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Das Leben und der Tod des Königs Lear - 1

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  Das Leben und der Tod des Königs Lear.
  William Shakespeare
  Übersetzt von Christoph Martin Wieland
  
  Personen des Trauerspiels.
  Lear, König von Brittannien.
  König von Frankreich.
  Herzog von Burgund.
  Herzog von Cornwall.
  Herzog von Albanien.
  Graf von Gloster.
  Graf von Kent.
  Edgar, Glosters Sohn.
  Edmund, Bastard von Gloster.
  Curan, ein Höfling.
  Medicus.
  Narr.
  Oswald, Gonerills Haushofmeister.
  Ein Officier.
  Ein Edelmann, der Cordelia begleitet.
  Ein Herold.
  Ein alter Mann von Glosters Unterthanen.
  Ein Bedienter von Cornwall.
  Zwey Bediente von Gloster.
  Gonerill, Regan und Cordelia, Lears Töchter.
  Ritter die dem König aufwarten, Officiers, Boten, Soldaten und
  Bediente etc.
  Der Schauplaz ligt in Brittannien.
  
  
  Erster Aufzug.
  
  Erster Auftritt.
  (Der Königliche Palast.)
  (Kent, Gloster, und Edmund der Bastard, treten auf.)
  
  Kent.
  Ich dachte, der König liebe den Herzog von Albanien mehr als den
  von Cornwall.
  Gloster.
  So schien es uns allezeit; allein izt, bey der Theilung seiner
  Königreiche kan man nicht sehen, welchen von beyden er höher schäze;
  das schärfste Auge könnte nichts entdeken, das einem Theil vor dem
  andern den Vorzug gäbe; so genau sind sie nach ihren verschiedenen
  Beschaffenheiten und Vorzügen gegen einander abgewogen.
  Kent.
  Ist dieses nicht euer Sohn, Mylord?
  Gloster.
  Die Last seiner Erziehung fiel auf mich. Ich habe schon so oft
  erröthet ihn für meinen Sohn zu erkennen, daß ich nicht mehr
  erröthen kan.
  Kent.
  Ich begreiffe euch nicht.
  Gloster.
  Die Mutter dieses jungen Menschen konnt' es; sie bekam davon eine
  gewisse Geschwulst, und zulezt, Sir, fand sich, daß sie einen Sohn
  für ihrer Wiege hatte, ehe sie einen Gemahl für ihr Bette hatte.
  Riechet ihr den Fehler?
  Kent.
  Die Würkung dieses Fehlers ist so schön, daß ich nicht wünschen kan,
  er möchte unterblieben seyn.
  Gloster.
  Ich habe zwar auch einen gesezmässigen Sohn, der etliche Jahre
  älter, aber mir nicht werther ist als dieser. Wenn dieser lose
  Junge gleich ein wenig unverschämt auf die Welt kam, eh man ihn
  verlangte, so war doch seine Mutter schön; es gieng kurzweilig zu
  als er gemacht wurde, und der H** Sohn muß erkannt werden. Kennst
  du diesen Edelmann, Edmund?
  Edmund.
  Nein, Mylord.
  Gloster.
  Es ist Mylord von Kent. Erinnere dich künftig seiner als meines
  würdigen Freundes.
  Edmund (zu Kent.)
  Ew. Gnaden geruhen meine Dienste anzunehmen.
  Kent.
  Ihr gefallet mir, wir müssen besser mit einander bekannt werden.
  Edmund.
  Mylord, ich werde mich bestreben euere Gewogenheit zu verdienen.
  Gloster.
  Er ist neun Jahre ausser Landes gewesen, und soll noch länger seyn.
  (Man hört Trompeten, der König kömmt.)
  
  Zweyter Auftritt.
  (König Lear, Cornwall, Albanien, Gonerill, Regan, Cordelia und
   Gefolge.)
  
  Lear.
  Gloster, gehe denen Fürsten von Frankreich und Burgund Gesellschaft
  zu leisten.
  Gloster.
  Ich gehe, mein Gebieter.
  (Geht ab.)
  Lear.
  Nunmehr ist es Zeit, unser geheimes Vorhaben zu entdeken--Gebet mir
  diese Land-Carte--Wisset, wir haben unser Königreich in drey Theile
  getheilt, und es ist unsre erste Absicht, unser Alter aller
  Regierungs-Sorgen und Geschäfte zu entladen, und solche jüngern
  Schultern aufzulegen, indeß daß wir unbelastet dem Tod entgegen
  kriechen--Unser Sohn von Cornwall, und ihr, nicht minder geliebter
  Sohn von Albanien, wir haben den standhaften Schluß gefaßt, in
  dieser Stunde die verschiedenen Morgengaben unsrer Töchter bekannt
  zu machen, damit allem künftigen Streit darüber vorgebogen werde.
  Die Fürsten von Frankreich und Burgund, ansehnliche Nebenbuler um
  die Liebe unsrer jüngern Tochter, haben schon lange ihren
  verliebten Aufenthalt an unserm Hofe gemacht, und sollen izt ihre
  Antworten erhalten. Saget mir, meine Töchter, (da wir uns nun der
  obersten Gewalt, der Landesherrschaft und der Sorge des Staats zu
  begeben willens sind,) von welcher unter euch sollen wir sagen, daß
  sie uns am meisten liebe? damit wir unsre freygebigste Huld dahin
  ergiessen, wo die Natur für das gröste Verdienst Ansprüche macht.
  Gonerill, unsre Erstgebohrne, rede zuerst.
  Gonerill.
  Sire, ich liebe euch mehr als Augenlicht, Raum und Freyheit; mehr
  als alles was theuer und selten geschäzt werden mag; nicht minder
  als Leben, Gesundheit, Schönheit und Ehre; so sehr als jemals ein
  Kind geliebt, oder ein Vater geliebt zu seyn verdient hat--mit
  einer Liebe, die den Athem arm, und die Sprache unzulänglich macht,
  die über allen Ausdruk ist, liebe ich euch.
  Cordelia (beyseite.)
  Was soll Cordelia thun? Lieben und schweigen.
  Lear.
  Von allen diesen Ländereyen, (von dieser Linie bis zu jener,) mit
  schattichten Wäldern und offnen Ebnen, mit fruchtbaren Strömen und
  weit verbreiteten Matten bereichert, machen wir dich zur
  Beherrscherin. Deiner und Albaniens Nachkommenschaft sollen sie
  auf ewig eigen seyn!--Was sagt unsre zweyte Tochter, unsre
  geliebteste Regan, Cornwalls Gemahlin? Rede!
  Regan.
  Ich bin von eben dem Metall gemacht wie meine Schwester, und schäze
  mein getreues Herz nach dem Werth des ihrigen. Ich finde, daß sie
  das wahre Wesen meiner Liebe ausgedrükt hat; nur darinn fällt sie
  zu kurz, daß ich mich selbst eine Feindin aller andern Freuden
  erkläre, welche die vier* edelsten Sinnen uns zu geben vermögend
  sind, und finde, daß Eurer Majestät Liebe meine einzige
  Glükseligkeit macht.
  {ed.-* Durch diese vier edelsten Sinne sind hier Gesicht, Gehör,
  Geruch, und Geschmak zu verstehen; denn eine junge Dame konnte mit
  Anständigkeit nicht zu verstehen geben, daß sie die Vergnügungen
  des fünften kenne. Warbürton.
  Der Übersetzer überläßt dieses dem Ausspruch der jungen Damen, und
  wagt nur die Vermuthung, ob es nicht weit natürlicher sey zu denken,
  Regan nenne eben darum die vier edelsten Sinne, weil sie dem fünften
  nicht entsagen will.}
  Cordelia (beyseite.)
  Arme Cordelia!--und doch nicht arm, denn ich bin gewiß, daß meine
  Liebe gewichtiger ist als ihre Zunge.
  Lear.
  Dir und den Deinigen bleibe zum ewigen Erbtheil dieser ansehnliche
  Drittheil unsers schönen Königreichs, nicht geringer an Grösse,
  Werth und Schönheit, als derjenige, den wir an Gonerill übertragen
  haben--Nun du, unsre Freude, nicht die geringste, obgleich die
  lezte, deren jugendliche Liebe das weinvolle Frankreich, und das
  milchtrieffende Burgund zu gewinnen streben, was sagst du, ein
  drittes noch reicheres Loos zu ziehen als deine Schwestern?
  Cordelia.
  Nichts, Milord!
  Lear.
  Nichts?
  Cordelia.
  Nichts!
  Lear.
  Aus Nichts kan nichts entspringen. Rede noch einmal.
  Cordelia.
  Ich Unglükliche, daß ich mein Herz nicht bis in meinen Mund hinauf
  bringen kan! Ich liebe Eu. Majestät so viel als meine
  Schuldigkeit ist, nicht mehr und nicht weniger.
  Lear.
  Wie? wie, Cordelia? Verbeßre deine Rede ein wenig, oder du
  möchtest dein Glük verschlimmern.
  Cordelia.
  Mein theurer Lord, ihr habet mich gezeugt, erzogen, und geliebt.
  Ich erstatte diese Wohlthaten wie es meine Pflicht erheischet, ich
  gehorche euch, ich liebe und verehre euch. Wofür haben meine
  Schwestern Männer, wenn sie sagen, sie lieben euch allein? Wenn
  ich mich vermählen sollte, so wird der Mann dem ich meine Hand gebe,
  auch die Helfte meiner Liebe und Ergebenheit mit sich nehmen.
  Wahrhaftig, ich will nimmermehr heurathen wie meine Schwestern, um
  allein meinen Vater zu lieben.
  Lear.
  Sprichst du aus deinem Herzen?
  Cordelia.
  Ja, mein theurer Lord.
  Lear.
  So jung, und so unzärtlich?
  Cordelia.
  So jung, Mylord, und so aufrichtig.
  Lear.
  So laß denn deine Aufrichtigkeit deine Mitgift seyn. Denn bey den
  heiligen Stralen der Sonne, bey den Geheimnissen der Hecate und der
  Nacht, bey allen Würkungen der himmlischen Kreise, durch welche wir
  entstehen und aufhören zu seyn--entsage ich hier aller väterlichen
  Sorge und Blutsverwandschaft, und erkläre dich von diesem Augenblik
  an auf immer für einen Fremdling zu meinem Herzen, und mir. Der
  barbarische Scythe, oder der mit dem Fleische seiner eignen Kinder
  seinen unmenschlichen Hunger stillt, sollen meinem Herzen so nahe
  ligen, und so viel Mitleiden und Hülfe von mir zu erwarten haben
  als du, einst meine Tochter.
  Kent.
  Mein theurer Oberherr!
  Lear.
  Zurük, Kent! Wage dich nicht zwischen den Drachen und seinen Grimm.
  Ich liebte sie höchlich, und gedachte den Rest meines Eigenthums
  ihren holden Abkömmlingen zu vermachen--Hinweg aus meinem Gesicht!
  (zu Cordelia)
  --So sey mein Grab meine Ruhe, als ich sie hier aus ihres Vaters
  Herzen verstosse.--Ruffet die Fürsten von Frankreich und Burgund!--
  Cornwall und Albanien, zu meiner beyden Töchter Mitgift, theilet
  auch die dritte unter euch. Der Stolz den sie Aufrichtigkeit nennt,
  mag sie versorgen. Euch belehne ich beyderseits mit meiner
  Oberherrlichkeit, und allen den hohen Gerechtsamen und reichen
  Vortheilen, welche die Majestät begleiten. Wir selbst werden mit
  Vorbehalt von hundert Edelknechten, die ihr unterhalten sollet,
  unsern monatlichen Aufenthalt wechselsweise bey euch nehmen; dieses
  und der königliche Titel mit seinem Zugehör ist alles was wir uns
  ausbedingen; die Regierung, die vollziehende Gewalt, und die
  Einkünfte, geliebte Söhne, sollen euer seyn. Zu dessen
  Bekräftigung theilet diese Crone unter euch.
  (Er giebt die Crone hin.)
  Kent.
  Königlicher Lear, du, den ich allezeit als meinen König geehrt, als
  meinen Vater geliebt, als meinen Meister begleitet, und als meinen
  Schuz-Engel in meinen Gebeten angeruffen habe--
  
  Lear.
  Der Bogen ist gespannt und angezogen, geh dem Pfeil aus dem Wege.
  Kent.
  Laß ihn vielmehr fallen, wenn gleich seine Spize mein Herz
  durchbohren sollte. Kent mag unhöflich seyn, wenn Lear wahnwizig
  ist! Was willt du thun, alter Mann? Denkst du, die Pflicht soll
  sich scheuen zu reden, wenn sich die Gewalt vor der Schmeicheley
  bükt? Die Ehre ist zu Aufrichtigkeit verbunden, wenn die Majestät
  zu Thorheit herabsinkt. Behalt deinen Staat, hemme durch reifferes
  Urtheil diese entsezliche Übereilung. Mit meinem Leben stehe ich
  davor, deine jüngste Tochter liebt dich nicht am wenigsten.
  Meynest du, ihr Herz sey weniger voll, weil es einen schwächern
  Klang von sich giebt, als diejenigen, deren hohler Ton ihre
  Leerheit wiederhallt?
  Lear.
  Bey deinem Leben, Kent, nicht weiter!
  Kent.
  Mein Leben hielt ich nie für etwas anders als ein Pfand, das dir
  meine Treue gegen deine Feinde versichern sollte; und ich fürchte
  nicht es zu verliehren, wenn deine Sicherheit der Beweggrund ist.
  Lear.
  Aus meinem Gesicht!
  Kent.
  Sieh' besser, Lear, und laß mich immer deinen wahren Augapfel
  bleiben.
  Lear.
  Nun, beim Apollo!
  Kent.
  Nun, beym Apollo, König, du entehrest deine Götter mit vergeblichen
  Schwüren.
  Lear.
  Treuloser Vasall.
  (Er legt seine Hand an sein Schwerdt.)
  Albanien. Cornwall.
  Theurer Sir, haltet ein!
  Kent.
  Tödte deinen Arzt, und nähre deinen Schaden--Wiederruffe deinen
  Urtheilspruch, oder so lang ich einen Ton aus meiner Gurgel athmen
  kan, will ich dir sagen, du thust übel.
  Lear.
  Höre mich, Abtrünniger! Weil du uns hast bereden wollen, unsern
  Eyd zu brechen, den wir nimmer brechen dürfen, und dich erfrechet
  hast, mit übermüthigem Stolz zwischen unsern Ausspruch und dessen
  Vollziehung zu treten, welches weder unsre Gemüthsart noch unsre
  Würde gestatten, und selbst unsre Macht nicht gut machen kan; so
  empfange deinen Lohn. Fünf Tage vergönnen wir dir, dich mit
  Mitteln gegen die Unfälle der Welt zu versehen; am sechsten aber
  kehre unserm Reich deinen verhaßten Rüken; denn wenn von izt am
  zehnten Tage dein verbannter Rumpf in unsern Herrschaften noch
  gefunden wird, so ist der Augenblik dein Tod. Hinweg beym Jupiter!
  diß soll nicht wiederruffen werden.
  Kent.
  Lebe wohl, König! Seit dem du dich in dieser Gestalt zeigest, lebt
  die Freyheit anderwärts, und die Verbannung ist hier--Die Götter
  schüzen dich, Mädchen, die du richtig denkst und sehr richtig
  gesprochen hast. Ihr aber, mögen eure Thaten eure
  vielversprechenden Reden bewähren! Und hiemit, ihr Fürsten, sagt
  Kent euch allen, lebewohl, und geht, seinen Lauf in einem fremden
  Lande zu vollenden.
  (Geht ab.)
  (Gloster mit den Fürsten von Frankreich und Burgund, und ihrem
  Gefolge, tritt auf.)
  Gloster.
  Hier ist Frankreich und Burgund, mein edler Lord!
  Lear.
  Mylord von Burgund, wir wenden uns zuerst an euch, die ihr neben
  diesem Könige um meine Tochter euch beworben habet. Nennet das
  wenigste, was ihr zur Morgengabe mit ihr verlangt, oder stehet von
  euerm verliebten Gesuch ab.
  Burgund.
  Königlicher Herr! Ich fordre nicht mehr als Eure Majestät sich
  erboten hat, und weniger werdet ihr nicht geben.
  Lear.
  Sehr edler Lord, als sie uns werth war, hielten wir sie so; aber
  nun ist ihr Preiß gefallen. Sir, hier steht sie. Wenn irgend
  etwas an diesem kleinen Scheinding, oder alles zusammen genommen,
  mit unsrer Ungnade beschwert, Eu. Gnaden anständig ist, so ist sie
  hier und ist Euer.
  Burgund.
  Ich weiß keine Antwort hierauf.
  Lear.
  Wollt ihr sie, mit allen diesen Gebrechen, welche alles sind was
  sie hat, freundlos, zu unserm Haß adoptiert, mit unserm Fluch
  ausgesteurt, und durch unsern Eyd für eine Fremde erklärt, wollt
  ihr sie nehmen oder verlassen?
  Burgund.
  Vergebung, Königlicher Herr! Auf solche Bedingungen findet keine
  Wahl Plaz.
  Lear.
  So verlasset sie dann, Sir, dann bey der Macht, die mich erschaffen
  hat, ich sagte euch ihren ganzen Reichthum. Was euch betrift,
  grosser König, so schäze ich eure Liebe höher, als daß ich euch mit
  derjenigen vermählen wollte, die ich hasse. Ich bitte euch also,
  wendet eure Neigung auf einen würdigern Gegenstand als eine
  Unglükselige, welche die Natur selbst beschämt ist, für die ihrige
  zu erkennen.
  Frankreich.
  Diß ist sehr seltsam, daß Sie, die bisher der Liebling euers
  Herzens, der Inhalt euers Lobes, und die Erquikung euers Alters war,
  in etlichen Augenbliken eine That begangen haben soll, die
  vermögend sey, sie einer so vielfältigen Gunst zu berauben. Denn
  nur irgend ein unnatürliches ungeheures Verbrechen kan eine solche
  Würkung thun. Dieses aber von Ihr zu denken, erfodert einen
  Glauben, zu dem sich meine Vernunft ohne Wunderwerk nicht fähig
  findet.
  Cordelia.
  Ich bitte Euer Majestät, (weil mein Verbrechen ist, daß ich diese
  glatte schlüpfrige Kunst nicht besize, etwas zu reden, was ich
  nicht meyne; denn was meine wahre Meynung ist, das gebe ich früher
  durch Thaten als Worte zu erkennen;) bekannt zu machen, daß keine
  lasterhafte Tüke, Mord oder Verrätherey, noch eine unkeusche That,
  oder sonst ein entehrender Schritt mich Eurer Gnade beraubt hat,
  sondern bloß ein Mangel der mich reicher macht, der Mangel eines
  immer bettelnden Auges, und solch einer Zunge, dergleichen ich
  nicht zu haben, mich freue; obgleich sie nicht zu haben, mir den
  Verlust Eurer Zuneigung gebracht hat.
  Lear.
  Besser wär' es, du wärest nie gebohren worden, als daß du mir nicht
  besser gefallen hast.
  Frankreich.
  Ist es nur diß? Eine Langsamkeit des Temperaments, die manchmal
  nicht ausdrüken kan, was sie im Sinne hat? Mylord von Burgund, was
  sagt ihr zu der Lady? Liebe ist nicht Liebe, wenn sie mit
  Absichten vermengt ist, die neben dem wahren Ziel vorbey gehen.
  Redet, wollt ihr sie haben? Sie selbst ist das gröste Heurathgut.
  Burgund.
  Königlicher Herr! Gebet Ihr nur das Erbtheil, das Ihr willens
  waret, so nehme ich hier Cordelias Hand, und erkläre sie zur
  Herzogin von Burgund.
  Lear.
  Nichts!--ich habe geschworen.
  Burgund.
  So bedaure ich denn, daß ihr einen Vater so verlohren habet, daß
  ihr auch einen Gemahl verlieren müßt.
  Cordelia.
  Friede sey mit Burgund! weil Absichten auf Vermögen seine Liebe
  sind, so werde ich nicht sein Weib werden.
  Frankreich.
  Schönste Cordelia; desto reicher, weil du arm bist, desto
  wählenswürdiger, weil du vergessen, und desto geliebter, weil du
  verschmähet wirst. Hier bemächtige ich mich deiner und deiner
  Tugenden, wenn es anders erlaubt ist zu nehmen, was andre
  verworffen haben. Ihr Götter! wie seltsam, daß die kälteste
  Gleichgültigkeit meine Liebe zu flammender Ehrfurcht anfachen soll!
  Deine enterbte Tochter, König, von dir verworffen, und meiner
  Willkuhr überlassen, ist Königin von Mir, von Frankreich, und von
  allem was mein ist. Alle Herzoge des wasserreichen Burgunds können
  dieses ungeschäzte theure Mädchen nicht von mir erkauffen. Gieb
  ihnen das lezte Lebewohl, Cordelia, so ungütig sie sind; du
  verlierst hier, anderswo etwas bessers zu finden.
  Lear.
  Du hast sie, Frankreich! Laß sie dein seyn, denn wir haben keine
  solche Tochter, noch werden wir dieses ihr Gesicht jemals wieder
  sehen. Gehet also, ohne unsre Gnade, unsre Liebe, und unsern Segen.
  Komm, edler Burgund!
  (Lear und Burgund gehen ab.)
  Frankreich.
  Beurlaubet euch von euern Schwestern.
  Cordelia.
  Ihr Kleinode euers Vaters, mit gebadeten Augen verläßt euch
  Cordelia; ich weiß wer ihr seyd, und bin als eine Schwester gar
  nicht geneigt, eure Fehler mit ihrem eignen Namen zu nennen.
  Liebet unsern Vater in der That. Euerm Liebe-athmenden Busen
  empfehle ich ihn! Und doch, stünde ich in seiner Gnade, ich wollte
  ihm einen bessern Plaz anweisen. So lebet wol!
  Regan.
  Ihr habt nicht nöthig, uns unsre Pflicht vorzuschreiben.
  Gonerill.
  Laßt ihr eure Sorge seyn, euerm Gemahl zu gefallen, der euch vom
  Allmosen des Glüks aufgenommen; ihr habt durch Mangel an Gehorsam
  den Mangel wol verdienet, auf den ihr noch stolz zu seyn scheint.
  Cordelia.
  Die Zeit wird enthüllen, was die gefaltete List verbirgt. Wol mög'
  es gehen!
  Frankreich.
  Komm, meine schöne Cordelia.
  (Frankreich und Cordelia gehen ab.)
  
  {ed.-In Wielands Übersetzung blieben dritter und vierter Auftritt
  ohne Überschrift.}
  
  Fünfter Auftritt.
  
  Gonerill.
  Schwester, es ist nicht wenig, was ich über Dinge, die uns beyde
  angehen, zu sagen habe. Ich denke, unser Vater wird diese Nacht
  von hier abgehen.
  Regan.
  Das ist gewiß, und mit Euch; den künftigen Monath zu Uns.
  Gonerill.
  Ihr sehet, wie veränderlich ihn sein Alter macht; die Gelegenheit
  die wir hatten, diese Beobachtung zu machen, war nicht gering. Er
  liebte unsre Schwester immer vorzüglich, und aus was für einem
  armseligen Grund er sie izt weggeworffen, ist nur allzu offenbar.
  Regan.
  Es ist die Schwachheit seines Alters; und doch hat er sich selbst
  allezeit nur obenhin gekannt.
  Gonerill.
  Das Beste und Gesundeste was er in seiner Zeit that, war übereilt;
  was können wir also anders erwarten, als nicht nur alle Fehler
  einer lang eingewurzelten Gewohnheit; sondern überall diese
  unlenksame Wunderlichkeit, die ein schwaches und cholerisches Alter
  mit sich bringt.
  Regan.
  Wir werden noch manche solche unverständige Grillen von ihm
  erfahren, wie Kents Verbannung war.
  Gonerill.
  Der Abschied zwischen ihm und Frankreich ist noch ein solches
  Beyspiel. Ich bitte euch, laßt uns gemeinschaftlich zu Werke gehen.
  Wenn unser Vater das königliche Ansehen mit einer solchen Gemüths-
  Beschaffenheit beybehält, so ist seine lezte Abdankung vielmehr
  etwas beleidigendes.
  Regan.
  Wir wollen weiter über diese Sache denken.
  Gonerill.
  Wir müssen irgend etwas thun, und das in der ersten Hize.
  (Sie gehen ab.)
  
  Sechster Auftritt.
  (Die Scene verändert sich in ein Schloß des Grafen von Gloster.)
  
  Edmund (mit einem Briefe.)
  Du, Natur, bist meine Göttin! Deinem Gesez allein will ich
  dienstbar seyn. Warum sollte ich mich selbst in den Cirkel der
  Gewohnheit bannen, warum die ungerechte Gewohnheit der Völker, mich
  des Rechts das du mir giebst, entsezen lassen? Bloß darum, weil
  ich zwölf oder vierzehn Mondscheine vor einem Bruder kam? Warum
  Bastard? Warum unedel? Wenn ich eben so wol gemacht, von Geist so
  edel, von Gestalt so ächt bin als die Geburt der ehrlichen Madam.
  Warum brandmahlen sie uns so mit Namen von böser Ahnung? Unächt,
  ehrlos, Bastard? Wie? Ich unächt? Ich,* der in der verstohlnen
  Lust der üppigen Natur mehr Stoff und Feuer erhielt, als jener der
  in einem abgeschmakten, schaalen, langweiligen Ehebette, bestimmt
  eine ganze Zucht von Dumköpfen auszuheken, zwischen Schlaf und
  Wachen gezeugt ward?--Wohl dann, mein ächter Edgar! Mir fehlt
  nichts als deine Güter. Unsers Vaters Liebe ist zu dem Bastard
  Edmund was zu dem ächten Sohn--ein feines Wort--ächt! Nun wohl,
  mein ächter Herr, laß nur diesen Brief und meinen Anschlag glüken,
  so wird Bastard Edmund der ächte seyn.--Ich wachse, ich gedeyhe!
  Wohlan, ihr Götter, haltet fest auf der Parthey der Bastarde! Ihr
  habt es wol Ursache.**
  {ed.-* Diese feinen Zeilen sind ein Beyspiel von unsers Autors
  bewundernswürdiger Kunst, seinen Charaktern gehörige Gesinnungen
  zu geben. Des Bastards seiner ist der Charakter eines völligen
  Gottesläugners; und daß er als ein Spötter über die
  Judicial-Astrologie vorgestellt wird, ist nach der Absicht des
  Poeten, ein Zeichen eines solchen. Denn zu seiner Zeit wurde diese
  gottlose Taschenspielerey mit einer religiösen Ehrfurcht angesehen;
  und daher erkennen die besten Charakter in diesem Stüke die Macht
  des Einflusses der Gestirne. Wie Charaktermässig aber die
  folgenden Zeilen sind, kan aus dem ungeheuren Wunsch des
  Italiänischen Atheisten (Vanini), in seinem Tractat, (de admirandis
  Naturæ & c.) welcher zu Paris 1616. in eben dem Jahr, da unser
  Poet gestorben, heraus gekommen, ersehen werden. (O utinam) (sind
  die Worte des (Vanini) extra legitimum & connubialem thorum
  essem procreatus! Ita enim progenitores mei in Venerem
  incaluissent ardentius, ac cumulatim affatimque generosa semina
  contulissent, è quibus ego formæ blanditiam & elegantiam,
  robustas corporis vires mentemque innubilam consequutus fuissem.
  At quia conjugatorum sum soboles, his orbatus sum bonis.) Wäre
  dieses Buch früher heraus gekommen, wer würde nicht geglaubt haben,
  das Shakespeareauf diese Stelle anspiele? So aber sagte ihm die
  prophetische Kraft seines Genius vorher, was ein solcher Atheist
  wie (Vanini) über diese Materie sagen würde. Warbürton.}
  {ed.-** Warum dieses? Das sagt er uns nicht; aber der Poet deutet
  auf die Ausschweiffungen der heidnischen Götter, die aus allen
  ihren Bastarden Helden machten. Warbürton.}
  
  Siebender Auftritt.
  (Gloster. Edmund.)
  
  Gloster.
  Kent verbannt! und Frankreich im Zorn entlassen! und der König
  bey Nacht abgereist! Seine Gewalt abgetreten! Sein Unterhalt
  sogar fremder Willkuhr überlassen!--Alles geht unter über sich--
  Edmund?--Wie steht's? Was Neues?
  Edmund.
  Mit Euer Gnaden Erlaubniß, nichts.
  Gloster.
  Warum eilt ihr so eifrig, diesen Brief einzusteken?
  Edmund.
  Ich weiß nichts neues, Mylord.
  Gloster.
  Was für ein Papier laset ihr da?
  Edmund.
  Nichts, Mylord.
  Gloster.
  Wozu war es denn vonnöthen, mit einer so entsezlichen Eilfertigkeit
  in eure Tasche damit zu fahren? Laßt es sehen!--Kommt, wenn es
  nichts ist, so werde ich keine Brille dazu brauchen.
  Edmund.
  Ich bitte Euer Gnaden um Vergebung, es ist ein Brief von meinem
  Bruder, den ich noch nicht ganz überlesen habe; und so viel als ich
  davon gelesen, finde ich ihn nicht so beschaffen, daß Ihr ihn sehen
  dürftet.
  Gloster.
  Gebt mir den Brief, Sir.
  Edmund.
  Ich vergehe mich, wenn ich ihn zurük behalte, und wenn ich ihn gebe;
  der Inhalt, so viel ich zum theil davon verstehe, ist zu tadeln.
  Gloster.
  Laß sehen, laß sehen.
  Edmund.
  Ich hoffe zu meines Bruders Rechtfertigung, er schreibe ihn nur,
  meine Tugend auf die Probe zu stellen.
  Gloster (ließt.)
  "Diese durch die Geseze eingeführte Ehrfurcht vor dem Alter macht
  die Welt für unsre besten Jahre unbrauchbar, und enthält uns unser
  Vermögen vor, bis wir es nimmer geniessen können. Ich fange an,
  eine alberne und allzu gutherzige Sclaverey in der Unterwerffung
  unter bejahrte Tyranney zu finden, welche nicht herrschet, weil sie
  Gewalt hat, sondern weil sie geduldet wird. Wenn unser Vater so
  lange schliefe bis ich ihn wekte, so solltet ihr auf immer die
  Helfte seiner Einkünfte geniessen, und der Liebling euers Bruders
  Edgar seyn."--Hum!--Verrätherey!--schlieffe, bis ich ihn wekte--
  solltet ihr die Helfte seiner Einkünfte geniessen--Mein Sohn Edgar!
  Hat er eine Hand diß zu schreiben? Ein Herz und ein Gehirn, diß
  auszubrüten? Wenn kam euch diß zu? Wer bracht es euch?
  Edmund.
  Es wurde mir nicht gebracht, Mylord; das ist die List davon. Ich
  fand es durch ein Fenster in mein Cabinet geworffen.
  Gloster.
  Kennet ihr die Hand, daß sie euers Bruders ist?
  Edmund.
  Wenn der Inhalt gut wäre, Mylord, so wollte ich schwören, es wäre
  die seinige; aber so wie er ist, möchte ich gerne denken, es wäre
  nicht so.
  Gloster.
  Es ist seine Hand.
  Edmund.
  Seine Hand ist es, Mylord, aber ich hoffe sein Herz ist nicht in
  dem Inhalt.
  Gloster.
  Hat er euch vorher niemals über diesen Punct ausgeforschet?
  Edmund.
  Niemals, Mylord. Doch hab ich ihn oft behaupten gehört, es wäre am
  schiklichsten, wenn Söhne bey reiffen Jahren, und Väter auf der
  Neige seyen, daß der Vater unter der Vormundschaft des Sohnes
  stehen, und dieser das Vermögen verwalten sollte.
  Gloster.
  O! Bösewicht! Bösewicht! Eben das ist die Meynung seines Briefes.
  Abscheulicher Bösewicht! Unnatürlicher, entsezlicher, viehischer
  Bösewicht! Geh', suche ihn, ich will ihn fest machen lassen.--
  Schändlicher Bube! wo ist er?
  Edmund.
  Ich weiß es nicht eigentlich, Mylord. Wenn es Euer Gnaden belieben
  möchte, Euern Unwillen über meinen Bruder noch zurük zu halten, bis
  Ihr ein gewisseres Zeugniß von seinen Absichten aus ihm heraus
  gebracht hättet, so würdet Ihr desto sicherer gehen; da hingegen,
  wenn Ihr gewaltthätig mit ihm verfahret, und sich's fände, daß Ihr
  über seine Absicht geirret hättet, so würde das Eurer eignen Ehre
  eine grosse Wunde beybringen, und das Herz seines Gehorsams in
  Stüken zerschlagen. Ich wollte mein Leben für ihn verpfänden, daß
  er das nur schrieb, meine Liebe zu Euer Gnaden zu versuchen, und
  daß er nichts böses damit meynte.
  Gloster.
  Denket ihr das?
  Edmund.
  Wenn Euer Gnaden es gut finden, will ich Euch an einen Ort stellen,
  wo Ihr uns beyde über diese Sache reden hören, und durch das
  Zeugniß Eurer eignen Ohren befriediget werden könnt; und das ohne
  längern Aufschub, diesen Abend noch.
  Gloster.
  Nein! er kan nicht ein solches Ungeheuer seyn!
  Edmund.
  Auch ist er es gewiß nicht!
  Gloster.
  Gegen einen Vater, der ihn so zärtlich liebt--Himmel und Erde!
  Edmund, such ihn auf; mache daß ich ihn ungesehen hören kan,
  veranstalte die Sache nach deiner eignen Klugheit. Ich will den
  Vater ablegen, um nur nach den Gesezen der Gerechtigkeit zu handeln.
  Edmund.
  Ich will ihn sogleich aufsuchen; ich will die Sache so einleiten,
  wie es die Umstände erfodern, und euch von allem Nachricht geben.
  Gloster.
  Diese neuerlichen Verfinsterungen der Sonne und des Monds bedeuten
  uns nichts Gutes. Wenn schon die Ordnung der allezeit weisen Natur
  nicht dadurch aufgehoben wird, so leidet sie doch unter den Folgen.
  Die Liebe erkaltet, die Freundschaft fällt ab, Brüder trennen sich.
  In Städten Aufruhr; in Provinzen Zwietracht; in Pallästen
  Verrätherey; und das Band zwischen Sohn und Vater aufgelöst.
  Dieser mein Bösewicht fällt unter die Weissagung--Hier ist ein Sohn
  wider den Vater; der König tritt aus dem Gleise der Natur--Hier ist
  ein Vater wider sein Kind. Wir haben das Beste von unsrer Zeit
  schon gesehen. Untreue, Ränke, Verrath und alle verderbliche
  Unordnungen verfolgen uns bis in unser Grab. Suche diesen Buben
  
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