen, aus meiner Ruhe heraus treten und mit an einem neuen Institut
Theil nehmen, wozu sich alles was wacker und tüchtig bey uns ist, zu
versammeln verspricht.
Sage ich Ihnen daß man auch Ihre Theilnahme aus der Ferne wünscht; so
vernehmen Sie nichts unerwartetes. Ihr Geist, der sich, in Production
sowohl, als Urtheil, thätig zeigt, wird sich zu einer Anstalt neigen,
die nicht sowohl Zerstreutes versammeln, als das was von Natur zusammen
gehört, vereinigen möchte.
Haben Sie daher die Güte mir vorläufig zu schreiben: ob, und in wie fern
Sie beyzutreten gedenken? ob Ihnen Bücher im Sinne schweben über welche
Sie Ihr Urtheil sagen möchten und ob wir noch manches vor Weihnachten
erwarten dürften?
Sobald ich Ihre Gesinnung näher weiß schreibe ich weitläufiger und freue
mich zum Voraus darauf, daß dieser Anlaß unsere Correspondenz beleben
wird, welche, selbst unter Gleichgesinnten, ohne besonderes Interesse,
gewöhnlich ermattet.
Sie haben unter Ihren Freunden gewiß noch manchen jungen Mann, der, mit
schönen Talenten und Kenntnissen, einen vorschreitenden Geist und mäßige
Gesinnungen verbindet; wollten Sie mir wohl Rahmen und nähere
Verhältnisse bekannt machen.
Der ich für dießmal schließe, recht wohl zu leben wünsche und mich
bestens empfehle.
Wenn Sie an Ihren Herrn Bruder nach Paris schreiben, so grüßen Sie ihn
schönstens von mir. Auch ihm bin ich einen Brief schuldig und wohin bin
ich nicht Briefe schuldig!
Weimar am 5 Sept. 1803.
=Goethe=
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