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Die Jungfrau von Orleans - 1

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  Friedrich Schiller
  Die Jungfrau von Orleans
  Eine romantische Tragödie
  PERSONEN
  Karl der Siebente, König von Frankreich
  Königin Isabeau, seine Mutter
  Agnes Sorel, seine Geliebte
  Philipp der Gute, Herzog von Burgund
  Graf Dunois, Bastard von Orleans
  La Hire Du Chatel, königliche Offiziere
  Erzbischof von Reims
  Chatillon, ein burgundischer Ritter
  Raoul, ein lothringischer Ritter
  Talbot, Feldherr der Engelländer
  Lionel Fastolf, englische Anführer
  Montgomery, ein Walliser
  Ratsherren von Orleans
  Ein englischer Herold
  Thibaut d'Arc, ein reicher Landmann
  Margot Louison Johanna, seine Töchter
  Etienne Claude, Marie Raimond, ihre Freier
  Bertrand, ein anderer Landmann
  Die Erscheinung eines schwarzen, Ritters
  Köhler und Köhlerweib
  Soldaten und Volk, königliche
  Kronbediente, Bischöfe, Mönche, Marschälle, Magistratspersonen,
  Hofleute und andere stumme Personen im Gefolge des Krönungszuges
  
  ERSTER AUFZUG
  Hoflager König Karls zu Chinon
  Erster Auftritt
  Dunois und Du Chatel
  DUNOIS. Nein, ich ertrag es länger nicht. Ich sage
  Mich los von diesem König, der unrühmlich
  Sich selbst verläßt. Mir blutet in der Brust
  Das tapfre Herz und glühnde Tränen möcht ich weinen,
  Daß Räuber in das königliche Frankreich
  Sich teilen mit dem Schwert, die edeln Städte,
  Die mit der Monarchie gealtert sind,
  Dem Feind die rostgen Schlüssel überliefern,
  Indes wir hier in tatenloser Ruh
  Die köstlich edle Rettungszeit verschwenden.
  --Ich höre Orleans bedroht, ich fliege
  Herbei aus der entlegnen Normandie,
  Den König denk ich kriegerisch gerüstet
  An seines Heeres Spitze schon zu finden,
  Und find ihn--hier! Umringt von Gaukelspielern
  Und Troubadours, spitzfindge Rätsel lösend
  Und der Sorel galante Feste gebend,
  Als waltete im Reich der tiefste Friede!
  --Der Connetable geht, er kann den Greul
  Nicht länger ansehn.--Ich verlaß ihn auch,
  Und übergeb ihn seinem bösen Schicksal.
  DU CHATEL. Da kommt der König!
  
  ERSTER AUFZUG
  Zweiter Auftritt
  König Karl zu den Vorigen
  KARL. Der Connetable schickt sein Schwert zurück,
  Und sagt den Dienst mir auf.--In Gottes Namen!
  So sind wir eines mürrschen Mannes los,
  Der unverträglich uns nur meistern wollte.
  DUNOIS. Ein Mann ist viel wert in so teurer Zeit,
  Ich möcht ihn nicht mit leichtem Sinn verlieren.
  KARL. Das sagst du nur aus Lust des Widerspruchs,
  Solang er dawar, warst du nie sein Freund.
  DUNOIS. Er war ein stolz verdrießlich schwerer Narr,
  Und wußte nie zu enden--diesmal aber
  Weiß ers. Er weiß zu rechter Zeit zu gehn,
  Wo keine Ehre mehr zu holen ist.
  KARL. Du bist in deiner angenehmen Laune,
  Ich will dich nicht drin stören.--Du Chatel!
  Es sind Gesandte da vom alten König,
  René, belobte Meister im Gesang,
  Und weit berühmt.--Man muß sie wohl bewirten,
  Und jedem eine goldne Kette reichen.
  (Zum Bastard) Worüber lachst du?
  DUNOIS. Daß du goldne Ketten
  Aus deinem Munde schüttelst.
  DU CHATEL. Sire! Es ist
  Kein Geld in deinem Schatze mehr vorhanden.
  KARL. So schaffe welches.--Edle Sänger dürfen
  Nicht ungeehrt von meinem Hofe ziehen.
  Sie machen uns den dürren Szepter blühn,
  Sie flechten den unsterblich grünen Zweig
  Des Lebens in die unfruchtbare Krone,
  Sie stellen herrschend sich den Herrschern gleich,
  Aus leichten Wünschen bauen sie sich Throne,
  Und nicht im Raume liegt ihr harmlos Reich,
  Sie beide wohnen auf der Menschheit Höhen!
  DU CHATEL. Mein königlicher Herr! Ich hab dein Ohr
  Verschont, solang noch Rat und Hülfe war,
  Doch endlich löst die Notdurft mir die Zunge.
  – Du hast nichts mehr zu schenken, ach! du hast
  Nicht mehr, wovon du morgen könntest leben!
  Die hohe Flut des Reichtums ist zerflossen,
  Und tiefe Ebbe ist in deinem Schatz.
  Den Truppen ist der Sold noch nicht bezahlt,
  Sie drohen murrend abzuziehen.--Kaum weiß
  Ich Rat, dein eignes königliches Haus
  Notdürftig nur, nicht fürstlich, zu erhalten.
  KARL. Verpfände meine königlichen Zölle,
  Und laß dir Geld darleihn von den Lombarden.
  DU CHATEL. Sire, deine Kroneinkünfte, deine Zölle,
  Sind auf drei Jahre schon voraus verpfändet.
  DUNOIS. Und unterdes geht Pfand und Land verloren.
  KARL. Uns bleiben noch viel reiche schöne Länder.
  DUNOIS. Solang es Gott gefällt und Talbots Schwert!
  Wenn Orleans genommen ist, magst du
  Mit deinem König René Schafe hüten.
  KARL. Stets übst du deinen Witz an diesem König,
  Doch ist es dieser länderlose Fürst,
  Der eben heut mich königlich beschenkte.
  DUNOIS. Nur nicht mit seiner Krone von Neapel,
  Um Gotteswillen nicht! Denn die ist feil,
  Hab ich gehört, seitdem er Schafe weidet.
  KARL. Das ist ein Scherz, ein heitres Spiel, ein Fest,
  Das er sich selbst und seinem Herzen gibt,
  Sich eine schuldlos reine Welt zu gründen
  In dieser rauh barbarschen Wirklichkeit.
  Doch was er Großes, Königliches will--
  Er will die alten Zeiten wiederbringen,
  Wo zarte Minne herrschte, wo die Liebe
  Der Ritter große Heldenherzen hob,
  Und edle Frauen zu Gerichte saßen,
  Mit zartem Sinne alles Feine schlichtend.
  In jenen Zeiten wohnt der heitre Greis,
  Und wie sie noch in alten Liedern leben,
  So will er sie, wie eine Himmelstadt,
  In goldnen Wolken, auf die Erde setzen--
  Gegründet hat er einen Liebeshof,
  Wohin die edlen Ritter sollen wallen,
  Wo keusche Frauen herrlich sollen thronen,
  Wo reine Minne wiederkehren soll,
  Und mich hat er erwählt zum Fürst der Liebe.
  DUNOIS. Ich bin so sehr nicht aus der Art geschlagen,
  Daß ich der Liebe Herrschaft sollte schmähn.
  Ich nenne mich nach ihr, ich bin ihr Sohn,
  Und all mein Erbe liegt in ihrem Reich.
  Mein Vater war der Prinz von Orleans,
  Ihm war kein weiblich Herz unüberwindlich,
  Doch auch kein feindlich Schloß war ihm zu fest.
  Willst du der Liebe Fürst dich würdig nennen,
  So sei der Tapfern Tapferster!--Wie ich
  Aus jenen alten Büchern mir gelesen,
  War Liebe stets mit hoher Rittertat
  Gepaart und Helden, hat man mich gelehrt,
  Nicht Schäfer saßen an der Tafelrunde.
  Wer nicht die Schönheit tapfer kann beschützen,
  Verdient nicht ihren goldnen Preis.--Hier ist
  Der Fechtplatz! Kämpf um deiner Väter Krone!
  Verteidige mit ritterlichem Schwert
  Dein Eigentum und edler Frauen Ehre--
  Und hast du dir aus Strömen Feindesbluts
  Die angestammte Krone kühn erobert,
  Dann ist es Zeit und steht dir fürstlich an,
  Dich mit der Liebe Myrten zu bekrönen.
  KARL (zu einem Edelknecht, der hereintritt).
  Was gibts?
  EDELKNECHT. Ratsherrn von Orleans flehen um Gehör.
  KARL. Führ sie herein.
  (Edelknecht geht ab) Sie werden Hülfe fodern,
  Was kann ich tun, der selber hülflos ist!
  
  ERSTER AUFZUG
  Dritter Auftritt
  Drei Ratsherren zu den Vorigen
  KARL. Willkommen, meine vielgetreuen Bürger
  Aus Orleans! Wie stehts um meine gute Stadt?
  Fährt sie noch fort mit dem gewohnten Mut
  Dem Feind zu widerstehn, der sie belagert?
  RATSHERR. Ach Sire! Es drängt die höchste Not, und stündlich wachsend
  Schwillt das Verderben an die Stadt heran.
  Die äußern Werke sind zerstört, der Feind
  Gewinnt mit jedem Sturme neuen Boden.
  Entblößt sind von Verteidigern die Mauern,
  Denn rastlos fechtend fällt die Mannschaft aus,
  Doch wen'ge sehn die Heimatpforte wieder,
  Und auch des Hungers Plage droht der Stadt.
  Drum hat der edle Graf von Rochepierre,
  Der drin befehlt, in dieser höchsten Not
  Vertragen mit dem Feind, nach altem Brauch,
  Sich zu ergeben auf den zwölften Tag,
  Wenn binnen dieser Zeit kein Heer im Feld
  Erschien, zahlreich genug, die Stadt zu retten.
  (Dunois macht eine heftige Bewegung des Zorns)
  KARL. Die Frist ist kurz.
  RATSHERR. Und jetzo sind wir hier
  Mit Feinds Geleit, daß wir dein fürstlich Herz
  Anflehen, deiner Stadt dich zu erbarmen,
  Und Hülf zu senden binnen dieser Frist,
  Sonst übergibt er sie am zwölften Tage.
  DUNOIS. Saintrailles konnte seine Stimme geben
  Zu solchem schimpflichen Vertrag!
  RATSHERR. Nein, Herr!
  Solang der Tapfre lebte, durfte nie
  Die Rede sein von Fried und Übergabe.
  Dunois. So ist er tot!
  Ratsherr. An unsern Mauern sank
  Der edle Held für seines Königs Sache.
  KARL. Saintrallles tot! O in dem einzgen Mann
  Sinkt mir ein Heer!
  (Ein Ritter kommt und spricht einige Worte leise mit dem Bastard,
  welcher betroffen auffährt)
  DUNOIS. Auch das noch!
  KARL. Nun! Was gibts?
  DUNOIS. Graf Douglas sendet her. Die schottschen Völker
  Empören sich und drohen abzuziehn,
  Wenn sie nicht heut den Rückstand noch erhalten.
  KARL. Du Chatel!
  DU CHATEL (zuckt die Achseln).
  Sire! Ich weiß nicht Rat.
  KARL. Versprich,
  Verpfände was du hast, mein halbes Reich--
  Du CHATEL. Hilft nichts! Sie sind zu oft vertröstet worden!
  KARL. Es sind die besten Truppen meines Heers!
  Sie sollen mich jetzt nicht, nicht jetzt verlassen!
  RATSHERR (mit einem Fußfall).
  O König, hilf uns! Unsrer Not gedenke!
  KARL (verzweiflungsvoll). Kann ich Armeen aus der Erde stampfen?
  Wächst mir ein Kornfeld in der flachen Hand?
  Reißt mich in Stücken, reißt das Herz mir aus,
  Und münzet es statt Goldes! Blut hab ich
  Für euch, nicht Silber hab ich, noch Soldaten!
  (Er sieht die Sorel hereintreten, und eilt ihr mit ausgebreiteten
  Armen entgegen)
  
  ERSTER AUFZUG
  Vierter Auftritt
  Agnes Sorel ein Kästchen in der Hand, zu den Vorigen
  KARL. O meine Agnes! Mein geliebtes Leben!
  Du kommst, mich der Verzweiflung zu entreißen!
  Ich habe dich, ich flieh an deine Brust,
  Nichts ist verloren, denn du bist noch mein.
  SOREL. Mein teurer König!
  (Mit ängstlich fragendem Blick umherschauend)
  Dunois! Ists wahr?
  Du Chatel?
  Du CHATEL. Leider!
  Sorel. Ist die Not so groß?
  Es fehlt am Sold? Die Truppen wollen abziehn?
  Du CHATEL. Ja leider ist es so!
  SOREL (ihm das Kästchen aufdrängend).
  Hier, hier ist Gold,
  Hier sind Juwelen--Schmelzt mein Silber ein--
  Verkauft, verpfändet meine Schlösser--Leihet
  Auf meine Güter in Provence--Macht alles
  Zu Gelde und befriediget die Truppen.
  Fort! Keine Zeit verloren! (Treibt ihn fort)
  KARL. Nun, Dunois? Nun, Du Chatel! Bin ich euch
  Noch arm, da ich die Krone aller Frauen
  Besitze?--Sie ist edel, wie ich selbst
  Geboren, selbst das königliche Blut
  Der Valois ist nicht reiner, zieren wurde sie
  Den ersten Thron der Welt--doch sie verschmäht ihn,
  Nur meine Liebe will sie sein und heißen.
  Erlaubte sie mir jemals ein Geschenk
  Von höherm Wert, als eine frühe Blume
  Im Winter oder seltne Frucht! Von mir
  Nimmt sie kein Opfer an, und bringt mir alle!
  Wagt ihren ganzen Reichtum und Besitz
  Großmütig an mein untersinkend Glück.
  SOREL. Glaub ihm nicht.
  Er hat sein Leben zehenmal für dich
  Gewagt und zürnt, daß ich mein Gold jetzt wage.
  Wie? Hab ich dir nicht alles froh geopfert,
  Was mehr geachtet wird als Gold und Perlen,
  Und sollte jetzt mein Glück für mich behalten?
  Komm! Laß uns allen überflüßgen Schmuck
  Des Lebens von uns werfen! Laß mich dir
  Ein edles Beispiel der Entsagung geben!
  Verwandle deinen Hofstaat in Soldaten,
  Dein Gold in Eisen, alles was du hast,
  Wirf es entschlossen hin nach deiner Krone!
  Komm! Komm! Wir teilen Mangel und Gefahr!
  Das kriegerische Roß laß uns besteigen,
  Den zarten Leib dem glühnden Pfeil der Sonne
  Preisgeben, die Gewölke über uns
  Zur Decke nehmen, und den Stein zum Pfühl.
  Der rauhe Krieger wird sein eignes Weh
  Geduldig tragen, sieht er seinen König
  Dem Ärmsten gleich ausdauren und entbehren!
  DUNOIS. Ja sie ist eine Rasende wie du,
  Und wirft ihr Alles in ein brennend Haus,
  Und schöpft ins lecke Faß der Danaiden.
  Dich wird sie nicht erretten, nur sich selbst
  Wird sie mit dir verderben--
  KARL (lächelnd). Ja, nun erfüllt sich mir ein altes Wort
  Der Weissagung, das eine Nonne mir
  Zu Clermont im prophetschert Geiste sprach.
  Ein Weib, verhieß die Nonne, würde mich
  Zum Sieger machen über alle Feinde,
  Und meiner Väter Krone mir erkämpfen.
  Fern sucht ich sie im Feindeslager auf,
  Das Herz der Mutter hofft ich zu versöhnen,
  Hier steht die Heldin, die nach Reims mich führt,
  Durch meiner Agnes Liebe werd ich siegen!
  SOREL. Du wirsts durch deiner Freunde tapfres Schwert.
  KARL. Auch von der Feinde Zwietracht hoff ich viel
  Denn mir ist sichre Kunde zugekommen,
  Daß zwischen diesen stolzen Lords von England
  Und meinem Vetter von Burgund nicht alles mehr
  So steht wie sonst--Drum hab ich den La Hire
  Mit Botschaft an den Herzog abgefertigt,
  Ob mirs gelänge, den erzürnten Pair
  Zur alten Pflicht und Treu zurückzuführen
  Mit jeder Stunde wart ich seiner Ankunft.
  DU CHATEL (am Fenster). Der Ritter sprengt soeben in den Hof
  KARL. Willkommner Bote! Nun so werden wir
  Bald wissen, ob wir weichen oder siegen.
  
  ERSTER AUFZUG
  Fünfter Auftritt
  La Hire zu den Vorigen!
  KARL (geht ihm entgegen).
  La Hire! Bringst du uns Hoffnung oder keine?
  Erklär dich kurz. Was hab ich zu erwarten?
  LA HIRE. Erwarte nichts mehr als von deinem Schwert.
  KARL. Der stolze Herzog laßt sich nicht versöhnen!
  O sprich! Wie nahm er meine Botschaft auf?
  LA HIRE. Vor allen Dingen und bevor er noch
  Ein Ohr dir könne leihen, Lodert er,
  Daß ihm Du Chatel ausgeliefert werde,
  Den er den Mörder seines Vaters nennt.
  KARL. Und, weigern wir uns dieser Schmachbedingung?
  LA HIRE. Dann sei der Bund zertrennt, noch eh er anfing.
  KARL. Hast du ihn drauf, wie ich dir anbefahl,
  Zum Kampf mit mir gefodert auf der Brücke
  Zu Montereau, allwo sein Vater fiel?
  LA HIRE. Ich warf ihm deinen Handschuh hin und sprach:
  Du wolltest deiner Hoheit dich begeben,
  Und als ein Ritter kämpfen um dein Reich.
  Doch er versetzte: nimmer täts ihm not,
  Um das zu fechten, was er schon besitze.
  Doch wenn dich so nach Kämpfen lüstete,
  So würdest du vor Orleans ihn finden,
  Wohin er morgen willens sei zu gehn;
  Und damit kehrt' er lachend mir den Rücken.
  KARL. Erhob sich nicht in meinem Parlamente
  Die reine Stimme der Gerechtigkeit?
  LA HIRE. Sie ist verstummt vor der Parteien Wut.
  Ein Schluß des Parlaments erklärte dich
  Des Throns verlustig, dich und dein Geschlecht.
  DUNOIS. Ha frecher Stolz des herrgewordnen Bürgers!
  KARL. Hast du bei meiner Mutter nichts versucht?
  LA HIRE. Bei deiner Mutter!
  KARL. Ja! Wie ließ sie sich vernehmen?
  LA HIRE (nachdem er einige Augenblicke sich bedacht).
  Es war gerad das Fest der Königskrönung,
  Als ich zu Saint Denis eintrat. Geschmückt
  Wie zum Triumphe waren die Pariser,
  In jeder Gasse stiegen Ehrenbogen,
  Durch die der engelländsche König zog.
  Bestreut mit Blumen war der Weg und jauchzend,
  Als hätte Frankreich seinen schönsten Sieg
  Erfochten, sprang der Pöbel um den Wagen.
  SOREL. Sie jauchzten--jauchzten, daß sie auf das Herz
  Des liebevollen sanften Königs traten!
  LA HIRE. Ich sah den jungen Harry Lancaster,
  Den Knaben, auf dem königlichen Stuhl
  Sankt Ludwigs sitzen, seine stolzen Öhme
  Bedford und Gloster standen neben ihm,
  Und Herzog Philipp kniet' am Throne nieder
  Und leistete den Eid für seine Länder.
  KARL. O ehrvergeßner Pair! Unwürdger Vetter!
  LA HIRE. Das Kind war bang und strauchelte, da es
  Die hohen Stufen an dem Thron hinanstieg.
  "Ein böses Omen!" murmelte das Volk,
  Und es erhob sich schallendes Gelächter.
  Da trat die alte Königin, deine Mutter,
  Hinzu, und--mich entrüstet es zu sagen!
  KARL. Nun?
  LA HIRE. In die Arme faßte sie den Knaben
  Und setzt' ihn selbst auf deines Vaters Stuhl.
  KARL. O Mutter! Mutter!
  LA HIRE. Selbst die wütenden
  Burgundier, die mordgewohnten Banden,
  Erglüheten vor Scham bei diesem Anblick.
  Sie nahm es wahr und an das Volk gewendet
  Rief sie mit lauter Stimm: "Dankt mirs, Franzosen,
  Daß ich den kranken Stamm mit reinem Zweig
  Veredle, euch bewahre vor dem miß-
  Gebornen Sohn des hirnverrückten Vaters!"
  (Der König verhüllt sich, Agnes eilt auf ihn zu und schließt ihn
  in ihre Arme, alle Umstehenden drücken ihren Abscheu, ihr
  Entsetzen aus)
  DUNOIS. Die Wölfin!--die wutschnaubende Megäre!
  KARL (nach einer Pause zu den Ratsherren).
  Ihr habt gehört, wie hier die Sachen stehn.
  Verweilt nicht länger, geht nach Orleans
  Zurück, und meldet meiner treuen Stadt:
  Des Eides gegen mich entlaß ich sie.
  Sie mag ihr Heil beherzigen und sich
  Der Gnade des Burgundiers ergeben,
  Er heißt der Gute, er wird menschlich sein.
  DUNOIS. Wie Sire? Du wolltest Orleans verlassen!
  RATSHERR (kniet nieder). Mein königlicher Herr! Zieh deine Hand
  Nicht von uns ab! Gib deine treue Stadt
  Nicht unter Englands harte Herrschaft hin.
  Sie ist ein edler Stein in deiner Krone,
  Und keine hat den Königen, deinen Ahnherrn,
  Die Treue heiliger bewahrt.
  DUNOIS. Sind wir
  Geschlagen? Ists erlaubt, das Feld zu räumen,
  Eh noch ein Schwertstreich um die Stadt geschehn?
  Mit einem leichten Wörtlein, ehe Blut
  Geflossen ist, denkst du die beste Stadt
  Aus Frankreichs Herzen wegzugeben?
  KARL. Des Blutes ist geflossen und vergebens!
  Des Himmels schwere Hand ist gegen mich,
  Geschlagen wird mein Heer in allen Schlachten,
  Mein Parlament verwirft mich, meine Hauptstadt,
  Mein Volk nimmt meinen Gegner jauchzend auf,
  Die mir die Nächsten sind am Blut, verlassen,
  Verraten mich--Die eigne Mutter nährt
  Die fremde Feindesbrut an ihren Brüsten.
  --Wir wollen jenseits der Loire uns ziehn,
  Und der gewaltgen Hand des Himmels weichen,
  Der mit dem Engelländer ist.
  SOREL. Das wolle Gott nicht, daß wir, an uns selbst
  Verzweifelnd, diesem Reich den Rücken wenden!
  Dies Wort kam nicht aus deiner tapfern Brust.
  Der Mutter unnatürlich rohe Tat
  Hat meines Königs Heldenherz gebrochen!
  Du wirst dich wiederfinden, männlich fassen,
  Mit edelm Mut dem Schicksal widerstehen,
  Das grimmig dir entgegenkämpft.
  KARL (in düstres Sinnen verloren). Ist es nicht wahr?
  Ein finster furchtbares Verhängnis waltet
  Durch Valois' Geschlecht, es ist verworfen
  Von Gott, der Mutter Lastertaten führten
  Die Furien herein in dieses Haus,
  Mein Vater lag im Wahnsinn zwanzig Jahre,
  Drei ältre Brüder hat der Tod vor mir
  Hinweggemäht, es ist des Himmels Schluß,
  Das Haus des sechsten Karls soll untergehn.
  SOREL. In dir wird es sich neuverjüngt erheben!
  Hab Glauben an dich selbst.--O! nicht umsonst
  Hat dich ein gnädig Schicksal aufgespart
  Von deinen Brüdern allen, dich den jüngsten
  Gerufen auf den ungehofften Thron.
  In deiner sanften Seele hat der Himmel
  Den Arzt für alle Wunden sich bereitet,
  Die der Parteien Wut dem Lande schlug.
  Des Bürgerkrieges Flammen wirst du löschen,
  Mir sagts das Herz, den Frieden wirst du pflanzen,
  Des Frankenreiches neuer Stifter sein.
  KARL. Nicht ich. Die rauhe sturmbewegte Zeit
  Heischt einen kraftbegabtem Steuermann.
  Ich hätt ein friedlich Volk beglücken können,
  Ein wild empörtes kann ich nicht bezähmen,
  Nicht mir die Herzen öffnen mit dem Schwert,
  Die sich entfremdet mir in Haß verschließen.
  SOREL. Verblendet ist das Volk, ein Wahn betäubt es,
  Doch dieser Taumel wird vorübergehe,
  Erwachen wird, nicht fern mehr ist der Tag,
  Die Liebe zu dem angestammten König,
  Die tief gepflanzt ist in des Franken Brust,
  Der alte Haß, die Eifersucht erwachen,
  Die beide Völker ewig feindlich trennt;
  Den stolzen Sieger stürzt sein eignes Glück.
  Darum verlasse nicht mit Übereilung
  Den Kampfplatz, ring um jeden Fußbreit Erde,
  Wie deine eigne Brust verteidige
  Dies Orleans! Laß alle Fähren lieber
  Versenken, alle Brücken niederbrennen,
  Die über diese Scheide deines Reichs,
  Das stygsche Wasser der Loire dich führen.
  KARL. Was ich vermocht, hab ich getan. Ich habe
  Mich dargestellt zum ritterlichen Kampf
  Um meine Krone.--Man verweigert ihn.
  Umsonst verschwend ich meines Volkes Leben,
  Und meine Städte sinken in den Staub.
  Soll ich gleich jener unnatürlichen Mutter
  Mein Kind zerteilen lassen mit dem Schwert?
  Nein, daß es lebe, will ich ihm entsagen.
  DUNOIS. Wie Sire? Ist das die Sprache eines Königs?
  Gibt man so eine Krone auf? Es setzt
  Der Schlechtste deines Volkes Gut und Blut
  An seine Meinung, seinen Haß und Liebe,
  Partei wird alles, wenn das blutge Zeichen
  Des Bürgerkrieges ausgehangen ist.
  Der Ackersmann verläßt den Pflug, das Weib
  Den Rocken, Kinder, Greise waffnen sich,
  Der Bürger zündet seine Stadt, der Landmann
  Mit eignen Händen seine Saaten an,
  Um dir zu schaden oder wohlzutun
  Und seines Herzens Wollen zu behaupten.
  Nichts schont er selber und erwartet sich
  Nicht Schonung, wenn die Ehre ruft, wenn er
  Für seine Götter oder Götzen kämpft.
  Drum weg mit diesem weichlichen Mitleiden,
  Das einer Königsbrust nicht ziemt.--Laß du
  Den Krieg ausrasen, wie er angefangen,
  Du hast ihn nicht leichtsinnig selbst entflammt.
  Für seinen König muß das Volk sich opfern,
  Das ist das Schicksal und Gesetz der Welt.
  Der Franke weiß es nicht und wills nicht anders.
  Nichtswürdig ist die Nation, die nicht
  Ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre.
  KARL (zu den Ratsherren). Erwartet keinen anderen Bescheid.
  Gott schütz euch. Ich kann nicht mehr.
  DUNOIS. Nun so kehre
  Der Siegesgott auf ewig dir den Rücken,
  Wie du dem väterlichen Reich. Du hast
  Dich selbst verlassen, so verlaß ich dich.
  Nicht Englands und Burgunds vereinte Macht,
  Dich stürzt der eigne Kleinmut von dem Thron.
  Die Könige Frankreichs sind geborne Helden,
  Du aber bist unkriegerisch gezeugt.
  (Zu den Ratsherren) Der König gibt euch auf. Ich aber will
  In Orleans, meines Vaters Stadt, mich werfen,
  Und unter ihren Trümmern mich begraben.
  (Er will gehen. Agnes Sorel hält ihn auf)
  SOREL (zum König). O laß ihn nicht im Zorne von dir gehn!
  Sein Mund spricht rauhe Worte, doch sein Herz
  Ist treu wie Gold, es ist derselbe doch,
  Der warm dich liebt und oft für dich geblutet.
  Kommt, Dunois! Gesteht, daß Euch die Hitze
  Des edeln Zorns zu weit geführt--Du aber
  Verzeih dem treuen Freund die heftge Rede!
  O kommt, kommt! Laßt mich eure Herzen schnell
  Vereinigen, eh sich der rasche Zorn
  Unlöschbar, der verderbliche, entflammt!
  (Dunois fixiert den König und scheint eine Antwort zu erwarten)
  KARL (zu Du Chatel). Wir gehen über die Loire. Laß mein
  Gerät zu Schiffe bringen!
  DUNOIS (schnell zur Sorel). Lebet wohl!
  (Wendet sich schnell und geht, Ratsherren folgen)
  SOREL (ringt verzweifelt die Hände).
  O wenn er geht, so sind wir ganz verlassen!
  --Folgt ihm, La Hire. O sucht ihn zu begütgen.
  (La Hire geht ab)
  
  ERSTER AUFZUG
  Sechster Auftritt
  Karl. Sorel. Du Chatel
  KARL. Ist denn die Krone ein so einzig Gut?
  Ist es so bitter schwer, davon zu scheiden?
  Ich kenne was noch schwerer sich erträgt.
  Von diesen trotzig herrischen Gemütern
  Sich meistern lassen, von der Gnade leben
  Hochsinnig eigenwilliger Vasallen,
  Das ist das Harte für ein edles Herz,
  Und bittrer als dem Schicksal unterliegen!
  (Zu Du Chatel, der noch zaudert) Tu was ich dir befohlen!
  DU CHATEL (wirft sich zu seinen Füßen).
  O mein König!
  KARL. Es ist beschlossen. Keine Worte weiter!
  DU CHATEL. Mach Frieden mit dem Herzog von Burgund,
  Sonst seh ich keine Rettung mehr für dich.
  KARL. Du rätst mir dieses, und dein Blut ist es,
  Womit ich diesen Frieden soll versiegeln?
  DU CHATEL. Hier ist mein Haupt. Ich hab es oft für dich
  Gewagt in Schlachten und ich leg es jetzt
  Für dich mit Freuden auf das Blutgerüste.
  Befriedige den Herzog. Überliefre mich
  Der ganzen Strenge seines Zorns und laß
  Mein fließend Blut den alten Haß versöhnen!
  KARL (blickt ihn eine Zeitlang gerührt und schweigend an).
  Ist es denn wahr? Steht es so schlimm mit mir,
  Daß meine Freunde, die mein Herz durchschauen,
  Den Weg der Schande mir zur Rettung zeigen?
  Ja, jetzt erkenn ich meinen tiefen Fall,
  Denn das Vertraun ist hin auf meine Ehre.
  DU CHATEL. Bedenk--
  KARL. Kein Wort mehr! Bringe mich nicht auf!
  Müßt ich zehn Reiche mit dem Rücken schauen,
  Ich rette mich nicht mit des Freundes Leben.
  --Tu was ich dir befohlen. Geh und laß
  Mein Heergerät einschiffen.
  DU CHATEL. Es wird schnell
  Getan sein.
  (Steht auf und geht, Agnes Sorel weint heftig)
  
  ERSTER AUFZUG
  Siebenter Auftritt
  Karl und Agnes Sorel
  KARL (ihre Hand fassend). Sei nicht traurig, meine Agnes.
  Auch jenseits der Loire liegt noch ein Frankreich,
  Wir gehen in ein glücklicheres Land.
  Da lacht ein milder niebewölkter Himmel
  Und leichtre Lüfte wehn, und sanftre Sitten
  Empfangen uns, da wohnen die Gesänge
  Und schöner blüht das Leben und die Liebe.
  SOREL. O muß ich diesen Tag des Jammers schauen!
  Der König muß in die Verbannung gehn,
  Der Sohn auswandern aus des Vaters Hause
  Und seine Wiege mit dem Rücken schauen.
  O angenehmes Land, das wir verlassen,
  Nie werden wir dich freudig mehr betreten.
  
  ERSTER AUFZUG
  Achter Auftritt
  La Hire kommt zurück. Karl und Sorel
  SOREL. Ihr kommt allein. Ihr bringt ihn nicht zurück?
  (Indem sie ihn näher ansieht)
  La Hire! Was gibts? Was sagt mir Euer Blick?
  Ein neues Unglück ist geschehn!
  LA HIRE. Das Unglück
  Hat sich erschöpft und Sonnenschein ist wieder!
  SOREL. Was ists? Ich bitt Euch.
  LA HIRE (zum König).Ruf die Abgesandten
  Von Orleans zurück!
  KARL. Warum? Was gibts?
  LA HIRE. Ruf sie zurück. Dein Glück hat sich gewendet,
  Ein Treffen ist geschehn, du hast gesiegt.
  SOREL. Gesiegt! O himmlische Musik des Wortes!
  KARL. La Hire! Dich täuscht ein fabelhaft Gerücht.
  Gesiegt! Ich glaub an keine Siege mehr.
  LA HIRE. O du wirst bald noch größre Wunder glauben.
  --Da kommt der Erzbischof. Er führt den Bastard
  In deinen Arm zurück--
  SOREL. O schöne Blume
  des Siegs, die gleich die edeln Himmelsfrüchte,
  Fried und Versöhnung trägt!
  
  ERSTER AUFZUG
  Neunter Auftritt
  Erzbischof von Reims. Dunois. Du Chatel mit Raoul, einem
  geharnischten Ritter, zu den Vorigen
  ERZBISCHOF (führt den Bastard zu dem König und legt ihre
  Hände ineinander). Umarmt euch, Prinzen!
  Laßt allen Groll und Hader jetzo schwinden,
  Da sich der Himmel selbst für uns erklärt.
  (Dunois umarmt den König)
  KARL. Reißt mich aus meinem Zweifel und Erstaunen.
  Was kündigt dieser feierliche Ernst mir an?
  Was wirkte diesen schnellen Wechsel?
  ERZBISCHOF (führt den Ritter hervor und stellt ihn vor den
  König). Redet!
  RAOUL: Wir hatten sechzehn Fähnlein aufgebracht
  Lothringisch Volk, zu deinem Heer zu stoßen,
  Und Ritter Baudricour aus Vaucouleurs
  War unser Führer. Als wir nun die Höhen
  Bei Vermanton erreicht und in das Tal,
  Das die Yonne durchströmt, herunterstiegen,
  Da stand in weiter Ebene vor uns der Feind,
  Und Waffen blitzten, da wir rückwärts sahn.
  Umrungen sahn wir uns von beiden Heeren.
  Nicht Hoffnung war zu siegen noch zu fliehn,
  Da sank dem Tapfersten das Herz und alles,
  Verzweiflungsvoll, will schon die Waffen strecken.
  Als nun die Führer miteinander noch
  Rat suchten und nicht fanden--sich da stellte sich
  Ein seltsam Wunder unsern Augen dar!
  Denn aus der Tiefe des Gehölzes plötzlich
  Trat eine Jungfrau, mit behelmtem Haupt
  Wie eine Kriegesgöttin, schön zugleich
  Und schrecklich anzusehn, um ihren Nacken
  In dunkeln Ringen fiel das Haar, ein Glanz
  Vom Himmel schien die Hohe zu umleuchten,
  Als sie die Stimm erhub und also sprach:
  "Was zagt ihr, tapfre Franken! Auf den Feind!
  Und wären sein mehr denn des Sands im Meere,
  Gott und die heilge Jungfrau führt euch an!"
  Und schnell dem Fahnenträger aus der Hand
  Riß sie die Fahn und vor dem Zuge her
  Mit kühnem Anstand schritt die Mächtige.
  Wir, stumm vor Staunen, selbst nicht wollend, folgen
  Der hohen Fahn und ihrer Trägerin,
  Und auf den Feind gerad an stürmen wir.
  Der, hochbetroffen, steht bewegungslos
  Mit weitgeöffnet starrem Blick das Wunder
  Anstaunend, das sich seinen Augen zeigt--
  Doch schnell, als hätten Gottes Schrecken ihn
  Ergriffen, wendet er sich um
  
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