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Wissenschaft der Logik — Band 1 - 03

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  Trennungen beharrt. Gegen die Vernunft gekehrt beträgt er sich als
  gemeiner Menschenverstand und macht seine Ansicht geltend, daß die
  Wahrheit auf sinnlicher Realität beruhe, daß die Gedanken nur Gedanken
  seyen, in dem Sinne, daß erst die sinnliche Wahrnehmung ihnen Gehalt
  und Realität gebe, daß die Vernunft, insofern sie an und für sich
  bleibe, nur Hinrgespinnste erzeuge. In diesem Verzichtthun der Vernunft
  auf sich selbst, geht der Begriff der Wahrheit verloren, sie ist darauf
  eingeschränkt, nur subjektive Wahrheit, nur die Erscheinung zu
  erkennen, nur etwas, dem die Natur der Sache selbst nicht entspreche;
  das Wissen ist zur Meinung zurückgefallen.
  Diese Wendung jedoch, welche das Erkennen nimmt, und die als Verlust
  und Rückschritt erscheint, hat das Tiefere zum Grunde, worauf überhaupt
  die Erhebung der Vernunft in den höhern Geist der neuern Philosophie
  beruht. Der Grund jener allgemein gewordenen Vorstellung ist nämlich in
  der Einsicht von dem nothwendigen Widerstreite der Bestimmungen des
  Verstandes mit sich selbst, zu suchen.—Die schon namhaft gemacht
  Reflexion ist dieß, über das konkrete Unmittelbare hinaus zu gehen, und
  dasselbe zu bestimmen und zu trennen. Aber sie muß ebenso sehr über
  diese ihre trennenden Bestimmungen hinausgehen, und sie zunächst
  beziehen. Auf dem Standpunkte dieses Beziehens tritt der Widerstreit
  derselben hervor. Dieses Beziehen der Reflexion gehört an sich der
  Vernunft an; die Erhebung über jene Bestimmungen, die zur Einsicht des
  Widerstreits derselben gelangt, ist der große negative Schritt zum
  wahrhaften Begriffe der Vernunft. Aber die nicht durchgeführte Einsicht
  fällt in den Mißverstand, als ob die Vernunft es sey, welche in
  Widerspruch mit sich gerathe; sie erkennt nicht, daß der Widerspruch
  eben das Erheben der Vernunft über die Beschränkungen des Verstandes
  und das Auflösen derselben ist. Statt von hier aus den letzten Schritt
  in die Höhe zu thun, ist die Erkenntniß von dem Unbefriedigenden der
  Verstandesbestimmungen zu der sinnlichen Existenz zurückgeflohen, an
  derselben das Feste und Einige zu haben vermeinend.
  Indem aber auf der andern Seite diese Erkenntniß sich als die
  Erkenntniß von Erscheinendem weiß, wird das Unbefriedigende derselben
  eingestanden, aber zugleich vorausgesetzt, als ob zwar nicht die Dinge
  an sich, aber doch innerhalb der Sphäre der Erscheinung richtig erkannt
  würde; als ob dabei gleichsam nur die Art der Gegenstände verschieden
  wäre, und die eine Art, nämlich die Dinge an sich zwar nicht, aber doch
  die andere Art, nämlich die Erscheinungen, in die Erkenntniß fielen.
  Wie wenn einem Manne richtige Einsicht beigemessen würde, mit dem
  Zusatz, daß er jedoch nichts Wahres, sondern nur Unwahres einzusehen
  fähig sey. So ungereimt das Letztere wäre, so ungereimt ist eine wahre
  Erkenntniß, die den Gegenstand nicht erkennte, wie er an sich ist.
  Die Kritik der Formen des Verstandes hat das angeführte Resultat
  gehabt, daß diese Formen keine Anwendung auf die Dinge an sich haben.
  —Dieß kann keinen andern Sinn haben, als daß diese Formen an ihnen
  selbst etwas Unwahres sind. Allein indem sie für die subjektive
  Vernunft und für die Erfahrung als geltend gelassen werden, so hat die
  Kritik keine Änderung an ihnen selbst bewirkt, sondern läßt sie für das
  Subjekt in derselben Gestalt, wie sie sonst für das Objekt galten. Wenn
  sie aber ungenügend für das Ding an sich sind, so müßte der Verstand,
  dem sie angehören sollen, noch weniger dieselben sich gefallen lassen
  und damit vorlieb nehmen wollen. Wenn sie nicht Bestimmungen des Dings
  an sich seyn können, so können sie noch weniger Bestimmungen des
  Verstandes seyn, dem wenigstens die Würde eines Dings an sich
  zugestanden werden sollte. Die Bestimmungen des Endlichen und
  Unendlichen sind in demselben Widerstreit, es sey, daß sie auf Zeit und
  Raum, auf die Welt angewendet werden, oder daß sie Bestimmungen
  innerhalb des Geistes seyen; so gut als schwarz und weiß ein Grau
  geben, ob sie an einer Wand, oder aber noch auf der Pallete mit
  einander vereinigt werden; wenn unsere Weltvorstellung sich auflöst,
  indem die Bestimmungen des Unendlichen und Endlichen auf sie
  übergetragen werden, so ist noch mehr der Geist selbst, welcher sie
  beide in sich enthält, ein in sich selbst Widersprechendes, ein sich
  Auflösendes.—Es ist nicht die Beschaffenheit des Stoffes oder
  Gegenstandes, worauf sie angewendet würde, oder in dem sie sich
  befänden, was einen Unterschied ausmachen kann; denn der Gegenstand hat
  nur durch und nach jenen Bestimmungen den Widerspruch an ihm.
  Jene Kritik hat also die Formen des objektiven Denkens nur vom Ding
  entfernt, aber sie im Subjekt gelassen, wie sie vorgefunden. Sie hat
  dabei nämlich diese Formen nicht an und für sich selbst, nach ihrem
  eigenthümlichen Inhalt, betrachtet, sondern sie lemmatisch aus der
  subjektiven Logik geradezu aufgenommen; so daß von einer Ableitung
  ihrer an ihnen selbst, oder auch einer Ableitung derselben als
  subjektiv-logischer Formen, noch weniger aber von der dialektischen
  Betrachtung derselben die Rede war.
  Der konsequenter durchgeführte transcendentale Idealismus hat die
  Richtigkeit des von der kritischen Philosophie noch übrig gelassenen
  Gespensts des Dings-an-sich, dieses abstrakten von allem Inhalt
  abgeschiedenen Schattens erkannt, und den Zweck gehabt, ihn vollends zu
  zerstören. Auch machte diese Philosophie den Anfang, die Vernunft aus
  sich selbst ihre Bestimmungen darstellen zu lassen. Aber die subjektive
  Haltung dieses Versuchs ließ ihn nicht zur Vollendung kommen. Fernerhin
  ist diese Haltung und mit ihr auch jener Anfang und die Ausbildung der
  reinen Wissenschaft aufgegeben worden.
  Ganz ohne Rücksicht auf metaphysische Bedeutung aber wird dasjenige
  betrachtet, was gemeinhin unter Logik verstanden wird. Diese
  Wissenschaft, in dem Zustande, worin sie sich noch befindet, hat
  freilich keinen Inhalt der Art, wie er als Realität und als eine
  wahrhafte Sache in dem gewöhnlichen Bewußtseyn gilt, Aber sie ist nicht
  aus diesem Grunde eine formelle, inhaltsvoller Wahrheit entbehrende
  Wissenschaft. In jenem Stoffe, der in ihr vermißt, welchem Mangel das
  Unbefriedigende derselben zugeschrieben zu werden pflegt, ist ohnehin
  das Gebiet der Wahrheit nicht zu suchen. Sondern das Gehaltlose der
  logischen Formen liegt vielmehr allein in der Art, sie zu betrachten
  und zu behandeln. Indem sie als feste Bestimmungen aus einander fallen
  und nicht in organischer Einheit zusammengehalten werden, sind sie
  todte Formen, und haben den Geist in ihnen nicht wohnen, der ihre
  lebendige konkrete Einheit ist. Damit aber entbehren sie des gediegenen
  Inhalts,—einer Materie, welche Gehalt an sich selbst wäre. Der Inhalt,
  der an den logischen Formen vermißt wird, ist nichts anderes, als eine
  feste Grundlage und Konkretion dieser abstrakten Bestimmungen,; und ein
  solches substantielles Wesen pflegt für sie außen gesucht zu werden.
  Aber die logische Vernunft selbst ist das Substantielle oder Reelle,
  das alle abstrakten Bestimmungen in sich zusammenhält, und ihre
  gediegene, absolut-konkrete Einheit ist. Nach dem also, was eine
  Materie genannt zu werden pflegt, brauchte nicht weit gesucht zu
  werden; es ist nicht Schuld des Gegenstandes der Logik, wenn sie
  gehaltlos seyn soll, sondern allein der Art, wie derselbe gefaßt wird.
  Diese Reflexion führt näher auf die Angabe des Standpunkts, nach
  welchem die Logik zu betrachten ist, inwiefern er sich von der
  bisherigen Behandlungsweise dieser Wissenschaft unterscheidet, und der
  allein wahrhafte Standpunkt ist, auf den sie in Zukunft für immer zu
  stellen ist.
  In der Phänomenologie des Geistes habe ich das Bewußtseyn in seiner
  Fortbewegung von dem ersten unmittelbaren Gegensatz seiner und des
  Gegenstandes bis zum absoluten Wissen dargestellt. Dieser Weg geht
  durch alle Formen des Verhältnisses des Bewußtseyns zum Objekte durch,
  und hat den Begriff der Wissenschaft zu seinem Resultate. Dieser
  Begriff bedarf also (abgesehen davon, daß er innerhalb der Logik selbst
  hervorgeht) hier keiner Rechtfertigung, weil er sie daselbst erhalten
  hat; und er ist keiner andern Rechtfertigung fähig, als nur dieser
  Hervorbringung desselben durch das Bewußtseyn, dem sich seine eignen
  Gestalten alle in denselben als in die Wahrheit auflösen. —Eine
  raisonnirende Begründung der Erläuterung des Begriffs der Wissenschaft
  kann zum höchsten dieß leisten, daß er vor die Vorstellung gebracht und
  eine historische Kenntniß davon bewirkt werde; aber eine Definition der
  Wissenschaft oder näher der Logik hat ihren Beweis allein in jener
  Nothwendigkeit ihres Hervorgangs. Eine Definition, mit der irgend eine
  Wissenschaft den absoluten Anfang macht, kann nichts anders enthalten,
  als den bestimmten, regelrechten Ausdruck von demjenigen, was man sich
  zugegebner- und bekanntermaßen unter dem Gegenstande und Zweck der
  Wissenschaft vorstellt. Daß man sich gerade dieß darunter vorstelle,
  ist eine historische Versicherung in Ansehung deren man sich allein auf
  dieses und jenes Anerkannte berufen, oder eigentlich nur bittweise
  beibringen kann, daß man dieß und jenes als anerkannt gelten lassen
  möge. Es hört gar nicht auf, daß der Eine daher, der Andere dorther
  einen Fall und Instanz beibringt, nach der auch noch etwas mehr und
  anderes bei diesem und jenem Ausdrucke zu verstehen, in dessen
  Definition also noch eine nähere oder allgemeinere Bestimmung
  aufzunehmen und darnach auch die Wissenschaft einzurichten sey.—Es
  kommt dabei ferner auf Raisonnement an, was alles und bis zu welcher
  Grenze und Umfang es hereingezogen oder ausgeschlossen werden müsse;
  dem Raisonnement selbst aber steht das mannigfaltigste und
  verschiedenartigste Dafürhalten offen, worüber am Ende allein die
  Willkür eine feste Bestimmung abschließen kann. Bei diesem Verfahren,
  die Wissenschaft mir ihrer Definition anzufangen, wird von dem
  Bedürfniß nicht die Rede, daß die Nothwendigkeit ihres Gegenstandes und
  damit ihrer selbst aufgezeigt würde.
  Der Begriff der reinen Wissenschaft und seiner Deduktion wird in
  gegenwärtiger Abhandlung also insofern vorausgesetzt, als die
  Phänomenologie des Geistes nichts anderes als die Deduktion desselben
  ist. Das absolute Wissen ist die Wahrheit aller Weisen des Bewußtseins,
  weil, wie jener Gang desselben es hervorbrachte, nur in dem absoluten
  Wissen, die Trennung des Gegenstandes von der Gewißheit seiner selbst
  vollkommen sich aufgelöst hat, und die Wahrheit, dieser Gewißheit, so
  wie diese Gewißheit, der Wahrheit gleich geworden ist.
  Die reine Wissenschaft setzt somit die Befreiung von dem Gegensatze des
  Bewußtseyns voraus. Sie enthält den Gedanken, insofern er eben so sehr
  die Sache an sich selbst ist, oder die Sache an sich selbst, insofern
  sie ebenso sehr der reine Gedanke ist. Als Wissenschaft ist die
  Wahrheit das reine sich entwicklende Selbstbewußtseyn, und hat die
  Gestalt des Selbst, daß das an und für sich seyende gewußter Begriff,
  der Begriff als solcher aber das an und für sich seyende ist. Dieses
  objektive Denken ist denn der Inhalt der reinen Wissenschaft. Sie ist
  daher so wenig formell, sie entbehrt so wenig der Materie zu einer
  wirklichen und wahren Erkenntniß, daß ihr Inhalt vielmehr allein das
  absolute Wahre, oder wenn man sich noch des Worts Materie bedienen
  wollte, die wahrhafte Materie ist,—eine Materie aber, der die Form
  nicht ein Äußerliches ist, da diese Materie vielmehr der reine Gedanke,
  somit die absolute Form selbst ist. Die Logik ist sonach als das System
  der reinen Vernunft, als das Reich des reinen Gedankens zu fassen.
  Dieses Reich ist die Wahrheit, wie sie ohne Hülle an und für sich
  selbst ist. Man kann sich deswegen ausdrücken, daß dieser Inhalt die
  Darstellung Gottes ist, wie er in seinem ewigen Wesen vor der
  Erschaffung der Natur und des endlichen Geistes ist.
  Anaxagoras wird als derjenige gepriesen, der zuerst den Gedanken
  ausgesprochen habe, daß der Nus, der Gedanke, das Princip der Welt, daß
  das Wesen der Welt als der Gedanke bestimmt ist. Er hat damit den Grund
  zu einer Intellektualansicht des Universums gelegt, deren reine Gestalt
  die Logik seyn muß. Es ist in ihr nicht um ein Denken über etwas, das
  für sich außer dem Denken zu Grunde läge, zu thun, um Formen, welche
  bloße Merkmale der Wahrheit abgeben sollten; sondern die nothwendigen
  Formen und eigenen Bestimmungen des Denkens sind der Inhalt und die
  höchste Wahrheit selbst.
  Um dieß in der Vorstellung wenigstens aufzunehmen, ist die Meinung auf
  die Seite zu legen, als ob die Wahrheit etwas Handgreifliches seyn
  müsse. Solche Handgreiflichkeit wird zum Beispiel selbst noch in die
  platonischen Ideen, die in dem Denken Gottes sind, hineingetragen, als
  ob sie gleichsam existirende Dinge, aber in einer andern Welt oder
  Region seyen, außerhalb welcher die Welt der Wirklichkeit sich befinde
  und eine von jenen Ideen verschiedene, erst durch diese Verschiedenheit
  reale Substantialität habe. Die platonische Idee ist nichts anderes,
  als das Allgemeine oder bestimmter der Begriff des Gegenstandes; nur in
  seinem Begriffe hat Etwas Wirklichkeit; insofern es von seinem Begriffe
  verschieden ist, hört es auf wirklich zu seyn, und ist ein Nichtiges;
  die Seite der Handgreiflichkeit und des sinnlichen Außersichseyns
  gehört dieser nichtigen Seite an.—Von der andern Seite aber kann man
  sich auf die eigenen Vorstellungen der gewöhnlichen Logik berufen; es
  wird nämlich angenommen, daß z.B. Definitionen nicht Bestimmungen
  enthalten, die nur ins erkennende Subjekt fallen, sondern die
  Bestimmungen des Gegenstandes, welche seine wesentlichste eigenste
  Natur ausmachen. Oder wenn von gegebenen Bestimmungen auf andere
  geschlossen wird, wird angenommen, daß das Erschlossene nicht ein dem
  Gegenstande Äußerliches und Fremdes sey, sondern daß es ihm vielmehr
  selbst zukomme, daß diesem Denken das Seyn entspreche.—Es liegt
  überhaupt bei dem Gebrauche der Formen des Begriffs, Urtheils,
  Schlusses, Definition, Division u.s.f. zu Grunde, daß sie nicht bloß
  Formen des selbstbewußten Denken sind, sondern auch des
  gegenständlichen Verstandes. Denken ist ein Ausdruck, der die in ihm
  enthaltene Bestimmung vorzugsweise dem Bewußtseyn beilegt. Aber
  insofern gesagt wird, daß Verstand, daß Vernunft in der
  gegenständlichen Welt ist, daß der Geist und die Natur allgemeine
  Gesetze habe, nach welchen ihr Leben und ihre Veränderung sich machen,
  so wird zugegeben, daß die Denkbestimmungen eben so sehr objektiven
  Werth und Existenz haben.
  Die kritische Philosophie machte zwar bereits die Metaphysik zur Logik,
  aber sie, wie der spätere Idealismus, gab, wie vorhin erinnert worden,
  aus Angst vor dem Objekt den logischen Bestimmungen eine wesentlich
  subjektive Bedeutung; dadurch bleiben sie zugleich mit dem Objekte, das
  sie flohen, behaftet, und ein Ding-an-sich, ein unendlicher Anstoß,
  blieb als ein Jenseits an ihnen übrig. Aber die Befreiung von dem
  Gegensatze des Bewußtseyns, welche die Wissenschaft muß voraussetzen
  können, erhebt die Denkbestimmungen über diesen ängstlichen,
  unvollendeten Standpunkt, und fordert die Betrachtung derselben, wie
  sie an und für sich, ohne eine solche Beschränkung und Rücksicht, das
  Logische, das Rein-vernünftige sind.
  Kant preist sonst die Logik, nämlich das Aggregat von Bestimmungen und
  Sätzen, das im gewöhnlichen Sinne Logik heißt, darüber glücklich, daß
  ihr vor andern Wissenschaften eine so frühe Vollendung zu Theil
  geworden sey; seit Aristoteles habe sie keinen Rückschritt gethan, aber
  auch keinen Schritt vorwärts, das Letztere deswegen, weil sie allem
  Ansehen nach geschlossen und vollendet zu seyn scheine.—Wenn die Logik
  seit Aristoteles keine Veränderung erlitten hat,—wie denn in der That
  die Veränderungen, wenn man die neuern Kompendien der Logik betrachtet,
  häufig mehr nur in Weglassungen bestehen,—so ist daraus eher zu
  folgern, daß sie um so mehr einer totalen Umarbeitung bedürfe; denn ein
  zweitausendjähriges Fortarbeiten des Geistes muß ihm ein höheres
  Bewußtseyn über sein Denken und über seine reine Wesenheit in sich
  selbst, verschafft haben. Die Vergleichung der Gestalten, zu denen sich
  der Geist der praktischen und der religiösen Welt und der Geist der
  Wissenschaft in jeder Art reellen und ideellen Bewußtseyns emporgehoben
  hat, mit der Gestalt, in der sich die Logik, sein Bewußtseyn über sein
  reines Wesen, befindet, zeigt einen zu großen Unterschied, als daß es
  nicht der oberflächlichsten Betrachtung sogleich auffallen sollte, daß
  dieß letztere Bewußtseyn den erstern Erhebungen durchaus unangemessen
  und ihrer unwürdig ist.
  In der That ist das Bedürfniß einer Umgestaltung der Logik längst
  gefühlt worden. In der Form und im Inhalt, wie sie sich in den
  Lehrbüchern zeigt, ist sie, man darf sagen, in Verachtung gekommen. Sie
  wird noch mitgeschleppt mehr im Gefühle, daß eine Logik überhaupt nicht
  zu entbehren sey, und aus einer noch fortdauernden Gewohnheit an die
  Tradition von ihrer Wichtigkeit, als aus Überzeugung, daß jener
  gewöhnliche Inhalt und die Beschäftigung mit jenen leeren Formen Werth
  und Nutzen habe.
  Die Erweiterungen, die ihr durch psychologisches, pädagogisches und
  selbst physiologisches Material eine Zeitlang gegeben wurden, sind
  nachher für Verunstaltungen ziemlich allgemein anerkannt worden. An und
  für sich muß ein großer Theil dieser psychologischen, pädagogischen,
  physiologischen Beobachtungen, Gesetze und Regeln, sie mochten in der
  Logik, oder wo es sey, stehen, als sehr schaal und trivial erscheinen.
  Vollends solche Regeln, als zum Beispiel, daß man dasjenige durchdenken
  und prüfen solle, was man in Büchern lese oder mündlich höre; daß man,
  wenn man nicht gut sehe, seinen Augen durch Brillen zu Hülfe zu kommen
  habe,—Regeln, die von den Lehrbüchern in der sogenannten angewandten
  Logik, und zwar ernsthaft in Paragraphen abgetheilt gegeben wurden, auf
  daß man zur Wahrheit gelange,—müssen jedermann als überflüßig
  vorkommen,—nur höchstens dem Schriftsteller oder Lehrer nicht, der in
  Verlegenheit ist, den sonst zu kurzen und todten Inhalt der Logik durch
  irgend etwas auszudehnen.
  Was solchen Inhalt betrifft, so ist schon oben der Grund angegeben
  worden, warum er so geistlos ist. Die Bestimmungen desselben gelten in
  ihrer Festigkeit unverrückt, und werden nur in äußerliche Beziehung
  miteinander gebracht. Dadurch daß bei den Urtheilen und Schlüssen die
  Operationen vornehmlich auf das Quantitative der Bestimmungen
  zurückgeführt und gegründet werden, beruht Alles auf einem äußerlichen
  Unterschiede, auf bloßer Vergleichung, wird ein völlig analytisches
  Verfahren und begriffloses Kalkuliren. Das Ableiten der sogenannten
  Regeln und Gesetze, des Schließens vornehmlich, ist nicht viel besser,
  als ein Befingern von Stäbchen von ungleicher Länge, um sie nach ihrer
  Größe zu sortiren und zu verbinden,—als die spielende Beschäftigung der
  Kinder, von mannigfaltig zerschnittenen Gemälden die passenden Stücke
  zusammen zu suchen.—Man hat daher nicht mit Unrecht dieses Denken dem
  Rechnen und das Rechnen wieder diesem Denken gleichgesetzt. In der
  Arithmetik werden die Zahlen als das Begrifflose genommen, das außer
  seiner Gleichheit oder Ungleichheit, das heißt, außer seinem ganz
  äußerlichen Verhältnisse keine Bedeutung hat, das weder an ihm selbst,
  noch dessen Beziehung ein Gedanke ist.
  Wenn auf mechanische Weise ausgerechnet wird, daß dreiviertel mit
  zweidrittel multipliziert, ein Halbes ausmacht, so enthält diese
  Operation ungefähr so viel und so wenig Gedanken, als die Berechnung,
  ob in einer Figur diese oder jene Art des Schlusses Statt haben könne.
  Damit daß dieß todte Gebein der Logik durch den Geist zu Gehalt und
  Inhalt belebt werde, muß ihre Methode diejenige seyn, wodurch sie
  allein fähig ist, reine Wissenschaft zu seyn. In dem Zustande, in dem
  sie sich befindet, ist kaum eine Ahnung von wissenschaftlicher Methode
  zu erkennen. Sie hat ungefähr die Form einer Erfahrungswissenschaft.
  Erfahrungswissenschaften haben für das, was sie seyn sollen, ihre
  eigenthümliche Methode, des Definirens und des Klassificirens ihres
  Stoffes, so gut es geht, gefunden. Auch die reine Mathematik hat ihre
  Methode, die für ihre abstrakten Gegenstände und für die quantitative
  Bestimmung, in der sie allein betrachtet, passend ist. Ich habe über
  diese Methode und überhaupt das Untergeordnete der
  Wissenschaftlichkeit, die in der Mathematik Statt finden kann, in der
  Vorrede zur Phänomenologie des Geistes, das Wesentliche gesagt; aber
  sie wird auch innerhalb der Logik selbst näher betrachtet werden.
  Spinoza, Wolf und Andere haben sie verführen lassen, sie auch auf die
  Philosophie anzuwenden, und den äußerlichen Gang der begrifflosen
  Quantität zum Gange des Begriffes zu machen, was an und für sich
  widersprechend ist. Bisher hatte die Philosophie ihre Methode noch
  nicht gefunden; sie betrachtete mit Neid das systematische Gebäude der
  Mathematik und borgte sie, wie gesagt, von ihr, oder behalf sich mit
  der Methode von Wissenschaften, die nur Vermischungen von gegebenem
  Stoffe, Erfahrungssätzen und Gedanken sind,—oder half sich auch mit dem
  rohen Wegwerfen aller Methode. Die Exposition dessen aber, was allein
  die wahrhafte Methode der philosophischen Wissenschaft seyn kann, fällt
  in die Abhandlung der Logik selbst; denn die Methode ist das Bewußtseyn
  über die Form der inneren Selbstbewegung ihres Inhalts. Ich habe in der
  Phänomenologie des Geistes ein Beispiel von dieser Methode, an einem
  konkreteren Gegenstande, an dem Bewußtseyn ein Beispiel von dieser
  Methode, an einem konkreteren Gegenstande, an dem Bewußtseyn,
  aufgestellt.[3] Es sind hier Gestalten des Bewußtseyns, deren jede in
  ihrer Realisirung sich zugleich selbst auflöst, ihre eigene Negation zu
  ihrem Resultate hat,—und damit in eine höhere Gestalt übergegangen ist.
  Das Einzige, um den wissenschaftlichen Fortgang zu gewinnen, und um
  dessen ganz einfache Einsicht sich wesentlich zu bemühen ist,—ist die
  Erkenntniß des logischen Satzes, daß das Negative ebenso sehr positiv
  ist, oder daß das sich Widersprechende sich nicht in Null, in das
  abstrakte Nichts auflöst, sondern wesentlich nur in die Negation seines
  besonderen Inhalts, oder daß eine solche Negation nicht alle Negation,
  sondern die Negation der bestimmten Sache, die sich auflöst, somit
  bestimmte Negation ist; daß also im Resultate wesentlich das enthalten
  ist, woraus es resultirt;—was eigentlich eine Tautologie ist, denn
  sonst wäre es ein Unmittelbares, nicht ein Resultat. Indem das
  Resultirende, die Negation, bestimmte Negation ist, hat sie einen
  Inhalt. Sie ist ein neuer Begriff, aber der höhere, reichere Begriff
  als der vorhergehende; denn sie ist um dessen Negation oder
  Entgegengesetztes reicher geworden; enthält ihn also, aber auch mehr
  als ihn, und ist die Einheit seiner und seines Entgegengesetzten.—In
  diesem Wege hat sich das System der Begriffe überhaupt zu bilden,— und
  in unaufhaltsamen, reinem, von Außen nichts hereinnehmendem Gange, sich
  zu vollenden.
   [3] Später an den anderen konkreten Gegenständen und resp. Theilen der
   Philosophie.
  
  Wie würde ich meinen können, daß nicht die Methode, die ich in diesem
  Systeme der Logik befolgt,—oder vielmehr die dieß System an ihm selbst
  befolgt,—noch vieler Vervollkommnung, vieler Durchbildung im Einzelnen
  fähig sey, aber ich weiß zugleich, daß sie die einzige wahrhafte ist.
  Dieß erhellt für sich schon daraus, daß sie von ihrem Gegenstande und
  Inhalte nichts Unterschiedenes ist;—denn es ist der Inhalt in sich, die
  Dialektik, die er an ihm selbst hat, welche ihn fortbewegt. Es ist
  klar, daß keine Darstellungen für wissenschaftlich gelten können,
  welche nicht den Gang dieser Methode gehen und ihrem einfachen Rhythmus
  gemäß sind, denn es ist der Gang der Sache selbst.
  In Gemäßheit dieser Methode erinnere ich, daß die Eintheilungen und
  Überschriften der Bücher, Abschnitte und Kapitel, die in dem Werke
  angegeben sind, so wie etwa die damit verbundenen Erklärungen, zum
  Behuf einer vorläufigen Übersicht gemacht, und daß sie eigentlich nur
  von historischem Werthe sind. Sie gehören nicht zum Inhalte und Körper
  der Wissenschaft, sondern sind Zusammenstellungen der äußeren
  Reflexion, welche das Ganze der Ausführung schon durchlaufen hat, daher
  die Folge seiner Momente voraus weiß und angiebt, ehe sie noch durch
  die Sache selbst sich herbeiführen.
  In den anderen Wissenschaften sind solche Vorausbestimmungen und
  Eintheilungen gleichfalls für sich nichts anderes, als solche äußere
  Angaben; aber auch innerhalb der Wissenschaft werden sie nicht über
  diesen Charakter erhoben. Selbst in der Logik zum Beispiel, heißt es
  etwa, "die Logik hat zwei Hauptstücke, die Elementarlehre und die
  Methodik", alsdann unter der Elementarlehre findet sich ohne weiteres
  etwa die Überschrift: Gesetze des Denkens;—alsdann erstes Kapitel: von
  den Begriffen. Erster Abschnitt: von der Klarheit der Begriffe u.
  s.f.—Diese ohne irgend eine Deduktion und Rechtfertigung gemachten
  Bestimmungen und Eintheilungen machen das systematische Gerüste und den
  ganze Zusammenhang solcher Wissenschaften aus. Eine solche Logik sieht
  es für ihren Beruf an, davon zu sprechen, daß die Begriffe und
  Wahrheiten aus Principien müssen abgeleitet seyn; aber bei dem, was sie
  Methode nennt, wird auch nicht von weitem an ein Ableiten gedacht. Die
  Ordnung besteht etwa in der Zusammenstellung von Gleichartigem, in der
  Vorausschickung des Einfacheren vor dem Zusammengesetzten und anderen
  äußerlichen Rücksichten. Aber in Rücksicht eines inneren, nothwendigen
  Zusammenhangs bleibt es bei dem Register der Abtheilungsbestimmungen,
  und der Übergang macht sich nur damit, daß es jetzt heißt: Zweites
  Kapitel;—oder: wir kommen nunmehr zu den Urtheilen, u. dergl.
  Auch die Überschriften und Eintheilungen, die in diesem Systeme
  vorkommen, sollen für sich keine andere Bedeutung haben, als die der
  Inhaltsanzeige. Außerdem aber muß die Nothwendigkeit des Zusammenhangs
  und die immanente Entstehung der Unterschiede sich in der Abhandlung
  der Sache selbst vorfinden, denn sie fällt in die eigene Fortbestimmung
  des Begriffes.
  Das, wodurch sich der Begriff selbst weiter leitet, ist das vorhin
  angegebene Negative, das er in sich selbst hat; dieß macht das wahrhaft
  Dialektische aus. Die Dialektik, die als ein abgesonderter Theil der
  Logik betrachtet und in Ansehung ihres Zwecks und Standpunktes, man
  kann sagen, gänzlich verkannt worden, erhält dadurch eine ganz andere
  Stellung.—Auch die platonische Dialektik hat selbst im Parmenides, und
  anderswo ohnehin noch direkter, Theils nur die Absicht, beschränkte
  Behauptungen durch sich selbst aufzulösen und zu widerlegen, Theils
  aber überhaupt das Nichts zum Resultate. Gewöhnlich sieht man die
  Dialektik für ein äußerliches und negatives Thun an, das nicht der
  Sache selbst angehöre, in bloßer Eitelkeit als einer subjektiven Sucht,
  sich das Feste und Wahre in Schwanken zu setzen und aufzulösen, seinen
  Grund habe oder wenigstens zu Nichts führe, als zur Eitelkeit des
  dialektisch behandelten Gegenstandes.
  Kant hat die Dialektik höher gestellt, und diese Seite gehört unter die
  größten seiner Verdienste,—indem er ihr den Schein von Willkür nahm,
  den sie nach der gewöhnlichen Vorstellung hat, und sie als ein
  nothwendiges Thun der Vernunft darstellte. Indem sie nur für die Kunst,
  Blendwerke vorzumachen und Illusionen hervorzubringen, galt, wurde
  schlechthin vorausgesetzt, daß sie ein falsches Spiel spiele, und ihre
  ganze Kraft allein darauf beruhe, daß sie den Betrug verstecke; daß
  ihre Resultate nur erschlichen und ein subjektiver Schein seyen. Kant's
  dialektische Darstellungen in den Antinomien der reinen Vernunft
  verdienen zwar, wenn sie näher betrachtet werden, wie dieß im Verfolge
  dieses Werkes weitläufiger geschehen wird, freilich kein großes Lob;
  aber die allgemeine Idee, die er zu Grunde gelegt und geltend gemacht
  hat, ist die Objektivität des Scheins und Nothwendigkeit des
  Widerspruchs, der zur Natur der Denkbestimmungen gehört: zunächst zwar
  in der Art, insofern diese Bestimmungen von der Vernunft auf die Dinge
  an sich angewendet werden; aber eben, was sie in der Vernunft und in
  Rücksicht auf das sind, was an sich ist, ist ihre Natur. Es ist dieß
  Resultat in seiner positiven Seiten aufgefaßt, nichts anderes, als die
  innere Negativität derselben, als ihre sich selbstbewegende Seele, das
  Princip aller natürlichen und geistigen Lebendigkeit überhaupt. Aber so
  
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