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Turandot, Prinzessin von China - 1

Härber sızık iñ yış oçrıy torgan 1000 süzlärneñ protsentnı kürsätä.
Süzlärneñ gomumi sanı 4203
Unikal süzlärneñ gomumi sanı 1583
36.7 süzlär 2000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
50.3 süzlär 5000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
55.9 süzlär 8000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
  Turandot, Prinzessin von China.
  Friedrich Schiller.
  Ein tragikomisches Märchen nach Gozzi.
  
  Personen:
  Altoum, fabelhafter Kaiser von China.
  Turandot, seine Tochter.
  Adelma, eine tartarische Prinzessin, ihre Sklavin.
  Zelima, eine andere Sklavin der Turandot.
  Skirina, Mutter der Zelima.
  Barak, ihr Gatte, ehmals Hofmeister des
  Kalaf, Prinzen von Astrachan.
  Timur, vertriebener König von Astrachan.
  Ismael, Begleiter des Prinzen von Samarcand.
  Tartaglia, Minister.
  Pantalon, Kanzler.
  Truffaldin, Aufseher der Verschnittenen.
  Brigella, Hauptmann der Wache.
  Doctoren des Divans.
  Sklaven und Sklavinnen des Serails.
  
  
  Erster Aufzug.
  Vorstadt von Peckin.
  Prospekt eines Stadtthors. Eiserne Stäbe ragen über demselben
  hervor, worauf mehrere geschorne, mit türkischen Schöpfen
  versehene Köpfe als Masken und so, daß sie als eine Zierrath
  erscheinen können, symmetrisch aufgepflanzt sind.
  
  Erster Auftritt.
  Prinz Kalaf, in tartarischem Geschmack, etwas phantastisch
  gekleidet, tritt aus einem Hause. Gleich darauf Barak, aus
  der Stadt kommend.
  
  Kalaf.
  Habt Dank, ihr Götter! Auch zu Peckin sollt' ich
  Eine gute Seele finden!
  Barak (in persischer Tracht, tritt auf, erblickt ihn und fährt
  erstaunt zurück).
  Seh' ich recht?
  Prinz Kalaf! Wie? Er lebt noch!
  Kalaf (ernennt ihn). Barak!
  Barak (auf ihn zueilend). Herr!
  Kalaf. Dich find' ich hier?
  Barak. Euch seh' ich lebend wieder!
  Und hier zu Peckin!
  Kalaf. Schweig! Verrath mich nicht!
  Beim großen Lama, sprich! Wie bist du hier?
  Barak. Durch ein Geschick der Götter, muß ich glauben,
  Da es mich hier mit Euch zusammenführt.
  An jenem Tag des Unglücks, als ich sah,
  Daß unsre Völker flohen, der Tyrann
  Von Tefflis unaufhaltsam in das Reich
  Eindrang, floh ich nach Astrachan zurück,
  Bedeckt mit schweren Wunden. Hier vernahm ich,
  Daß Ihr und König Timur, Euer Vater,
  Im Treffen umgekommen. Meinen Schmerz
  Erzähl' ich nicht; verloren gab ich Alles,
  Und sinnlos eilt' ich zum Palaste nun,
  Elmazen, Eure königliche Mutter,
  Zu retten; doch ich suchte sie vergebens!
  Schon zog der Sieger ein zu Astrachan,
  Und in Verzweiflung eilt' ich aus den Thoren.
  Von Land zu Lande irrt' ich flüchtig nun
  Drei Jahre lang umher, ein Obdach suchend,
  Bis ich zuletzt nach Peckin mich gefunden.
  Hier unterm Namen Hassan glückte mir's,
  Durch treue Dienste einer Wittwe Gunst
  Mir zu erwerben, und sie ward mein Weib.
  Sie kennt mich nicht; ein Perser bin ich ihr.
  Hier leb' ich nun, obwohl gering und arm
  Nach meinem vor'gen Loos, doch überreich
  In diesem Augenblicke, da ich Euch,
  Den Prinzen Kalaf, meines Königs Sohn,
  Den ich erzogen, den ich Jahre lang
  Für todt beweint, im Leben wieder sehe!
  --Wie aber lebend? Wie in Peckin hier?
  Kalaf. Nenne mich nicht. Nach jener unglücksel'gen Schlacht
  Bei Astrachan, die uns das Reich gekostet,
  Eilt' ich mit meinem Vater zum Palast;
  Schnell rafften wir das Kostbarste zusammen,
  Was sich an Edelsteinen fand, und flohn.
  In Bauerntracht verhüllt, durchkreuzten wir,
  Der König und Elmaze, meine Mutter,
  Die Wüsten und das felsigte Gebirg.
  Gott, was erlitten wir nicht da! Am Fuß
  Des Kaukasus raubt' eine wilde Horde
  Von Malandrinen uns die Schätze; nur
  Das nackte Leben blieb uns zum Gewinn.
  Wir mußten kämpfen mit des Hungers Qualen
  Und jedes Elends mannigfacher Noth.
  Den Vater trug ich bald und bald die Mutter
  Auf meinen Schultern, eine theure Last.
  Kaum wehrt' ich seiner wüthenden Verzweiflung,
  Daß er den Dolch nicht auf sein Leben zuckte;
  Die Mutter hielt ich kaum, daß sie, von Gram
  Erschöpft, nicht niedersank! So kamen wir
  Nach Jaik endlich, der Tartarenstadt,
  Und hier, an der Moscheen Thor, mußt' ich
  Ein Bettler flehen um die magre Kost,
  Der theuren Eltern Leben zu erhalten.
  --Ein neues Unglück! Unser grimm'ger Feind,
  Der Khan von Tefflis, voll Tyrannenfurcht,
  Mißtrauend dem Gerücht von unserm Tode,
  Er ließ durch alle Länder uns verfolgen.
  Vorausgeeilt schon war uns sein Befehl,
  Der alle kleinen Könige seiner Herrschaft
  Aufbot, uns nachzuspähn. Nur schnelle Flucht
  Entzog uns seiner Spürer Wachsamkeit--
  Ach, wo verbärg' sich ein gefallner König!
  Barak. O, nichts mehr! Eure Worte spalten mir
  Das Herz! Ein großer Fürst in solchem Elend!
  Doch sagt! Lebt mein Gebieter noch, und lebt
  Elmaze, meine Königin?
  Kalaf. Sie leben.
  Und wisse, Barak, in der Noth allein
  Bewähret sich der Adel großer Seelen.
  --Wir kamen in der Karazanen Land;
  Dort, in den Gärten König Keicobads,
  Mußt' ich zu Knechtes Diensten mich bequemen,
  Dem bittern Hungertode zu entfliehn.
  Mich sah Adelma dort, des Königs Tochter,
  Mein Anblick rührte sie, es schien ihr Herz
  Von zärtlichern Gefühlen, als des Mitleids,
  Sich für den fremden Gärtner zu bewegen.
  Scharf sieht die Liebe, nimmer glaubte sie
  Mich zu dem Loos, wo sie mich fand, geboren.
  --Doch weiß ich nicht, welch bösen Sternes Macht
  Der Karazanen König Keicobad
  Verblendete, den mächt'gen Altoum,
  Den Großkhan der Chinesen, zu bekriegen.
  Das Volk erzählte Seltsames davon.
  Was ich berichten kann, ist dies: Besiegt
  Ward Keicobad, sein ganzer Stamm vertilgt;
  Adelma selbst mit sieben andern Töchtern
  Des Königs ward ertränkt in einem Strome.
  --Wir aber flohen in ein andres Land;
  So kamen wir nach langem Irren endlich
  Zu Berlas an--Was bleibt mir noch zu sagen?
  Vier Jahre lang schafft' ich den Eltern Brod,
  Daß ich um dürft'ges Taglohn Lasten trug.
  Barak. Nicht weiter, Prinz. Vergessen wir das Elend,
  Da ich Euch jetzt in kriegerischem Schmuck
  Und Heldenstaat erblicke. Sagt. wie endlich
  Das Glück Euch günstig ward?
  Kalaf. Mir günstig! Höre!
  Dem Khan von Berlas war ein edler Sperber
  Entwischt, den er in hohem Werthe hielt.
  Ich fand den Sperber, überbracht' ihn selbst
  Dem König--Dieser fragt nach meinem Namen;
  Ich gebe mich für einen Elenden,
  Der seine Eltern nährt mit Lastentragen.
  Drauf ließ der Khan den Vater und die Mutter
  Im Hospital versorgen. (Er hält inne.) Barak! Dort,
  Im Aufenthalt des allerhöchsten Elends,
  Dort ist dein König--deine Königin.
  Auch dort nicht sicher, dort noch in Gefahr,
  Erkannt zu werden und getödtet!
  Barak. Gott!
  Kalaf. Mir ließ der Kaiser diese Börse reichen,
  Ein schönes Pferd und dieses Ritterkleid.
  Den greisen Eltern sag' ich Lebewohl;
  Ich gehe, rief ich, mein Geschick zu ändern,
  Wo nicht, dies traur'ge Leben zu verlieren!
  Was thaten sie nicht, mich zurückzuhalten
  Und, da ich standhaft blieb, mich zu begleiten!
  Verhüt' es Gott, daß sie, von Angst gequält,
  Nicht wirklich meinen Spuren nachgefolgt!
  Hier bin ich nun, zu Peckin, unerkannt,
  Viel hundert Meilen weit von meiner Heimath.
  Entschlossen komm' ich her, dem großen Khan
  Vom Lande China als Soldat zu dienen,
  Ob mir vielleicht die Sterne günstig sind,
  Durch tapfre That mein Schicksal zu verbessern.
  --Ich weiß nicht, welche Festlichkeit die Stadt
  Mit Fremden füllt, daß kein Karvanserai
  Mich aufnahm--Dort in jener schlechten Hütte
  Gab eine Frau aus gutem Herzen mir
  Herberge.
  Barak. Prinz, das ist mein Weib.
  Kalaf. Dein Weib?
  Preise dein Glück, daß es ein fühlend Herz
  Zur Gattin dir gegeben! (Er reicht ihm die Hand.)
   Jetzt leb' wohl.
  Ich geh' zur Stadt. Mich treibt's, die Festlichkeit
  Zu sehn, die so viel Menschen dort versammelt.
  Dann zeig' ich mich dem großen Khan und bitt'
  Ihn um die Gunst, in seinem Heer zu dienen.
  (Er will fort. Barak hält ihn zurück.)
  Barak. Bleibt, Prinz! Wo wollt Ihr hin? Mögt Ihr das Aug'
  An einem grausenvollen Schauspiel weiden?
  O, wisset, edler Prinz--Ihr kamt hieher
  Auf einen Schauplatz unerhörter Thaten.
  Kalaf. Wie so? Was meinst du?
  Barak. Wie? Ihr wißt es nicht,
  Daß Turandot, des Kaisers einz'ge Tochter,
  Das ganze Reich in Leid versenkt und Thränen?
  Kalaf. Ja, schon vorlängst im Karazanenland
  Hört' ich dergleichen--und die Rede ging,
  Es sei der Prinz des Königs Keicobad
  Auf eine seltsam jammervolle Art
  Zu Peckin umgekommen--Eben dies
  Hab' jenes Kriegesfeuer angeflammt,
  Das mit dem Falle seines Reichs geendigt.
  Doch Manches glaubt und schwatzt ein dummer Pöbel,
  Worüber der Verständ'ge lacht--Darum
  Sag' an, wie sich's verhält mit dieser Sache?
  Barak. Des Großkhans einz'ge Tochter, Turandot,
  Durch ihren Geist berühmt und ihre Schönheit,
  Die keines Malers Pinsel noch erreicht,
  Wie viele Bildnisse von ihr auch in der Welt
  Herumgehn, hegt so übermüth'gen Sinn,
  So großen Abscheu vor der Ehe Banden,
  Daß sich die größten Könige umsonst
  Um ihre Hand bemüht--
  Kalaf. Das alte Märchen
  Vernahm ich schon am Hofe Keicobads
  Und lachte drob--Doch fahre weiter fort
  Barak. Es ist kein Märchen. Oft schon wollte sie
  Der Khan, als einz'ge Erbin seines Reichs,
  Mit Söhnen großer Könige vermählen.
  Stets widersetzte sich die stolze Tochter,
  Und, ach! zu blind ist seine Vaterliebe,
  Als daß er Zwang zu brauchen sich erkühnte.
  Viel schwere Kriege schon erregte sie
  Dem Vater, und obgleich noch immer Sieger
  In jedem Kampf, so ist er doch ein Greis
  Und unbeerbt wankt er dem Grabe zu.
  Drum sprach er einsmals ernst und wohlbedächtlich
  Zu ihr die strengen Worte: Störrig Kind!
  Entschließe dich einmal, dich zu vermählen,
  Wo nicht, so sinn' ein ander Mittel aus,
  Dem Reich die ew'gen Kriege zu ersparen;
  Denn ich bin alt; zu viele Kön'ge schon
  Hab' ich zu Feinden, die dein Stolz verschmähte.
  Drum nenne mir ein Mittel, wie ich mich
  Der wiederholten Werbungen erwehre,
  Und leb' hernach und stirb, wie dir's gefällt--
  Erschüttert ward von diesem ernsten Wort
  Die Stolze, rang umsonst, sich loszuwinden;
  Die Kunst der Thränen und der Bitten Macht
  Erschöpfte sie, den Vater zu bewegen;
  Doch unerbittlich blieb der Khan--Zuletzt
  Verlangt sie von dem unglücksel'gen Vater,
  Verlangt--Hört, was die Furie verlangte!
  Kalaf. Ich hab's gehört. Das abgeschmackte Märchen
  Hab' ich schon oft belacht--Hör', ob ich's weiß!
  Sie fordert' ein Edict von ihrem Vater,
  Daß jedem Prinzen königlichen Stamms
  Vergönnt sein soll, um ihre Hand zu werben.
  Doch dieses sollte die Bedingung sein:
  Im öffentlichen Divan, vor dem Kaiser
  Und seinen Räthen allen, wollte sie
  Drei Räthsel ihm vorlegen. Löste sie
  Der Freier auf, so mög' er ihre Hand
  Und mit derselben Kron' und Reich empfangen.
  Löst er sie nicht, so soll der Kaiser sich
  Durch einen heil'gen Schwur auf seine Götter
  Verpflichten, den Unglücklichen enthaupten
  Zu lassen.--Sprich, ist's nicht so? Nun vollende
  Dein Märchen, wenn du's kannst vor langer Weile.
  Barak. Mein Märchen? Wollte Gott! Der Kaiser zwar
  Empört' sich erst dagegen; doch die Schlange
  Verstand es, bald mit Schmeichelbitten, bald
  Mit list'ger Redekunst das furchtbare
  Gesetz dem schwachen Alten zu entlocken.
  Was ist's denn auch? sprach sie mit arger List;
  Kein Prinz der Erde wird so thöricht sein,
  In solchem blut'gen Spiel sein Haupt zu wagen!
  Der Freier Schwarm zieht sich geschreckt zurück,
  Ich werd' in Frieden leben. Wagt es dennoch
  Ein Rasender, so ist's auf seine eigne
  Gefahr, und meinen Vater trifft kein Tadel,
  Wenn er ein heiliges Gesetz vollzieht!--
  Beschworen ward das unnatürliche
  Gesetz und kund gemacht in allen Landen.
  (Da Kalaf den Kopf schüttelt.)
  --Ich wünschte, daß ich Märchen nur erzählte
  Und sagen dürfte. Alles war ein Traum!
  Kalaf. Weil du's erzählst, so glaub' ich das Gesetz.
  Doch sicher war kein Prinz wahnsinnig gnug,
  Sein Haupt daran zu setzen.
  Barak (zeigt nach dem Stadtthor). Sehet, Prinz!
  Die Köpfe alle, die dort auf den Thoren
  Zu sehen sind, gehörten Prinzen an,
  Die toll genug das Abenteuer wagten
  Und kläglich ihren Untergang drin fanden,
  Weil sie die Räthsel dieser Sphinx zu lösen
  Nicht fähig waren.
  Kalaf. Grausenvoller Anblick!
  Und lebt ein solcher Thor, der seinen Kopf
  Wagt, um ein Ungeheuer zu besitzen!
  Barak. Nein! Sagt das nicht. Wer nur ihr Konterfei
  Erblickt, das man sich zeigt in allen Ländern,
  Fühlt sich bewegt von solcher Zaubermacht,
  Daß er sich blind dem Tod entgegen stürzt,
  Das göttergleiche Urbild zu besitzen.
  Kalaf. Irgend ein Geck.
  Barak. Nein, wahrlich! Auch der Klügste.
  Heut ist der Zulauf hier, weil man den Prinzen
  Von Samarcanda, den verständigsten,
  Den je die Welt gesehn, enthaupten wird.
  Der Khan beseufzt die fürchterliche Pflicht;
  Doch ungerührt frohlockt die stolze Schöne.
  (Man hört in der Ferne den Schall von gedämpften Trommeln.)
  Hört! Hört Ihr! Dieser dumpfe Trommelklang
  Verkündet, daß der Todesstreich geschieht;
  Ihn nicht zu sehen, wich ich aus der Stadt.
  Kalaf. Barak, du sagst mir unerhörte Dinge.
  Was? Konnte die Natur ein weibliches
  Geschöpf wie diese Turandot erzeugen,
  So ganz an Liebe leer und Menschlichkeit?
  Barak. Mein Weib hat eine Tochter, die im Harem
  Als Sklavin dient und uns Unglaubliches
  Von ihrer schönen Königin berichtet.
  Ein Tiger ist sie, diese Turandot,
  Doch gegen Männer nur, die um sie werben.
  Sonst ist sie gütig gegen alle Welt;
  Stolz ist das einz'ge Laster, das sie schändet.
  Kalaf. Zur Hölle, in den tiefsten Schlund hinab
  Mit diesen Ungeheuern der Natur,
  Die kalt und herzlos nur sich selber lieben!
  Wär' ich ihr Vater, Flammen sollten sie
  Verzehren.
  Barak. Hier kommt Ismael, der Freund
  Des Prinzen, der sein Leben jetzt verloren.
  Er kommt voll Thränen--Ismael!
  
  Zweiter Auftritt.
  Ismael zu den Vorigen.
  
  Ismael (reicht dem Barak die Hand, heftig weinend). Er hat
  Gelebt--Der Streich des Todes ist gefallen.
  Ach! Warum fiel er nicht auf dieses Haupt!
  Barak. Barmherz'ger Himmel!--Doch warum ließt Ihr
  Geschehn, daß er im Divan der Gefahr
  Sich bloßgestellt?
  Ismael. Mein Unglück braucht noch Vorwurf.
  Gewarnt hab' ich, beschworen und gefleht,
  Wie es mein Herz, wie's meine Pflicht mich lehrte.
  Umsonst! Des Freundes Stimme wurde nicht
  Gehört; die Macht der Götter riß ihn fort.
  Barak. Beruhigt Euch!
  Ismael. Beruhigen? Niemals, niemals!
  Ich hab' ihn sterben sehen. Sein Gefährte
  War ich in seinem letzten Augenblick,
  Und seine Abschiedsworte gruben sich
  Wie spitz'ge Dolche mir ins tiefste Herz.
  "Weine nicht!" sprach er. "Gern und freudig sterb' ich,
  "Da ich die Liebste nicht besitzen kann.
  "Mag es mein theurer Vater mir vergeben,
  "Daß ich ohn' Abschied von ihm ging. Ach, nie
  "Hätt' er die Todesreise mir gestattet!
  "Zeig' ihm dies Bildniß!
  (Er zieht ein kleines Portrait an einem Band aus dem Busen.)
  "Wenn er diese Schönheit
  "Erblickt, wird er den Sohn entschuldigen."
  Und an die Lippen drückt' er jetzt, lautschluchzend,
  Mit heft'gen Küssen dies verhaßte Bild,
  Als könnt' er, sterbend selbst, nicht davon scheiden;
  Drauf kniet' er nieder, und--mit einem Streich--
  Noch zittert mir das Mark in den Gebeinen--
  Sah ich Blut spritzen, sah den Rumpf hinfallen
  Und hoch in Henkers Hand das theure Haupt;
  Entsetzt und trostlos riß ich mich von dannen.
  (Wirft das Bild in heftigem Unwillen auf den Boden.)
  Verhaßtes, ewig fluchenswerthes Bild!
  Liege du hier, zertreten in dem Staub!
  Könnt' ich sie selbst, die Tigerherzige,
  Mit diesem Fußtritt so wie dich zermalmen!
  Daß ich dich meinem König überbrächte!
  Nein, mich soll Samarcand nicht wieder sehn.
  In eine Wüste will ich fliehn und dort,
  Wo mich kein menschlich Ohr vernimmt, auf ewig
  Um meinen vielgeliebten Prinzen weinen. (Geht ab.)
  
  Dritter Auftritt.
  Kalaf und Barak.
  
  Barak (nach einer Pause).
  Prinz Kalaf, habt Ihr's nun gehört?
  Kalaf. Ich stehe
  Ganz voll Verwirrung, Schrecken und Erstaunen.
  Wie aber mag dies unbeseelte Bild,
  Das Werk des Malers, solchen Zauber wirken?
  (Er will das Bildniß von der Erde nehmen.)
  Barak (eilt auf ihn zu und hält ihn zurück).
  Was macht Ihr!--Große Götter!
  Kalaf (lächelnd). Nun! Ein Bildniß
  Nehm' ich vom Boden auf. Ich will sie doch
  Betrachten, diese mörderische Schönheit.
  (Greift nach dem Bildniß und hebt es von der Erde auf.)
  Barak (ihn haltend). Euch wäre besser, der Medusa Haupt
  Als diese tödtliche Gestalt zu sehn.
  Weg! Weg damit! Ich kann es nicht gestatten.
  Kalaf. Du bist nicht klug. Wenn du so schwach dich fühlst,
  Ich bin es nicht. Des Weibes Reiz hat nie
  Mein Aug gerührt, auch nur auf Augenblicke,
  Viel weniger mein Herz besiegt. Und was
  Lebend'ge Schönheit nie bei mir vermocht,
  Das sollten todte Pinselstriche wirken?
  Unnütze Sorgfalt, Barak--Mir liegt Andres
  Am Herzen, als der Liebe Narrenspiel. (Will das Bildniß anschauen.)
  Barak. Dennoch, mein Prinz--Ich warn' Euch--Thut es nicht!
  Kalaf (ungeduldig). Zum Henker, Einfalt! Du beleidigst mich.
  (Stößt ihn zurück, sieht das Bild an und geräth in Erstaunen.
  Nach einer Pause.)
  Was seh' ich!
  Barak (ringt verzweifelnd die Hände).
   Weh' mir! Welches Unglück!
  Kalaf (faßt ihn lebhaft bei der Hand). Barak!
  (Will reden, sieht aber wieder auf das Bild und betrachtet
  es mit Entzücken.)
  Barak (für sich). Seid Zeugen, Götter--Ich, ich bin nicht schuld,
  Ich hab' es nicht verhindern können.
  Kalaf. Barak!
  --In diesen holden Augen, dieser süßen
  Gestalt, in diesen sanften Zügen kann
  Das harte Herz, wovon du sprichst, nicht wohnen!
  Barak. Unglücklicher, was hör' ich? Schöner noch
  Unendlichmal, als dieses Bildniß zeigt,
  Ist Turandot, sie selbst! Nie hat die Kunst
  Des Pinsels ihren ganzen Reiz erreicht;
  Doch ihres Herzens Stolz und Grausamkeit
  Kann keine Sprache, keine Zunge nennen.
  O, werft es von Euch, dies unselige,
  Verwünschte Bildniß! Euer Auge sauge
  Kein tödtlich Gift aus dieser Mordgestalt!
  Kalaf. Hinweg! Vergebens suchst du mich zu schrecken!
  --Himmlische Anmuth! Warme, glühende Lippen!
  Augen der Liebesgöttin! Welcher Himmel,
  Die Fülle dieser Reize zu besitzen!
  (Er steht in den Anblick des Bildes verloren, plötzlich wendet er
  sich zu Barak und ergreift seine Hand.)
  Barak! Verrath mich nicht--Jetzt oder nie!
  Dies ist der Augenblick, mein Glück zu wagen.
  Wozu dies Leben sparen, das ich hasse?
  --Ich muß auf einen Zug die schönste Frau
  Der Erde und ein Kaiserthum mit ihr
  Gewinnen oder dies verhaßte Leben
  Auf einen Zug verlieren--Schönstes Werk!
  Pfand meines Glücks und meine süße Hoffnung!
  Ein neues Opfer ist für dich bereit
  Und drängt sich wagend zu der furchtbarn Probe.
  Sei gütig gegen mich--Doch, Barak, sprich!
  Ich werde doch im Divan, eh' ich sterbe,
  Das Urbild selbst von diesen Reizen sehn?
  (Indem sieht man die fürchterliche Larve eines Nachrichters
  sich über dem Stadtthor erheben und einen neuen Kopf über
  demselben aufpflanzen.--Der vorige Schall verstimmter Trommeln
  begleitet diese Handlung.)
  Barak. Ach, sehet, sehet, theurer Prinz, und schaudert!
  Dies ist das Haupt des unglücksel'gen Jünglings--
  Wie es Euch anstarrt! Und dieselben Hände,
  Die es dort aufgepflanzt, erwarten Euch.
  O, kehret um! Kehrt um! Nicht möglich ist's,
  Die Räthsel dieser Löwin aufzulösen.
  Ich seh' im Geist schon Euer theures Haupt,
  Ein Warnungszeichen allen Jünglingen,
  In dieser furchtbarn Reihe sich erheben.
  Kalaf (hat das aufgesteckte Haupt mit Nachdenken und Rührung
  betrachtet).
  Verlorner Jüngling! Welche dunkle Macht
  Reißt mich geheimnißvoll, unwiderstehlich
  Hinauf in deine tödtliche Gesellschaft?
  (Er bleibt nachsinnend stehen; dann wendet er sich zu Barak.)
  --Wozu die Thränen, Barak? Hast du mich
  Nicht einmal schon für todt beweint? Komm, komm!
  Entdecke keiner Seele, wer ich bin.
  Vielleicht--wer weiß, ob nicht der Himmel, satt,
  Mich zu verfolgen, mein Beginnen segnet
  Und meinen armen Eltern Trost verleiht.
  Wo nicht--Was hat ein Elender zu wagen?
  Für deine Liebe will ich dankbar sein,
  Wenn ich die Räthsel löse--Lebe wohl!
  (Er will gehen, Barak hält ihn zurück, unterdessen kommt Skirina,
  Baraks Weib, aus dem Hause.)
  Barak. Nein, nimmermehr! Komm mir zu Hilfe, Frau!
  Laß ihn nicht weg--Er geht, er ist verloren,
  Der theure Fremdling geht, er will es wagen,
  Die Räthsel dieser Furie zu lösen.
  
  Vierter Auftritt.
  Skirina zu den Vorigen.
  
  Skirina (tritt ihm in den Weg).
  O weh! Was hör' ich? Seid Ihr nicht mein Gast?
  Was treibt den zarten Jüngling in den Tod?
  Kalaf. Hier, gute Mutter! Dieses Götterbild
  Ruft mich zu meinem Schicksal. (Zeigt ihr das Bildnis.)
  Skirina. Wehe mir!
  Wie kam das höll'sche Bild in seine Hand?
  Barak. Durch bloßen Zufall.
  Kalaf (tritt zwischen Beide). Hassan! Gute Frau!
  Zum Dank für Eure Gastfreundschaft behaltet
  Mein Pferd! Auch diese Börse nehmet hin!
  Sie ist mein ganzer Reichthum--Ich--ich brauche
  Fortan nichts weiter--denn ich komm' entweder
  Reich wie ein Kaiser oder--nie zurück!
  --Wollt Ihr, so opfert einen Theil davon
  Den ew'gen Göttern, theilt den Armen aus,
  Damit sie Glück auf mich herab erflehen;
  Lebt wohl--Ich muß in mein Verhängniß gehen! (Er eilt in die Stadt.)
  
  Fünfter Auftritt.
  Barak und Skirina.
  
  Barak (will ihm folgen)
  Mein Herr! Mein armer Herr! Umsonst! Er geht!
  Er hört mich nicht!
  Skirina (neugierig). Dein Herr? Du kennst ihn also?
  O, sprich, wer ist der edelherz'ge Fremdling,
  Der sich dem Tode weiht?
  Barak. Laß diese Neugier!
  Er ist geboren mit so hohem Geist,
  Daß ich nicht ganz an dem Erfolg verzweifle.
  --Komm, Skirina. All dieses Gold laß uns
  Und Alles, was wir Eigenes besitzen,
  Dem Fohi opfern und den Armen spenden!
  Gebete sollen sie für ihn gen Himmel senden
  Und sollen wund sich knien an den Altären,
  Bis die erweichten Götter sie erhören!
  (Sie gehen nach ihrem Hause.)
  
  
  Zweiter Aufzug.
  Großer Saal des Divans, mit zwei Pforten, davon die eine zu den
  Zimmern des Kaisers, die andere ins Serail der Prinzessin Turandot
  führt.
  
  Erster Auftritt.
  Truffaldin, als Anführer der Verschnittenen, steht gravitätisch
  in der Mitte der Scene und befiehlt seinen Schwarzen, welche
  beschäftigt sind, den Saal in Ordnung zu bringen. Bald darauf
  Brigella.
  
  Truffaldin. Frisch an das Werk! Rührt euch! Gleich wird der Divan
  Beisammen sein.--Die Teppiche gelegt,
  Die Throne aufgerichtet! Hier zur Rechten
  Kommt kaiserliche Majestät, links meine
  Scharmante Hoheit, die Prinzeß, zu sitzen!
  Brigella (kommt und sieht sich verwundernd um).
  Mein! Sagt mir, Truffaldin, was gibt's denn Neues,
  Daß man den Divan schmückt in solcher Eile?
  Truffaldin (ohne auf ihn zu hören--zu den Schwarzen).
  Acht Sessel dorthin für die Herrn Doktoren!
  Sie haben hier zwar nicht viel zu dotieren;
  Doch müssen sie, weil's was Gelehrtes gibt,
  Mit ihren langen Bärten figurieren.
  Brigella. So redet doch! Warum, wozu das alles?
  Truffaldin. Warum? Wozu? Weil sich die Majestät
  Und meine schöne Königin, mit sammt
  Den acht Doktoren und den Excellenzen,
  Sogleich im Divan hier versammeln werden.
  's hat sich ein neuer, frischer Prinz gemeldet,
  Den's juckt, um einen Kopf sich zu verkürzen.
  Brigella. Was? Nicht drei Stunden sind's, daß man den letzten
  Hat abgethan--
  Truffaldin. Ja, Gott sei Dank! Es geht
  Von statten! die Geschäfte gehen gut.
  Brigella. Und dabei könnt Ihr scherzen, roher Kerl!
  Euch freut wohl das barbarische Gemetzel?
  Truffaldin. Warum soll mich's nicht freuen? Setzt's doch immer
  Für meinen Schnabel was, wenn so ein Neuer
  Die große Reise macht--denn jedesmal,
  Daß meine Hoheit an der Hochzeitklippe
  Vorbeischifft, gibt's im Harem Hochzeitkuchen.
  Das ist einmal der Brauch, wir thun's nicht anders:
  So viele Köpfe, so viel Feiertage!
  Brigella. Das sind mir heillos niederträchtige
  Gesinnungen, so schwarz, wie Eure Larve.
  Man sieht's Euch an, daß Ihr ein Halbmann seid,
  Ein schmutziger Eunuch!--Ein Mensch, ich meine
  Einer, der ganz ist, hat ein menschlich Herz
  Im Leib und fühlt Erbarmen.
  Truffaldin. Was! Erbarmen!
  Es heißt kein Mensch die Prinzen ihren Hals
  Nach Peckin tragen, Niemand ruft sie her.
  Sind sie freiwillig solche Tollhausnarren,
  Mögen sie's haben! Auf dem Stadtthor steht's
  Mit blut'gen Köpfen leserlich geschrieben,
  Was hier zu holen ist--Wir nehmen Keinem
  Den Kopf, der einen mitgebracht. Der hat
  Ihn schon verloren, längst, der ihn hier setzt!
  Brigella. Ein saubrer Einfall, den galanten Prinzen,
  Die ihr die Ehr' anthun und um sie werben,
  Drei Räthsel aufzugeben und, wenn's einer
  Nicht auf der Stelle trifft, ihn abzuschlachten!
  Truffaldin. Mit nichten, Freund! Das ist ein prächtiger,
  Exzellenter Einfall!--Werben kann ein Jeder;
  Es ist nichts leichter, als aufs Freien reisen.
  Man lebt auf fremde Kosten, thut sich gütlich,
  Legt sich dem künft'gen Schwäher in das Haus,
  Und mancher jüngre Sohn und Krippenreiter,
  Der alle seine Staaten mit sich führt
  Im Mantelsack, lebt bloß vom Körbeholen.
  Es war nicht anders hier, als wie ein großes
  Wirthshaus von Prinzen und von Abenteurern,
  Die um die reiche Kaisertochter freiten;
  Denn auch der Schlechtste dünkt sich gut genug,
  Die Hände nach der Schönsten auszustrecken.
  Es war wie eine Freikomödie,
  Wo Alles kommt, bis meine Königin
  Auf den scharmanten Einfall kam, das Haus
  In vier und zwanzig Stunden rein zu machen.
  --Eine andre hätte ihre Liebeswerber
  Auf blutig schwere Abenteuer aus-
  Gesendet, sich mit Riesen 'rum zu schlagen,
  Dem Schach zu Babel, wenn er Tafel hält,
  Drei Backenzähne höflich auszuziehen,
  Das tanzende Wasser und den singenden Baum
  Zu holen und den Vogel, welcher redet--
  Nichts von dem allem! Räthsel haben ihr
  Beliebt! Drei zierlich wohlgesetzte Fragen!
  Man kann dabei bequem und säuberlich
  In warmer Stube sitzen, und kein Schuh
  Wird naß! Der Degen kommt nicht aus der Scheide,
  Der Witz, der Scharfsinn aber muß heraus.
  --Brigella, die versteht's! Die hat's gefunden,
  Wie man die Narren sich vom Leibe hält!
  Brigella. 's kann Einer ein rechtschaffner Kavalier
  Und Ehmann sein und doch die spitz'gen Dinger,
  Die Räthsel, just nicht handzuhaben wissen.
  Truffaldin. Da siehst du, Kamerad, wie gut und ehrlich
  Es die Prinzeß mit ihrem Freier meint,
  Daß sie die Räthsel vor der Hochzeit aufgibt.
  Nachher war's noch viel schlimmer. Löst er sie
  Jetzt nicht, ei nun, so kommt er schnell und kurz
  Mit einem frischen Gnadenhieb davon.
  Doch, wer die stachelichten Räthsel nicht
  Auflöst, die seine Frau ihm in der Eh'
  Aufgibt, der ist verlesen und verloren!
  Brigella. Ihr seid ein Narr, mit Euch ist nicht zu reden.
  --So mögen's denn meintwegen Räthsel sein,
  Wenn sie einmal die Wuth hat, ihren Witz
  Zu zeigen--Aber muß sie denn die Prinzen
  Just köpfen lassen, die nicht sinnreich gnug
  Für ihre Räthsel sind--Das ist ja ganz
  Barbarisch, rasend toll und unvernünftig.
  Wo hat man je gehört, daß man den Leuten
  Den Hals abschneidet, weil sie schwer begreifen?
  Truffaldin. Und wie, du Schafskopf, will sie sich der Narren
  Erwehren, die sich klug zu sein bedünken,
  Wenn weiter nichts dabei zu wagen ist,
  Als einmal sich im Divan zu beschimpfen?
  Auf die Gefahr hin, sich zu prostituieren
  Mit heiler Haut, läuft Jeder auf dem Eis.
  Wer fürchtet sich vor Räthseln? Räthsel sind's
  Gerad, was man fürs Leben gern mag hören.
  Das hieß' den Köder statt des Popanz's brauchen.
  Und wäre man auch wegen der Prinzessin
  Und ihres vielen Gelds daheim geblieben,
  So würde man der Räthsel wegen kommen.
  Denn Jedem ist sein Scharfsinn und sein Witz
  Am Ende lieber, als die schönste Frau!
  Brigella. Was aber kommt bei diesem ganzen Spiel
  Heraus, als daß sie sitzen bleibt? Kein Mann,
  Der seine Ruh liebt und bei Sinnen ist,
  Wird so ein spitz'ges Nadelkissen nehmen.
  Truffaldin. Das große Unglück, keinen Mann zu kriegen!
  (Man hört einen Marsch in der Ferne.)
  Brigella. Der Kaiser kommt.
  
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