Wie es Euch gefällt - 3

Total number of words is 4247
Total number of unique words is 1474
41.2 of words are in the 2000 most common words
52.4 of words are in the 5000 most common words
59.4 of words are in the 8000 most common words
Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
Wenn je ihr saßt bei guter Menschen Mahl,
Wenn je vom Auge Tränen ihr getrocknet
Und wißt, was Mitleid ist und Mitleid finden,
So laßt die Sanftmut mir statt Zwanges dienen:
Ich hoff's, erröt und berge hier mein Schwert.
Herzog.
Wahr ist es, daß wir beßre Tage sahn,
Daß heilge Glocken uns zur Kirch geläutet,
Daß wir bei guter Menschen Mahl gesessen
Und Tropfen unsern Augen abgetrocknet,
Die ein geheiligt Mitleid hat erzeugt:
Und darum setzt in Freundlichkeit Euch hin
Und nehmt nach Wunsch, was wir an Hilfe haben,
Das Eurem Mangel irgend dienen kann.
Orlando.
Enthaltet Euch der Speise nur ein Weilchen,
Indessen wie die Hindin ich mein Junges
Will füttern gehn. Dort ist ein armer Alter,
Der manchen sauren Schritt aus bloßer Liebe
Mir nachgehinkt: bis er befriedigt ist,
Den doppelt Leid, das Alter schwächt und Hunger,
Berühr ich keinen Bissen.
Herzog.
Geht, holt ihn her!
Wir wollen nichts verzehren, bis Ihr kommt.
Orlando.
Ich dank Euch; seid für Euren Trost gesegnet!
(Orlando ab.)
Herzog.
Du siehst, unglücklich sind nicht wir allein,
Und dieser weite, allgemeine Schauplatz
Beut mehr betrübte Szenen dar als unsre,
Worin du spielst.
Jacques.
Die ganze Welt ist Bühne
Und alle Fraun und Männer bloße Spieler.
Sie treten auf und geben wieder ab,
Sein Leben lang spielt einer manche Rollen
Durch sieben Akte hin. Zuerst das Kind,
Das in der Wärtrin Armen greint und sprudelt;
Der weinerliche Bube, der mit Bündel
Und glattem Morgenantlitz wie die Schnecke
Ungern zur Schule kriecht; dann der Verliebte,
Der wie ein Ofen seufzt, mit Jammerlied
Auf seiner Liebsten Braun; dann der Soldat,
Voll toller Flüch und wie ein Pardel bärtig,
Auf Ehre eifersüchtig, schnell zu Händeln,
Bis in die Mündung der Kanone suchend
Die Seifenblase Ruhm. Und dann der Richter
Im runden Bauche, mit Kapaun gestopft,
Mit strengem Blick und regelrechtem Bart,
Voll weiser Sprüch und Allerweltssentenzen
Spielt seine Rolle so. Das sechste Alter
Macht den besockten, hagern Pantalon,
Brill auf der Nase, Beutel an der Seite;
Die jugendliche Hose, wohl geschont,
'ne Welt zu weit für die verschrumpften Lenden;
Die tiefe Männerstimme, umgewandelt
Zum kindischen Diskante, pfeift und quäkt
In seinem Ton. Der letzte Akt, mit dem
Die seltsam wechselnde Geschichte schließt,
Ist zweite Kindheit, gänzliches Vergessen,
Ohn Augen, ohne Zahn, Geschmack und alles.
(Orlando kommt zurück mit Adam.)
Herzog.
Nun, Freund, setzt nieder Eure würdge Last
Und laßt ihn essen.
Orlando.
Ich dank Euch sehr für ihn.
Adam.
Das tut auch not;
Kaum kann ich sprechen, selbst für mich zu danken.
Herzog.
Willkommen denn! greift zu! Ich stör Euch nicht
Bis jetzt mit Fragen über Eure Lage.--
Gebt uns Musik und singt eins, guter Vetter!
Lied.
Amiens.
Stürm, stürm, du Winterwind!
Du bist nicht falsch gesinnt,
Wie Menschenundank ist.
Dein Zahn nagt nicht sosehr,
Weil man nicht weiß, woher,
Wiewohl du heftig bist.
Heisa! singt heisa! den grünenden Bäumen!
Die Freundschaft ist falsch, und die Liebe nur Träumen.
Drum heisa, den Bäumen!
Den lustigen Räumen! Frier, frier, du Himmelsgrimm!
Du beißest nicht so schlimm
Als Wohltat nicht erkannt;
Erstarrst du gleich die Flut,
Viel schärfer sticht das Blut
Ein Freund von uns gewandt.
Heisa! singt heisa! den grünenden Bäumen!
Die Freundschaft ist falsch, und die Liebe nur Träumen.
Drum heisa, den Bäumen!
Den lustigen Räumen!

Herzog.
Wenn ihr der Sohn des guten Roland seid,
Wie Ihr mir eben redlich zugeflüstert
Und meinem Aug sein Ebenbild bezeugt,
Das konterfeit, in Eurem Antlitz lebt:
Seid herzlich hier begrüßt! Ich bin der Herzog,
Der Euren Vater liebte; Eur ferners Schicksal,
Kommt und erzählt's in meiner Höhle mir.--
Willkommen, guter Alter, wie dein Herr!
Führt ihn am Arme.--Gebt mir Eure Hand
Und macht mir Euer ganz Geschick bekannt.
(Alle ab.)


Dritter Aufzug

Erste Szene
Ein Zimmer im Palast
(Herzog Friedrich, Oliver, Herren vom Hofe und Gefolge)

Herzog Friedrich.
Ihn nicht gesehn seitdem? Herr! Herr! das kann nicht sein.
Bestünd aus Milde nicht mein größter Teil,
So sucht ich kein entferntes Ziel der Rache,
Da du zur Stelle bist.--Doch sieh dich vor;
Schaff deinen Bruder, sei er, wo er will;
Such ihn mit Kerzen, bring in Jahresfrist
Ihn lebend oder tot; sonst komm nie wieder,
Auf unserm Boden Unterhalt zu suchen.
Was du nur dein nennst, Land und andres Gut,
Des Einziehns wert, fällt unsrer Hand anheim,
Bis du durch deines Bruders Mund dich lösest
Von allem, was wir gegen dich gedacht.
Oliver.
O kennt' Eur Hoheit hierin nur mein Herz!
Ich liebt im Leben meinen Bruder nicht.
Herzog Friedrich.
Schurk um so mehr!--Stoßt ihn zur Tür hinaus,
Laßt die Beamten dieser Art Beschlag
Ihm legen auf sein Haus und Länderein:
Tut in der Schnelle dies und schafft ihn fort!
(Alle ab.)

Zweite Szene
Der Wald
(Orlando kommt mit einem Blatt Papier)

Orlando.
Da häng, mein Vers, der Liebe zum Beweis!
Und du, o Königin der Nacht dort oben,
Sieh keuschen Blicks aus deinem blassen Kreis
Den Namen deiner Jägrin hier erhoben.
O Rosalinde! sei der Wald mir Schrift:
Ich grabe mein Gemüt in alle Rinden,
Daß jedes Aug, das diese Bäume trifft,
Ringsum bezeugt mag deine Tugend finden.
Auf, auf, Orlando! rühme spät und früh
Die schöne, keusche, unnennbare "sie".
(Ab.)
(Corinnus und Probstein treten auf.)
Corinnus.
Und wie gefällt Euch dies Schäferleben, Meister Probstein?
Probstein.
Wahrhaftig, Schäfer, an und für sich betrachtet, ist es ein gutes
Leben; aber in Betracht, daß es ein Schäferleben ist, taugt es
nichts. In Betracht, daß es einsam ist, mag ich es wohl leiden;
aber in Betracht, daß es stille ist, ist es ein sehr erbärmliches
Leben. Ferner in Betracht, daß es auf dem Lande ist, steht es mir
an; aber in Betracht, daß es nicht am Hofe ist, wird es langweilig.
Insofern es ein mäßiges Leben ist, seht Ihr, ist es nach meinem
Sinn; aber insofern es nicht reichlicher dabei zugeht, streitet es
sehr gegen meine Neigung. Verstehst Philosophie, Schäfer?
Corinnus.
Mehr nicht, als daß ich weiß, daß einer sich desto schlimmer
befindet, je kränker er ist; und wem's an Geld, Gut und Genügen
gebricht, daß dem drei gute Freunde fehlen; daß des Regens
Eigenschaft ist, zu nässen, und des Feuers, zu brennen; daß gute
Weide fette Schafe macht und die Nacht hauptsächlich vom Mangel an
Sonne kommt; daß einer, der weder durch Natur noch Kunst zu
Verstand gekommen wäre, sich über die Erziehung zu beklagen hätte,
oder aus einer sehr dummen Sippschaft sein müßte.
Probstein.
So einer ist ein natürlicher Philosoph. Warst je am Hofe, Schäfer?
Corinnus.
Nein, wahrhaftig nicht.
Probstein.
So wirst du in der Hölle gebraten.
Corinnus.
Ei, ich hoffe--
Probstein.
Wahrhaftig, du wirst gebraten wie ein schlecht geröstet Ei, nur an
(einer) Seite.
Corinnus.
Weil ich nicht am Hofe gewesen bin? Euren Grund!
Probstein.
Nun: wenn du nicht am Hofe gewesen bist, so hast du niemals gute
Sitten gesehn. Wenn du niemals gute Sitten gesehn hast, so müssen
deine schlecht sein, und alles Schlechte ist Sünde, und Sünde führt
in die Hölle. Du bist in einem verfänglichen Zustande, Schäfer.
Corinnus.
Ganz und gar nicht, Probstein. Was bei Hofe gute Sitten sind, die
sind so lächerlich auf dem Lande, als ländliche Weise bei Hofe zum
Spott dient. Ihr sagtet mir, bei Hofe grüßt Ihr nicht, ohne Eure
Hand zu küssen. Das wäre eine sehr unreinliche Höflichkeit, wenn
Hofleute Schäfer wären.
Probstein.
Den Beweis, kürzlich, den Beweis?
Corinnus.
Nun, wir müssen unsre Schafe immer angreifen, und ihre Felle sind
fettig, wie Ihr wißt.
Probstein.
Schwitzen die Hände unserer Hofleute etwa nicht, und ist das Fett
von einem Schafe nicht so gesund wie der Schweiß von einem
Menschen? Einfältig! einfältig! Einen besseren Beweis! her
damit!
Corinnus.
Auch sind unsre Hände hart.
Probstein.
Eure Lippen werden sie desto eher fühlen. Wiederum einfältig!
Einen tüchtigeren Beweis!
Corinnus.
Und sind oft ganz beteert vom Bepflastern unsrer Schafe. Wollt Ihr,
daß wir Teer küssen sollen? Die Hände der Hofleute riechen nach
Bisam.
Probstein.
Höchst einfältiger Mensch! Du wahre Würmerspeise gegen ein gutes
Stück Fleisch! Lerne von den Weisen und erwäge! Bisam ist von
schlechterer Abkunft als Teer: der unsaubre Abgang einer Katze.
Einen bessern Beweis, Schäfer!
Corinnus.
Ihr habt einen zu höfischen Witz für mich; ich lasse es dabei
bewenden.
Probstein.
Was? bei der Hölle? Gott helfe dir, einfältiger Mensch! Gott
eröffne dir das Verständnis! Du bist ein Strohkopf.
Corinnus.
Herr, ich bin ein ehrlicher Tagelöhner; ich verdiene, was ich esse,
erwerbe, was ich trage, hasse keinen Menschen, beneide niemandes
Glück, freue mich über andrer Leute Wohlergehn, bin zufrieden mit
meinem Ungemach, und mein größter Stolz ist, meine Schafe weiden
und meine Lämmer saugen zu sehn.
Probstein.
Das ist wieder eine einfältige Sünde von Euch, daß Ihr die Schafe
und die Böcke zusammenbringt und Euch nicht schämt, von der
Begattung des Viehes Euren Unterhalt zu ziehn; daß ihr den Kuppler
für einen Leithammel macht und so ein jähriges Lamm einem
schiefbeinigen alten Hahnrei von Widder überantwortet gegen alle
Regeln des Ehestandes. Wenn du dafür nicht in die Hölle kommst, so
will der Teufel selbst keine Schäfer; sonst sehe ich nicht, wie du
entwischen könntest.
Corinnus.
Hier kommt der junge Herr Ganymed, meiner neuen Herrschaft Bruder.
(Rosalinde kommt mit einem Blatt Papier.)
Rosalinde (liest).
"Von Ost bis West, in beiden Inden
Ist kein Juwel gleich Rosalinden;
Ihr Wert, beflügelt von den Winden,
Trägt durch die Welt hin Rosalinden.
Alle Schilderein erblinden
Bei dem Glanz von Rosalinden;
Keinen Reiz soll man verkünden
Als den Reiz von Rosalinden."
Probstein.
So will ich Euch acht Jahre hintereinander reimen, Essens- und
Schlafenszeit ausgenommen; es ist der wahre Butterfrauentrab, wenn
sie zu Markte gehn.
Rosalinde.
Fort mit dir, Narr!
Probstein.
Zur Probe: Sehnt der Hirsch sich nach den Hinden:
Laßt ihn suchen Rosalinden.
Will die Katze sich verbinden:
Glaubt, sie macht's gleich Rosalinden.
Reben müssen Bäum umwinden:
So tut's nötig Rosalinden.
Wer da mäht, muß Garben binden
Auf den Karrn mit Rosalinden.
Süße Nuß hat saure Rinden;
Solche Nuß gleicht Rosalinden.
Wer süße Rosen sucht, muß finden
Der Liebe Dorn und Rosalinden. Das ist der eigentliche falsche
Versgalopp. Warum behängt Ihr Euch mit ihnen?
Rosalinde.
Still, dummer Narr! Ich fand sie an einem Baum.
Probstein.
Wahrhaftig, der Baum trägt schlechte Früchte.
Rosalinde.
Ich will Euch auf ihn impfen, und dann wird er Mispeln tragen: denn
Eure Einfälle verfaulen, ehe sie halb reif sind, und das ist eben
die rechte Tugend einer Mispel.
Probstein.
Ihr habt gesprochen, aber ob gescheit oder nicht, das mag der Wald
richten.
(Celia kommt mit einem Blatt Papier.)
Rosalinde.
Still! hier kommt meine Schwester und liest; gehn wir beiseit.
Celia.
"Sollten schweigen diese Räume,
Weil sie unbevölkert? Nein.
Zungen häng ich an die Bäume,
Daß sie reden Sprüche fein;
Bald, wie rasch das Menschenleben
Seine Pilgerfahrt durchläuft;
Wie die Zeit, ihm zugegeben,
Eine Spanne ganz begreift;
Bald, wie Schwüre falsch sich zeigen,
Wie sich Freund vom Freunde trennt.
Aber an den schönsten Zweigen
Und an jedes Spruches End
Soll man Rosalinde lesen,
Und verbreiten soll der Ruf,
Daß der Himmel aller Wesen
Höchsten Ausbund in ihr schuf.
Drum hieß die Natur sein Wille
(Eine) menschliche Gestalt
Zieren mit der Gaben Fülle;
Die Natur mischt' alsobald
Helenens Wange, nicht ihr Herz;
Kleopatrens Herrlichkeit;
Atalantens leichten Scherz
Und Lukreziens Sittsamkeit.
So ward durch einen Himmelsbund
Aus vielen Rosalind ersonnen,
Aus manchem Herzen, Aug und Mund,
Auf daß sie jeden Reiz gewonnen;
Der Himmel gab ihr dieses Recht
Und tot und lebend mich zum Knecht."
Rosalinde.
O gütiger Jupiter!--Mit welcher langweiligen Liebespredigt habt Ihr
da Eure Gemeinde müde gemacht und nicht einmal gerufen: "Geduld,
gute Leute!"
Celia.
Seht doch, Freunde hinterm Rücken?--Schäfer, geh ein wenig abseits.
--Geh mit ihm, Bursch.
Probstein.
Kommt, Schäfer, laßt uns einen ehrenvollen Rückzug machen,
wenngleich nicht mit Sang und Klang, doch mit Sack und Pack.
(Corinnus und Probstein ab.)
Celia.
Hast du diese Verse gehört?
Rosalinde.
O ja, ich hörte sie alle und noch was drüber; denn einige hatten
mehr Füße, als die Verse tragen konnten.
Celia.
Das tut nichts, die Füße konnten die Verse tragen.
Rosalinde.
Ja, aber die Füße waren lahm und konnten sich nicht außerhalb des
Verses bewegen, und darum standen sie so lahm im Verse.
Celia.
Aber hast du gehört, ohne dich zu wundern, daß dein Name an den
Bäumen hängt und eingeschnitten ist?
Rosalinde.
Ich war schon sieben Tage in der Woche über alles Wundern hinaus,
ehe du kamst: denn sieh nur, was ich an einem Palmbaum fand. Ich
bin nicht so bereimt worden seit Pythagoras' Zeiten, wo ich eine
Ratte war, die sie mit schlechten Versen vergifteten, wessen ich
mich kaum noch erinnern kann.
Celia.
Rätst du, wer es getan hat?
Rosalinde.
Ist es ein Mann?
Celia.
Mit einer Kette um den Hals, die du sonst getragen hast.
Veränderst du die Farbe?
Rosalinde.
Ich bitte dich, wer?
Celia.
O Himmel! Himmel! Es ist ein schweres Ding für Freunde, sich
wieder anzutreffen; aber Berg und Tal kommen im Erdbeben zusammen.
Rosalinde.
Nein, sag, wer ist's?
Celia.
Ist es möglich?
Rosalinde.
Ich bitte dich jetzt mit der allerdringendsten Inständigkeit, sag
mir, wer er ist.
Celia.
O wunderbar, wunderbar und höchst wunderbarlich wunderbar und
nochmals wunderbar und über alle Wunder weg.
Rosalinde.
O du liebe Ungeduld! Denkst du, weil ich wie ein Mann ausstaffiert
bin, daß auch meine Gemütsart in Wams und Hosen ist? Ein Zollbreit
mehr Aufschub ist eine Südsee weit von der Entdeckung. Ich bitte
dich, sag mir, wer ist es? Geschwind, und sprich hurtig! Ich
wollte, du könntest stottern, daß dir dieser verborgne Mann aus dem
Munde käme wie Wein aus einer enghalsigen Flasche: entweder zuviel
auf einmal oder gar nichts. Ich bitte dich, nimm den Kork aus
deinem Munde, damit ich deine Zeitungen trinken kann.
Celia.
Da könntest du einen Mann mit in den Leib bekommen.
Rosalinde.
Ist er von Gottes Machwerk? Was für eine Art von Mann? Ist sein
Kopf einen Hut wert oder sein Kinn einen Bart?
Celia.
Nein, er hat nur wenig Bart.
Rosalinde.
Nun, Gott wird mehr bescheren, wenn der Mensch recht dankbar ist;
ich will den Wuchs von seinem Bart schon abwarten, wenn du mir nur
die Kenntnis von seinem Kinn nicht länger vorenthältst.
Celia.
Es ist der junge Orlando, der den Ringer und dein Herz in einem
Augenblick zu Falle brachte.
Rosalinde.
Nein, der Teufel hole das Spaßen! Sag auf dein ehrlich Gesicht und
Mädchentreue.
Celia.
Auf mein Wort, Muhme, er ist es.
Rosalinde.
Orlando?
Celia.
Orlando.
Rosalinde.
Ach liebe Zeit! Was fange ich nun mit meinem Wams und Hosen an?--
Was tat er, wie du ihn sahst? Was sagte er? Wie sah er aus? Wie
trug er sich? Was macht er hier? Frug er nach mir? Wo bleibt er?
Wie schied er von dir, und wann wirst du ihn wiedersehn? Antworte
mir mit einem Wort.
Celia.
Da mußt du mir erst Gargantuas Mund leihen; es wäre ein zu großes
Wort für irgendeinen Mund, wie sie heutzutage sind. Ja und nein
auf diese Artikel zu sagen ist mehr, als in einer Kinderlehre
antworten.
Rosalinde.
Aber weiß er, daß ich in diesem Lande bin, und in Mannskleidern?
Sieht er so munter aus, wie an dem Tage, wo wir ihn ringen sahen?
Celia.
Es ist ebenso leicht, Sonnenstäubchen zu zählen als die Aufgaben
eines Verliebten zu lösen. Doch nimm ein Pröbchen von meiner
Entdeckung und koste es recht aufmerksam.--Ich fand ihn unter einem
Baum wie eine abgefallne Eichel.
Rosalinde.
Der mag wohl Jupiters Baum heißen, wenn er solche Früchte fallen
läßt.
Celia.
Verleiht mir Gehör, wertes Fräulein.
Rosalinde.
Fahret fort.
Celia.
Da lag er, hingestreckt wie ein verwundeter Ritter.
Rosalinde.
Wenn es gleich ein Jammer ist, solch einen Anblick zu sehn, so muß
er sich doch gut ausgenommen haben.
Celia.
Ruf deiner Zunge "Holla" zu, ich bitte dich; sie macht zur Unzeit
Sprünge. Er war wie ein Jäger gekleidet.
Rosalinde.
O Vorbedeutung! Er kommt, mein Herz zu erlegen.
Celia.
Ich möchte mein Lied ohne Chor singen; du bringst mich aus der
Weise.
Rosalinde.
Wißt Ihr nicht, daß ich ein Weib bin? Wenn ich denke, muß ich
sprechen. Liebe, sag weiter.
(Orlando und Jacques treten auf.)
Celia.
Du bringst mich heraus.--Still! kommt er da nicht?
Rosalinde.
Er ist's! Schlüpft zur Seite und laßt uns ihn aufs Korn nehmen.
(Celia und Rosalinde verbergen sich.)
Jacques.
Ich danke Euch für geleistete Gesellschaft; aber meiner Treu, ich
wäre ebensogern allein gewesen.
Orlando.
Ich auch; aber um der Sitte willen danke ich Euch gleichfalls für
Eure Gesellschaft.
Jacques.
Der Himmel behüt Euch! Laßt uns sowenig zusammenkommen wie möglich.
Orlando.
Ich wünsche mir Eure entferntere Bekanntschaft.
Jacques.
Ich ersuche Euch, verderbt keine Bäume weiter damit, Liebeslieder
in die Rinden zu schneiden.
Orlando.
Ich ersuche Euch, verderbt meine Verse nicht weiter damit, sie
erbärmlich abzulesen.
Jacques.
Rosalinde ist Eurer Liebsten Name?
Orlando.
Wie Ihr sagt.
Jacques.
Ihr Name gefällt mir nicht.
Orlando.
Es war nicht die Rede davon, Euch zu gefallen, wie sie getauft
wurde.
Jacques.
Von welcher Statur ist sie?
Orlando.
Grade so hoch wie mein Herz.
Jacques.
Ihr seid voll artiger Antworten. Habt Ihr Euch etwa mit
Goldschmiedweibern abgegeben und solche Sprüchlein von Ringen
zusammengelesen?
Orlando.
Das nicht; aber ich antworte Euch wie die Tapetenfiguren, aus deren
Munde Ihr Eure Fragen studiert habt.
Jacques.
Ihr habt einen behenden Witz; ich glaube, er ist aus Atalantens
Fersen gemacht. Wollt Ihr Euch mit mir setzen, so wollen wir
zusammen über unsre Gebieterin, die Welt, und unser ganzes Elend
schmähen.
Orlando.
Ich will kein lebendig Wesen in der Welt schelten als mich selber,
an dem ich die meisten Fehler kenne.
Jacques.
Der ärgste Fehler, den Ihr habt, ist, verliebt zu sein.
Orlando.
Das ist ein Fehler, den ich nicht mit Eurer besten Tugend
vertauschte.--Ich bin Eurer müde.
Jacques.
Meiner Treu, ich suchte eben einen Narren, da ich Euch fand.
Orlando.
Er ist in den Bach gefallen; guckt nur hinein, so werdet Ihr ihn
sehn.
Jacques.
Da werde ich meine eigne Person sehen.
Orlando.
Die ich entweder für einen Narren oder eine Null halte.
Jacques.
Ich will nicht länger bei Euch verweilen. Lebt wohl, guter Signor
Amoroso!
Orlando.
Ich freue mich über Euren Abschied. Gott befohlen, guter Monsieur
Melancholie!
(Jacques ab.)
(Celia und Rosalinde treten vor.)
Rosalinde.
Ich will wie ein naseweiser Lakai mit ihm sprechen und ihn unter
der Gestalt zum besten haben.--Hört Ihr, Jäger?
Orlando.
Recht gut; was wollt Ihr?
Rosalinde.
Sagt mir doch, was ist die Glocke?
Orlando.
Ihr solltet mich fragen, was ist's an der Zeit; es gibt keine
Glocke im Walde.
Rosalinde.
So gibts auch keinen rechten Liebhaber im Walde, sonst würde jede
Minute ein Seufzen und jede Stunde ein Ächzen den trägen Fuß der
Zeit so gut anzeigen wie eine Glocke.
Orlando.
Und warum nicht den schnellen Fuß der Zeit? Wäre das nicht ebenso
passend gewesen?
Rosalinde.
Mitnichten, mein Herr. Die Zeit reiset in verschiednem Schritt mit
verschiednen Personen. Ich will Euch sagen, mit wem die Zeit den
Paß geht, mit wem sie trabt, mit wem sie galoppiert und mit wem sie
stillsteht.
Orlando.
Ich bitte dich, mit wem trabt sie?
Rosalinde.
Ei, sie trabt hart mit einem jungen Mädchen zwischen der Verlobung
und dem Hochzeitstage. Wenn auch nur acht Tage dazwischen hingehn,
so ist der Trab der Zeit so hart, daß es ihr wie acht Jahre
vorkommt.
Orlando.
Mit wem geht die Zeit den Paß?
Rosalinde.
Mit einem Priester, dem es an Latein gebricht, und einem reichen
Manne, der das Podagra nicht hat. Denn der eine schläft ruhig,
weil er nicht studieren kann, und der andre lebt lustig, weil er
keinen Schmerz fühlt; den einen drückt nicht die Last dürrer und
auszehrender Gelehrsamkeit, der andre kennt die Last schweren
mühseligen Mangels nicht. Mit diesen geht die Zeit den Paß.
Orlando.
Mit wem galoppiert sie?
Rosalinde.
Mit dem Diebe zum Galgen; denn ginge er auch noch sosehr Schritt
vor Schritt, so denkt er doch, daß er zu früh kommt.
Orlando.
Mit wem steht sie still?
Rosalinde.
Mit Advokaten in den Gerichtsferien; denn sie schlafen von Session
zu Session und werden also nicht gewahr, wie die Zeit fortgeht.
Orlando.
Wo wohnt Ihr, artiger junger Mensch?
Rosalinde.
Bei dieser Schäferin, meiner Schwester; hier am Saum des Waldes,
wie Fransen an einem Rock.
Orlando.
Seid Ihr hier einheimisch?
Rosalinde.
Wie das Kaninchen, das zu wohnen pflegt, wo es zur Welt gekommen
ist.
Orlando.
Eure Aussprache ist etwas feiner, als Ihr sie an einem so
abgelegnen Ort Euch hättet erwerben können.
Rosalinde.
Das haben mir schon viele gesagt; aber in der Tat, ein alter
geistlicher Onkel von mir lehrte mich reden; er war in seiner
Jugend ein Städter und gar zu gut mit dem Hofmachen bekannt, denn
er verliebte sich dabei. Ich habe ihn manche Predigt dagegen
halten hören und danke Gott, daß ich kein Weib bin und keinen Teil
an allen den Verkehrtheiten habe, die er ihrem ganzen Geschlecht
zur Last legte.
Orlando.
Könnt Ihr Euch nicht einiger von den vornehmsten Untugenden
erinnern, die er den Weibern aufbürdete?
Rosalinde.
Es gab keine vornehmsten darunter; sie sahen sich alle gleich wie
Pfennige: jeder einzelne Fehler schien ungeheuer, bis sein
Mitfehler sich neben ihn stellte.
Orlando.
Bitte, sagt mir einige davon.
Rosalinde.
Nein, ich will meine Arznei nicht wegwerfen, außer an Kranke. Es
spukt hier ein junger Mensch im Walde herum, der unsre junge
Baumzucht mißbraucht, den Namen Rosalinde in die Rinden zu graben,
der Oden an Weißdorne hängt und Elegien an Brombeersträuche, alle--
denkt doch!--um den Namen Rosalinde zu vergöttern. Könnte ich
diesen Herzenskrämer antreffen, so gäbe ich ihm einen guten Rat,
denn er scheint mit dem täglichen Liebesfieber behaftet.
Orlando.
Ich bin's, den die Liebe so schüttelt; ich bitte Euch, sagt mir
Euer Mittel.
Rosalinde.
Es ist keins von meines Onkels Merkmalen an Euch zu finden. Er
lehrte mich einen Verliebten erkennen; ich weiß gewiß, Ihr seid
kein Gefangner in diesem Käfig.
Orlando.
Was waren seine Merkmale?
Rosalinde.
Eingefallne Wangen, die Ihr nicht habt; Augen mit blauen Rändern,
die Ihr nicht habt; ein ungeselliger Sinn, den Ihr nicht habt; ein
verwilderter Bart, den Ihr nicht habt--doch den erlasse ich Euch,
denn, aufrichtig, was Ihr an Bart besitzet, ist eines jüngeren
Bruders Einkommen.--Dann sollten Eure Kniegürtel lose hängen, Eure
Mütze nicht gebunden sein, Eure Ärmel aufgeknöpft, Eure Schuhe
nicht zugeschnürt, und alles und jedes an Euch müßte eine
nachlässige Trostlosigkeit verraten. Aber solch ein Mensch seid
ihr nicht. Ihr seid vielmehr geschniegelt in Eurem Anzuge, mehr
wie einer, der in sich selbst verliebt als sonst jemands Liebhaber
ist.
Orlando.
Schöner Junge, ich wollte, ich könnte dich glauben machen, daß ich
liebe.
Rosalinde.
Mich das glauben machen? Ihr könntet es ebensogut Eure Liebste
glauben machen, was nie zu tun williger ist--dafür steh ich Euch--
als zu gestehn, daß sie es tut; das ist einer von den Punkten,
worin die Weiber immer ihr Gewissen Lügen strafen. Aber in ganzem
Ernst: seid Ihr es, der die Verse an die Bäume hängt, in denen
Rosalinde so bewundert wird?
Orlando.
Ich schwöre dir, junger Mensch, bei Rosalindens weißer Hand: ich
bin es, ich bin der Unglückliche.
Rosalinde.
Aber seid Ihr so verliebt, als Eure Reime bezeugen?
Orlando.
Weder Gereimtes noch Ungereimtes kann ausdrücken, wie sehr.
Rosalinde.
Liebe ist eine bloße Tollheit, und ich sage Euch, verdient
ebensogut eine dunkle Zelle und Peitsche als andre Tolle; und die
Ursache, warum sie nicht so gezüchtigt und geheilt wird, ist, weil
sich dieser Wahnsinn so gemein gemacht hat, daß die Zuchtmeister
selbst verliebt sind. Doch kann ich sie mit gutem Rat heilen.
Orlando.
Habt Ihr irgendwen so geheilt?
Rosalinde.
Ja, einen, und zwar auf folgende Weise. Er mußte sich einbilden,
daß ich seine Liebste, seine Gebieterin wäre, und alle Tage hielt
ich ihn an, um mich zu werben. Ich, der ich nur ein launenhafter
Junge bin, grämte mich dann, war weibisch, veränderlich, wußte
nicht, was ich wollte, stolz, phantastisch, grillenhaft, läppisch,
unbeständig, bald in Tränen, bald voll Lächeln, von jeder
Leidenschaft etwas und von keiner etwas Rechtes, wie Kinder und
Weiber meistenteils in diese Farben schlagen. Bald mochte ich ihn
leiden, bald konnte ich ihn nicht ausstehn; dann machte ich mir mit
ihm zu schaffen, dann sagte ich mich von ihm los; jetzt weinte ich
um ihn, jetzt spie ich vor ihm aus: so daß ich meinen Bewerber aus
einem tollen Anfall von Liebe in einen leibhaften Anfall von
Tollheit versetzte, welche darin bestand, das Getümmel der Welt zu
verschwören und in einem mönchischen Winkel zu leben. Und so
heilte ich ihn, und auf diese Art nehme ich es über mich, Euer Herz
so reinzuwaschen, wie ein gesundes Schafherz, daß nicht ein Flecken
Liebe mehr daran sein soll.
Orlando.
Ihr würdet mich nicht heilen, junger Mensch.
Rosalinde.
Ich würde Euch heilen, wolltet Ihr mich nur Rosalinde nennen und
alle Tage in meine Hütte kommen und um mich werben.
Orlando.
Nun, bei meiner Treue im Lieben, ich will es; sagt mir, wo sie ist.
Rosalinde.
Geht mit mir, so will ich sie Euch zeigen, und unterwegs sollt Ihr
mir sagen, wo Ihr hier im Walde wohnt. Wollt Ihr kommen?
Orlando.
Von ganzem Herzen, guter Junge.
Rosalinde.
Nein, Ihr müßt mich Rosalinde nennen.--Komm, Schwester, laßt uns
gehn.
(Alle ab.)

Dritte Szene
Der Wald
(Probstein und Käthchen kommen. Jacques in der Ferne, belauscht
sie)

Probstein.
Komm hurtig, gutes Käthchen; ich will deine Ziegen zusammenholen,
Käthchen. Und sag, Käthchen: bin ich der Mann noch, der dir
ansteht? Bist du mit meinen schlichten Zügen zufrieden?
Käthchen
Eure Züge? Gott behüte! Was sind das für Streiche?
Probstein.
Ich bin hier bei Käthchen und ihren Ziegen, wie der Dichter, der
die ärgsten Bocksprünge machte, der ehrliche Ovid, unter den Goten.
Jacques.
O schlechtlogierte Gelehrsamkeit! schlechter als Jupiter unter
einem Strohdach!
Probstein.
Wenn eines Menschen Verse nicht verstanden werden und eines
Menschen Witz von dem geschickten Kinde Verstand nicht unterstützt
You have read 1 text from German literature.
Next - Wie es Euch gefällt - 4
  • Parts
  • Wie es Euch gefällt - 1
    Total number of words is 4291
    Total number of unique words is 1323
    42.7 of words are in the 2000 most common words
    57.0 of words are in the 5000 most common words
    62.9 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Wie es Euch gefällt - 2
    Total number of words is 4370
    Total number of unique words is 1535
    39.4 of words are in the 2000 most common words
    53.7 of words are in the 5000 most common words
    59.1 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Wie es Euch gefällt - 3
    Total number of words is 4247
    Total number of unique words is 1474
    41.2 of words are in the 2000 most common words
    52.4 of words are in the 5000 most common words
    59.4 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Wie es Euch gefällt - 4
    Total number of words is 4285
    Total number of unique words is 1384
    40.7 of words are in the 2000 most common words
    53.8 of words are in the 5000 most common words
    59.4 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Wie es Euch gefällt - 5
    Total number of words is 4230
    Total number of unique words is 1319
    42.5 of words are in the 2000 most common words
    56.2 of words are in the 5000 most common words
    60.7 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Wie es Euch gefällt - 6
    Total number of words is 795
    Total number of unique words is 415
    53.8 of words are in the 2000 most common words
    64.5 of words are in the 5000 most common words
    68.0 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.