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Römische Geschichte — Buch 8 - 01
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Römische Geschichte
Achtes Buch
Länder und Leute von Caesar bis Diocletian
von Theodor Mommsen
The following e-text of Mommsen’s Roemische Geschichte contains some
(ancient) Greek quotations. The character set used for those quotations is a
modern Greek character set. Therefore, aspirations are not marked in Greek
words, nor is there any differentiation between the different accents of
ancient Greek and the subscript iotas are missing as well.
Contents
Vorrede
Achtes Buch—Länder und Leute von Caesar bis Diocletian
Einleitung
KAPITEL I. Die Nordgrenze Italiens
KAPITEL II. Spanien
KAPITEL III. Die gallischen Provinzen
KAPITEL IV. Das römische Germanien und die freien Germanen
KAPITEL V. Britannien
KAPITEL VI. Die Donauländer und die Kriege an der Donau
KAPITEL VII. Das griechische Europa
KAPITEL VIII. Kleinasien
KAPITEL IX. Die Euphratgrenze und die Parther
KAPITEL X. Syrien und das Nabatäerland
KAPITEL XI. Judäa und die Juden
KAPITEL XII. Ägypten
Vorrede
Der Wunsch, daß die ‘Römische Geschichte’ fortgesetzt werden möge, ist
mir öfter geäußert worden, und er trifft mit meinem eigenen zusammen,
so schwer es auch ist, nach dreißig Jahren den Faden da wieder
aufzunehmen, wo ich ihn fallen lassen mußte. Wenn er nicht unmittelbar
anknüpft, so ist daran wenig gelegen; ein Fragment würde der vierte
Band ohne den fünften ebenso sein, wie es der fünfte jetzt ist ohne den
vierten. Überdies meine ich, daß die beiden zwischen diesem und den
früheren fehlenden Bücher für das gebildete Publikum, dessen
Verständnis des römischen Altertums zu fördern diese Geschichte
bestimmt ist, eher durch andere Werke vertreten werden können als das
vorliegende. Der Kampf der Republikaner gegen die durch Caesar
errichtete Monarchie und deren definitive Feststellung, welche in dem
Sechsten Buch erzählt werden sollen, sind so gut aus dem Altertum
überliefert, daß jede Darstellung wesentlich auf eine Nacherzählung
hinausläuft. Das monarchische Regiment in seiner Eigenart und die
Fluktuationen der Monarchie sowie die durch die Persönlichkeit der
einzelnen Herrscher bedingten allgemeinen Regierungsverhältnisse, denen
das Siebente Buch bestimmt ist, sind wenigstens oftmals zum Gegenstand
der Darstellung gemacht worden. Was hier gegeben wird, die Geschichte
der einzelnen Landesteile von Caesar bis auf Diocletian, liegt, wenn
ich nicht irre, dem Publikum, an das dieses Werk sich wendet, in
zugänglicher Zusammenfassung nirgends vor, und daß dies nicht der Fall
ist, scheint mir die Ursache zu sein, weshalb dasselbe die römische
Kaiserzeit häufig unrichtig und unbillig beurteilt. Freilich kann diese
meines Erachtens für das richtige Verständnis der Geschichte der
römischen Kaiserzeit vorbedingende Trennung dieser Spezialgeschichten
von der allgemeinen des Reiches für manche Abschnitte, insbesondere für
die Epoche von Gallienus bis auf Diocletian, wieder nicht vollständig
durchgeführt werden und hat hier die noch ausstehende allgemeine
Darstellung ergänzend einzutreten.
Wenn überhaupt ein Geschichtswerk in den meisten Fällen nur mit und
durch die Landkarte anschaulich wird, so gilt dies von dieser
Darstellung des Reiches der drei Erdteile nach seinen Provinzen in
besonderem Grade, während hierfür genügende Karten nur in den Händen
weniger Leser sein können. Dieselben werden also mit mir meinem Freunde
Kiepert es danken, daß er, in der Weise und in der Begrenzung, wie der
Inhalt dieses Bandes es an die Hand gab, demselben zunächst ein
allgemeines Übersichtsblatt, das außerdem mehrfach für die
Spezialkarten ergänzend eintritt, und weiter Spezialkarten der
einzelnen Reichsteile hinzugefügt hat …
Berlin, im Februar 1885
Einige Versehen, auf die ich aufmerksam gemacht worden bin und die in
den Platten sich beseitigen ließen, sind bei dem dritten Abzuge
verbessert worden, der vierte ist ein unveränderter Abdruck des
vorigen.
Februar 1886; September 1894
Achtes Buch
Länder und Leute von Caesar bis Diocletian
Gehe durch die Welt und sprich mit jedem.
Firdusí
Einleitung
Die Geschichte der römischen Kaiserzeit stellt ähnliche Probleme wie
diejenige der früheren Republik.
Was aus der literarischen Überlieferung unmittelbar entnommen werden
kann, ist nicht bloß ohne Farbe und Gestalt, sondern in der Tat
meistens ohne Inhalt. Das Verzeichnis der römischen Monarchen ist
ungefähr ebenso glaubwürdig wie das der Konsuln der Republik und
ungefähr ebenso instruktiv. Die den ganzen Staat erschütternden großen
Krisen sind in ihren Umrissen erkennbar; viel besser aber als über die
Samnitenkriege sind wir auch nicht unterrichtet über die germanischen
unter den Kaisern Augustus und Marcus. Der republikanische
Anekdotenschatz ist sehr viel ehrbarer als der gleiche der Kaiserzeit;
aber die Erzählungen von Fabricius und die vom Kaiser Gaius sind
ziemlich gleich flach und gleich verlogen. Die innerliche Entwicklung
des Gemeinwesens liegt vielleicht für die frühere Republik in der
Überlieferung vollständiger vor als für die Kaiserzeit; dort bewahrt
sie eine, wenn auch getrübte und verfälschte Schilderung der
schließlich wenigstens auf dem Markte Roms endigenden Wandlungen der
staatlichen Ordnung; hier vollzieht sich diese im kaiserlichen Kabinett
und gelangt in der Regel nur mit ihren Gleichgültigkeiten in die
Öffentlichkeit. Dazu kommt die ungeheure Ausdehnung des Kreises und die
Verschiebung der lebendigen Entwicklung vom Zentrum in die Peripherie.
Die Geschichte der Stadt Rom hat sich zu der des Landes Italien, diese
zu der der Welt des Mittelmeers erweitert, und worauf es am meisten
ankommt, davon erfahren wir am wenigsten. Der römische Staat dieser
Epoche gleicht einem gewaltigen Baum, um dessen im Absterben
begriffenen Hauptstamm mächtige Nebentriebe rings emporstreben. Der
römische Senat und die römischen Herrscher entstammen bald jedem
anderen Reichsland ebensosehr wie Italien; die Quiriten dieser Epoche,
welche die nominellen Erben der weltbezwingenden Legionäre geworden
sind, haben zu den großen Erinnerungen der Vorzeit ungefähr dasselbe
Verhältnis wie unsere Johanniter zu Rhodos und Malta und betrachten
ihre Erbschaft als ein nutzbares Recht, als stiftungsmäßige Versorgung
arbeitsscheuer Armer. Wer an die sogenannten Quellen dieser Epoche,
auch die besseren, geht, bemeistert schwer den Unwillen über das Sagen
dessen, was verschwiegen zu werden verdiente, und das Verschweigen
dessen, was notwendig war zu sagen. Denn groß Gedachtes und weithin
Wirkendes ist auch in dieser Epoche geschaffen worden; die Führung des
Weltregiments ist selten so lange in geordneter Folge verblieben, und
die festen Verwaltungsnormen, wie sie Caesar und Augustus ihren
Nachfolgern vorzeichneten, haben sich im ganzen mit merkwürdiger
Festigkeit behauptet, trotz allem Wechsel der Dynastien und der
Dynasten, welcher in der nur darauf blickenden und bald zu
Kaiserbiographien zusammenschwindenden Überlieferung mehr als billig im
Vordergrunde steht. Die scharfen Abschnitte, welche in der
landläufigen, durch jene Oberflächlichkeit der Grundlage geirrten
Auffassung die Regierungswechsel machen, gehören weit mehr dem
Hoftreiben an als der Reichsgeschichte. Das eben ist das Großartige
dieser Jahrhunderte, daß das einmal angelegte Werk, die Durchführung
der lateinisch-griechischen Zivilisierung in der Form der Ausbildung
der städtischen Gemeindeverfassung, die allmähliche Einziehung der
barbarischen oder doch fremdartigen Elemente in diesen Kreis, eine
Arbeit, welche ihrem Wesen nach Jahrhunderte stetiger Tätigkeit und
ruhiger Selbstentwicklung erforderte, diese lange Frist und diesen
Frieden zu Lande und zur See gefunden hat. Das Greisenalter vermag
nicht neue Gedanken und schöpferische Tätigkeit zu entwickeln, und das
hat auch das römische Kaiserregiment nicht getan; aber es hat in seinem
Kreise, den die, welche ihm angehörten, nicht mit Unrecht als die Welt
empfanden, den Frieden und das Gedeihen der vielen vereinigten Nationen
länger und vollständiger gehegt, als es irgendeiner anderen Vormacht je
gelungen ist. In den Ackerstädten Afrikas, in den Winzerheimstätten an
der Mosel, in den blühenden Ortschaften der lykischen Gebirge und des
syrischen Wüstenrandes ist die Arbeit der Kaiserzeit zu suchen und auch
zu finden. Noch heute gibt es manche Landschaft des Orients wie des
Okzidents, für welche die Kaiserzeit den an sich sehr bescheidenen,
aber doch vorher wie nachher nie erreichten Höhepunkt des guten
Regiments bezeichnet; und wenn einmal ein Engel des Herrn die Bilanz
aufmachen sollte, ob das von Severus Antoninus beherrschte Gebiet
damals oder heute mit größerem Verstande und mit größerer Humanität
regiert worden ist, ob Gesittung und Völkerglück im allgemeinen seitdem
vorwärts- oder zurückgegangen sind, so ist es sehr zweifelhaft, ob der
Spruch zu Gunsten der Gegenwart ausfallen würde. Aber wenn wir finden,
daß dieses also war, so fragen wir die Bücher, die uns geblieben sind,
meistens umsonst, wie dieses also geworden ist. Sie geben darauf
sowenig eine Antwort, wie die Überlieferung der früheren Republik die
gewaltige Erscheinung des Rom erklärt, welches in Alexanders Spuren die
Welt unterwarf und zivilisierte.
Ausfüllen läßt sich die eine Lücke sowenig wie die andere. Aber es
schien des Versuches wert, einmal abzusehen sowohl von den
Regentenschilderungen mit ihren bald grellen, bald blassen und nur zu
oft gefälschten Farben wie auch von dem scheinhaft chronologischen
Aneinanderreihen nicht zusammenpassender Fragmente, und dafür zu
sammeln und zu ordnen, was für die Darstellung des römischen
Provinzialregiments die Überlieferung und die Denkmäler bieten, der
Mühe wert, durch diese oder durch jene zufällig erhaltene Nachrichten,
in dem Gewordenen aufbewahrte Spuren des Werdens, allgemeine
Institutionen in ihrer Beziehung auf die einzelnen Landesteile, mit den
für jeder. derselben, durch die Natur des Bodens und der Bewohner
gegebenen Bedingungen, durch die Phantasie, welche wie aller Poesie so
auch aller Historie Mutter ist, nicht zu einem Ganzen, aber zu dem
Surrogat eines solchen zusammenzufassen. Aber die Epoche Diocletians
habe ich dabei nicht hinausgehen wollen, weil das neue Regiment,
welches damals geschaffen wurde, höchstens im zusammenfassenden
Ausblick den Schlußstein dieser Erzählung bilden kann; seine volle
Würdigung verlangt eine besondere Erzählung und einen anderen
Weltrahmen, ein bei schärferem Verständnis des Einzelnen in dem großen
Sinn und mit dem weiten Blick Gibbons durchgeführtes selbständiges
Geschichtswerk. Italien und seine Inseln sind ausgeschlossen worden, da
diese Darstellung von der des allgemeinen Reichsregiments nicht
getrennt werden kann. Die sogenannte äußere Geschichte der Kaiserzeit
ist aufgenommen als integrierender Teil der Provinzialverwaltung; was
wir Reichskriege nennen würden, sind gegen das Ausland unter der
Kaiserzeit nicht geführt worden, wenngleich die durch die Arrondierung
oder Verteidigung der Grenzen hervorgerufenen Kämpfe einige Male
Verhältnisse annahmen, daß sie als Kriege zwischen zwei gleichartigen
Mächten erscheinen, und der Zusammensturz der römischen Herrschaft in
der Mitte des dritten Jahrhunderts, welcher einige Dezennien hindurch
ihr definitives Ende werden zu sollen schien, aus der an mehreren
Stellen gleichzeitig unglücklich geführten Grenzverteidigung sich
entwickelte. Die große Vorschiebung und Regulierung der Nordgrenze, wie
sie unter Augustus teilweise ausgeführt ward, teilweise mißlang, leitet
die Erzählung ein. Auch sonst sind die Ereignisse auf einem jeden der
drei hauptsächlichsten Schauplätze der Grenzverteidigung, des Rheins,
der Donau, des Euphrat, zusammengefaßt worden. Im übrigen ist die
Darstellung nach den Landschaften geordnet. Im einzelnen fesselndes
Detail, Stimmungsschilderungen und Charakterköpfe hat sie nicht zu
bieten; es ist dem Künstler, aber nicht dem Geschichtschreiber erlaubt,
das Antlitz des Arminius zu erfinden. Mit Entsagung ist dies Buch
geschrieben und mit Entsagung möchte es gelesen sein.
KAPITEL I.
Die Nordgrenze Italiens
Die römische Republik hat ihr Gebiet hauptsächlich auf den Seewegen
gegen Westen, Süden und Osten erweitert; nach derjenigen Richtung hin,
in welcher Italien und die von ihm abhängigen beiden Halbinseln im
Westen und im Osten mit dem großen Kontinent Europas zusammenhängen,
war dies wenig geschehen. Das Hinterland Makedoniens gehorchte den
Römern nicht und nicht einmal der nördliche Abhang der Alpen; nur das
Hinterland der gallischen Südküste war durch Caesar zum Reiche
gekommen. Bei der Stellung, die das Reich im allgemeinen einnahm,
durfte dies so nicht bleiben; die Beseitigung des trägen und unsicheren
Regiments der Aristokratie mußte vor allem an dieser Stelle sich
geltend machen. Nicht so geradezu wie die Eroberung Britanniens hatte
Caesar die Ausdehnung des römischen Gebiets am Nordabhang der Alpen und
am rechten Ufer des Rheins den Erben seiner Machtstellung aufgetragen;
aber der Sache nach war die letztere Grenzerweiterung bei weitem näher
gelegt und notwendiger als die Unterwerfung der überseeischen Kelten,
und man versteht es, daß Augustus diese unterließ und jene aufnahm.
Dieselbe zerfiel in drei große Abschnitte: die Operationen an der
Nordgrenze der griechisch-makedonischen Halbinsel im Gebiet der
mittleren und unteren Donau, in Illyricum; die an der Nordgrenze
Italiens selbst, im oberen Donaugebiet, in Rätien und Noricum; endlich
die am rechten Rheinufer, in Germanien. Meistens selbständig geführt,
hängen die militärisch-politischen Vornahmen in diesen Gebieten doch
innerlich zusammen, und wie sie sämtlich aus der freien Initiative der
römischen Regierung hervorgegangen sind, können sie auch in ihrem
Gelingen wie in ihrem teilweisen Mißlingen nur in ihrer Gesamtheit
militärisch und politisch verstanden werden. Sie werden darum auch mehr
im örtlichen als wie zeitlichen Zusammenhang dargelegt werden; das
Gebäude, von dem sie doch nur Teile sind, wird besser in seiner inneren
Geschlossenheit als in der Zeitfolge der Bauten betrachtet.
Das Vorspiel zu dieser großen Gesamtaktion machen die Einrichtungen,
welche Caesar der Sohn, so wie er in Italien und Sizilien freie Hand
gewonnen hatte, an den oberen Küsten des Adriatischen Meeres und im
angrenzenden Binnenland vornahm. In den hundertundfünfzig Jahren, die
seit der Gründung Aquileias verflossen waren, hatte wohl der römische
Kaufmann von dort aus sich des Verkehrs mehr und mehr bemächtigt, aber
der Staat unmittelbar nur geringe Fortschritte gemacht. An den
Haupthäfen der dalmatinischen Küste, ebenso auf der von Aquileia in das
Savetal führenden Straße bei Nauportus (Ober-Laibach) hatten sich
ansehnliche Handelsniederlassungen gebildet; Dalmatien, Bosnien,
Istrien und die Krain galten als römisches Gebiet und wenigstens das
Küstenland war in der Tat botmäßig; aber die rechtliche Städtegründung
stand noch ebenso aus wie die Bändigung des unwirtlichen Binnenlandes.
Hier aber kam noch ein anderes Moment hinzu. In dem Kriege zwischen
Caesar und Pompeius hatten die einheimischen Dalmater ebenso
entschieden für den letzteren Partei ergriffen wie die dort ansässigen
Römer für Caesar; auch nach der Niederlage des Pompeius bei Pharsalos
und nach der Verdrängung der Pompeianischen Flotte aus den illyrischen
Gewässern setzten die Eingeborenen den Widerstand energisch und
erfolgreich fort. Der tapfere und fähige Publius Vatinius, der früher
in diese Kämpfe mit großem Erfolg eingegriffen hatte, wurde mit einem
starken Heere nach Illyricum gesandt, wie es scheint in dem Jahre vor
Caesars Tode und nur als Vorhut des Hauptheeres, mit welchem der
Diktator selbst nachfolgend die eben damals mächtig emporstrebenden
Daker niederzuwerfen und die Verhältnisse im ganzen Donaugebiet zu
ordnen beabsichtigte. Diesen Plan schnitten die Dolche der Mörder ab;
man mußte sich glücklich schätzen, daß die Daker nicht ihrerseits in
Makedonien eindrangen, und Vatinius selbst focht gegen die Dalmater
unglücklich und mit starken Verlusten. Als dann die Republikaner im
Osten rüsteten, ging das illyrische Heer in das des Brutus über und die
Dalmatiner blieben längere Zeit unangefochten. Nach der Niederwerfung
der Republikaner ließ Antonius, dem bei der Teilung des Reiches
Makedonien zugefallen war, im Jahre 715 (39) die unbotmäßigen Dardaner
im Nordwesten und die Parthiner an der Küste (östlich von Durazzo) zu
Paaren treiben, wobei der berühmte Redner Gaius Asinius Pollio die
Ehren des Triumphes gewann. In Illyricum, welches unter Caesar stand,
konnte nichts geschehen, solange dieser seine ganze Macht auf den
sizilischen Krieg gegen Sextus Pompeius wenden mußte; aber nach dessen
glücklicher Beendigung warf Caesar selbst sich mit aller Kraft auf
diese Aufgabe. Die kleinen Völkerschaften von Doclea (Cernagora) bis zu
den Japuden (bei Fiume) wurden in dem ersten Feldzug (719 35) zur
Botmäßigkeit zurückgebracht oder jetzt zuerst gebändigt. Es war kein
großer Krieg mit namhaften Feldschlachten, aber die Gebirgskämpfe gegen
die tapferen und verzweifelnden Stämme und das Brechen der festen, zum
Teil mit römischen Maschinen ausgerüsteten Burgen waren keine leichte
Aufgabe; in keinem seiner Kriege hat Caesar in gleichem Grade eigene
Energie und persönliche Tapferkeit entwickelt. Nach der mühsamen
Unterwerfung des Japudengebiets marschierte er noch in demselben Jahre
im Tal der Kulpa aufwärts zu deren Mündung in die Save; die dort
gelegene feste Ortschaft Siscia (Sziszek), der Hauptwaffenplatz der
Pannonier, gegen den bisher die Römer noch nie mit Erfolg vorgegangen
waren, ward jetzt besetzt und zum Stützpunkt bestimmt für den Krieg
gegen die Daker, den Caesar demnächst aufzunehmen gedachte. In den
beiden folgenden Jahren (720, 721 34, 33) wurden die Dalmater, die seit
einer Reihe von Jahren gegen die Römer in Waffen standen, nach dem Fall
ihrer Feste Promona (Promina bei Dernis, oberhalb Sebenico) zur
Unterwerfung gezwungen. Wichtiger aber als diese Kriegserfolge war das
Friedenswerk, das zugleich sich vollzog und zu dessen Sicherung sie
dienen sollten. Ohne Zweifel in diesen Jahren erhielten die Hafenplätze
an der istrischen und dalmatinischen Küste, soweit sie in dem
Machtbereich Caesars lagen, Tergeste (Triest), Pola, Iader (Zara),
Salome (bei Spalato), Narona (an der Narentamündung), nicht minder
jenseits der Alpen, auf der Straße von Aquileia über die Julische Alpe
zur Save, Emona (Laibach), durch den zweiten Julier zum Teil städtische
Mauern, sämtlich städtisches Recht. Die Plätze selbst bestanden wohl
alle schon längst als römische Flecken; aber es war immer von
wesentlicher Bedeutung, daß sie jetzt unter die italischen Gemeinden
gleichberechtigt eingereiht wurden.
Der Dakerkrieg sollte folgen; aber der Bürgerkrieg ging zum zweitenmal
ihm vor. Statt nach Illyricum rief er den Herrscher in den Osten; und
der große Entscheidungskampf zwischen Caesar und Antonius warf seine
Wellen bis in das ferne Donaugebiet. Das durch den König Burebista
geeinigte und gereinigte Volk der Daker, jetzt unter dem König Cotiso,
sah sich von beiden Gegnern umworben - Caesar wurde sogar beschuldigt,
des Königs Tochter zur Ehe begehrt und ihm dagegen die Hand seiner
fünfjährigen Tochter Julia angetragen zu haben. Daß der Daker im
Hinblick auf die von dem Vater geplante, von dem Sohn durch die
Befestigung Siscias eingeleitete Invasion sich auf Antonius’ Seite
schlug, ist begreiflich; und hätte er ausgeführt, was man in Rom
besorgte, wäre er, während Caesar im Osten focht, vom Norden her in das
wehrlose Italien eingedrungen, oder hätte Antonius nach dem Vorschlag
der Daker die Entscheidung statt in Epirus vielmehr in Makedonien
gesucht und dort die dakischen Scharen an sich gezogen, so wären die
Würfel des Kriegsglücks vielleicht anders gefallen. Aber weder das eine
noch das andere geschah; zudem brach eben damals der durch Burebistas
kräftige Hand geschaffene Dakerstaat wieder auseinander; die inneren
Unruhen, vielleicht auch von Norden her die Angriffe der germanischen
Bastarner und der späterhin Dakien nach allen Richtungen umklammernden
sarmatischen Stämme, verhinderten die Daker, in den auch über ihre
Zukunft entscheidenden römischen Bürgerkrieg einzugreifen.
Unmittelbar nachdem die Entscheidung in diesem gefallen war, wandte
sich Caesar zu der Regulierung der Verhältnisse an der unteren Donau.
Indes da teils die Daker selbst nicht mehr so wie früher zu fürchten
waren, teils Caesar jetzt nicht mehr bloß über Illyricum, sondern über
die ganze griechisch-makedonische Halbinsel gebot, wurde zunächst diese
die Basis der römischen Operationen. Vergegenwärtigen wir uns die
Völker und die Herrschaftsverhältnisse; die Augustus dort vorfand.
Makedonien war seit Jahrhunderten römische Provinz. Als solche reichte
es nicht hinaus nördlich über Stobi und östlich über das
Rhodopegebirge; aber der Machtbereich Roms erstreckte sich weit über
die eigentliche Landesgrenze, obwohl in schwankendem Umfang und ohne
feste Form. Ungefähr scheinen die Römer damals bis zum Haemus (Balkan)
die Vormacht gehabt zu haben, während das Gebiet jenseits des Balkan
bis zur Donau wohl einmal von römischen Truppen betreten, aber
keineswegs von Rom abhängig war ^1. Jenseits des Rhodopegebirges waren
die Makedonien benachbarten thrakischen Dynasten, namentlich die der
Odrysen, denen der größte Teil der Südküste und ein Teil der Küste des
Schwarzen Meeres botmäßig war, durch die Expedition des Lucullus unter
römische Schutzherrschaft gekommen, während die Bewohner der mehr
binnenländischen Gebiete, namentlich die Besser an der oberen Mariza
Untertanen wohl hießen, aber nicht waren und ihre Einfälle in das
befriedete Gebiet sowie die Vergeltungszüge in das ihrige stetig
fortgingen. So hatte um das Jahr 694 (60) der leibliche Vater des
Augustus, Gaius Octavius, und im Jahre 711 (43) während der
Vorbereitungen zu dem Kriege gegen die Triumvirn Marcus Brutus gegen
sie gestritten. Eine andere thrakische Völkerschaft, die Dentheleten
(in der Gegend von Sofia), hatten noch in Ciceros Zeit bei einem
Einfall in Makedonien Miene gemacht, dessen Hauptstadt Thessalonike zu
belagern. Mit den Dardanern, den westlichen Nachbarn der Thraker, einem
Zweig der illyrischen Völkerfamilie, welche das südliche Serbien und
den Distrikt Prisrend bewohnten, hatte der Amtsvorgänger des Lucullus,
Curio, mit Erfolg und ein Dezennium später Ciceros Kollege im Konsulat,
Gaius Antonius, im Jahre 692 (62) unglücklich gefochten. Unterhalb des
dardanischen Gebiets, unmittelbar an der Donau, saßen wieder thrakische
Stämme, die einstmals mächtigen, jetzt herabgekommenen Triballer im Tal
des Oescus (in der Gegend von Plewna), weiterhin an beiden Ufern der
Donau bis zur Mündung Daker, oder wie sie am rechten Donauufer mit dem
alten, auch den asiatischen Stammgenossen gebliebenen Volksnamen
gewöhnlich genannt wurden, Myser oder Möser, wahrscheinlich zu
Burebistas Zeit ein Teil seines Reiches, jetzt wieder in verschiedene
Fürstentümer zersplittert. Die mächtigste Völkerschaft aber zwischen
Balkan und Donau waren damals die Bastarner. Wir sind diesem tapferen
und zahlreichen Stamm, dem östlichsten Zweig der großen germanischen
Sippe, schon mehrfach begegnet. Eigentlich ansässig hinter den
transdanuvianischen Dakern jenseits der Gebirge, die Siebenbürgen von
der Moldau scheiden, an den Donaumündungen und in dem weiten Gebiet von
da zum Dnjestr, befanden sie sich selber außerhalb des römischen
Bereichs; aber vorzugsweise aus ihnen hatte sowohl König Philipp von
Makedonien wie König Mithradates von Pontus seine Heere gebildet und in
dieser Weise hatten die Römer schon früher oft mit ihnen gestritten.
Jetzt hatten sie in großen Massen die Donau überschritten und sich
nördlich vom Haemus festgesetzt; insofern der dakische Krieg, wie ihn
Caesar der Vater und dann der Sohn geplant hatten, ohne Zweifel der
Gewinnung des rechten Ufers der unteren Donau galt, war er nicht minder
gegen sie gerichtet wie gegen die rechtsufrigen dakischen Möser. Die
griechischen Küstenstädte in dem Barbarenland Odessos (bei Varna),
Tomis, Istropolis, schwer bedrängt durch dies Völkergewoge, waren hier
wie überall die geborenen Klienten der Römer.
——————————————————————————-
^1 Dies sagt ausdrücklich Dio (51, 23) zum Jahre 725 (29): τέος μέν ούν
ταύτ εποίουν (d. h. solange die Bastarner nur die Triballer - bei
Oescus in Niedermösien - und die Dardaner in Obermösien angriffen),
ουδέν σφίσι πράγμα πρός τούς Ρωμαίους ήν. Επεί δέ τόν τε Αίμον
υπερέβεσαν καί τήν Θράκην τήν Δενθελήτων ένσπονδον αυτοίς ούσαν
κατέδραμον κ. τ. λ. Die Bundesgenossen in Mösien, von denen Dio 38, 10
spricht, sind die Küstenstädte.
——————————————————————————-
Zur Zeit der Diktatur Caesars, als Burebista auf der Höhe seiner Macht
stand, hatten die Daker an der Küste bis hinab nach Apollonia jenen
fürchterlichen Verheerungszug ausgeführt, dessen Spuren noch nach
anderthalb Jahrhunderten nicht verwischt waren. Es mag wohl zunächst
dieser Einfall gewesen sein, welcher Caesar den Vater bestimmte, den
Dakerkrieg zu unternehmen; und nachdem der Sohn jetzt auch über
Makedonien gebot, mußte er allerdings sich verpflichtet fühlen, eben
hier sofort und energisch einzugreifen. Die Niederlage, die Ciceros
Kollege Antonius bei Istropolis durch die Bastarner erlitten hatte,
darf als ein Beweis dafür genommen werden, daß diese Griechen wieder
einmal der Hilfe der Römer bedurften.
In der Tat wurde bald nach der Schlacht bei Actium (725 29) Marcus
Licinius Crassus, der Enkel des bei Karrhä gefallenen, von Caesar als
Statthalter nach Makedonien gesandt und beauftragt, den zweimal
verhinderten Feldzug nun auszuführen. Die Bastarner, welche eben damals
in Thrakien eingefallen waren, fügten sich ohne Widerstand, als Crassus
sie auffordern ließ, das römische Gebiet zu verlassen; aber ihr Rückzug
genügte dem Römer nicht. Er überschritt seinerseits den Haemus ^2,
schlug am Einfluß des Cibrus (Tzibritza) in die Donau die Feinde, deren
König Deldo auf der Wahlstatt blieb, und nahm, was aus der Schlacht in
eine nahe Festung entkommen war, mit Hilfe eines zu den Römern
haltenden Dakerfürsten gefangen. Ohne weiteren Widerstand zu leisten,
unterwarf sich dem Überwinder der Bastarner das gesamte mösische
Gebiet. Diese kamen im nächsten Jahr wieder, um die erlittene
Niederlage wettzumachen; aber sie unterlagen abermals und mit ihnen,
was von den mösischen Stämmen wieder zu den Waffen gegriffen hatte.
Damit waren diese Feinde von dem rechten Donauufer ein für allemal
ausgewiesen und dieses vollständig der römischen Herrschaft
unterworfen. Zugleich wurden die noch nicht botmäßigen Thraker
gebändigt, den Bessern das nationale Heiligtum des Dionysos genommen
und die Verwaltung desselben den Fürsten der Odrysen übertragen, welche
überhaupt seitdem unter dem Schutz der römischen Obergewalt die
Oberherrlichkeit über die thrakischen Völkerschaften südlich vom Haemus
führten oder doch führen sollten. Unter seinen Schutz wurden ferner die
griechischen Küstenstädte am Schwarzen Meere gestellt und auch das
übrige eroberte Gebiet verschiedenen Lehnsfürsten zugeteilt, auf die
somit zunächst der Schutz der Reichsgrenze überging ^3; eigene Legionen
hatte Rom für diese fernen Landschaften nicht übrig. Makedonien wurde
dadurch zur Binnenprovinz, die der militärischen Verwaltung nicht
ferner bedurfte. Das Ziel, das bei jenen dakischen Kriegsplänen ins
Auge gefaßt worden war, war erreicht.
————————————————————————————
^2 Wenn Dio sagt (51, 23): τήν Σεγετικήν κακουμένην προσεποιήσατο καί
ες τήν Μυσίδα ενέβαλε, so kann jene Stadt wohl nur Serdica sein, das
heutige Sofia, am oberen Oescus, der Schlüssel für das mösische Land.
^3 Nach dem Feldzug des Crassus ist das eroberte Land wahrscheinlich in
der Weise organisiert worden, daß die Küste zum Thrakischen Reich kam,
wie dies G. Zippel (Die römische Herrschaft in Illyricum bis auf
Augustus. Leipzig 1877, S. 243) dargetan hat, der westliche Teil aber,
ähnlich wie Thrakien den einheimischen Fürsten zu Lehen gegeben ward,
an deren eines Stelle der noch unter Tiberius fungierende praefectus
civitatium Moesiae et Triballiae (CIL V, 1838) getreten sein muß. Die
Achtes Buch
Länder und Leute von Caesar bis Diocletian
von Theodor Mommsen
The following e-text of Mommsen’s Roemische Geschichte contains some
(ancient) Greek quotations. The character set used for those quotations is a
modern Greek character set. Therefore, aspirations are not marked in Greek
words, nor is there any differentiation between the different accents of
ancient Greek and the subscript iotas are missing as well.
Contents
Vorrede
Achtes Buch—Länder und Leute von Caesar bis Diocletian
Einleitung
KAPITEL I. Die Nordgrenze Italiens
KAPITEL II. Spanien
KAPITEL III. Die gallischen Provinzen
KAPITEL IV. Das römische Germanien und die freien Germanen
KAPITEL V. Britannien
KAPITEL VI. Die Donauländer und die Kriege an der Donau
KAPITEL VII. Das griechische Europa
KAPITEL VIII. Kleinasien
KAPITEL IX. Die Euphratgrenze und die Parther
KAPITEL X. Syrien und das Nabatäerland
KAPITEL XI. Judäa und die Juden
KAPITEL XII. Ägypten
Vorrede
Der Wunsch, daß die ‘Römische Geschichte’ fortgesetzt werden möge, ist
mir öfter geäußert worden, und er trifft mit meinem eigenen zusammen,
so schwer es auch ist, nach dreißig Jahren den Faden da wieder
aufzunehmen, wo ich ihn fallen lassen mußte. Wenn er nicht unmittelbar
anknüpft, so ist daran wenig gelegen; ein Fragment würde der vierte
Band ohne den fünften ebenso sein, wie es der fünfte jetzt ist ohne den
vierten. Überdies meine ich, daß die beiden zwischen diesem und den
früheren fehlenden Bücher für das gebildete Publikum, dessen
Verständnis des römischen Altertums zu fördern diese Geschichte
bestimmt ist, eher durch andere Werke vertreten werden können als das
vorliegende. Der Kampf der Republikaner gegen die durch Caesar
errichtete Monarchie und deren definitive Feststellung, welche in dem
Sechsten Buch erzählt werden sollen, sind so gut aus dem Altertum
überliefert, daß jede Darstellung wesentlich auf eine Nacherzählung
hinausläuft. Das monarchische Regiment in seiner Eigenart und die
Fluktuationen der Monarchie sowie die durch die Persönlichkeit der
einzelnen Herrscher bedingten allgemeinen Regierungsverhältnisse, denen
das Siebente Buch bestimmt ist, sind wenigstens oftmals zum Gegenstand
der Darstellung gemacht worden. Was hier gegeben wird, die Geschichte
der einzelnen Landesteile von Caesar bis auf Diocletian, liegt, wenn
ich nicht irre, dem Publikum, an das dieses Werk sich wendet, in
zugänglicher Zusammenfassung nirgends vor, und daß dies nicht der Fall
ist, scheint mir die Ursache zu sein, weshalb dasselbe die römische
Kaiserzeit häufig unrichtig und unbillig beurteilt. Freilich kann diese
meines Erachtens für das richtige Verständnis der Geschichte der
römischen Kaiserzeit vorbedingende Trennung dieser Spezialgeschichten
von der allgemeinen des Reiches für manche Abschnitte, insbesondere für
die Epoche von Gallienus bis auf Diocletian, wieder nicht vollständig
durchgeführt werden und hat hier die noch ausstehende allgemeine
Darstellung ergänzend einzutreten.
Wenn überhaupt ein Geschichtswerk in den meisten Fällen nur mit und
durch die Landkarte anschaulich wird, so gilt dies von dieser
Darstellung des Reiches der drei Erdteile nach seinen Provinzen in
besonderem Grade, während hierfür genügende Karten nur in den Händen
weniger Leser sein können. Dieselben werden also mit mir meinem Freunde
Kiepert es danken, daß er, in der Weise und in der Begrenzung, wie der
Inhalt dieses Bandes es an die Hand gab, demselben zunächst ein
allgemeines Übersichtsblatt, das außerdem mehrfach für die
Spezialkarten ergänzend eintritt, und weiter Spezialkarten der
einzelnen Reichsteile hinzugefügt hat …
Berlin, im Februar 1885
Einige Versehen, auf die ich aufmerksam gemacht worden bin und die in
den Platten sich beseitigen ließen, sind bei dem dritten Abzuge
verbessert worden, der vierte ist ein unveränderter Abdruck des
vorigen.
Februar 1886; September 1894
Achtes Buch
Länder und Leute von Caesar bis Diocletian
Gehe durch die Welt und sprich mit jedem.
Firdusí
Einleitung
Die Geschichte der römischen Kaiserzeit stellt ähnliche Probleme wie
diejenige der früheren Republik.
Was aus der literarischen Überlieferung unmittelbar entnommen werden
kann, ist nicht bloß ohne Farbe und Gestalt, sondern in der Tat
meistens ohne Inhalt. Das Verzeichnis der römischen Monarchen ist
ungefähr ebenso glaubwürdig wie das der Konsuln der Republik und
ungefähr ebenso instruktiv. Die den ganzen Staat erschütternden großen
Krisen sind in ihren Umrissen erkennbar; viel besser aber als über die
Samnitenkriege sind wir auch nicht unterrichtet über die germanischen
unter den Kaisern Augustus und Marcus. Der republikanische
Anekdotenschatz ist sehr viel ehrbarer als der gleiche der Kaiserzeit;
aber die Erzählungen von Fabricius und die vom Kaiser Gaius sind
ziemlich gleich flach und gleich verlogen. Die innerliche Entwicklung
des Gemeinwesens liegt vielleicht für die frühere Republik in der
Überlieferung vollständiger vor als für die Kaiserzeit; dort bewahrt
sie eine, wenn auch getrübte und verfälschte Schilderung der
schließlich wenigstens auf dem Markte Roms endigenden Wandlungen der
staatlichen Ordnung; hier vollzieht sich diese im kaiserlichen Kabinett
und gelangt in der Regel nur mit ihren Gleichgültigkeiten in die
Öffentlichkeit. Dazu kommt die ungeheure Ausdehnung des Kreises und die
Verschiebung der lebendigen Entwicklung vom Zentrum in die Peripherie.
Die Geschichte der Stadt Rom hat sich zu der des Landes Italien, diese
zu der der Welt des Mittelmeers erweitert, und worauf es am meisten
ankommt, davon erfahren wir am wenigsten. Der römische Staat dieser
Epoche gleicht einem gewaltigen Baum, um dessen im Absterben
begriffenen Hauptstamm mächtige Nebentriebe rings emporstreben. Der
römische Senat und die römischen Herrscher entstammen bald jedem
anderen Reichsland ebensosehr wie Italien; die Quiriten dieser Epoche,
welche die nominellen Erben der weltbezwingenden Legionäre geworden
sind, haben zu den großen Erinnerungen der Vorzeit ungefähr dasselbe
Verhältnis wie unsere Johanniter zu Rhodos und Malta und betrachten
ihre Erbschaft als ein nutzbares Recht, als stiftungsmäßige Versorgung
arbeitsscheuer Armer. Wer an die sogenannten Quellen dieser Epoche,
auch die besseren, geht, bemeistert schwer den Unwillen über das Sagen
dessen, was verschwiegen zu werden verdiente, und das Verschweigen
dessen, was notwendig war zu sagen. Denn groß Gedachtes und weithin
Wirkendes ist auch in dieser Epoche geschaffen worden; die Führung des
Weltregiments ist selten so lange in geordneter Folge verblieben, und
die festen Verwaltungsnormen, wie sie Caesar und Augustus ihren
Nachfolgern vorzeichneten, haben sich im ganzen mit merkwürdiger
Festigkeit behauptet, trotz allem Wechsel der Dynastien und der
Dynasten, welcher in der nur darauf blickenden und bald zu
Kaiserbiographien zusammenschwindenden Überlieferung mehr als billig im
Vordergrunde steht. Die scharfen Abschnitte, welche in der
landläufigen, durch jene Oberflächlichkeit der Grundlage geirrten
Auffassung die Regierungswechsel machen, gehören weit mehr dem
Hoftreiben an als der Reichsgeschichte. Das eben ist das Großartige
dieser Jahrhunderte, daß das einmal angelegte Werk, die Durchführung
der lateinisch-griechischen Zivilisierung in der Form der Ausbildung
der städtischen Gemeindeverfassung, die allmähliche Einziehung der
barbarischen oder doch fremdartigen Elemente in diesen Kreis, eine
Arbeit, welche ihrem Wesen nach Jahrhunderte stetiger Tätigkeit und
ruhiger Selbstentwicklung erforderte, diese lange Frist und diesen
Frieden zu Lande und zur See gefunden hat. Das Greisenalter vermag
nicht neue Gedanken und schöpferische Tätigkeit zu entwickeln, und das
hat auch das römische Kaiserregiment nicht getan; aber es hat in seinem
Kreise, den die, welche ihm angehörten, nicht mit Unrecht als die Welt
empfanden, den Frieden und das Gedeihen der vielen vereinigten Nationen
länger und vollständiger gehegt, als es irgendeiner anderen Vormacht je
gelungen ist. In den Ackerstädten Afrikas, in den Winzerheimstätten an
der Mosel, in den blühenden Ortschaften der lykischen Gebirge und des
syrischen Wüstenrandes ist die Arbeit der Kaiserzeit zu suchen und auch
zu finden. Noch heute gibt es manche Landschaft des Orients wie des
Okzidents, für welche die Kaiserzeit den an sich sehr bescheidenen,
aber doch vorher wie nachher nie erreichten Höhepunkt des guten
Regiments bezeichnet; und wenn einmal ein Engel des Herrn die Bilanz
aufmachen sollte, ob das von Severus Antoninus beherrschte Gebiet
damals oder heute mit größerem Verstande und mit größerer Humanität
regiert worden ist, ob Gesittung und Völkerglück im allgemeinen seitdem
vorwärts- oder zurückgegangen sind, so ist es sehr zweifelhaft, ob der
Spruch zu Gunsten der Gegenwart ausfallen würde. Aber wenn wir finden,
daß dieses also war, so fragen wir die Bücher, die uns geblieben sind,
meistens umsonst, wie dieses also geworden ist. Sie geben darauf
sowenig eine Antwort, wie die Überlieferung der früheren Republik die
gewaltige Erscheinung des Rom erklärt, welches in Alexanders Spuren die
Welt unterwarf und zivilisierte.
Ausfüllen läßt sich die eine Lücke sowenig wie die andere. Aber es
schien des Versuches wert, einmal abzusehen sowohl von den
Regentenschilderungen mit ihren bald grellen, bald blassen und nur zu
oft gefälschten Farben wie auch von dem scheinhaft chronologischen
Aneinanderreihen nicht zusammenpassender Fragmente, und dafür zu
sammeln und zu ordnen, was für die Darstellung des römischen
Provinzialregiments die Überlieferung und die Denkmäler bieten, der
Mühe wert, durch diese oder durch jene zufällig erhaltene Nachrichten,
in dem Gewordenen aufbewahrte Spuren des Werdens, allgemeine
Institutionen in ihrer Beziehung auf die einzelnen Landesteile, mit den
für jeder. derselben, durch die Natur des Bodens und der Bewohner
gegebenen Bedingungen, durch die Phantasie, welche wie aller Poesie so
auch aller Historie Mutter ist, nicht zu einem Ganzen, aber zu dem
Surrogat eines solchen zusammenzufassen. Aber die Epoche Diocletians
habe ich dabei nicht hinausgehen wollen, weil das neue Regiment,
welches damals geschaffen wurde, höchstens im zusammenfassenden
Ausblick den Schlußstein dieser Erzählung bilden kann; seine volle
Würdigung verlangt eine besondere Erzählung und einen anderen
Weltrahmen, ein bei schärferem Verständnis des Einzelnen in dem großen
Sinn und mit dem weiten Blick Gibbons durchgeführtes selbständiges
Geschichtswerk. Italien und seine Inseln sind ausgeschlossen worden, da
diese Darstellung von der des allgemeinen Reichsregiments nicht
getrennt werden kann. Die sogenannte äußere Geschichte der Kaiserzeit
ist aufgenommen als integrierender Teil der Provinzialverwaltung; was
wir Reichskriege nennen würden, sind gegen das Ausland unter der
Kaiserzeit nicht geführt worden, wenngleich die durch die Arrondierung
oder Verteidigung der Grenzen hervorgerufenen Kämpfe einige Male
Verhältnisse annahmen, daß sie als Kriege zwischen zwei gleichartigen
Mächten erscheinen, und der Zusammensturz der römischen Herrschaft in
der Mitte des dritten Jahrhunderts, welcher einige Dezennien hindurch
ihr definitives Ende werden zu sollen schien, aus der an mehreren
Stellen gleichzeitig unglücklich geführten Grenzverteidigung sich
entwickelte. Die große Vorschiebung und Regulierung der Nordgrenze, wie
sie unter Augustus teilweise ausgeführt ward, teilweise mißlang, leitet
die Erzählung ein. Auch sonst sind die Ereignisse auf einem jeden der
drei hauptsächlichsten Schauplätze der Grenzverteidigung, des Rheins,
der Donau, des Euphrat, zusammengefaßt worden. Im übrigen ist die
Darstellung nach den Landschaften geordnet. Im einzelnen fesselndes
Detail, Stimmungsschilderungen und Charakterköpfe hat sie nicht zu
bieten; es ist dem Künstler, aber nicht dem Geschichtschreiber erlaubt,
das Antlitz des Arminius zu erfinden. Mit Entsagung ist dies Buch
geschrieben und mit Entsagung möchte es gelesen sein.
KAPITEL I.
Die Nordgrenze Italiens
Die römische Republik hat ihr Gebiet hauptsächlich auf den Seewegen
gegen Westen, Süden und Osten erweitert; nach derjenigen Richtung hin,
in welcher Italien und die von ihm abhängigen beiden Halbinseln im
Westen und im Osten mit dem großen Kontinent Europas zusammenhängen,
war dies wenig geschehen. Das Hinterland Makedoniens gehorchte den
Römern nicht und nicht einmal der nördliche Abhang der Alpen; nur das
Hinterland der gallischen Südküste war durch Caesar zum Reiche
gekommen. Bei der Stellung, die das Reich im allgemeinen einnahm,
durfte dies so nicht bleiben; die Beseitigung des trägen und unsicheren
Regiments der Aristokratie mußte vor allem an dieser Stelle sich
geltend machen. Nicht so geradezu wie die Eroberung Britanniens hatte
Caesar die Ausdehnung des römischen Gebiets am Nordabhang der Alpen und
am rechten Ufer des Rheins den Erben seiner Machtstellung aufgetragen;
aber der Sache nach war die letztere Grenzerweiterung bei weitem näher
gelegt und notwendiger als die Unterwerfung der überseeischen Kelten,
und man versteht es, daß Augustus diese unterließ und jene aufnahm.
Dieselbe zerfiel in drei große Abschnitte: die Operationen an der
Nordgrenze der griechisch-makedonischen Halbinsel im Gebiet der
mittleren und unteren Donau, in Illyricum; die an der Nordgrenze
Italiens selbst, im oberen Donaugebiet, in Rätien und Noricum; endlich
die am rechten Rheinufer, in Germanien. Meistens selbständig geführt,
hängen die militärisch-politischen Vornahmen in diesen Gebieten doch
innerlich zusammen, und wie sie sämtlich aus der freien Initiative der
römischen Regierung hervorgegangen sind, können sie auch in ihrem
Gelingen wie in ihrem teilweisen Mißlingen nur in ihrer Gesamtheit
militärisch und politisch verstanden werden. Sie werden darum auch mehr
im örtlichen als wie zeitlichen Zusammenhang dargelegt werden; das
Gebäude, von dem sie doch nur Teile sind, wird besser in seiner inneren
Geschlossenheit als in der Zeitfolge der Bauten betrachtet.
Das Vorspiel zu dieser großen Gesamtaktion machen die Einrichtungen,
welche Caesar der Sohn, so wie er in Italien und Sizilien freie Hand
gewonnen hatte, an den oberen Küsten des Adriatischen Meeres und im
angrenzenden Binnenland vornahm. In den hundertundfünfzig Jahren, die
seit der Gründung Aquileias verflossen waren, hatte wohl der römische
Kaufmann von dort aus sich des Verkehrs mehr und mehr bemächtigt, aber
der Staat unmittelbar nur geringe Fortschritte gemacht. An den
Haupthäfen der dalmatinischen Küste, ebenso auf der von Aquileia in das
Savetal führenden Straße bei Nauportus (Ober-Laibach) hatten sich
ansehnliche Handelsniederlassungen gebildet; Dalmatien, Bosnien,
Istrien und die Krain galten als römisches Gebiet und wenigstens das
Küstenland war in der Tat botmäßig; aber die rechtliche Städtegründung
stand noch ebenso aus wie die Bändigung des unwirtlichen Binnenlandes.
Hier aber kam noch ein anderes Moment hinzu. In dem Kriege zwischen
Caesar und Pompeius hatten die einheimischen Dalmater ebenso
entschieden für den letzteren Partei ergriffen wie die dort ansässigen
Römer für Caesar; auch nach der Niederlage des Pompeius bei Pharsalos
und nach der Verdrängung der Pompeianischen Flotte aus den illyrischen
Gewässern setzten die Eingeborenen den Widerstand energisch und
erfolgreich fort. Der tapfere und fähige Publius Vatinius, der früher
in diese Kämpfe mit großem Erfolg eingegriffen hatte, wurde mit einem
starken Heere nach Illyricum gesandt, wie es scheint in dem Jahre vor
Caesars Tode und nur als Vorhut des Hauptheeres, mit welchem der
Diktator selbst nachfolgend die eben damals mächtig emporstrebenden
Daker niederzuwerfen und die Verhältnisse im ganzen Donaugebiet zu
ordnen beabsichtigte. Diesen Plan schnitten die Dolche der Mörder ab;
man mußte sich glücklich schätzen, daß die Daker nicht ihrerseits in
Makedonien eindrangen, und Vatinius selbst focht gegen die Dalmater
unglücklich und mit starken Verlusten. Als dann die Republikaner im
Osten rüsteten, ging das illyrische Heer in das des Brutus über und die
Dalmatiner blieben längere Zeit unangefochten. Nach der Niederwerfung
der Republikaner ließ Antonius, dem bei der Teilung des Reiches
Makedonien zugefallen war, im Jahre 715 (39) die unbotmäßigen Dardaner
im Nordwesten und die Parthiner an der Küste (östlich von Durazzo) zu
Paaren treiben, wobei der berühmte Redner Gaius Asinius Pollio die
Ehren des Triumphes gewann. In Illyricum, welches unter Caesar stand,
konnte nichts geschehen, solange dieser seine ganze Macht auf den
sizilischen Krieg gegen Sextus Pompeius wenden mußte; aber nach dessen
glücklicher Beendigung warf Caesar selbst sich mit aller Kraft auf
diese Aufgabe. Die kleinen Völkerschaften von Doclea (Cernagora) bis zu
den Japuden (bei Fiume) wurden in dem ersten Feldzug (719 35) zur
Botmäßigkeit zurückgebracht oder jetzt zuerst gebändigt. Es war kein
großer Krieg mit namhaften Feldschlachten, aber die Gebirgskämpfe gegen
die tapferen und verzweifelnden Stämme und das Brechen der festen, zum
Teil mit römischen Maschinen ausgerüsteten Burgen waren keine leichte
Aufgabe; in keinem seiner Kriege hat Caesar in gleichem Grade eigene
Energie und persönliche Tapferkeit entwickelt. Nach der mühsamen
Unterwerfung des Japudengebiets marschierte er noch in demselben Jahre
im Tal der Kulpa aufwärts zu deren Mündung in die Save; die dort
gelegene feste Ortschaft Siscia (Sziszek), der Hauptwaffenplatz der
Pannonier, gegen den bisher die Römer noch nie mit Erfolg vorgegangen
waren, ward jetzt besetzt und zum Stützpunkt bestimmt für den Krieg
gegen die Daker, den Caesar demnächst aufzunehmen gedachte. In den
beiden folgenden Jahren (720, 721 34, 33) wurden die Dalmater, die seit
einer Reihe von Jahren gegen die Römer in Waffen standen, nach dem Fall
ihrer Feste Promona (Promina bei Dernis, oberhalb Sebenico) zur
Unterwerfung gezwungen. Wichtiger aber als diese Kriegserfolge war das
Friedenswerk, das zugleich sich vollzog und zu dessen Sicherung sie
dienen sollten. Ohne Zweifel in diesen Jahren erhielten die Hafenplätze
an der istrischen und dalmatinischen Küste, soweit sie in dem
Machtbereich Caesars lagen, Tergeste (Triest), Pola, Iader (Zara),
Salome (bei Spalato), Narona (an der Narentamündung), nicht minder
jenseits der Alpen, auf der Straße von Aquileia über die Julische Alpe
zur Save, Emona (Laibach), durch den zweiten Julier zum Teil städtische
Mauern, sämtlich städtisches Recht. Die Plätze selbst bestanden wohl
alle schon längst als römische Flecken; aber es war immer von
wesentlicher Bedeutung, daß sie jetzt unter die italischen Gemeinden
gleichberechtigt eingereiht wurden.
Der Dakerkrieg sollte folgen; aber der Bürgerkrieg ging zum zweitenmal
ihm vor. Statt nach Illyricum rief er den Herrscher in den Osten; und
der große Entscheidungskampf zwischen Caesar und Antonius warf seine
Wellen bis in das ferne Donaugebiet. Das durch den König Burebista
geeinigte und gereinigte Volk der Daker, jetzt unter dem König Cotiso,
sah sich von beiden Gegnern umworben - Caesar wurde sogar beschuldigt,
des Königs Tochter zur Ehe begehrt und ihm dagegen die Hand seiner
fünfjährigen Tochter Julia angetragen zu haben. Daß der Daker im
Hinblick auf die von dem Vater geplante, von dem Sohn durch die
Befestigung Siscias eingeleitete Invasion sich auf Antonius’ Seite
schlug, ist begreiflich; und hätte er ausgeführt, was man in Rom
besorgte, wäre er, während Caesar im Osten focht, vom Norden her in das
wehrlose Italien eingedrungen, oder hätte Antonius nach dem Vorschlag
der Daker die Entscheidung statt in Epirus vielmehr in Makedonien
gesucht und dort die dakischen Scharen an sich gezogen, so wären die
Würfel des Kriegsglücks vielleicht anders gefallen. Aber weder das eine
noch das andere geschah; zudem brach eben damals der durch Burebistas
kräftige Hand geschaffene Dakerstaat wieder auseinander; die inneren
Unruhen, vielleicht auch von Norden her die Angriffe der germanischen
Bastarner und der späterhin Dakien nach allen Richtungen umklammernden
sarmatischen Stämme, verhinderten die Daker, in den auch über ihre
Zukunft entscheidenden römischen Bürgerkrieg einzugreifen.
Unmittelbar nachdem die Entscheidung in diesem gefallen war, wandte
sich Caesar zu der Regulierung der Verhältnisse an der unteren Donau.
Indes da teils die Daker selbst nicht mehr so wie früher zu fürchten
waren, teils Caesar jetzt nicht mehr bloß über Illyricum, sondern über
die ganze griechisch-makedonische Halbinsel gebot, wurde zunächst diese
die Basis der römischen Operationen. Vergegenwärtigen wir uns die
Völker und die Herrschaftsverhältnisse; die Augustus dort vorfand.
Makedonien war seit Jahrhunderten römische Provinz. Als solche reichte
es nicht hinaus nördlich über Stobi und östlich über das
Rhodopegebirge; aber der Machtbereich Roms erstreckte sich weit über
die eigentliche Landesgrenze, obwohl in schwankendem Umfang und ohne
feste Form. Ungefähr scheinen die Römer damals bis zum Haemus (Balkan)
die Vormacht gehabt zu haben, während das Gebiet jenseits des Balkan
bis zur Donau wohl einmal von römischen Truppen betreten, aber
keineswegs von Rom abhängig war ^1. Jenseits des Rhodopegebirges waren
die Makedonien benachbarten thrakischen Dynasten, namentlich die der
Odrysen, denen der größte Teil der Südküste und ein Teil der Küste des
Schwarzen Meeres botmäßig war, durch die Expedition des Lucullus unter
römische Schutzherrschaft gekommen, während die Bewohner der mehr
binnenländischen Gebiete, namentlich die Besser an der oberen Mariza
Untertanen wohl hießen, aber nicht waren und ihre Einfälle in das
befriedete Gebiet sowie die Vergeltungszüge in das ihrige stetig
fortgingen. So hatte um das Jahr 694 (60) der leibliche Vater des
Augustus, Gaius Octavius, und im Jahre 711 (43) während der
Vorbereitungen zu dem Kriege gegen die Triumvirn Marcus Brutus gegen
sie gestritten. Eine andere thrakische Völkerschaft, die Dentheleten
(in der Gegend von Sofia), hatten noch in Ciceros Zeit bei einem
Einfall in Makedonien Miene gemacht, dessen Hauptstadt Thessalonike zu
belagern. Mit den Dardanern, den westlichen Nachbarn der Thraker, einem
Zweig der illyrischen Völkerfamilie, welche das südliche Serbien und
den Distrikt Prisrend bewohnten, hatte der Amtsvorgänger des Lucullus,
Curio, mit Erfolg und ein Dezennium später Ciceros Kollege im Konsulat,
Gaius Antonius, im Jahre 692 (62) unglücklich gefochten. Unterhalb des
dardanischen Gebiets, unmittelbar an der Donau, saßen wieder thrakische
Stämme, die einstmals mächtigen, jetzt herabgekommenen Triballer im Tal
des Oescus (in der Gegend von Plewna), weiterhin an beiden Ufern der
Donau bis zur Mündung Daker, oder wie sie am rechten Donauufer mit dem
alten, auch den asiatischen Stammgenossen gebliebenen Volksnamen
gewöhnlich genannt wurden, Myser oder Möser, wahrscheinlich zu
Burebistas Zeit ein Teil seines Reiches, jetzt wieder in verschiedene
Fürstentümer zersplittert. Die mächtigste Völkerschaft aber zwischen
Balkan und Donau waren damals die Bastarner. Wir sind diesem tapferen
und zahlreichen Stamm, dem östlichsten Zweig der großen germanischen
Sippe, schon mehrfach begegnet. Eigentlich ansässig hinter den
transdanuvianischen Dakern jenseits der Gebirge, die Siebenbürgen von
der Moldau scheiden, an den Donaumündungen und in dem weiten Gebiet von
da zum Dnjestr, befanden sie sich selber außerhalb des römischen
Bereichs; aber vorzugsweise aus ihnen hatte sowohl König Philipp von
Makedonien wie König Mithradates von Pontus seine Heere gebildet und in
dieser Weise hatten die Römer schon früher oft mit ihnen gestritten.
Jetzt hatten sie in großen Massen die Donau überschritten und sich
nördlich vom Haemus festgesetzt; insofern der dakische Krieg, wie ihn
Caesar der Vater und dann der Sohn geplant hatten, ohne Zweifel der
Gewinnung des rechten Ufers der unteren Donau galt, war er nicht minder
gegen sie gerichtet wie gegen die rechtsufrigen dakischen Möser. Die
griechischen Küstenstädte in dem Barbarenland Odessos (bei Varna),
Tomis, Istropolis, schwer bedrängt durch dies Völkergewoge, waren hier
wie überall die geborenen Klienten der Römer.
——————————————————————————-
^1 Dies sagt ausdrücklich Dio (51, 23) zum Jahre 725 (29): τέος μέν ούν
ταύτ εποίουν (d. h. solange die Bastarner nur die Triballer - bei
Oescus in Niedermösien - und die Dardaner in Obermösien angriffen),
ουδέν σφίσι πράγμα πρός τούς Ρωμαίους ήν. Επεί δέ τόν τε Αίμον
υπερέβεσαν καί τήν Θράκην τήν Δενθελήτων ένσπονδον αυτοίς ούσαν
κατέδραμον κ. τ. λ. Die Bundesgenossen in Mösien, von denen Dio 38, 10
spricht, sind die Küstenstädte.
——————————————————————————-
Zur Zeit der Diktatur Caesars, als Burebista auf der Höhe seiner Macht
stand, hatten die Daker an der Küste bis hinab nach Apollonia jenen
fürchterlichen Verheerungszug ausgeführt, dessen Spuren noch nach
anderthalb Jahrhunderten nicht verwischt waren. Es mag wohl zunächst
dieser Einfall gewesen sein, welcher Caesar den Vater bestimmte, den
Dakerkrieg zu unternehmen; und nachdem der Sohn jetzt auch über
Makedonien gebot, mußte er allerdings sich verpflichtet fühlen, eben
hier sofort und energisch einzugreifen. Die Niederlage, die Ciceros
Kollege Antonius bei Istropolis durch die Bastarner erlitten hatte,
darf als ein Beweis dafür genommen werden, daß diese Griechen wieder
einmal der Hilfe der Römer bedurften.
In der Tat wurde bald nach der Schlacht bei Actium (725 29) Marcus
Licinius Crassus, der Enkel des bei Karrhä gefallenen, von Caesar als
Statthalter nach Makedonien gesandt und beauftragt, den zweimal
verhinderten Feldzug nun auszuführen. Die Bastarner, welche eben damals
in Thrakien eingefallen waren, fügten sich ohne Widerstand, als Crassus
sie auffordern ließ, das römische Gebiet zu verlassen; aber ihr Rückzug
genügte dem Römer nicht. Er überschritt seinerseits den Haemus ^2,
schlug am Einfluß des Cibrus (Tzibritza) in die Donau die Feinde, deren
König Deldo auf der Wahlstatt blieb, und nahm, was aus der Schlacht in
eine nahe Festung entkommen war, mit Hilfe eines zu den Römern
haltenden Dakerfürsten gefangen. Ohne weiteren Widerstand zu leisten,
unterwarf sich dem Überwinder der Bastarner das gesamte mösische
Gebiet. Diese kamen im nächsten Jahr wieder, um die erlittene
Niederlage wettzumachen; aber sie unterlagen abermals und mit ihnen,
was von den mösischen Stämmen wieder zu den Waffen gegriffen hatte.
Damit waren diese Feinde von dem rechten Donauufer ein für allemal
ausgewiesen und dieses vollständig der römischen Herrschaft
unterworfen. Zugleich wurden die noch nicht botmäßigen Thraker
gebändigt, den Bessern das nationale Heiligtum des Dionysos genommen
und die Verwaltung desselben den Fürsten der Odrysen übertragen, welche
überhaupt seitdem unter dem Schutz der römischen Obergewalt die
Oberherrlichkeit über die thrakischen Völkerschaften südlich vom Haemus
führten oder doch führen sollten. Unter seinen Schutz wurden ferner die
griechischen Küstenstädte am Schwarzen Meere gestellt und auch das
übrige eroberte Gebiet verschiedenen Lehnsfürsten zugeteilt, auf die
somit zunächst der Schutz der Reichsgrenze überging ^3; eigene Legionen
hatte Rom für diese fernen Landschaften nicht übrig. Makedonien wurde
dadurch zur Binnenprovinz, die der militärischen Verwaltung nicht
ferner bedurfte. Das Ziel, das bei jenen dakischen Kriegsplänen ins
Auge gefaßt worden war, war erreicht.
————————————————————————————
^2 Wenn Dio sagt (51, 23): τήν Σεγετικήν κακουμένην προσεποιήσατο καί
ες τήν Μυσίδα ενέβαλε, so kann jene Stadt wohl nur Serdica sein, das
heutige Sofia, am oberen Oescus, der Schlüssel für das mösische Land.
^3 Nach dem Feldzug des Crassus ist das eroberte Land wahrscheinlich in
der Weise organisiert worden, daß die Küste zum Thrakischen Reich kam,
wie dies G. Zippel (Die römische Herrschaft in Illyricum bis auf
Augustus. Leipzig 1877, S. 243) dargetan hat, der westliche Teil aber,
ähnlich wie Thrakien den einheimischen Fürsten zu Lehen gegeben ward,
an deren eines Stelle der noch unter Tiberius fungierende praefectus
civitatium Moesiae et Triballiae (CIL V, 1838) getreten sein muß. Die
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