🕥 Минуты чтения - 32

Belagerung von Mainz - 1

Каждый столб представляет процент слов на 1000 наиболее распространенных слов
Общее количество слов 4100
Общее количество уникальных слов составляет 1558
38.4 слов входит в 2000 наиболее распространенных слов
50.1 слов входит в 5000 наиболее распространенных слов
55.4 слов входит в 8000 наиболее распространенных слов
  Belagerung von Mainz
  Goethe
  
  Montag den 26. Mai 1793 von Frankfurt nach Höchst und Flörsheim;
  hier stand viel Belagerungsgeschütz. Der alte freie Weg nach Mainz
  war gesperrt, ich mußte über die Schiffbrücke bei Rüsselsheim; in
  Ginsheim ward gefüttert; der Ort ist sehr zerschossen; dann über die
  Schiffbrücke auf die Nonnenaue, wo viele Bäume niedergehauen lagen,
  sofort auf dem zweiten Teil der Schiffbrücke über den größern
  Arm des Rheins. Ferner auf Bodenheim und Oberulm, wo ich mich
  kantonierungsmäßig einrichtete und sogleich mit Hauptmann Vent nach
  dem rechten Flügel über Hechtsheim ritt, mir die Lage besah von
  Mainz, Kastel, Kostheim, Hochheim, Weißenau, der Mainspitze und den
  Rheininseln. Die Franzosen hatten sich der einen bemächtigt und sich
  dort eingegraben; ich schlief nachts in Oberulm.
  Dienstag den 27. Mai eilte ich, meinen Fürsten im Lager bei
  Marienborn zu verehren, wobei mir das Glück ward, dem Prinzen
  Maximilian von Zweibrücken, meinem immer gnädigen Herrn, aufzuwarten;
  vertauschte dann sogleich gegen ein geräumiges Zelt in der Fronte des
  Regiments mein leidiges Kantonierungsquartier. Nun wollt' ich auch
  die Mitte des Blockadehalbkreises kennen lernen, ritt auf die
  Schanze vor dem Chausseehaus, übersah die Lage der Stadt, die neue
  französische Schanze bei Zahlbach und das merkwürdig-gefährliche
  Verhältnis des Dorfes Bretzenheim. Dann zog ich mich gegen das
  Regiment zurück und war bemüht, einige genaue Umrisse aufs Papier zu
  bringen, um mir die Bezüge und die Distanzen der landschaftlichen
  Gegenstände desto besser zu imprimieren.
  Ich wartete dem General Grafen Kalckreuth in Marienborn auf, und
  war abends bei demselben; da denn viel über eine Märe gesprochen
  wurde, daß in dem Lager der anderen Seite vergangene Nacht der
  Lärm entstanden, als sei ein deutscher General zu den Franzosen
  übergegangen, worüber sogar das Feldgeschrei verändert worden und
  einige Bataillons ins Gewehr getreten.
  Ferner unterhielt man sich über das Detail der Lage überhaupt,
  über Blockade und künftige Belagerung. Viel ward gesprochen über
  Persönlichkeiten und deren Verhältnisse, die gar mancherlei wirken,
  ohne daß sie zur Sprache kommen. Man zeigte daraus, wie unzuverlässig
  die Geschichte sei, weil kein Mensch eigentlich wisse, warum oder
  woher dieses und jenes geschehe.
  Mittwoch den 28. Mai bei Obrist von Stein auf dem Forsthause, das
  äußerst schön liegt; ein höchst angenehmer Aufenthalt! Man fühlte,
  welch eine behagliche Stelle es gewesen, Landjägermeister eines
  Kurfürsten von Mainz zu sein. Von da übersieht man den großen
  landschaftlichen Kessel, der sich bis Hochheim hinüber erstreckt, wo
  in der Urzeit Rhein und Main sich wirbelnd drehten und restagnierend
  die besten Äcker vorbereiteten, ehe sie bei Bieberich westwärts zu
  fließen völlige Freiheit fanden.
  Ich speiste im Hauptquartier; der Rückzug aus der Champagne ward
  besprochen; Graf Kalckreuth ließ seiner Laune gegen die Theoristen
  freien Lauf.
  Nach der Tafel ward ein Geistlicher hereingebracht, als
  revolutionärer Gesinnungen verdächtig. Eigentlich war er toll, oder
  wollte so scheinen; er glaubte Turenne und Conde gewesen, und nie von
  einem Weibe geboren zu sein; durch das Wort werde alles gemacht! Er
  war guter Dinge und zeigte in seiner Tollheit viel Konsequenz und
  Gegenwart des Geistes.
  Ich suchte mir die Erlaubnis, Lieutenant von Itzenplitz zu besuchen,
  welcher am 9. Mai in einer Affäre vor Mainz mit Schuß und Schub
  verwundet und endlich gefangen genommen worden. Feindlicherseits
  betrug man sich auf das schonendste gegen ihn und gab ihn bald wieder
  heraus. Reden durft' er noch nicht, doch erfreute ihn die Gegenwart
  eines alten Kriegskameraden, der manches zu erzählen wußte.
  Gegen Abend fanden sich die Offiziere des Regiments beim Marketender,
  wo es etwas mutiger herging als vorm Jahr in der Champagne: denn wir
  tranken den dortigen schäumenden Wein, und zwar im Trocknen beim
  schönsten Wetter. Meiner vormaligen Weissagung ward auch gedacht; sie
  wiederholten meine Worte: "Von hier und heute geht eine neue Epoche
  der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen."
  Wunderbar genug sah man diese Prophezeiung nicht etwa nur dem
  allgemeinen Sinn, sondern dem besondern Buchstaben nach genau
  erfüllt, indem die Franzosen ihren Kalender von diesen Tagen an
  datierten.
  Wie aber der Mensch überhaupt ist, besonders aber im Kriege, daß er
  sich das Unvermeidliche gefallen läßt und die Intervalle zwischen
  Gefahr, Not und Verdruß mit Vergnügen und Lustbarkeit auszufüllen
  sucht: so ging es auch hier; die Hautboisten von Thadden spielten ca
  ira und den Marseiller Marsch, wobei eine Flasche Champagner nach der
  andern geleert wurde.
  Abends 8 Uhr kanonierte man stark von den Batterien des rechten
  Flügels.
  Donnerstag den 29. Mai früh 9 Uhr Viktoria wegen des Siegs der
  Östreicher bei Famars. Dieses allgemeine Abfeuern nützte mir, die
  Lage der Batterien und die Stellung der Truppen kennen zu lernen;
  zugleich war ein ernstlicher Handel bei Bretzenheim, denn freilich
  hatten die Franzosen alle Ursache, uns aus diesem so nahe gelegenen
  Dorfe zu vertreiben.
  Inzwischen erfuhr man, woher das Märchen der gestrigen Desertion
  entstanden: durch seltsam zufällige Kombinationen, so abgeschmackt
  als möglich, aber doch einige Zeit umherlaufend.
  Ich begleitete meinen gnädigsten Herrn nach dem linken Flügel,
  wartete dem Herrn Landgrafen von Darmstadt auf, dessen Lager
  besonders zierlich mit kiefernen Lauben ausgeputzt war, dessen Zelt
  jedoch alles, was ich je in dieser Art gesehen, übertraf, wohl
  ausgedacht, vortrefflich gearbeitet, bequem und prächtig.
  Gegen Abend war uns, mir aber besonders, ein liebenswürdiges
  Schauspiel bereitet; die Prinzessinnen von Mecklenburg hatten im
  Hauptquartier zu Bodenheim bei Ihro Majestät dem Könige gespeist und
  besuchten nach Tafel das Lager. Ich heftelte mich in mein Zelt ein
  und durfte so die hohen Herrschaften, welche unmittelbar davor ganz
  vertraulich auf und nieder gingen, auf das genauste beobachten. Und
  wirklich konnte man in diesem Kriegsgetümmel die beiden jungen Damen
  für himmlische Erscheinungen halten, deren Eindruck auch mir niemals
  verlöschen wird.
  Freitag den 30. Mai. Früh hörte man hinter dem Lager
  Kleingewehrfeuer, welches einige Apprehension gab; dies klärte sich
  dahin auf, daß die Bauern den Fronleichnam gefeiert. Ferner ward
  Viktoria geschossen aus Kanonen und kleinem Gewehr, jenes glücklichen
  Ereignisses in den Niederlanden wegen; dazwischen scharf aus der
  Stadt und hinein. Nachmittag ein Donnerwetter.
  Holländische Artillerie-flottille ist angekommen, liegt bei Ebenheim.
  In der Nacht vom 30. zum 31. Mai schlief ich, wie gewöhnlich ganz
  angezogen, ruhig im Zelte, als ich vom Platzen eines kleinen
  Gewehrfeuers aufgeweckt wurde, das nicht allzu entfernt schien.
  Ich sprang auf und heraus und fand schon alles in Bewegung; es war
  offenbar, daß Marienborn überfallen sei. Bald darauf feuerten unsere
  Kanonen von der Batterie vor dem Chausseehaus, dies mußte also einem
  herandringenden Feinde gelten. Das Regiment des Herzogs, von dem eine
  Schwadron hinter dem Chausseehaus gelagert war, ruckte aus; der
  Moment war kaum erklärbar. Das kleine Gewehrfeuer in Marienborn, im
  Rücken unserer Batterien, dauerte fort, und unsere Batterien schossen
  auch. Ich setzte mich zu Pferde und ritt weiter vor, wo ich, nach
  früher genommener Kenntnis, ob es gleich Nacht war, die Gegend
  beurteilen konnte. Ich erwartete jeden Augenblick, Marienborn in
  Flammen zu sehen, und ritt zu unseren Zelten zurück, wo ich die Leute
  des Herzogs beschäftigt fand, ein- und aufzupacken, auf alle Fälle.
  Ich empfahl ihnen meinen Koffer und Portefeuille und besprach unsern
  Rückzug. Sie wollten auf Oppenheim zu; dorthin konnte ich leicht
  folgen, da mir der Fußpfad durch das Fruchtfeld bekannt war, doch
  wollt' ich den Erfolg erst abwarten und mich nicht eher entfernen,
  bis das Dorf brennte und der Streit sich hinter demselben weiter
  heraufzöge.
  In solcher Ungewißheit sah ich der Sache zu, aber bald legte sich
  das kleine Gewehrfeuer, die Kanonen schwiegen, der Tag fing an, zu
  grauen, und das Dorf lag ganz ruhig vor mir. Ich ritt hinunter. Die
  Sonne ging auf mit trübem Schein, und die Opfer der Nacht lagen neben
  einander. Unsere riesenhaften, wohlgekleideten Kürassiere machten
  einen wunderlichen Kontrast mit den zwergenhaften, schneiderischen,
  zerlumpten Ohnehosen; der Tod hatte sie ohne Unterschied hingemäht.
  Unser guter Rittmeister La Viere war unter den ersten geblieben,
  Rittmeister von Voß, Adjutant des Grafen Kalckreuth, durch die Brust
  geschossen, man erwartete seinen Tod. Ich war veranlaßt, eine kurze
  Relation dieses wunderbaren und unangenehmen Vorfalls aufzusetzen,
  welche ich hier einschalte und sodann noch einige Partikularitäten
  hinzufüge.
   * * * * *
  Von dem Ausfall der Franzosen in der Nacht auf Marienborn vermelde
  ich folgendes:
  Das Hauptquartier Marienborn liegt in der Mitte des Halbkreises von
  Lagern und Batterien, die am linken Ufer des Rheins oberhalb Mainz
  anfangen, die Stadt nicht gar in der Entfernung einer halben Stunde
  umgeben und unterhalb derselben sich wieder an den Fluß anschließen.
  Die Kapelle zum heiligen Kreuz, die Dörfer Weißenau, Hechtsheim,
  Marienborn, Drais, Gunzenheim, Mombach werden von diesem Kreise
  entweder berührt oder liegen nicht weit außerhalb desselben. Die
  beiden Flügel bei Weißenau und Mombach wurden vom Anfang der Blockade
  an von den Franzosen öfters angegriffen und ersteres Dorf abgebrannt,
  die Mitte hingegen blieb ohne Anfechtung. Niemand konnte vermuten,
  daß sie dahin einen Ausfall richten würden, weil sie in Gefahr kamen,
  von allen Seiten ins Gedränge zu geraten, abgeschnitten zu werden,
  ohne irgend etwas von Bedeutung auszurichten. Indessen waren die
  Vorposten um Bretzenheim und Dalheim, Orte, die vor Marienborn in
  einem Grunde liegen, der sich nach der Stadt zieht, immer aneinander,
  und man behauptete Bretzenheim diesseits um so eifriger, als die
  Franzosen bei Zahlbach, einem Kloster nahe bei Dalheim, eine Batterie
  errichtet hatten und damit das Feld und die Chaussee bestrichen.
  Eine Absicht, die man dem Feinde nicht zutraute, bewog ihn endlich zu
  einem Ausfall gegen das Hauptquartier. Die Franzosen wollten -- so
  ist man durch die Gefangenen überzeugt -- den General Kalckreuth, der
  in Marienborn, den Prinzen Ludwig, Ferdinands Sohn, der auf dem
  Chausseehause einige hundert Schritte vom Dorfe in Quartier lag,
  entweder gefangen fortführen oder tot zurücklassen. Sie wählten die
  Nacht vom 30. zum 31., zogen sich, vielleicht 3000 Mann, aus dem
  Zahlbacher Grunde, schlängelnd über die Chaussee und durch einige
  Gründe bis wieder an die Chaussee, passierten sie wieder und eilten
  auf Marienborn los. Sie waren gut geführt und nahmen ihren Weg
  zwischen den östreichischen und preußischen Patrouillen durch, die
  leider, wegen geringen Wechsels von Höhen und Tiefen, nicht an
  einander stießen. Auch kam ihnen noch ein Umstand zu Hülfe.
  Tags vorher hatte man Bauern beordert, das Getreide, das gegen die
  Stadt zu steht, in dieser Nacht abzumähen; als diese nach vollendeter
  Arbeit zurückgingen, folgten ihnen die Franzosen, und einige
  Patrouillen wurden dadurch irre gemacht. Sie kamen unentdeckt
  ziemlich weit vorwärts, und als man sie bemerkte und auf sie schoß,
  drangen sie in der größten Eile nach Marienborn vor und erreichten
  das Dorf gegen 1 Uhr, wo man sorglos entweder schlief oder wachte.
  Sie schossen sogleich in die Häuser, wo sie Licht sahen, drängten
  sich durch die Straße und umringten den Ort und das Kloster, in
  welchem der General lag. Die Verwirrung war groß, die Batterien
  schossen, das Infanterieregiment Wegner rückte gleich vor, eine
  Schwadron des Herzogs von Weimar, die hinter dem Orte lag, war bei
  der Hand, die sächsischen Husaren desgleichen. Es entstand ein
  verwirrtes Gefecht.
  Indessen hörte man im ganzen Umkreis des blockierenden Lagers das
  Feuern von falschen Attacken, jeder wurde auf sich aufmerksam
  gemacht, und niemand wagte, dem andern zu Hülfe zu eilen.
  Der abnehmende Mond stand am Himmel und gab ein mäßiges Licht. Der
  Herzog von Weimar nahm den übrigen Teil seines Regiments, das eine
  Vietelstunde hinter Marienborn auf der Höhe lag, und eilte hinzu,
  Prinz Ludwig führte die Regimenter Wegner und Thadden, und nach
  einem anderthalbstündigen Gefechte trieb man die Franzosen gegen die
  Stadt. An Toten und Blessierten ließen sie 30 Mann zurück, was sie
  mit sich geschleppt, ist unbekannt.
  Der Verlust der Preußen an Toten und Blessierten mag 90 Mann sein.
  Major La Viere von Weimar ist tot; Rittmeister und Adjutant von
  Voß tödlich verwundet. Ein unglücklicher Zufall vermehrte den
  diesseitigen Verlust: denn als sich die Feldwachen von Bretzenheim
  auf Marienborn zurückziehen wollten, kamen sie unter die Franzosen
  und wurden zugleich mit ihnen von unsern Batterien beschossen.
  Als es Tag ward, fand man Pechkränze und mit Pech überzogene
  Birkenwellen an allen Enden des Dorfes; sie hatten die Absicht, wenn
  der Coup gelänge, zuletzt das Dorf anzuzünden.
  Man erfuhr, daß sie zu gleicher Zeit versucht hatten, eine Brücke
  von einer Rheininsel an der Mainspitze, in die sie sich seit einiger
  Zeit genistet, auf die nächste Insel zu schlagen, wahrscheinlich in
  der Absicht, gegen die Schiffbrücken bei Ginsheim etwas vorzunehmen.
  Das zweite Treffen der Kette ward näher an das erste herangezogen,
  und des Herzogs Regiment steht nah bei Marienborn.
  Man weiß, daß beim Ausfall Nationaltruppen vorangingen, dann
  Linien-, dann wieder Nationaltruppen folgten; es mag daher das
  Gerücht entstanden sein, die Franzosen seien in drei Kolonnen
  ausgezogen.
   * * * * *
  Den 1. Juni rückte das Regiment näher nach Marienborn; der Tag ging
  hin mit Veränderung des Lagers; auch die Infanterie veränderte ihre
  Stellung und man traf verschiedene Verteidigungsanstalten.
  Ich besuchte Rittmeister von Voß, den ich ohne Hoffnung fand; er saß
  aufrecht im Bette und schien seine Freunde zu kennen, zu sprechen
  vermocht' er nicht. Auf einen Wink des Chirurgen begaben wir uns weg;
  und ein Freund machte mich unterwegs aufmerksam, daß vor einigen
  Tagen in demselben Zimmer ein heftiger Streit entstanden, indem einer
  gegen viele hartnäckig behauptet: Marienborn, als Hauptquartier,
  liege viel zu nahe an der blockierten und zu belagernden Stadt, man
  habe sich gar wohl eines Überfalls zu versehen.
  Weil aber überhaupt eine heftige Widerrede gegen alles, was von
  obenherein befohlen und veranstaltet war, zur Tagesordnung gehörte,
  so ging man drüber hinaus und ließ diese Warnung, so wie manche
  andere, verhallen.
  Den 2. Juni ward ein Bauer aus Oberulm gehangen, der beim Überfall
  die Franzosen angeführt hatte: denn ohne die genauste Kenntnis des
  Terrains wäre das schlängelnde Heranziehen nicht denkbar gewesen; zum
  Unglück für ihn wußte er nicht ebenso gut mit den Rückkehrenden die
  Stadt zu erreichen und wurde von den ausgesandten Patrouillen, die
  alles auf das sorgfältigste durchsuchten, eingefangen.
  Ward Major La Viere mit allen militärischen Ehren vor den Standarten
  begraben. Starb Rittmeister von Voß. Waren Prinz Ludwig, General
  Kalckreuth und mehrere bei dem Herzog zur Tafel. Abends Feuern an der
  Rheinspitze.
  Den 3. Juni große Mittagstafel bei Herrn von Stein auf dem
  Jägerhause; herrliches Wetter, unschätzbare Aussicht, ländlicher
  Genuß, durch Szenen des Todes und Verderbens getrübt. Abends wurde
  Rittmeister von Voß neben La Viere niedergesenkt.
  Den 5. Juni. Man fährt fort, an der Verschanzung des Lagers ernstlich
  zu arbeiten.
  Große Attacke und Kanonade an der Mainspitze.
  Den 6. Juni war die preußische und östreichische Generalität bei
  Serenissimo zu Tafel, in einem großen, von Zimmerwerk zu solchen
  Festen auferbauten Saale. Ein Obristlieutenant vom Regiment Wegner,
  schief gegen mir über sitzend, betrachtete mich gewissermaßen mehr
  als billig.
  Den 7. Juni schrieb ich früh viel Briefe. Bei Tafel im Hauptquartier
  schwadronierte ein Major viel über künftige Belagerung und redete
  sehr frei über das Benehmen bisher.
  Gegen Abend führte mich ein Freund zu jenem beobachtenden
  Obristlieutenant, der vor einigen Tagen meine Bekanntschaft zu machen
  gewünscht hatte. Wir fanden keine sonderliche Aufnahme; es war Nacht
  geworden, es erschien keine Kerze. Selterswasser und Wein, das man
  jedem Besuchenden anbot, blieb aus, die Unterhaltung war null. Mein
  Freund, welcher diese Verstimmung dem Umstande zuschrieb, daß wir zu
  spät gekommen, blieb nach dem Abschiede einige Schritte zurück, um
  uns zu entschuldigen, jener aber versetzte zutraulich, es habe gar
  nichts zu sagen: denn gestern bei Tafel habe er schon an meinen
  Gesichtszügen gesehen, daß ich gar der Mann nicht sei, wie er sich
  ihn vorgestellt habe. Wir scherzten über diesen verunglückten Versuch
  neuer Bekanntschaft.
  Den 8. Juni setzte ich meine Arbeit an 'Reineke Fuchs' fleißig fort,
  ritt mit durchlauchtigstem Herzog nach dem darmstädtischen Lager, wo
  ich den Herrn Landgrafen als meinen vieljährigen unabänderlich
  gnädigsten Herrn mit Freuden verehrte.
  Abends kam Prinz Maximilian von Zweibrücken mit Obrist von Stein zu
  Serenissimo; da ward manches durchgesprochen; zuletzt kam das
  offenbare Geheimnis der nächstkünftigen Belagerung an die Reihe.
  Den 9. Juni glückte den Franzosen ein Ausfall auf Heiligkreuz; es
  gelang ihnen, Kirche und Dorf unmittelbar vor den östreichischen
  Batterien anzuzünden, einige Gefangene zu machen und sich nicht ohne
  Verlust hierauf zurückzuziehen.
  Den 10. Juni wagten die Franzosen einen Tagesüberfall auf
  Gunzenheim, der zwar abgeschlagen ward, aber uns doch wegen des
  linken Flügels, und besonders wegen des Darmstädter Lagers, einige
  Zeit in Verlegenheit und Sorge setzte.
  Den 11. Juni. Das Lager Ihro Majestät des Königs war nun etwa 1000
  Schritte über Marienborn bestimmt und angelegt, gerade an dem
  Abhange, wo der große Kessel, in welchem Mainz liegt, sich endigt, in
  aufsteigenden Lehmwänden und Hügeln; dieses gab zu den anmutigsten
  Einrichtungen Gelegenheit. Das leicht zu behandelnde Erdreich bot
  sich den Händen geschickter Gärtner dar, welche die gefälligste
  Parkanlage mit wenig Bemühung bildeten: die abhängige Seite ward
  geböscht und mit Rasen belegt, Lauben gebaut, auf- und absteigende
  Kommunikationsgänge gegraben, Flächen planiert, wo das Militär in
  seiner ganzen Pracht und Zierlichkeit sich zeigen konnte, anstoßende
  Wäldchen und Büsche mit in den Plan gezogen, so daß man bei der
  köstlichsten Aussicht nichts mehr wünschen konnte, als diese
  sämtlichen Räume ebenso bearbeitet zu sehen, um des herrlichsten
  Parks von der Welt zu genießen. Unser Krause zeichnete sorgfältig die
  Aussicht mit allen ihren gegenwärtigen Eigentümlichkeiten.
  Den 14. Juni. Eine kleine Schanze, welche die Franzosen unterhalb
  Weißenau errichtet hatten und besetzt hielten, stand der Eröffnung
  der Parallele im Weg; sie sollte nachts eingenommen werden, und
  mehrere davon unterrichtete Personen begaben sich auf diesseitigen
  Schanzen unseres rechten Flügels, von wo man die ganze Lage übersehen
  konnte. In der sehr finstern Nacht erwartete man nunmehr, da man die
  Stelle recht gut kannte, wohin unsere Truppen gesendet waren, Angriff
  und Widerstand sollten durch ein lebhaftes Feuer ein bedeutendes
  Schauspiel geben. Man harrte lang, man harrte vergebens; statt dessen
  gewahrte man aber eine weit lebhaftere Erscheinung. Alle Posten
  unserer Stellung mußten angegriffen sein, denn in dem ganzen Kreis
  derselben erblickte man ein lebhaftes Feuern, ohne daß man dessen
  Veranlassung irgend begreifen konnte; auf der Stelle aber, von der
  eigentlich die Rede sein sollte, blieb alles tot und stumm.
  Verdrießlich gingen wir nach Hause, besonders Herr Gore, als auf
  solche Feuer- und Nachtgefechte der Begierigste. Der folgende Tag
  gab uns die Auflösung dieses Rätsels. Die Franzosen hatten sich
  vorgenommen, in dieser Nacht alle unsere Posten anzugreifen,
  und deshalb ihre Truppen aus den Schanzen weg und zum Angriff
  zusammengezogen. Unsere Abgesendeten daher, die mit der größten
  Vorsicht an die Schanze herangingen, fanden weder Waffen noch
  Widerstand; sie erstiegen die Schanze und fanden sie leer, einen
  einzigen Kanonier ausgenommen, der sich über diesen Besuch höchlich
  verwunderte. Während des allgemeinen Feuerns, das nur sie nicht
  betraf, hatten sie gute Zeit, die Wälle zu zerstören und sich
  zurückzuziehen. Jener allgemeine Angriff hatte auch keine weitern
  Folgen; die alarmierten Linien beruhigten sich wieder mit dem
  Einbruch des Tags.
  Den 16. Juni. Die immer besprochene und dem Feind verheimlichte
  Belagerung von Mainz nahte sich denn doch endlich; man sagte sich
  ins Ohr, heute nacht solle die Tranchee eröffnet werden. Es war
  sehr finster, und man ritt den bekannten Weg nach der Weißenauer
  Schanze; man sah nichts, man hörte nichts, aber unsere Pferde
  stutzten auf einmal, und wir wurden unmittelbar vor uns einen kaum zu
  unterscheidenden Zug gewahr. Östreichische, grau gekleidete Soldaten,
  mit grauen Faschinen auf den Rücken, zogen stillschweigend dahin,
  kaum daß von Zeit zu Zeit der Klang aneinander schlagender Schaufeln
  und Hacken irgend eine nahe Bewegung andeutete. Wunderbarer und
  gespensterhafter läßt sich kaum eine Erscheinung denken, die sich
  halb gesehen immer wiederholte, ohne deutlicher gesehen zu werden.
  Wir blieben auf dem Flecke halten, bis daß sie vorüber waren, denn
  von da aus konnten wir wenigstens nach der Stelle hinsehen, wo sie im
  Finstern wirken und arbeiten sollten. Da dergleichen Unternehmungen
  immer in Gefahr sind, dem Feind verraten zu werden, so konnte man
  erwarten, daß von den Wällen aus auf diese Gegend, und wenn auch nur
  auf gut Glück, gefeuert werden würde. Allein in dieser Erwartung
  blieb man nicht lange, denn gerade an der Stelle, wo die Tranchee
  angefangen werden sollte, ging auf einmal Kleingewehrfeuer los, allen
  unbegreiflich. Sollten die Franzosen sich herausgeschlichen, bis an
  oder gar über unsere Vorposten herangewagt haben? Wir begriffen es
  nicht. Das Feuern hörte auf, und alles versank in die allertiefste
  Stille. Erst den andern Morgen wurden wir aufgeklärt, daß unsere
  Vorposten selbst auf die still heranziehende Kolonne wie auf eine
  feindliche gefeuert hatten; diese stutzte, verwirrte sich, jeder warf
  seine Faschine weg, Schaufeln und Hacken wurden allenfalls gerettet;
  die Franzosen, auf den Wällen aufmerksam gemacht, waren auf
  ihrer Hut, man kam unverrichteter Sache zurück, die sämtliche
  Belagerungsarmee war in Bestürzung.
  Den 17. Juni. Die Franzosen errichten eine Batterie an der Chaussee.
  Nachts entsetzlicher Regen und Sturm.
  Den 18. Juni. Als man die neulich mißglückte Eröffnung der Tranchee
  unter den Sachverständigen besprach, wollte sich finden, daß man viel
  zu weit von der Festung mit der Anlage geblieben sei; man beschloß
  daher sogleich, die dritte Parallele näher zu rücken und dadurch aus
  jenem Unfall entschiedenen Vorteil zu ziehen. Man unternahm es, und
  es ging glücklich vonstatten.
  Den 24. Juni. Franzosen und Klubisten, wie man wohl bemerken konnte,
  daß es Ernst werde, veranstalteten, dem zunehmenden Mangel an
  Lebensmitteln Einhalt zu tun, eine unbarmherzige Exportation gegen
  Kastel, von Greisen und Kranken, Frauen und Kindern, die ebenso
  grausam wieder zurückgewiesen wurden. Die Not wehr- und hülfloser,
  zwischen innere und äußere Feinde gequetschter Menschen ging über
  alle Begriffe.
  Man versäumte nicht, den östreichischen Zapfenstreich zu hören,
  welcher alle andere der ganzen alliierten Armee übertraf.
  Den 25. Juni nachmittag entstand ein heftiges, allen unbegreifliches
  Kanonieren am Ende unsers linken Flügels; zuletzt klärte sich's auf,
  das Feuern sei auf dem Rhein, wo die holländische Flotte vor Ihro
  Majestät dem Könige manövriere; Höchstdieselben waren deshalb nach
  Elfeld gegangen.
  Den 27. Juni. Anfang des Bombardements, wodurch die Dechanei sogleich
  angezündet war.
  Nachts glückte den Unsern der Sturm auf Weißenau und die Schanze
  oberhalb der Kartause, freilich unerläßliche Punkte, den rechten
  Flügel der zweiten Parallele zu sichern.
  Den 28. Juni nachts. Fortgesetztes Bombardement gegen den Dom; Turm
  und Dach brennen ab und viele Häuser umher. Nach Mitternacht die
  Jesuitenkirche.
  Wir sahen auf der Schanze vor Marienborn diesem schrecklichen
  Schauspiele zu; es war die sternenhellste Nacht, die Bomben schienen
  mit den Himmelslichtern zu wetteifern, und es waren wirklich
  Augenblicke, wo man beide nicht unterscheiden konnte. Neu war uns das
  Steigen und Fallen der Feuerkugeln; denn wenn sie erst mit einem
  flachen Zirkelbogen das Firmament zu erreichen drohten, so knickten
  sie in einer gewissen Höhe parabolisch zusammen, und die aufsteigende
  Lohe verkündigte bald, daß sie ihr Ziel zu erreichen gewußt.
  Herr Gore und Rat Krause behandelten den Vorfall künstlerisch und
  machten so viele Brandstudien, daß ihnen später gelang, ein
  durchscheinendes Nachtstück zu verfertigen, welches noch vorhanden
  ist und, wohl erleuchtet, mehr als irgend eine Wortbeschreibung die
  Vorstellung einer unselig glühenden Hauptstadt des Vaterlandes zu
  überliefern imstande sein möchte.
  Und wie deutete nicht ein solcher Anblick auf die traurigste Lage,
  indem wir, uns zu retten, uns einigermaßen wieder herzustellen, zu
  solchen Mitteln greifen mußten!
  Den 29. Juni. Schon längst war von einer schwimmenden Batterie die
  Rede gewesen, welche, bei Ginsheim gebaut, auf den Mainkopf und die
  zunächst liegenden Inseln und Auen wirken und sie besetzen sollte.
  Man sprach so viel davon, daß sie endlich vergessen ward. Auf meinem
  gewöhnlichen Nachmittagsritte nach unserer Schanze über Weißenau war
  ich kaum dorthin gelangt, als ich auf dem Fluß eine große Bewegung
  bemerkte: französische Kähne ruderten emsig nach den Inseln, und
  die östreichische Batterie, angelegt, um den Fluß bis dorthin
  zu bestreichen, feuerte unausgesetzt in Prellschüssen auf dem
  Wasser, -- für mich ein ganz neues Schauspiel. Wie die Kugel zum
  erstenmal auf das bewegliche Element aufschlug, entsprang eine
  starke, sich viele Fuß in die Höhe bäumende Springwelle; diese war
  noch nicht zusammengestürzt, als schon eine zweite in die Höhe
  getrieben wurde, kräftig wie die erste, nur nicht von gleicher Höhe,
  und so folgte die dritte, vierte, immer ferner abnehmend, bis sie
  zuletzt gegen die Kähne gelangte, flächer fortwirkte und den
  Fahrzeugen zufällig gefährlich ward.
  An diesem Schauspiel konnt' ich mich nicht satt sehen, denn es
  folgte Schuß auf Schuß, immer wieder neue mächtige Fontänen, indessen
  die alten noch nicht ganz verrauscht hatten.
  Auf einmal löste sich drüben auf dem rechten Ufer zwischen Büschen
  und Bäumen eine seltsame Maschine los; ein vierecktes, großes, von
  Balken gezimmertes Lokal schwamm daher, zu meiner großen
  Verwunderung, zu meiner Freude zugleich, daß ich bei dieser
  wichtigen, so viel besprochenen Expedition Augenzeuge sein sollte.
  Meine Segenswünsche schienen jedoch nicht zu wirken, meine Hoffnung
  dauerte nicht lange: denn gar bald drehte die Masse sich auf sich
  selbst, man sah, daß sie keinem Steuerruder gehorchte, der Strom zog
  sie immer im Drehen mit sich fort. Auf der Rheinschanze oberhalb
  Kastel und vor derselben war alles in Bewegung, Hunderte von
  Franzosen rannten am Ufer aufwärts und verführten ein gewaltiges
  Jubelgeschrei, als dieses trojanische Meerpferd, fern von dem
  beabsichtigten Ziel der Landspitze, durch den einströmenden Main
  ergriffen und nun zwischen Rhein und Main gelassen und unaufhaltsam
  dahinfuhr. Endlich zog die Strömung diese unbehülfliche Maschine
  gegen Kastel, dort strandete sie ohnfern der Schiffbrücke auf einem
  flachen, noch vom Fluß überströmten Boden. Hier versammelte sich nun
  das sämtliche französische Kriegsvolk, und wie ich bisher mit meinem
  trefflichen Fernrohr das ganze Ereignis aufs genauste beobachtet,
  so sah ich nun auch, leider, die Falltüre, die diesen Raum
  verschloß, niedersinken und die darin Versperrten heraus und in
  die Gefangenschaft wandern. Es war ein ärgerlicher Anblick: die
  
Вы прочитали 1 текст из Немецкий литературы.