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Venetianische Epigramme - 1

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  Johann Wolfgang Goethe
  Venetianische Epigramme
  1795
  
   I-CIII
  Von Goethe veröffentliche Epigramme (Text der zweiten Cotta-Ausgabe
  der "Werke" von 1815)
   CIV-CLIV
  Nachgelassene Epigramme (nach der Sophien-Ausgabe von 1914)
   CLV-CLXXXI
  Entwürfe und Notizen (nach der Sophien-Ausgabe von 1914)
  <>: die spitzen Klammern enthalten unsichere Lesarten und Konjekturen
  
   I.
  Sarkophagen und Urnen verzierte der Heide mit Leben.
  Faunen tanzen umher, mit der Bacchantinnen Chor
  Machen sie bunte Reihe; der ziegengefüßete Pausback
  Zwingt den heiseren Ton wild aus dem schmetternden Horn.
  Cymbeln, Trommeln erklingen; wir sehen und hören den Marmor.
  Flatternde Vögel! wie schmeckt herrlich dem Schnabel die Frucht!
  Euch verscheuchet kein Lärm, noch weniger scheucht er den Amor,
  Der in dem bunten Gewühl erst sich der Fackel erfreut.
  So überwältiget Fülle den Tod; und die Asche da drinnen
  Scheint, im stillen Bezirk, noch sich des Lebens zu freun.
  So umgebe denn spät den Sarkophagen des Dichters
  Diese Rolle, von ihm reichlich mit Leben geschmückt.
  
   II.
  Kaum an dem blaueren Himmel erblickt' ich die glänzende Sonne,
  Reich, vom Felsen herab, Epheu zu Kränzen geschmückt,
  Sah den emsigen Winzer die Rebe der Pappel verbinden,
  Ueber die Wiege Virgils kam mir ein laulicher Wind:
  Da gesellten die Musen sich gleich zum Freunde; wir pflogen
  Abgeriss'nes Gespräch, wie es den Wanderer freut.
  
   III.
  Immer halt' ich die Liebste begierig im Arme geschlossen,
  Immer drängt sich mein Herz fest an den Busen ihr an,
  Immer lehnt mein Haupt an ihren Knieen, ich blicke
  Nach dem lieblichen Mund, ihr nach den Augen hinauf.
  Weichling! schölte mich Einer, und so verbringst du die Tage?
  Ach, ich verbringe sie schlimm! Höre nur, wie mir geschieht:
  Leider wend' ich den Rücken der einzigen Freude des Lebens;
  Schon den zwanzigsten Tag schleppt mich der Wagen dahin.
  Vetturine trotzen mir nun, es schmeichelt der Kämm'rer,
  Und der Bediente vom Platz sinnet auf Lügen und Trug.
  Will ich ihnen entgehn, so faßt mich der Meister der Posten,
  Postillone sind Herrn, dann die Dogane dazu!
  "Ich verstehe dich nicht! du widersprichst dir! du schienest
  Paradiesisch zu ruhn, ganz, wie Rinaldo, beglückt."
  Ach! ich verstehe mich wohl: es ist mein Körper auf Reisen,
  Und es ruhet mein Geist stets der Geliebten im Schoß.
  
   IV.
  Das ist Italien, das ich verließ. Noch stäuben die Wege,
  Noch ist der Fremde geprellt, stell' er sich, wie er auch will.
  Deutsche Redlichkeit suchst du in allen Winkeln vergebens;
  Leben und Weben ist hier, aber nicht Ordnung und Zucht;
  Jeder sorgt nur für sich, mißtraut dem Andern, ist eitel,
  Und die Meister des Staats sorgen nur wieder für sich.
  Schön ist das Land; doch, ach! Faustinen find' ich nicht wieder.
  Das ist Italien nicht mehr, das ich mit Schmerzen verließ.
  
   V.
  In der Gondel lag ich gestreckt und fuhr durch die Schiffe,
  Die in dem großen Kanal, viele befrachtete, stehn.
  Mancherley Waare findest du da für manches Bedürfniß,
  Weizen, Wein und Gemüs, Scheite, wie leichtes Gesträuch.
  Pfeilschnell drangen wir durch; da traf ein verlorener Lorber
  Derb mir die Wangen. Ich rief: Daphne, verletzest du mich?
  Lohn erwartet' ich eher! Die Nymphe lispelte lächelnd:
  Dichter sünd'gen nicht schwer. Leist ist die Strafe. Nur zu!
  
   VI.
  Seh' ich den Pilgrim, so kann ich mich nie der Thränen enthalten.
  O, wie beseliget uns Menschen ein falscher Begriff!
  
   VII.
  Eine Liebe hatt' ich, sie war mir lieber als Alles!
  Aber ich hab' sie nicht mehr! Schweig', und ertrag' den Verlust!
  
   VIII.
  Diese Gondel verglich ich der sanft einschaukelnden Wiege,
  Und das Kästchen darauf scheint ein geräumiger Sarg.
  Recht so! Zwischen der Wieg' und dem Sarg wir schwanken und schweben
  Auf dem großen Kanal sorglos durch's Leben dahin.
  
   IX.
  Feyerlich sehn wir neben dem Doge den Nuncius gehen;
  Sie begraben den Herrn, einer versiegelt den Stein.
  Was der Doge sich denkt, ich weiß es nicht; aber der Andre
  Lächelt über den Ernst dieses Gepränges gewiß.
  
   X.
  Warum treibt sich das Volk so, und schreit? Es will sich ernähren,
  Kinder zeugen, und die nähren, so gut es vermag.
  Merke dir, Reisender, das, und thue zu Hause desgleichen!
  Weiter bringt es kein Mensch, stell' er sich, wie er auch will.
  
   XI.
  Wie sie klingeln, die Pfaffen! Wie angelegen sie's machen,
  Daß man komme, nur ja plappre, wie gestern so heut!
  Scheltet mir nicht die Pfaffen: sie kennen des Menschen Bedürfniß!
  Denn wie ist er beglückt, plappert er morgen wie heut!
  
   XII.
  Mache der Schwärmer sich Schüler, wie Sand am Meere - der Sand ist
  Sand, die Perle sey mein, du, o vernünftiger Freund!
  
   XIII.
  Süß den sprossenden Klee mit weichlichen Füßen im Frühling,
  Und die Wolle des Lamms tasten mit zärtlicher Hand;
  Süß voll Blüthen zu sehn die neulebendigen Zweige,
  Dann das grünende Laub locken mit sehnendem Blick.
  Aber süßer, mit Blumen dem Busen der Schäferinn schmeicheln;
  Und dies vielfache Glück läßt mich entbehren der May.
  
   XIV.
  Diesem Ambos vergleich' ich das Land, den Hammer dem Herrscher:
  Unter dem Volke das Blech, das in der Mitte sich krümmt.
  Wehe dem armen Blech! wenn nur willkürliche Schläge
  Ungewiß treffen, und nie fertig der Kessel erscheint.
  
   XV.
  Schüler macht sich der Schwärmer genug, und rühret die Menge,
  Wenn der vernünftige Mann einzelne Liebende zählt.
  Wunderthätige Bilder sind meist nur schlechte Gemählde:
  Werke des Geist's und der Kunst sind für den Pöbel nicht da.
  
   XVI.
  Mache zum Herrscher sich der, der seinen Vortheil verstehet:
  Doch wir wählten uns den, der sich auf unsern versteht.
  
   XVII.
  Noth lehrt beten, man sagt's; will einer es lernen, er gehe
  Nach Italien! Noth findet der Fremde gewiß.
  
   XVIII.
  Welch ein heftig Gedränge nach diesem Laden! Wie emsig
  Wägt man, empfängt man das Geld, reicht man die Waare dahin!
  Schnupftaback wird hier verkauft. Das heißt sich selber erkennen!
  Nieswurz holt sich das Volk, ohne Verordnung und Arzt.
  
   XIX.
  Jeder Edle Venedigs kann Doge werden; das macht ihn
  Gleich als Knaben so fein, eigen, bedächtig und stolz.
  Darum sind die Oblaten so zart im katholischen Welschland;
  Denn aus demselbigen Teig weihet der Priester den Gott.
  
   XX.
  Ruhig am Arsenal stehn zwey altgriechische Löwen;
  Klein wird neben dem Paar Pforte, wie Thurm und Kanal.
  Käme die Mutter der Götter herab, es schmiegten sich beyde
  Vor den Wagen, und sie freuete sich ihres Gespanns.
  Aber nun ruhen sie traurig; der neue geflügelte Kater
  Schnurrt überall, und ihn nennet Venedig Patron.
  
   XXI.
  Emsig wallet der Pilger! Und wird er den Heiligen finden?
  Hören und sehen den Mann, welcher die Wunder gethan?
  Nein, es führte die Zeit ihn hinweg: du findest nur Reste,
  Seinen Schedel, ein Paar seiner Gebeine verwahrt.
  Pilgrime sind wir Alle, die wir Italien suchen;
  Nur ein zerstreutes Gebein ehren wir gläubig und froh.
  
   XXII.
  Jupiter Pluvius, heut erscheinst du ein freundlicher Dämon;
  Denn ein vielfach Geschenk gibst du in Einem Moment:
  Gibst Venedig zu trinken, dem Lande grünendes Wachsthum;
  Manches kleine Gedicht gibst du dem Büchelchen hier.
  
   XXIII.
  Gieße nur, tränke nur fort die rothbemäntelten Frösche,
  Wäss're das durstende Land, daß es uns Broccoli schickt.
  Nur durchwässer' mir nicht dies Büchlein; es sey mir ein Fläschchen
  Reinen Araks, und Punsch mache sich jeder nach Lust.
  
   XXIV.
  Sanct Johannes im Koth heißt jene Kirche; Venedig
  Nenn' ich mit doppeltem Recht heute Sankt Markus im Koth.
  
   XXV.
  Hast du Bajä gesehn, so kennst du das Meer und die Fische.
  Hier ist Venedig; du kennst nun auch den Pfuhl und den Frosch.
  
   XXVI.
  Schläfst du noch immer? Nur still, und laß mich ruhen; erwach' ich,
  Nun, was soll ich denn hier? Breit ist das Bette, doch leer.
  Ist überall ja doch Sardinien, wo man allein schläft;
  Tibur, Freund, überall, wo dich die Liebliche weckt.
  
   XXVII.
  Alle Neun, sie winkten mir oft, ich meine die Musen;
  Doch ich achtet' es nicht, hatte das Mädchen im Schoß.
  Nun verließ ich mein Liebchen; mich haben die Musen verlassen,
  Und ich schielte, verwirrt, suchte nach Messer und Strick.
  Doch von Göttern ist voll der Olymp; du kamst mich zu retten,
  Langeweile! du bist Mutter der Musen gegrüßt.
  
   XXVIII.
  Welch ein Mädchen ich wünsche zu haben? Ihr fragt mich. Ich hab' sie,
  Wie ich sie wünsche, das heißt, dünkt mich, mit Wenigem Viel.
  An dem Meere ging ich, und suchte mir Muscheln. In einer
  Fand ich ein Perlchen; es bleibt nun mir am Herzen verwahrt.
  
   XXIX.
  Vieles hab' ich versucht, gezeichnet, in Kupfer gestochen,
  Oel gemahlt, in Thon hab' ich auch Manches gedruckt,
  Unbeständig jedoch, und nichts gelernt noch geleistet;
  Nur ein einzig Talent bracht' ich der Meisterschaft nah:
  Deutsch zu schreiben. Und so verderb' ich unglücklicher Dichter
  In dem schlechtesten Stoff leider nun Leben und Kunst.
  
   XXX.
  Schöne Kinder tragt ihr, und steht mit verdeckten Gesichtern,
  Bettelt: das heißt, mit Macht reden ans männliche Herz.
  Jeder wünscht sich ein Knäbchen, wie ihr das Dürftige zeiget,
  Und ein Liebchen, wie man's unter dem Schleyer sich denkt.
  
   XXXI.
  Das ist dein eigenes Kind nicht, worauf du bettelst, und rührst mich;
  O, wie rührt mich erst die, die mir mein eigenes bringt!
  
   XXXII.
  Warum leckst du dein Mäulchen, indem du mir eilig begegnest?
  Wohl, dein Züngelchen sagt mir, wie gesprächig es sey.
  
   XXXIII.
  Sämmtliche Künste lernt und treibet der Deutsche; zu jeder
  Zeigt er ein schönes Talent, wenn er sie ernstlich ergreift.
  Eine Kunst nur treibt er, und will sie nicht lernen, die Dichtkunst.
  Darum pfuscht er auch so; Freunde, wir haben's erlebt.
  
   XXXIV. a)
  Oft erklärt ihr euch als Freunde des Dichters, ihr Götter!
  Gebt ihm auch, was er bedarf! Mäßiges braucht er, doch viel:
  Erstlich freundliche Wohnung, dann leidlich zu essen, zu trinken
  Gut; der Deutsche versteht sich auf den Nektar, wie ihr.
  Dann geziemende Kleidung und Freunde, vertraulich zu schwatzen;
  Dann ein Liebchen des Nachts, das ihn von Herzen begehrt.
  Diese fünf natürlichen Dinge verlang' ich vor Allem.
  Gebet mir ferner dazu Sprachen, die alten und neu'n,
  Daß ich der Völker Gewerb' und ihre Geschichten vernehme;
  Gebt mir ein reines Gefühl, was sie in Künsten gethan.
  Ansehn gebt mir im Volke, verschafft bey Mächtigen Einfluß,
  Oder was sonst noch bequem unter den Menschen erscheint;
  Gut - schon dank' ich euch, Götter; ihr habt den glücklichsten Menschen
  Ehstens fertig: denn ihr gönntet das Meiste mir schon.
  
   XXXIV. b)
  Klein ist unter den Fürsten Germaniens freylich der meine;
  Kurz und schmal ist sein Land, mäßig nur, was er vermag.
  Aber so wende nach innen, so wende nach außen die Kräfte
  Jeder; da wär's ein Fest, Deutscher mit Deutschen zu seyn.
  Doch was priesest du Ihn, den Thaten und Werke verkünden?
  Und bestochen erschien deine Verehrung vielleicht;
  Denn mir hat er gegeben, was Große selten gewähren,
  Neigung, Muße, Vertraun, Felder und Garten und Haus.
  Niemand braucht' ich zu danken als ihm, und Manches bedurft' ich,
  Der ich mich auf den Erwerb schlecht, als ein Dichter, verstand.
  Hat mich Europa gelobt, was hat mir Europa gegeben?
  Nichts! Ich habe, wie schwer! meine Gedichte bezahlt.
  Deutschland ahmte mich nach, und Frankreich mochte mich lesen.
  England! freundlich empfingst du den zerrütteten Gast.
  Doch was fördert es mich, daß auch sogar der Chinese
  Mahlet, mit ängstlicher Hand, Werthern und Lotten auf Glas?
  Niemals frug ein Kaiser nach mir, es hat sich kein König
  Um mich bekümmert, und Er war mir August und Mäzen.
  
   XXXV.
  Eines Menschen Leben, was ist's? Doch Tausende können
  Reden über den Mann, was er und wie er's gethan.
  Weniger ist ein Gedicht; doch können es Tausend genießen,
  Tausende tadeln. Mein Freund, lebe nur, dichte nur fort!
  
   XXXVI.
  Müde war ich geworden, nur immer Gemählde zu sehen,
  Herrliche Schätze der Kunst, wie sie Venedig bewahrt.
  Denn auch dieser Genuß verlangt Erholung und Muße;
  Nach lebendigem Reiz suchte mein schmachtender Blick.
  Gauklerinn! da ersah ich in dir zu den Bübchen das Urbild.
  Wie sie Johannes Bellin reizend mit Flügeln gemahlt,
  Wie sie Paul Veronese mit Bechern dem Bräutigam sendet,
  Dessen Gäste, getäuscht, Wasser genießen für Wein.
  
   XXXVII.
  Wie, von der künstlichsten Hand geschnitzt, das liebe Figürchen,
  Weich und ohne Gebein, wie die Moluska nur schwimmt!
  Alles ist Glied, und Alles Gelenk, und Alles gefällig,
  Alles nach Maßen gebaut, Alles nach Willkür bewegt.
  Menschen hab' ich gekannt, und Thiere, so Vögel als Fische,
  Manches besondre Gewürm, Wunder der großen Natur;
  Und doch staun' ich dich an, Bettine, liebliches Wunder,
  Die du Alles zugleich bist, und ein Engel dazu.
  
   XXXVIII.
  Kehre nicht, liebliches Kind, die Beinchen hinauf zu dem Himmel;
  Jupiter sieht dich, der Schalk, und Ganymed ist besorgt.
  
   XXXIX.
  Wende die Füßchen zum Himmel nur ohne Sorge! Wir strecken
  Arme betend empor; aber nicht schuldlos, wie du.
  
   XL.
  Seitwärts neigt sich dein Hälschen. Ist das ein Wunder? Es träget
  Oft dich Ganze; du bist leicht, nur dem Hälschen zu schwer.
  Mir ist sie gar nicht zuwider die schiefe Stellung des Köpfchens;
  Unter schönerer Last beugte kein Nacken sich je.
  
   XLI.
  So verwirret mit dumpf willkürlich verwebten Gestalten,
  Höllisch und trübe gesinnt, Breughel den schwankenden Blick;
  So zerrüttet auch Dürer mit apokalyptischen Bildern,
  Menschen und Grillen zugleich, unser gesundes Gehirn;
  So erreget ein Dichter, von Sphinxen, Sirenen, Centauren
  Singend mit Macht Neugier in dem verwunderten Ohr;
  So beweget ein Traum den Sorglichen, wenn er zu greifen,
  Vorwärts glaubet zu gehn, Alles veränderlich schwebt:
  So verwirrt uns Bettine, die holden Glieder verwechselnd;
  Doch erfreut sie uns gleich, wenn sie die Sohlen betritt.
  
   XLII.
  Gern überschreit' ich die Gränze, mit breiter Kreide gezogen.
  Macht sie Bottegha, das Kind, drängt sie mich artig zurück.
  
   XLIII.
  "Ach! mit diesen Seelen, was macht er? Jesus Maria!
  Bündelchen Wäsche sind das, wie man zum Brunnen sie trägt.
  Wahrlich, sie fällt! Ich halt' es nicht aus! Komm, gehn wir! Wie zierlich!
  Sieh nur, wie steht sie! wie leicht! Alles mit Lächeln und Lust!"
  Altes Weib, du bewunderst mit Recht Bettinen; du scheinst mir
  Jünger zu werden und schön, da dich mein Liebling erfreut.
  
   XLIV.
  Alles seh' ich so gerne von dir; doch seh' ich am liebsten,
  Wenn der Vater behend über dich selber dich wirft,
  Du dich im Schwung überschlägst und, nach dem tödtlichen Sprunge,
  Wieder stehest und läufst, eben ob nichts wär' geschehn.
  
   XLV.
  Schon entrunzelt sich jedes Gesicht; die Furchen der Mühe,
  Sorgen und Armuth fliehn, Glückliche glaubt man zu sehn.
  Dir erweicht sich der Schiffer, und klopft dir die Wange; der Seckel
  Thut sich dir kärglich zwar, aber er thut sich doch auf,
  Und der Bewohner Venedigs entfaltet den Mantel, und reicht dir,
  Eben als flehtest du laut bey den Mirakeln Antons,
  Bey des Herrn fünf Wunden, dem Herzen der seligsten Jungfrau,
  Bey der feurigen Qual, welche die Seelen durchfegt.
  Jeder kleine Knabe, der Schiffer, der Höke, der Bettler
  Drängt sich, und freut sich bey dir, daß er ein Kind ist, wie du.
  
   XLVI.
  Dichten ist ein lustig Metier; nur find' ich es theuer:
  Wie dies Büchlein mir wächst, gehn die Zechinen mir fort.
  
   XLVII.
  "Welch ein Wahnsinn ergriff die Müßigen? Hältst du nicht inne?
  Wird dies Mädchen ein Buch? Stimme was Klügeres an!"
  Wartet, ich singe die Könige bald, die Großen der Erde,
  Wenn ich ihr Handwerk einst besser begreife, wie jetzt.
  Doch Bettinnen sing' ich indeß; denn Gaukler und Dichter
  Sind gar nahe verwandt, suchen und finden sich gern.
  
   XLVIII.
  Böcke, zur Linken mit euch! so ordnet künftig der Richter:
  Und ihr Schäfchen, ihr sollt ruhig zur Rechten mir stehn!
  Wohl! Doch eines ist noch von ihm zu hoffen; dann sagt er:
  Seyd, Vernünftige, mir grad' gegenüber gestellt!
  
   XLIX.
  Wißt ihr, wie ich gewiß zu Hunderten euch Epigramme
  Fertige? Führet mich nur weit von der Liebsten hinweg!
  
   L.
  Alle Freyheits=Apostel, sie waren mir immer zuwider;
  Willkür suchte doch nur Jeder am Ende für sich.
  Willst du Viele befreyn, so wag' es Vielen zu dienen.
  Wie gefährlich das sey; willst du es wissen? Versuch's!
  
   LI.
  Könige wollen das Gute, die Demagogen desgleichen,
  Sagt man; doch irren sie sich: Menschen, ach, sind sie, wie wir.
  Nie gelingt es der Menge, für sich zu wollen; wir wissens:
  Doch wer verstehet, für uns Alle zu wollen; Er zeig's.
  
   LII.
  Jeglichen Schwärmer schlagt mir an's Kreuz im dreyßigsten Jahre;
  Kennt er nur einmal die Welt, wird der Betrogne der Schelm.
  
   LIII.
  Frankreichs traurig Geschick, die Großen mögen's bedenken;
  Aber bedenken fürwahr sollen es Kleine noch mehr.
  Große gingen zu Grunde: doch wer beschützte die Menge
  Gegen die Menge? Da war Menge der Menge Tyrann.
  
   LIV.
  Tolle Zeiten hab' ich erlebt, und hab' nicht ermangelt,
  Selbst auch thöricht zu seyn, wie es die Zeit mir gebot.
  
   LV.
  Sage, thun wir nicht recht? Wir müssen den Pöbel betrügen.
  Sieh nur, wie ungeschickt, sieh nur, wie wild er sich zeigt!
  Ungeschickt und wild sind alle rohen Betrognen;
  Seyd nur redlich, und so führt ihn zum Menschlichen an.
  
   LVI.
  Fürsten prägen so oft auf kaum versilbertes Kupfer
  Ihr bedeutendes Bild; lange betrügt sich das Volk.
  Schwärmer prägen den Stempel des Geist's auf Lügen und Unsinn;
  Wem der Probierstein fehlt, hält sie für redliches Gold.
  
   LVII.
  Jene Menschen sind toll, so sagt ihr von heftigen Sprechern,
  Die wir in Frankreich laut hören auf Straßen und Markt.
  Mir auch scheinen sie toll; doch redet ein Toller in Freyheit
  Weise Sprüche, wenn, ach! Weisheit im Sklaven verstummt.
  
   LVIII.
  Lange haben die Großen der Franzen Sprache gesprochen,
  Halb nur geachtet den Mann, dem sie vom Munde nicht floß.
  Nun lallt alles Volk entzückt die Sprache der Franken.
  Zürnet, Mächtige, nicht! Was ihr verlangtet, geschieht.
  
   LIX.
  "Seyd doch nicht so frech, Epigramme!" Warum nicht? Wir sind nur
  Ueberschriften; die Welt hat die Kapitel des Buchs.
  
   LX.
  Wie dem hohen Apostel ein Tuch voll Thiere gezeigt ward,
  Rein und unrein, zeigt, Lieber, das Büchlein sich dir.
  
   LXI.
  Ein Epigramm, ob wohl es gut sey? Kannst du's entscheiden?
  Weiß man doch eben nicht stets, was er sich dachte, der Schalk.
  
   LXII.
  Um so gemeiner es ist, und näher dem Neide, der Mißgunst;
  Um so mehr begreifst du das Gedichtchen gewiß.
  
   LXIII.
  Chloe schwöret, sie liebt mich; ich glaub's nicht. Aber sie liebt dich!
  Sagt mir ein Kenner. Schon gut; glaubt' ich's, da wär es vorbey.
  
   LXIV.
  Niemand liebst du, und mich, Philarchos liebst du so heftig.
  Ist denn kein anderer Weg, mich zu bezwingen, als der?
  
   LXV.
  Ist denn so groß das Geheimniß,was Gott und der Mensch und die Welt sey?
  Nein! Doch Niemand hört's gerne; da bleibt es geheim.
  
   LXVI.
  Vieles kann ich ertragen. Die meisten beschwerlichen Dinge
  Duld' ich mit ruhigem Muth, wie es ein Gott mir gebeut.
  Wenige sind mir jedoch wie Gift und Schlange zuwider;
  Viere: Rauch des Tabacks, Wanzen und Knoblauch und †
  
   LXVII.
  Längst schon hätt' ich euch gern von jenen Thierchen gesprochen,
  Die so zierlich und schnell fahren dahin und daher.
  Schlängelchen scheinen sie gleich, doch viergefüßet; sie laufen,
  Kriechen und schleichen, und leicht schleppen die Schwänzchen sie nach.
  Seht, hier sind sie! und hier! Nun sind sie verschwunden! Wo sind sie?
  Welche Ritze, welch Kraut nahm die Entfliehenden auf?
  Wollt ihr mir's künftig erlauben, so nenn' ich die Thierchen Lacerten;
  Denn ich brauche sie noch oft als gefälliges Bild.
  
   LXVIII.
  Wer Lacerten gesehn, der kann sich die zierlichen Mädchen
  Denken, die über den Platz fahren dahin und daher.
  Schnell und beweglich sind sie, und gleiten, stehen und schwatzen,
  Und es rauscht das Gewand hinter den Eilenden drein.
  Sieh, hier ist sie! und hier! Verlierst du sie einmal, so suchst du
  Sie vergebens; so bald kommt sie nicht wieder hervor.
  Wenn du aber die Winkel nicht scheust, nicht Gäßchen und Treppchen,
  Folg' ihr, wie sie dich lockt, in die Spelunke hinein!
  
   LXIX.
  Was Spelunke nun sey, verlangt ihr zu wissen? Da wird ja
  Fast zum Lexikon dies epigrammatische Buch.
  Dunkele Häuser sind's in engen Gäßchen; zum Kaffee
  Führt dich die Schöne, und sie zeigt sich geschäftig, nicht du.
  
   LXX.
  Zwey der feinsten Lacerten, sie hielten sich immer zusammen;
  Eine beynahe zu groß, eine beynahe zu klein.
  Siehst du Beyde zusammen, so wird die Wahl dir unmöglich;
  Jede besonders, sie schien einzig die Schönste zu seyn.
  
   LXXI.
  Heilige Leute, sagt man, sie wollten besonders dem Sünder
  Und der Sünderin wohl. Geht's mir doch eben auch so.
  
   LXXII.
  Wär' ich ein häusliches Weib, und hätte, was ich bedürfte,
  Treu seyn wollt' ich und froh, herzen und küssen den Mann.
  So sang, unter andern gemeinen Liedern, ein Dirnchen
  Mir in Venedig, und nie hört' ich ein frömmer Gebet.
  
   LXXIII.
  Wundern kann es mich nicht, daß Menschen die Hunde so lieben,
  Denn ein erbärmlicher Schuft ist, wie der Mensch, so der Hund.
  
   LXXIV.
  Frech wohl bin ich geworden; es ist kein; Wunder, Ihr Götter,
  Wißt, und wißt nicht allein, daß ich auch fromm bin und treu.
  
   LXXV.
  Hast du nicht gute Gesellschaft gesehn? Es zeigt uns dein Büchlein
  Fast nur Gaukler und Volk, ja was noch niedriger ist.
  Gute Gesellschaft hab' ich gesehn, man nennt sie die gute,
  Wenn sie zum kleinsten Gedicht keine Gelegenheit gibt.
  
   LXXVI.
  Was mit mir das Schicksal gewollt? Es wäre verwegen,
  Das zu fragen; denn meist will es mit Vielen nicht viel.
  Einen Dichter zu bilden, die Absicht wär' ihm gelungen,
  Hätte die Sprache sich nicht unüberwindlich gezeigt.
  
   LXXVII.
  Mit Botanik gibst du dich ab? mit Optik? Was thust du?
  Ist es nicht schönrer Gewinn, rühren ein zärtliches Herz?
  Ach, die zärtlichen Herzen! Ein Pfuscher vermag sie zu rühren;
  Sey es mein einziges Glück, dich zu berühren, Natur!
  
   LXXVIII.
  Weiß hat Newton gemacht aus allen Farben. Gar Manches
  Hat er euch weis gemacht, das ihr ein Sekulum glaubt.
  
   LXXIX.
  "Alles erklärt sich wohl," so sagt mir ein Schüler, "aus jenen
  Theorien, die uns weislich der Meister gelehrt."
  Habt ihr einmal das Kreuz von Holze tüchtig gezimmert,
  Passt ein lebendiger Leib freylich zur Strafe daran.
  
   LXXX.
  Wenn auf beschwerlichen Reisen ein Jüngling zur Liebsten sich windet,
  Hab' er dies Büchlein; es ist reizend und tröstlich zugleich.
  Und erwartet dereinst ein Mädchen den Liebsten, sie halte
  Dieses Büchlein, und nur, kommt er, so werfe sie's weg.
  
   LXXXI.
  Gleich den Winken des Mädchens, des eilenden, welche verstohlen
  Im Vorbeygehn nur freundlich mir streifet den Arm,
  So vergönnt, ihr Musen, dem Reisenden kleine Gedichte:
  O, behaltet dem Freund größere Gunst noch bevor!
  
   LXXXII.
  Wenn, in Wolken und Dünste verhüllt, die Sonne nur trübe
  Stunden sendet; wie still wandeln die Pfade wir fort!
  Dränget Regen den Wandrer! wie ist uns des ländlichen Daches
  Schirm willkommen! Wie sanft ruht sich's in stürmischer Nacht!
  Aber die Göttinn kehret zurück! Schnell scheuche die Nebel
  Von der Stirne hinweg! Gleiche der Mutter Natur!
  
   LXXXIII.
  Willst du mit reinem Gefühl der Liebe Freuden genießen,
  O, laß Frechheit und Ernst ferne vom Herzen dir seyn.
  D i e will Amorn verjagen, und d e r gedenkt ihn zu fesseln;
  Beyden das Gegentheil lächelt der schelmische Gott.
  
   LXXXIV.
  Göttlicher Morpheus, umsonst bewegst du die lieblichen Mohne;
  Bleibt das Auge doch wach, wenn mir es Amor nicht schließt.
  
   LXXXV.
  Liebe flößest du ein, und Begier; ich fühl' es, und brenne.
  Liebenswürdige, nun flöße Vertrauen mir ein!
  
   LXXXVI.
  Ha! ich kenne dich, Amor, so gut als einer! Da bringst du
  Deine Fackel, und sie leuchtet im Dunkel uns vor.
  Aber du führest uns bald verworrene Pfade; wir brauchten
  Deine Fackel erst recht, ach! und die falsche erlischt.
  
   LXXXVII.
  Eine einzige Nacht an deinem Herzen! - Das Andre
  Gibt sich. Es trennet uns noch Amor in Nebel und Nacht.
  Ja, ich erlebe den Morgen, an dem Aurora die Freunde
  Busen an Busen belauscht, Phöbus, der Frühe, sie weckt.
  
   LXXXVIII.
  Ist es dir Ernst, so zaudre nun länger nicht; mache mich glücklich!
  Wolltest du scherzen? Es sey, Liebchen, des Scherzes genug!
  
   LXXXIX.
  Daß ich schweige, verdrießt dich? Was soll ich reden? Du merkest
  Auf der Seufzer, des Blicks leise Beredsamkeit nicht.
  Eine Göttinn vermag der Lippe Siegel zu lösen;
  Nur Aurora, sie weckt einst dir am Busen mich auf.
  Ja, dann töne mein Hymnus den frühen Göttern entgegen,
  Wie das Memnonische Bild lieblich Geheimnisse sang.
  
   XC.
  Welch ein lustiges Spiel! Es windet am Faden die Scheibe,
  Die von der Hand entfloh, eilig sich wieder herauf!
  Seht, so schein' ich Herz, bald dieser Schönen, bald jener
  Zuzuwerfen; doch gleich kehrt es im Fluge zurück.
  
   XCI.
  O, wie achtet' ich sonst auf alle Zeiten des Jahres;
  Grüßte den kommenden Lenz, sehnte dem Herbste mich nach!
  Aber nun ist nicht Sommer noch Winter, seit mich Beglückten
  Amors Fittig bedeckt, ewiger Frühling umschwebt.
  
   XCII.
  Sage, wie lebst du? Ich lebe! und wären hundert und hundert
  Jahre dem Menschen gegönnt, wünscht' ich mir morgen, wie heut.
  
   XCIII.
  Götter, wie soll ich euch danken! Ihr habt mir Alles gegeben,
  Was der Mensch sich erfleht; nur in der Regel fast nichts.
  
   XCIV.
  In der Dämmerung des Morgens den höchsten Gipfel erklimmen,
  Frühe den Botes des Tags grüßen, dich, freundlichen Stern!
  Ungeduldig die Blicke der Himmelsfürstinn erwarten,
  Wonne des Jünglings, wie oft locktest du Nachts mich heraus!
  Nun erscheint ihr mir, Boten des Tags, ihr himmlischen Augen
  Meiner Geliebten, und stets kommt mir die Sonne zu früh.
  
   XCV.
  Du erstaunest, und zeigst mir das Meer; es scheinet zu brennen.
  Wie bewegt sich die Fluth flammend um's nächtliche Schiff!
  Mich verwundert es nicht, das Meer gebar Aphroditen,
  Und entsprang nicht aus ihr uns eine Flamme, der Sohn?
  
   XCVI.
  
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