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Briefe Schillers und Goethes an A. W. Schlegel - 1

Härber sızık iñ yış oçrıy torgan 1000 süzlärneñ protsentnı kürsätä.
Süzlärneñ gomumi sanı 4008
Unikal süzlärneñ gomumi sanı 1308
40.5 süzlär 2000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
52.3 süzlär 5000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
59.1 süzlär 8000 iñ yış oçrıy torgan süzlärgä kerä.
  Briefe
   Schillers und Goethes
   an
   A. W. Schlegel,
   aus den Jahren 1795. bis 1801. und 1797. bis 1824.
   nebst
   einem Briefe Schlegels an Schiller.
  
   Leipzig,
   Weidmann'sche Buchhandlung.
   1846.
  
  
  Die folgenden Briefe sind so genau, als es unsre Druckschrift zuläßt,
  mit allen Schreib- und Interpunctions-Eigenthümlichkeiten und Fehlern
  der Originalien abgedruckt: unrichtige Schreibungen der Namen oder auch
  sonstiger Worte (wie z. B. S. 35. Z. 22. 23. »seinen« und »ihm« statt
  »seinem« und »ihn«) sind daher nicht für Druckfehler anzusehen, deren
  ich bis jetzt keine in diesen Blättern bemerkt habe.
  =Bonn= den 6. Febr. 1846.
   Professor Böcking.
  
  
   Briefe Schillers
   an
   A. W. Schlegel.
   Aus den Jahren 1795 bis 1801.
  
   _Jena_ den 12. _Jun._ 95.
  Sie haben durch den schönen Beitrag, den Sie in Ihrem _Dante_ zu den
  Horen gegeben, ein zu entschiedenes Verdienst um den glücklichen
  Fortgang dieses Journals, als dass ich Ihnen nicht den verbindlichsten
  Dank dafür sagen sollte. Ich thue dieß um so lieber, da es mich zugleich
  veranlaßt, Ihre schriftliche Bekanntschaft zu machen, und Ihnen die
  Versicherung meiner freundschaftlichen Achtung zu geben.
  Ich habe schon Ihren HEn Bruder in Dresden ersuchen lassen, Ihnen zu
  sagen, daß Sie uns durch Ihren ferneren Antheil an den Horen
  außerordentlich verbinden würden. Senden Sie uns was Sie nur irgend zum
  Druck bestimmt haben. Es wird dem Journal immer zur Zierde gereichen,
  und mit dem Verleger sollen Sie gewiss auch zufrieden seyn. Ich lege
  hier ein _Avertissement_ bey, welches Sie mit dem Plan und den Grenzen
  des Journals bekannt machen wird.
  Noch eine zweyte Bitte hätte ich an Sie, welche darinn besteht, einen
  MusenAlmanach welchen ich nächste _Michaelis_ Messe herausgebe, mit
  einigen Beyträgen zu beschenken. Sie werden in keiner schlechten
  Gesellschaft darin auftreten. Göthe, Herder, Engel, Matthisson u. s. f.
  werden Antheil daran nehmen. Ich müßte Sie aber bitten mir binnen dem
  heutigen _Datum_ und dem 1 _August_ Ihre Beyträge zu senden, die
  _directe_ an mich nach _Jena_ laufen können.
  Von Herdern, der Ihren Aufsatz über _Dante_ sehr schäzt und bewundert
  habe ich Ihnen viel schönes zu sagen.
  Kommen Sie bald wieder in Ihr Vaterland, und leben Sie den Musen ein
  Leben, das Sie im Dienst derselben so schön eröfnet haben.
   =Schiller.=
   * * * * *
   _Jena_ den 14. _Sept_ 95.
  Ich habe es lange anstehen lassen, Ihnen, mein vortreflicher Freund, für
  Ihren schönen Beytrag zu dem Almanach Dank zu sagen. Aber ich wollte
  Ihnen nicht eher schreiben, als biß ich über das Schicksal des Almanachs
  selbst mehr im reinen seyn würde, welches durch eine sonderbare
  Verknüpfung von Umständen eine Zeit lang ganz zweifelhaft gewesen ist.
  Sie haben vielleicht schon gehört, daß der Geschäftsträger von
  _Michaelis_ 1000 rthl. von demselben zu Auszahlungen bestimmt auf der
  Post unterschlagen, so wie alle Briefe =an= _Michaelis_ von hier aus,
  und =von= demselben zurückgehalten hat. Da sich die Ursache dieses
  unbegreiflichen Stillschweigens unmöglich vermuthen liess, so veranlaßte
  solches ein großes Mistrauen gegen _Michaelis_, welches sich auch mir
  mittheilte, und mich nöthigte, die Uebergabe des _Mscrpts_ an denselben
  biß zu weiterer Aufklärung der Sache zu verschieben. Diese ist nun
  erfolgt, und der Almanach wie ich höre schon unter der Presse.
  Ihr Beytrag, der Ihr Gepräge ganz unverkennbar trägt, war mir sehr
  willkommen, so wie es alles seyn wird was Sie mir senden. Erfreuen Sie
  mich bald mit einem neuen Beytrage zu den Horen. Es wäre mir besonders
  lieb, den letzten 3 Stücken soviel Mannichfaltigkeit als nur immer
  möglich ist, zu geben. Könnten Sie nicht Musse und Bücher finden, um uns
  zuweilen einen kleinen Aufsatz von historischem Innhalt zu verschaffen.
  Daran sind wir vorzüglich arm, sobald etwas vorzügliches erwartet wird.
  Was die Herausgabe Ihres ganzen _Dante_ anbetrifft, so sollen Sie darinn
  durch die Gesetze unsers Journals auf keine Weise geniert seyn. Diese
  gelten in ihrer ganzen Strenge nur von solchen Aufsätzen, die für sich
  ein Ganzes ausmachen, und wo freylich ein neuer Abdruck ein Nachdruck
  seyn würde. Ist aber die Schrift nur theilweise in den Horen eingerückt
  und die größere Parthie zurückgeblieben, so sind anderthalb Jahre ein
  hinlänglicher Zwischenraum.
  Das VII. Horenstück habe ich nach Dresden für Sie gesendet. Das VIII
  folgt hier.
  Im IXten das in 14 Tagen erscheint, werden Sie viel Poesie antreffen.
  Der Almanach hat mich aus meinen _metaphy_sischen _Di_stractionen mit
  neuem Vergnügen zu derselben zurück geführt.
  Leben Sie recht wohl, und erscheinen Sie mir bald in einem schönen
  Gedicht oder in einer lieblichen Erzählung. Ganz der
   Ihrige
   =Schiller.=
   * * * * *
   _Jena_ den 5. _8br._ 95.
  Meinen Brief vom 14. _Sptbr_ haben Sie wie ich hoffe erhalten. Ich
  vergaß in demselben bey Ihnen anzufragen, ob der Roman, zu welchem die
  Zwey im Almanach abgedruckten Gedichte gehören, nicht ein Beytrag für
  die Horen werden könnte? Wir könnten ihn in den Monathstücken des
  nächsten Jahrs vertheilen, und biß auf wenige Bogen, welche die
  Entwicklung betreffen, würde er ganz in diesem Journal stehen können.
  Ein Jahr nach dem Abdruck des letzten Fragments aus demselben würde er
  ohne Anstand besonders erscheinen können. Haben Sie die Güte mir diese
  Anfrage zu beantworten.
  Ihrem versprochenen Beytrage zu dem nächsten Stücke d. H. sehe ich mit
  Verlangen entgegen.
  Beyliegendes Neuntes Stück enthält einige Gedichte von mir, die Sie aus
  den übrigen wohl herausfinden werden. Sie haben in Bürgers _Academie_ d.
  Redekünste ein so geistreiches Urtheil über meine Künstler gefällt, dass
  ich einem solchen Leser und Kunstrichter Genüge zu thun lebhaft
  interessiert bin.
  =Auf Apollos Geburt= ist von Göthen übersetzt. =Homer= &c. hat Herdern
  zum Verfasser, von dem im nächsten Stück auch eine Abhandlung über
  _Ossian_ folgt.
  Wie gefielen Ihnen die Göthischen _Elegien_ im VI. Stück?
  Ich bin begierig zu erfahren, wo diesen Winter Ihr Auffenthalt seyn
  wird?
  Leben Sie recht wohl und widmen mir ein freundschaftliches Andenken
   _=F Schiller.=_
   * * * * *
   _Jena_ den 29. _8br._ 95.
  Ihre Briefe über Poesie haben mir, mein vortreflicher Freund, sehr viel
  Vergnügen gemacht, und ich bin ungeduldig, die Fortsetzung zu lesen. Sie
  scheinen mir auf einem sehr glücklichen Weg zu seyn, und schon die
  sorgfältige Verbindung des _subjectiven_ und _objectiven_ Theils der
  Sprache, wird so wie Sie sie anstellen, zu sehr fruchtbaren Resultaten
  in dieser Materie führen. Man könnte allenfalls wünschen, daß Sie etwas
  schneller zum Ziel gegangen wären; aber ich zweifle nicht, daß Sie den
  kleinen Auffenthalt bey dem Allgemeinen über die Sprache und ihren
  Ursprung in der Folge rechtfertigen werden. Ueber das Ganze will ich
  erst urtheilen, wenn ich mehr von Ihren Gedanken übersehe. Die
  Abhandlung ist sehr grazios und lebhaft geschrieben, und muss jedem, den
  die mühseligen Zugänge zu dieser Materie sonst abgeschreckt haben,
  willkommen seyn.
  Ihren Auftrag an Hofr. Schütz habe ich besorgt und Sie können
  voraussetzen, daß er mit Vergnügen angenommen worden ist. Sollten Ihnen
  aber die Arbeiten für die _L. Z._ etwas von beßeren Stunden rauben, so
  sollte es mir ordentlich leid thun, daß diese Zeitung eine _Acquisition_
  an Ihnen gemacht hat; denn je mehr Zeit Sie uns widmen wollen, desto
  lieber wird es mir seyn. Auch Recensionen, sobald Sie nur ein für sich
  bestehendes Interesse haben, vertragen sich mit unserm Zweck.
  Hätten Sie vielleicht Lust, den _poeti_schen Theil der Horen in der
  _L. Z._ zu _recen_sieren? Es war vor kurzem davon die Rede, und es wird
  keinen Anstand haben, wenn Sie es wünschen. In diesem Falle bedarf es
  nur einiger Worte an mich oder noch beßer, an Hofr. Schütz; Schon die
  Göthischen _Elegien_ wären dieses Geschäftes werth. Ihre Uebersetzung
  des Dante müßte dann einem anderen zur Beurtheilung gegeben werden.
  Ihre Zufriedenheit mit den =Schatten= und mit =Natur und Schule= ist mir
  sehr erfreulich. Diese Gedichte zeichnen nebst noch einigen andern
  meinen Uebergang von der _Speculation_ zur Poesie. Ich hoffe aber, wenn
  ich nur Zeit und Stimmung finde, nicht immer so ängstlich mehr am Ufer
  der Philosophie hinsteuren zu müssen, sondern etwas weiter ins freye
  Meer der Erfindung zu segeln.
  Der MusenAlmanach ist im Drucke schon ziemlich vorgerückt, und wird
  gegen Ende _Novem_bers sicherlich erscheinen.
  Das Stück der Berl. Monathschrift, welches den Aufsatz Ihres HE. Bruders
  enthält erwarte ich jeden Tag. Ich habe ihm schon längst eine _Crise_ in
  der Schreibart gewünscht, und ich hoffe, die Zeichen derselben in diesem
  Aufsatz zu finden. Der Gehalt kämpfte noch in seinen Arbeiten zu sehr
  mit der Form und es fehlte an Leichtigkeit und Licht. Aber es ist sehr
  viel Realität in ihm, und siegt er in diesem Kampf, so ist in ihm ein
  vortreflicher Schriftsteller zu erwarten.
  Sie urtheilen von dem Voßischen Almanach günstiger, als ich biß jetzt
  vermag. Ich weiss schlechterdings nicht, wie ich die Härte und
  Undeutschheit seiner Sprache (ich begehe selbst eine, indem ich davon
  spreche) bey so vieler Trivialität, oft Plattitüde des Gedankens
  entschuldigen soll. Wenn es ja so schwer ist, ein edles Gefühl, einen
  gehaltreichen Gedanken leicht und schön auszudrücken, so sollte
  wenigstens das Gemeine angenehm klingen, und das rauhklingende den Geist
  durch Gehalt entschädigen. Doch das sey unter uns gesagt!
  Leben Sie recht wohl. Hier das neue Stück der Horen . Das Eilfte oder
  Zwölfte wird Ihre Briefe enthalten.
   =Schiller.=
  
   _Jena_ den 10. _Dec._ 95.
  Sie erhalten hier, mein vortreflicher Freund, das Eilfte Stück, worinn
  der Anfang Ihrer Briefe abgedruckt ist. Die Fortsetzung bringe ich im
  ersten Stück des neuen Jahrganges nach, da ich einen sehr bogenreichen
  historischen Aufsatz im XII. Stück nicht habe abbrechen dürfen. Diese
  Fortsetzung hat mich sehr interessiert und auf das Ganze noch begieriger
  gemacht. Das nüchterne Anschließen an die Natur und daß Sie überal
  lieber eine _physische_ Nothwendigkeit als einen Akt der Freyheit und
  des Verstandes zur Quelle des Rhythmus machen wollen, erweckt Ihren
  Behauptungen ein großes Vertrauen, und wird durch eine sehr allgemeine
  und durchgreifende _Analogie_ unterstützt. Nichts desto weniger gestehe
  ich, daß ich Ihre Erklärungsart doch ein wenig zu _physiolog_isch finde,
  denn so gewiss ich glaube, daß man alles was der Mensch in jener
  Geistes_Epoche_ thut, und was er besonders in so verschiedenen Lagen auf
  gleiche Weise thut, zugleich aus _physischen_ Gründen deducieren muss,
  so glaube ich doch daß immer zugleich auf die Wirkung seiner
  Selbstthätigkeit muss Rücksicht genommen werden. Mir däucht, sobald
  seine Persönlichkeit sich zu deklarieren angefangen und die Reflexion
  eingetreten ist, so entstehen gleich nothwendige Foderungen aus seiner
  selbstständigen und moralischen Natur, und eine von diesen scheint mir
  auch das Zeitmaaß in seinen Bewegungen zu seyn; es ist das Beharrliche
  im Wechsel, und eben das ist der Charakter seiner Selbstheit, die sich
  in dieser Erscheinung ausdrückt. Meine Idee wäre also diese, daß man in
  Erklärung so früher und so allgemein und gleichförmigeintretender
  _Phænomene_, auf den =ganzen= Menschen, also den moralischen wie den
  physischen, Rücksicht nehmen sollte, und hierinn die _Analogie_ auf
  seiner Seite hat, welche lehrt, daß überal wo die Natur rein wirket,
  die =Bedürfniße= der Sinnlichkeit den =Foderungen= der Vernünftigkeit
  begegnen. Dafür aber bin ich sehr, daß der Verstand als das Vermögen
  deutlicher Begriffe an diesem Geschäft schlechterdings keinen Antheil
  hat. Es ist eine doppelte Nothwendigkeit der _physischen_ und
  moralischen Natur, aber kein Werk der Freyheit, keine absichtliche
  Handlung. Der Verstand wird hier, wie auch bey der Schönheit,
  übersprungen, indem die Vernunft sich, wie instinktmäßig, äußert, und,
  wie bey der dichterischen Einbildungskraft, mit der Sinnlichkeit
  unmittelbar verbunden wirket.
  Von _Schütz_ werden Sie in dieser Zeit wohl Antwort erhalten haben. Er
  hat sich, und zwar sehr gegen meinen Wunsch entschloßen, die Horen
  selbst zu recensieren; ein Geschäft, dem er bey der jetzigen
  Beschaffenheit seines Körpers und Geistes schwerlich gewachsen ist. Da
  ich aber dabey interressiert bin, so konnte und wollte ich seinen
  Entschluß nicht _geni_eren.
  Ihre Idee, _Elegien_ von _Properz_ für die Horen zu übersetzen, ist
  schon vor langer Zeit realisiert. Ein Herr von _Knebel_ in Weimar hat
  den Versuch schon seit mehreren Jahren gemacht, und obgleich er nur
  _Dilettant_ ist, mit nicht gemeinem Glücke ausgeführt. Göthe und Herder,
  in deren Umgang er beständig lebt, haben seine Muße gepflegt und
  gewartet, und da er selbst einen ziemlich feinen Sinn hat, sich in eine
  fremde Manier hineinzustudieren, so hat er sich des Römers ganz gut
  bemächtigt. Zwanzig und einige _Elegien_ sind bereits übersetzt, von
  Göthen überarbeitet, von uns allen bekritelt und der Anfang davon
  erscheint in dem Ersten Horenstücke 1796.
  Was Sie über _Condorcets_ Schrift niederschreiben wollen, soll mir sehr
  willkommen seyn. Er scheint mir ein solcher _Autor_, bey dem man bloß
  durch das was er hätte denken und sagen sollen und nicht gesagt hat,
  sehr viel Ehre einlegen kann. Diese Herren nehmen es etwas leicht, und
  es ist nicht schwer kühn einherzujagen, wenn man keine große Fracht
  geladen hat. Uebrigens macht diese Schrift jetzt viel Aufsehen, bey
  einzelnen ein gewaltiges Glück, und ein Aufsatz der sich darauf bezieht
  wird begierig gelesen werden.
  Warum können Sie nicht hier in _Jena_ bey uns leben? Dieß sollte mir
  große Freude seyn. Das Gespräch würde so manches rege machen, was eine
  schriftliche _Communication_ nicht berüht.
  Erfreuen Sie mich sobald Sie können wieder mit einem Produkte Ihres
  Geistes. Ganz der Ihrige
   _=Schiller=_
   * * * * *
   _Jena_ 9. _Jenn._ 96
  Gestern endlich, mein vortreflicher Freund bekam ich Ihre _Recension_ zu
  Gesichte, und ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß Sie mich,
  insofern entweder ich selbst oder mein _J_our_nal_ dabey =interessiert=
  sind, mehr als befriedigt hat. Aber auch ohne alle diese
  Privatrücksichten erfreute mich die schöne Verbindung _poeti_scher Wärme
  mit kritischer Kälte, welche darinn herrscht, und ohne welche ich keinen
  Kunstrichter anerkennen kann. Es ist zu umständlich und ich bin heute
  auch zu sehr überhäuft, um in ein ordentliches _Detail_ davon
  einzugehen; selbst die zwey Fragen, welche Sie in Beziehung auf mich
  anregten
   1. Ob eine _poeti_sche Unternehmung wie das Reich der Schatten
   überhaupt zu vertheidigen sey?
   und
   2. Ob der dichterische Geist den ganzen Weg strenger Wißenschaft
   gehen müsse und dürfe?
  muss ich für heute dahingestellt seyn lassen. Vielleicht antwortet Ihnen
  die hier folgende Abhandlung über _sentimentali_sche Dichter auf die
  zweyte dieser Fragen. Was meine eigne Erfahrung anbetrifft, so fehlt
  zwar sehr viel daran, daß ich den Weg der Wißenschaft völlig
  zurückgelegt hätte; aber was ich davon zurücklegte, hat mich auf dem
  _poeti_schen Wege eher gefördert als von demselben entfernt: wenigstens
  muss ich dasjenige, was ich nach dieser _Epoche_ der _Speculation_ und
  während derselben gedichtet habe, auch in _poeti_scher Rücksicht für
  beßer halten, als was ich vor derselben ausgeführt habe. Alle
  _poeti_schen Stücke aber, die Sie in dem Almanach und in den Horen von
  mir lesen, sind spätere Produkte und alle erst vom _Junius_ des vorigen
  Jahrs biß zum _September_ entstanden.
  Ihre Erinnerungen, die _Metrik_ in meinem und Göthens Gedichten
  betreffend finde ich, in den mehresten Punkten, sehr richtig; nur in
  wenigen Kleinigkeiten sind wir verschiedener Meinung. So ist der halbe
  _Pentameter_:
   Die zwischen mir und dir
  freilich kein guter Vers, aber =Die= als _relativum_ muß offenbar lang
  seyn. Das Zeitwort in dem halben _Pentameter_:
   Dir gilt es nicht
  wird dadurch entschieden kurz, daß auf =Dir= ein doppelter _Accent_
  liegt. Es wäre ganz unmöglich, jenes =gilt=, bey gehöriger _Declamation_
  nicht merklich zu verkürzen. Ich bin darinn völlig von Moritz Meinung,
  daß in unserer Sprache der Verstandes Gehalt die Länge und Kürze
  bestimmt.
  Sonst bin ich übrigens weit davon entfernt, mich meines _Hexameters_
  gegen Ihre Critik sehr anzunehmen; denn ich selbst habe es von jeher
  mit der _Rigorist_ischen Parthey gehalten, und wenn ich dagegen
  _excipiere_, so ist es nicht, weil ich dem Dichter das Spiel leichter
  sondern weil ich es dem _Critiker_ schwerer machen will; denn offenbar
  ist noch zuviel willkührliches in unsern _prosodi_schen Gesetzen. Leider
  habe ich noch keine Musse gehabt, durch eigene _Praxis_ zu zeigen, wie
  ich den deutschen _Hexameter_ behandelt wünsche, denn alles was Sie in
  dieser Versart von mir gelesen ist bloß der erste Wurf, an dem ich, der
  Kürze der Zeit wegen, die Feile gar nicht versuchen konnte. Seitdem
  z. B. die _Elegie_ gedruckt ist, habe ich schon über 40 _corrigenda_
  darinn entdeckt, den bloßen Versbau betreffend. Zu meiner Entschuldigung
  muss ich jedoch anführen, daß dieses die ersten _Hexameter_ sind, die
  ich in meinem Leben gemacht, einige jugendliche Versuche in meinem
  sechzehnten Jahre abgerechnet.
  Göthe, der eben hier ist, war mir Ihrer Recension so wie überhaupt mit
  Ihrer Art zu urtheilen, sehr zufrieden, nur daß auch Er sowohl gegen
  Ihre, als gegen die Voßische Prosodie noch manches einzuwenden hat. Er
  glaubt, und muß =seiner= Natur nach diese Meinung haben, daß in
  Rücksicht auf den Versbau den Foderungen des Moments und der Convenienz
  des individuellen Falles weit mehr als einem allgemeinen Gesetz müsse
  nachgegeben werden.
  Die Hofnung, welche Sie mir machen, Sie diesen Sommer nicht nur zu
  sehen, sondern hier zu behalten war mir der willkommenste Theil Ihres
  Briefes. Ich freue mich höchlich darauf, und da ich für eine ziemlich
  lange Zeit der _Speculation_ entsagt habe um wieder ganz in der _Poesie_
  zu leben, so werden auch unsre Beschäftigungen einander näher berühren.
  Mit gewöhnlichen _Docenten_ macht die philosophische _Facultät_ seit
  einiger Zeit Schwierigkeiten, aber bey Ihnen ist von _Remonstrationen_
  nichts zu besorgen. Ich hoffe auch, es wird sich machen lassen, Sie auf
  eine noch _honorablere_ Art hier zu fixieren, besonders da man auf
  _Schütz_ens Gesundheit gar nicht mehr zählen kann. Wenn Sie nur erst
  hier sind, so wird sich alles geben.
  Darf ich mir bald wieder einen Beytrag von Ihnen versprechen? Wenn Sie
  ihn noch in das 2te Stück zu bringen wünschten, so müßte ich ihn in
  spätestens 14 Tagen erhalten. In dem Ersten Stück war kein Platz mehr
  übrig, darum schrieb ich Ihnen auf Ihre Anfrage nichts zurück. Leben Sie
  recht wohl. Ihr aufrichtiger
   Freund
   _=Schiller=_
  Von _Michaelis_ habe ich _dato_ noch keinen Almanach erhalten.
   * * * * *
   _Jena_ 31. _Jenn._ 96.
  Es ist von mir vergessen worden, Ihnen zu schreiben lieber Freund, daß
  die Zahlungen unsers _Horen_-Verlegers von einer _Jubilate_ Messe zur
  andern festgesetzt sind. Ich sende Ihnen also hier einstweilen 20
  _Ldors_ auf Abschlag, welche mir gerade da liegen. Auf Ostern wird sich
  _Cotta_ genauer mit Ihnen berechnen. Es versteht sich, daß Ihnen auch
  jetzt das Ganze, so bald Sie es wünschen, zu Diensten steht.
  Heute nichts mehr. Die Post geht sogleich. In 6 Tagen erhalten Sie das 1
  Stück der Horen nebst Ihrem Aufsatz
   Ihr
   =Sch.=
  
   _Jena_ den 29 _Febr_ 96
  Ich habe Ihnen, mein theurer Freund, vom 1 _Februar_ einen Brief, mit 20
  _Ldors_, gesendet, von dessen Empfang Sie mir noch keine Nachricht
  gegeben. Haben Sie die Güte, dieses mit umgehender Post zu thun, auch
  mir zu melden, ob ich Ihnen noch mehr senden soll, oder ob Sie, welches
  mir freilich das liebste wäre, es in derselben Zeit persönlich bey mir
  in Empfang nehmen wollen. Biß zu diesem Zeitpunkt, der hoffentlich sehr
  nahe ist, verspare ich alles übrige. Lassen Sie mich in Ihrem nächsten
  Briefe hören, daß Sie Selbst ihm auf dem Fuße folgen werden. Sie werden
  in diesem Sommer auch _Voss_ hier finden, der mir verspricht, mit Anfang
  Sommer hieher zu kommen. Auch Körner aus Dresden, ein guter Freund Ihres
  HE Bruders wird Ende Aprils hier seyn und einige Wochen bleiben.
  Ihrem HE. Bruder sagen Sie von mir recht viel freundschaftliches, und
  dass ich mit nächstem selbst an ihn schreiben würde. Viele Geschäfte und
  noch mehr meine Krämpfe und Schlaflosigkeiten haben mich, so wie von so
  vielem andern, auch von diesem Geschäft abgehalten.
  Erhalte ich bald etwas neues von Ihnen für die Horen? Ich warte begierig
  darauf. Ganz der Ihrige
   _=Schiller=_
   * * * * *
  Sehr angenehm haben Sie mich mit Ihrem Aufsatz über _Shakespear_ und
  Ihrer schönen Uebersetzung dieses Dichters überrascht. Mehr will ich
  Ihnen heute nicht davon sagen, weil der Versendungstag der _Horen_ und
  eine starke Brief _Expedition_ mir den Kopf zu sehr zerstreuen. Ich
  habe meine Rechte an der Uebersetzung ein wenig überschritten, und die
  mittlere Scene (ja auch die beyden andern, wenn Platz dafür ist) zum
  Druck in die _Horen_ abgesandt. Da ich aus Ihrem Briefe schloß, dass
  bloß der frühere Gebrauch, den Sie von dieser Uebersetzung für den Druck
  zu machen willens wären, gegen den Abdruck in den _Horen_ sey, so trug
  ich um so weniger Bedenken, das dritte Stück der _Horen_ mit diesem
  interessanten Beytrag zu bereichern. Sie können, da es nur ein sehr
  kleiner Theil des Ganzen ist, das ganze Schauspiel abdrucken lassen,
  sobald Sie wollen. Eine vorausgeschickte Probe der neuen beßeren
  Uebersetzung _Shakesp._ in den _Horen_ wird selbst für Ihren Aufsatz gut
  seyn, denn immer ist es gut, wenn die That dem _Raisonnement_
  vorhergeht, und der Leser, dem jene Proben noch in frischem Gedächtniß
  sind, ergreift die Abhandlung mit um so größerer Begierde.
  Ueber die ganze Unternehmung, den _Shakespear_ zu übersetzen werden wir
  wohl mündlich am beßten sprechen können. Der Gedanke ist sehr glücklich,
  und der Himmel lohne es Ihnen, dass Sie uns von dem traurigen
  _Eschenburg_ befreyen wollen. Mit diesem sind Sie glimpflicher
  umgegangen als ers verdient, bey seiner lächerlichen Anmassung als
  _Critiker_ und _Aesthetiker_ verdient. Man sollte diese Erz_phili_ster,
  die doch Menschen zu seyn sich einbilden, nicht so gut traktieren. Käme
  es auf sie und ihre Hohlköpfe an, sie würden alles _geniali_sche in
  Grundsboden zertreten und zerstören.
  Auch _Bürgers_ _Makbeth_ und die übersetzten Hexengesänge haben Sie mir
  zu _raisonnabel_ behandelt. Ich halte die letztern für eine recht
  _Bürgeri_sche Pfuscherey, so arg als irgend eine von ihm, und das ist
  nicht bloß meine _Privat_-Meinung. _Göthe_ z. B. mit dem ich erst kurz
  noch davon sprach, findet sie greulich, und er hat, da er den _Macbeth_
  gern einmal in _Weimar_ spielen lassen wollte, schon darauf gedacht, wie
  er sie anders übersetzt bekommen könnte. Ich will, wenn Sie es nicht
  _contremandieren_, wozu es binnen 14 Tagen noch Zeit ist, jene Stelle in
  Ihrer Abhandlung, welche die _Bürgeri_schen _Hexen_gesänge betrifft,
  herauslassen. Es ist mir bloß deßwegen, weil man nicht weiss, ob man
  einander nicht über kurz oder lang in Rücksicht auf diesen Punkt in
  demselben _Journal_ widersprechen könnte, welches das _Publicum_ irre
  machen würde.
  Herzlich freue ich mich Sie binnen 8 Wochen hier zu sehen, wo wir dann
  recht viel in die Länge und Breite miteinander durchsprechen wollen.
  Leben Sie recht wohl.
  Ganz der Ihrige
   _=Schiller.=_
   * * * * *
  Ich sehe nicht warum ich Sie mit dem _Honorar_ warten lassen soll, biß
  _Cotta_ es schickt oder anweißt: daher sende ichs Ihnen lieber gleich
  und bitte mir bloß die 8 _Ldors_ für _Horen_beyträge, der _Cottai_schen
  Rechnung wegen, zu _quitti_eren. Die Kleinigkeit darüber ist für den
  Almanach, wovon ich aber gegen niemand weiter zu sprechen bitte, weil
  die lyrische Muse in Almanachen der Regel nach nicht bezahlt wird, und
  außer Ihnen auch nur G. und H. ihre Gedichte im Almanach bezahlt
  bekommen. Dieß gilt für die künftigen Jahre auch -- Machen Sie daß ich
  Ihnen, für den Almanach sowohl als für die Horen, künftig größere Summen
  zu bezahlen habe.
  1. _Dec._ 96
   =Sch.=
  
  Da Sie, wie mir HE. Gries sagte, früher von hier reisen, als _Cotta_
  hieherkommt und die Horenrechnung für 1797. abschließt, so sende ich
  Ihnen den Betrag dessen, was wir Ihnen für Ihre Gedichte zum Almanach
  und den Aufsatz in den _Horen_ zu bezahlen haben. Ich bitte um ein paar
  Zeilen zur Quittung.
  Meine Einladung zum künftigen Almanach wiederhohle ich Ihnen nicht, denn
  die alte gilt für Immer.
  Jena 7. May.
   1797.
   =Sch.=
   * * * * *
  Sie erhalten hier, was ich Ihnen nach Abzug des kleinen Rests von der
  Böhmischen _Assignation_ noch zu bezahlen habe, und so wäre unsre
  Rechnung geschloßen.
  Es hat mir Vergnügen gemacht, Ihnen durch Einrückung Ihrer
  Uebersetzungen aus _Dante_ und _Shakespear_ in die _Horen_ zu einer
  Einnahme Gelegenheit zu geben, wie man sie nicht immer haben kann, da
  ich aber vernehmen muß, dass mich HE. _Frid. Schlegel_ zu der nehmlichen
  Zeit, wo ich Ihnen diesen Vortheil verschaffe, öffentlich deßwegen
  schilt, und der Uebersetzungen zuviele in den _Horen_ findet, so werden
  Sie mich für die Zukunft entschuldigen.
  Und um Sie, einmal für allemal, von einem Verhältniß frey zu machen, das
  für eine offene Denkungsart und eine zarte Gesinnung nothwendig lästig
  seyn muß, so lassen Sie mich überhaupt eine Verbindung abbrechen, die
  unter so bewandten Umständen gar zu sonderbar ist, und mein Vertrauen zu
  oft schon _compromitt_ierte.
  _Jena_ 31. _May._ 97
   _=Sch.=_
  
   [A. W. Schlegel]
   =An _Schiller_.=
  Im höchsten Grade betroffen über Ihre unerwartete Erklärung, die einem
  Verhältnisse ein Ende machen soll, welches ich zu den glücklichsten
  Umständen meines hiesigen Lebens rechnete, eile ich nur wenigstens
  einige Zeilen zu meiner Rechtfertigung hinzuwerfen, in der Hoffnung daß
  Sie mir Gelegenheit geben werden, Ihnen jeden Zweifel über die Geradheit
  meines Betragens, der Ihnen beygebracht seyn könnte, zu benehmen.
  Da ich durchaus keine Art von Autorität über meinen Bruder besitze,
  keine Macht ihn von etwas abzuhalten, was ich auch noch so sehr
  misbilligen möchte, so würde ich in der That sehr unglücklich seyn, wenn
  ich für alle seine Schritte (die ich überdieß erst hinterdrein erfahre
  wenn Sie schon öffentlich geworden sind) verantwortlich gemacht werden
  
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