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Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Dritter Teil - 20

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  halb fertig geworden. Um diesen unfertigen Zustand zu entschuldigen,
  begleitete er das Bild mit einem Gedichte, das folgendermaßen lautete:
   _Der Kritiker._
   Nun das ist wahr, mein Herr Rösel,
   Ihre Zeichnung ist wirklich höchst originell,
   Man möchte schwören 's wär leeres Papier,
   So schrecklich klar ist Ihre Manier.
   Solch Angebinde kein Kind begehrt,
   Am wenigsten ist es den Rahmen wert.
   _Der Zeichner._
   Geb zu, Sie treiben mich in die Eng',
   Aber sind doch viel zu streng.
   Diese Zeichnung erkennen bloß Kinder des Lichts,
   Sie sind aber keins, drum sehen Sie nichts.
   Ich lass' Ihnen noch acht Tage Ruh,
   Dann sehn Sie mal wieder nach oder zu.
   _Der Kritiker._
   Nun merk' ich, wie's zusammenhängt:
   So geht es, wenn man _zu spät anfängt_.
  Diese Verse sind auf die Rückseite geklebt, passen aber insoweit nicht
  mehr, als daß Bild jetzt in allen Stücken fertig ist.
  Außer diesen eingerahmten Bildern besitzt die Familie Zimmermann noch
  eine ganze Anzahl von Zeichnungen, die als Vorlegeblätter benutzt
  werden. Wenn mich nicht alles täuscht, stehen sie, in ihrer saubren
  Einfachheit, künstlerisch höher, als die sorglich ausgeführten großen
  Landschaften.
  Hierher gehört auch ein Kästchen, auf dessen Deckel er eine kleine
  Niedlichkeit gezeichnet hat. Dies Kästchen, als er es schenkte, war von
  folgenden vier Zeilen begleitet:
   Hölzern ist die Gabe
   Und leer im Innern; drum habe
   Den Inhalt ich mit gutem Bedacht
   Gleich von _außen_ angebracht.
  
  II. Kuriositäten
  Alle diese Dinge sind heute, wo jeder dritte Mensch in Rom und Neapel
  war, zu wertlosem Trödelkram geworden. Vor fünfzig Jahren hatten sie
  noch einigermaßen eine Bedeutung. Es sind das die „Scherben“, von denen
  der vorstehende aus Rom mitgeteilte Brief ~H. W.~'s spricht. Ich leiste
  deshalb auch Verzicht darauf, die einzelnen Stücke hier namentlich
  aufzuführen.
  
  III. Briefe
  Dies ist der Hauptschatz, und sie geben nicht nur ein vollkommenes und
  wie ich meine sehr liebenswürdiges Bild des Mannes, sondern auch seiner
  Zeit. Alte Berliner werden diese kleinen Schnitzel nicht ohne Freude,
  manche nicht ohne Bewegung lesen. Die etwa zwanzig, die ich mitteile,
  sind aus ein paar hundert ähnlicher ausgewählt. Meistens sind sie auf
  Papier in Duodezformat geschrieben, einige auf Karten, wie sie jetzt
  wieder Mode sind, und alle haben sie den rotgetuschten Rand, dessen
  ~H. W.~ in seinem Briefe Erwähnung tut. Nur wenige sind gesiegelt und
  zeigen dann ein Efeublatt mit den Initialen ~S. R.~ Und nun mögen die
  Briefe selber sprechen.
   Den 4. Mai 1826.
   Wär's vielleicht um zwei?
   Wär's vielleicht um drei?
   Jedenfalls dabei.
   Euer ~R~
  Sonntag _Rogate_ 1826.
   Wo seid Ihr heute,
   Lieben Leute?
   An der Panke?
   Ich danke.
   An der Spree?
   Da käm' ich. Juchhe!
  Dienstag, 23. _Januar_ 1827.
  Für den Seume schick ich hier den Heinrich von Kleist. Ich bitte später
  daraus vorlesen zu dürfen. Was macht der Onkel? Besser? Ich werd' es
  sonst bei _Barez_ bestellen!
  23. _April_ 1827.
  Gestern war Sonntag Quasimodo und ich war quasi modo dicht am Sterben.
  O diese höllische Migräne! Das einzige Mittel ist Ruhe. „Ruhe ist die
  erste _Bürger_-Pflicht“ sagte schon Minister von der Schulenburg. Aber
  an Migränetagen dürfen es sich auch Hochadlige gesagt sein lassen. Und
  dann natürlich auch Kamillentee. Anbei sende ich den ersten Teil von
  Heinrich von Kleist zurück. Darf ich mir dafür _den_ Teil erbitten,
  in dem die Novelle „_Hans Kohlhaas_“ steht? Auch nehme ich mit dem
  _Käthchen von Heilbronn_ oder dem Prinzen _von Homburg_ vorlieb.
   Donnerstag, den 14. _Juni_ 1827. Am Tage Sankt Modesti des
   modestesten Heiligen.
  In Ermangelung von etwas Besserem schicke ich das beifolgende Bildchen,
  das ich, je nachdem es die Größe des Kästchens verlangt, bei ~a~ oder
  bei ~b~ abzuschneiden bitte. Wird bei ~b~ abgeschnitten, so fällt der
  alte Herr auf dem Baume weg und die Birnen fallen dann, wie vom Himmel,
  in die Schürze der Sammlerin. -- Unbekleidetes könnt ich in Menge
  liefern, aber das könnte Sankt Modestus übelnehmen und mit Heiligen
  darf man's nicht verderben. Wir haben's hier unendlich heiß und ich
  verkoche ganz allmählich, wobei mich nur die Krebse trösten, die längst
  gewohnt sind, lebendig gesotten zu werden. Haltet Euch tapfer in
  Pankow!
   Donnerstag, den 6. _Dezember_ 1827 am Tage des heiligen Nikolas,
   der den frommen und fleißigen Kindern goldne Äpfel bringt.
  Und auch ich komme nicht mit leeren Händen und schicke endlich das
  versprochene Buch. Trotz allem Ungewissen steckt doch viel Wissen
  darin. Ein eigentliches Urteil darüber habe ich nicht, weil ich es
  nicht ganz verstehe; doch habe ich Meinungen, die einem Urteil beinah
  gleichkommen. Selbst Professor Hegel sprach mit großer Achtung und
  Schonung einige Worte über den jugendlichen Autor aus.
   Montag, den 3. _November_ 1828. Am Tage Gottlieb.
   So hört denn: Alle die Gott lieben,
   In Wohltun nie zurückgeblieben,
   Hungrige speisen, Durstige tränken,
   Arme zum Geburtstag beschenken,
   Beschenken in Gnad und Überfluß --
   Euch, Ihr Lieben, herzlichen Gruß!
   Den 5. _März_ 1829. (Mit einigen Fragmenten aus dem Äsculap-Tempel
   in Pompeji.)
   Gestohlen? So haben wir nicht gewettet.
   Ich habe es gefunden und -- gerettet.
   Den 26. _Dezember_ 1829. Am Tage des heiligen Stephanus, des
   ersten Märtyrers.
  Ich komme bestimmt noch, aber leider erst spät, da ich noch notwendig
  zu dem Silberpärchen _Mendelssohn-Bartholdy_ muß.
   Montag, den 19. _September_ 1831.
   Cholera her, Cholera hin,
   Leben, leben ist Gewinn
   Und könnt ihr mir morgen 'ne Suppe geben,
   So möcht ich morgen wohl noch leben.
   Mittwoch, den 2. _November_ 1831.
  Als ich vor zweiundvierzig Jahren nach Berlin kam, gab es eine
  Gesellschaft, welche sich „~la Société du Mercredi~“ nannte und immer
  Donnerstags zusammenkam. Warum sollte es der gütigen Madame Jordan
  nicht erlaubt sein, ihren Donnerstag auf den Freitag zu verlegen?
   Sonntag, den 6. _November_ 1831 am Tage Sankt Leonhard oder
   Löwenherz.
  Am heutigen Tage muß ich mir ein Löwenherz fassen und Dir schreiben,
  daß ich beim besten Willen nicht kommen kann, da heute zwei ehrenveste
  Geburtstagskinder: der alte Hofzimmermeister _Glatz_ und Fräulein Luise
  Hotho befeiert werden müssen. Morgen bin ich bei Feilners.[31]
   Freitag, den 18. _November_ 1831.
  Hier meine teure Fanny, sende ich Ihnen den verheißenen Briefwechsel
  zwischen Goethe und Schiller, oder, wenn es die gute Tante so will,
  zwischen Schiller und Goethe. Streng genommen gebührt aber diesem
  letzteren der Vorrang, dieweil durch seine früheren unsterblichen und
  höchst genialischen Werke der viel jüngere Schiller zum Schreiben und
  Dichten erst angeregt wurde, Goethe aber die weite Bahn sich selbst
  eröffnete. Vielleicht söhnt sich Tantchen durch diese Briefe mit dem
  verhaßten Goethe aus. Ich würde mich über solche Bekehrung herzlich
  freuen, denn jedes überwundene Vorurteil gewährt einen Triumph.
   23. _Juni_ 1832.
  Ich kann leider nicht kommen. Am Sankt Johannistage gehöre ich dem
  _Orden_ an, und muß diesen Tag feiern helfen, wie eben jeder gute
  Christ tun sollte. Denn Johannes der Täufer wurde von Oben gewürdigt
  und berufen, dem Messias den Weg zu bahnen, auf daß der von Gott
  Gesandte die Menschen zur ewigen Glückseligkeit, d. h. zum Leben in
  Gott zurückführe.
   Freitag, 4. _Januar_ 1833. Am Tage Methusalem oder Methusalah,
   der sich bekanntlich schämte tausend Jahr alt zu werden und schon
   im neunhundertneunundsechzigsten, in der Blüte des reiferen
   Mannesalters, das Zeitliche segnete.
  Sie fragen, liebe Fanny, was ~coq-à-l'âne~ bedeutet? Soviel wie
  ungereimtes Zeug oder Durcheinander oder Quodlibet. Denn wenn Hahn und
  Esel sich in die Rede fallen, so kommt nicht viel Gescheites heraus.
   13. ~April~ 1833.
  Bin leider immer noch krank. Und hätte doch geglaubt, einen bequemeren
  Posten verdient zu haben, als den eines Nachtwächters, der die Stunden
  abhusten muß.
   Sonntag, den 14. _April_ 1833.
  Die Grippe nimmt schweren Abschied von mir. Ich kann es ihr nicht
  verdenken; es ging ihr so gut bei mir. Aber sie muß fort.
   Dienstag, 16. _April_ 1833.
  Es geht endlich besser. Schickt nun nichts mehr für den Kranken. Heute
  wird Gräfin _Sophie Schwerin_ für mich sorgen und morgen _Mendelssohns_
  in der Jägerstraße. Donnerstag komm ich selbst.
  In demselben Jahre (1833) machte er eine Sommer-, Studien- und
  Erholungs-Reise bis nach Hessen und Westfalen und im August nach Berlin
  zurückgekehrt, schrieb er einen langen Reisebrief an seine Freundin
  _Fanny Jordan_, die mittlerweile Frau Steuerrätin Hedemann zu Demmin in
  Pommern geworden war. Der Brief lautet:
   _Berlin_, 18. _August_ 1833.
  Mit fast noch größerm Recht als der muskauwitische Fürst Pückler,
  könnte ich seit dem fünften Juli dieses Jahres meine Episteln: „_Briefe
  eines Verstorbenen_“ titulieren, denn an jenem Tag stand mein Leben
  still und alle meine Sinne versagten mir den Dienst. Zwar wäre diese
  Todesart eine ganz exzellente zu nennen gewesen, denn ich verschied in
  den Armen zweier Exzellenzen: Minister von Klewitz und Generalleutnant
  Graf von Hacke, auf des letztern Hausflur zu Magdeburg, aber ich bin
  nicht so eitel und ziehe ein bescheidenes Leben einer glänzenden
  Todesart vor. Mein alter Freund, der Medizinalrat ~Dr.~ Schulz, trat
  zur rechten Zeit ins Haus, denn der entscheidende Augenblick war
  nahe und nur ein Aderlaß konnte mich retten. Die Herren Homöopathen
  mögen dagegen sagen, was sie wollen, denn alle ihre niedlichen
  Riechfläschchen und Million-Teilchen hätten mich nicht wieder ins Leben
  gerufen. Mir gelang es besser, wie jenem armen Sünder, der auf dem
  Wege zum Galgen gefragt: „Ob er etwas zu seiner Erquickung begehre,
  etwa einen Schluck Wein?“ um einen Aderlaß bat, und auf die Frage:
  „warum gerade _das_?“ antwortete: „man hab' ihm immer gesagt, der erste
  Aderlaß könne vom Tode retten.“
  _Mir_ hat's geholfen, dem armen Jungen aber nicht, trotzdem ich in
  Städten und Schlössern viel mehr eingesteckt habe, als er. Aber so geht
  es in der Welt: Die kleinen Diebe henkt man, und die großen läßt man
  laufen.
  Sorgfältiger und liebevoller kann kein Bruder vom andern gepflegt und
  gewartet werden, als ich im Gräflich von Hackeschen Hause, und so ward
  es mir möglich nach acht Tagen meine Reise langsam fortzusetzen. Die
  Krisis war glücklich überstanden, und ich gehörte endlich wieder zu der
  uralten Familie A-Grippa, d. h. zu der, welche die Grippe _nicht_ hat.
  Leider trat mit der Sonnenfinsternis am 17. Juli erst Nebel, dann Regen
  und Kälte ein, so daß ich meinem Skizzenbuche nur schmale Kost reichen
  konnte. Ein Fremder an der Table d'hôte in Hildesheim nannte den feinen
  Nebel-Regen „Luft-Schweiß“; er ist aber dem kalten Todes-Schweiße noch
  ähnlicher, der allen zarten Pflänzchen den Garaus macht. Zu meinem
  Glücke reise ich nicht bloß auf schöne Gegenden, Kirchen, Schlösser
  und Altertümer, sondern vor allem auf Menschen. Papa Goethe hat wohl
  recht, wenn er sagt: „Die Welt ist so leer, wenn man nur Berge, Flüsse
  und Städte darinnen sich denkt; aber hie und da jemand zu wissen, der
  mit uns übereinstimmt, mit dem wir auch stillschweigend fortleben, das
  macht dieses Erdenrund erst zu einem bewohnten Paradies-Gärtlein.“
  Da mochte es denn regnen und kalt sein, ich sonnte mich an den vielen,
  des unverhofften Wiedersehens sich freuenden Augen alter Freunde und
  Bekannter, die mir fast an jedem Orte entgegenleuchteten und mich
  alles Ungemach der Witterung vergessen ließen. Und so schied ich
  denn auch von jedem Orte viel reicher an Freunden und interessanten
  Bekanntschaften, als ich kam. Der Herzens-Kalender füllte sich
  zusehends mit neuen Geburtstagen und Lebens-Festen, und solches tut
  auch not, denn in der letzten Zeit war der Abgang stärker, als Zuwachs.
  --
  Den Geburtstag unsres teuren Königs feierte ich, trotz Sturm und
  Drang, auf einem höchst klassischen Boden und zwar im Arnsbergischen
  Regierungs-Bezirk, auf den Grundmauern der Burg Karls des Großen, wo
  er Reichsversammlungen und Zehnt-Gerichte hielt, wo ihn die Päpste
  Hadrian I. und Leo III. besuchten, und allwo er die widerspenstigen
  und ungläubigen Sachsen ziemlich unsanft bekehrte. Dies war auch der
  weiteste Punkt meines Streif-Zuges, denn da ich durch mein Sterben
  und Auferstehn in Magdeburg zwölf Tage von der Urlaubs-Zeit eingebüßt
  hatte, und nur kleine Reisen wagen durfte, um nicht zum zweiten und
  vielleicht letztenmal zu verscheiden, so mußt ich Kehrt machen, ohne
  den alten Vater Rhein begrüßt zu haben. Und so bin ich denn über
  Arolsen, Kassel, Heiligenstadt, Nordhausen, Eisleben, Halle, Wittenberg
  am 8. August wieder heimgekehrt. Noch zu guterletzt feierte ich in
  Halle ein beseligendes Fest des Wiedersehens und zwar im Gasthofe am
  Zeitungstisch. Da saß ein eifriger Zeitungsleser in den Hamburger
  Korrespondenten ganz und gar versunken; plötzlich sah er auf und
  schrie: „Sind Sie's wirklich, lieber Rösel?“ „Ja, ich bin's Exzellenz.“
  Es war mein alter Freund und Gönner, der Chef-Präsident von Vincke aus
  Münster. Seine Umarmung bei meinem Einsteigen in die Extra Post-Chaise
  gab mir in den Augen der Umstehenden ein gewaltiges „Basrelief“ wie
  General Elsner zu sagen pflegte.
  An der nächsten Station hielt gleichzeitig mit meinem Post-Wägelchen
  ein stattlicher Reise-Wagen. Ein elegant gekleideter Reisender stieg
  aus, und siehe, es war der Hofbuchdrucker _Rudolph Decker_. Bald
  darauf kuckte mich auch sein _Schätzellchen_ gar freundlich an. Da
  gab's etwas zu erzählen, vom schönen Musik-Feste in Düsseldorf, von
  den trefflichen jungen Künstlern daselbst usw. So plauderten wir von
  Station zu Station bis Wittenberg, wo wir noch miteinander zu Abend
  speiseten und uns ein: ‚auf Wiedersehen in Berlin‘ zutranken. Denn ich
  wollte in Wittenberg übernachten, das junge Paar aber in einem Striche
  weiter rollen.
  Seit dem Wiederaufleben in Magdeburg esse und trinke ich mit gesundem
  Appetite, schlafe wie ein Murmeltier und fühle mich gesund und heiter
  wie ein Fisch im Wasser....
   * * * * *
  Am 8. Juli 1843 starb Rösel und wurde auf dem Bornstädter Kirchhof
  begraben. Die Chronik der königlichen Akademie der Künste brachte das
  Jahr darauf folgenden kurzen Nekrolog: „_Johann Gottlob Samuel Rösel_,
  geboren zu Breslau den 9. Oktober 1768 (die Grabinschrift sagt 1769),
  wurde am 14. Februar 1824 zum ordentlichen Mitgliede der Akademie
  gewählt. Schon vorher war er königlicher Professor und Zeichenlehrer
  an der Bauschule. Als geistreicher Landschaftszeichner geschätzt, bis
  ins Alter von unverwüstlicher Heiterkeit und bei beschränkten Mitteln
  unermüdlich im Wohltun, folgt ihm das ehrende Andenken zahlreicher
  Freunde. Von königlicher Huld in den Gartenschlössern bei Potsdam bis
  an sein Ende gepflegt, starb er ebendaselbst.“
  Auch noch in seiner letzten Krankheit war er durch Geheimrat
  ~Dr.~ Zimmermann ärztlich behandelt worden. An sogenannten
  „Erlebnissen“ hat sein Leben wohl wenig aufzuweisen. Er gehörte ganz
  und gar einer gemütlichen Form gesellschaftlichen Daseins an; darin
  ging er auf und man würde sagen müssen auch unter, wenn sein Talent und
  seine Bedeutung ein so feierlich klingendes Wort überhaupt gestattete.
  Denn alles an ihm war Dilettantismus. Er erinnert in vielen Stücken an
  _Wilhelm Hensel_, der den besten Teil seines Lebens auch an vornehmen
  Umgang, an Einsammeln von Zelebritätsköpfen für seine Porträtmappe
  und an Briefchen und Gedichtchen setzte. Nichtsdestoweniger war ein
  Unterschied, und einer unsrer gegenwärtigen Altmeister, der _beide_
  noch gekannt hat, brach, als ich auf die vorstehende Parallele
  hinwies, unter herzlichem Lachen in die Worte aus: „Um Gottes willen
  nicht! Mit Hensel war es nicht viel, aber gegen Rösel war er ein Gott.“
  Mit zwei Anekdoten will ich schließen. Schleiermacher und Rösel,
  beide Breslauer, beide klein und verwachsen, trafen sich in einer
  Gesellschaft und erinnerten sich, auf derselben Schulbank gesessen zu
  haben. „Wir waren damals halbwachsen“ sagt Rösel. „Im Grunde genommen“
  lachte Schleiermacher „sind wir's auch geblieben.“
  In der zweiten Anekdote spielt Rösel seinerseits die Hauptrolle. Er saß
  in Sanssouci mit bei Tisch und Friedrich Wilhelm IV. stieß aus Versehen
  ein Glas Portwein um. „Was sagen Sie nun?“ fragte der König. „Gott,
  Majestät“ antwortete Rösel „eben war es noch Portwein und jetzt ist es
  bloß Tischwein.“
  [31] In einem sehr viel späteren Briefe (27. Januar 1841) heißt es: „Es
  war gestern, trotz der kalten Witterung, ein schwüler Tag für mich.
  Der Abschied aus dem alten, ehrwürdigen Hause _Feilner_ hatte mich
  windelweich gemacht. Ich hätte stundenlang wie ein Kind weinen können!“
  
  
  Marquardt
   Des Hofes Glanz und Schimmer
   Blinkt nur wie faules Holz,
   Die Kirche lebt vom Flimmer
   Und wird vor Demut stolz;
   Arm sind des Lebens Feste,
   Rings abgestandner Wein,
   Das Höchste und das Beste,
   Wie niedrig und wie klein.
   =Walter Raleigh=
  
  Eine Meile hinter Bornstädt liegt _Marquardt_, ein altwendisches Dorf,
  ebenso anziehend durch seine Lage, wie seine Geschichte. Wir passieren
  Bornim, durchschneiden den „Königsdamm“ und münden unmerklich auf der
  Chaussee in die Dorfstraße ein, zu deren Linken ein prächtiger Park bis
  an die Wublitz und die breiten Flächen des Schlänitz-Sees sich ausdehnt.
  Die gegenwärtige Gestalt von Marquardt, ebenso wie sein Name, ist noch
  jung; in alten Zeiten hieß es _Schorin_. Im fünfzehnten Jahrhundert,
  und weiter zurück, war es im Besitz zweier Familien; die eine davon
  nannte sich nach dem Dorfe selbst (Zabel _von Schorin_ 1375), die
  andere waren die _Bammes_. Der Besitz wechselte oft; die Brösickes,
  Hellenbrechts und Wartenbergs lösten einander ab, bis 1704 der
  Etatsminister und Schloßhauptmann _Marquardt_ Ludwig von Printzen das
  reizende Schorin vom Könige zum Geschenk, und das Geschenk selber, dem
  Minister zu Ehren, den Namen _Marquardt_ erhielt.
  An von Printzen, der sieben hohe Standesämter bekleidete und
  ebensoviele Titel führte, läßt sich die Phrase vom „unsterblichen
  Namen“ mustergültig studieren. Wer kennt ihn noch? Und doch war der
  Ruhm, den er seinerzeit genoß, ein so allgemeiner und wohlverdienter,
  daß selbst der medisante Herr von Pöllnitz nicht umhin konnte,
  in seinen Memoiren zu schreiben: „Um 1710 wurde von Printzen zum
  _Oberhofmarschall_ ernannt. Seine Verdienste machten ihn dieser Stelle
  vollkommen würdig. Der Hof, bei welchem er schon sehr jung angestellt
  worden war, hatte weder seine Sitten noch sein Herz verdorben. Treue
  und Redlichkeit waren die Triebfedern aller seiner Handlungen und
  man kann mit Wahrheit sagen, daß unter allen Ministern des Königs
  er derjenige war, der den Meinders und Fuchs, welche Deutschland
  unter seine größten Männer rechnete, am meisten gleichkam. Seine
  Aufrichtigkeit hatte ihm jedermanns Liebe zugezogen. Selbst der
  Kronprinz, der ein geborener Feind aller Minister war, konnte ihm seine
  Hochachtung nicht versagen, so daß er, als der Prinz zur Regierung kam,
  der Einzige war, der seine Stelle behielt.“
  So Pöllnitz über von Printzen. Ein Glück, daß sieben Hof- und
  Staatsämter ihn bei _Lebzeiten_ schadlos hielten für die Undankbarkeit
  der Nachwelt. Er bezog vierzigtausend Taler jährlich. Unter seinen
  vielen Ämtern war auch das eines „Direktors des Lehnswesens“, was die
  Anhäufung von Lehnsbriefen des gesamten Havellandes im Marquardter
  Archive erklären mag.
  von Printzen starb 1725; schon sechs Jahre früher (1719) war das
  anmutige Schorin, nunmehr Marquardt, in die Hände der Familie _von
  Wykerslot_ übergegangen, die, zu Anfang des Jahrhunderts, vom
  Niederrhein, dem Jülichschen und Cleveschen her, ins Land gekommen war.
  Vater und Sohn folgten einander im Besitz, jagten und prozessierten ein
  halbes Jahrhundert lang und erwarben sich das im engsten Zusammenhang
  damit stehende fragwürdige Verdienst, das Gutsarchiv mit den meisten
  Aktenbündeln, diesmal nicht Lehnsbriefe, vermehrt zu haben. Es war eine
  kalvinistische Familie und das Interessanteste aus ihrer Besitzzeit
  bleibt wohl, daß, obschon sie die Kirche aus eigenen Mitteln erbaut
  hatten, ihnen, solange Friedrich Wilhelm I. regierte, _nicht_ gestattet
  wurde, das heilige Abendmahl in dieser ihrer Kirche aus der Hand eines
  reformierten Geistlichen zu empfangen. Die Wykerslot mußten sich, an
  ihrem eigenen Gotteshause vorbei, nach Nattwerder begeben, einer
  benachbarten Schweizerkolonie, wo das Abendmahl nach kalvinistischem
  Ritus erteilt wurde.
  1781 starb der jüngere Wykerslot. War der Besitz bis zu diesem
  Zeitpunkte kein konstanter gewesen, so wurde er von jetzt ab, in
  der Unruhe sich steigernd, ein beständig wechselnder, so daß wir
  in dem kurzen Zeitraum von 1781 bis 1795, die Wykerslots noch mit
  eingerechnet, das nunmehrige Marquardt in Händen von vier verschiedenen
  Familien sehen. Die Nähe Potsdams -- wie bei vielen ähnlichen Punkten
  -- spielte dabei eine Rolle. Wer dem Hofe nahe stand, oder, wer außer
  Dienst, es schwer fand, sich ganz aus der Sonne zurückzuziehen,
  wählte mit Vorliebe die nahegelegenen Ortschaften. Unter diesen auch
  Marquardt. Hofleute erstanden es, nahmen hier ihre Villeggiatur und
  verkauften es wieder. Die Besitzreihe war die folgende:
   Oberstleutnant von Münchow von 1781 bis 1789, Hofmarschall von
   Dorville von 1789 bis 1793, Kammerherr und Domherr Baron von
   Dörenberg von 1793 bis 1795, General von Bischofswerder von 1795
   bis 1803.
  Über die Besitzzeiten der erstgenannten drei ist wenig zu sagen. Von
  Münchow errichtete seiner verstorbenen Frau ein Rokoko-Denkmal mit
  der Inschrift: „Friede sei über ihrer würdigen Asche“; Dorville und
  Dörenberg gingen spurlos vorüber. Erst mit General von Bischofswerder
  begann eine neue Zeit. Marquardt trat in die Reihe der historischen
  Plätze ein.
  
  Marquardt von 1795 bis 1803
  General von Bischofswerder
  Die Zeit der Heerlager war vorüber, der Baseler Friede geschlossen;
  in demselben Jahre war es, 1795, daß der General von Bischofswerder
  Marquardt käuflich an sich brachte, nach einigen aus dem Vermögen
  seiner zweiten Frau, nach andern aus Mitteln, die ihm der König
  gewährt hatte. Das letztere ist das wahrscheinlichere. Gleichviel,
  er erstand es und gab dem Herrenhause, dem Park, dem Dorfe selbst,
  im wesentlichen den Charakter, den sie samt und sonders bis diesen
  Augenblick zeigen. So wenig Jahre er es besaß, so war dieser
  Besitz doch epochemachend. Ehe wir darzustellen versuchen, was
  Marquardt damals sah und erlebte, versuchen wir eine Schilderung des
  einflußreichen und merkwürdigen Mannes selbst.
  Hans Rudolf von Bischofswerder wurde am 11. November 1740 zu
  Ostramondra im sächsisch-thüringischen Amte Eckartsberga geboren.[32]
  Die Angabe von Tag und Jahr ist zuverlässig, die Ortsangabe fraglich.
  Sein Vater war Adjutant bei dem Marschall von Sachsen, warb für
  Frankreich das Regiment Chaumontet und starb als Oberst im Dienst der
  Generalstaaten.
  Hans Rudolf von Bischofswerder studierte von 1756 an zu Halle,
  nahm dann Kriegsdienste und trat 1760 in das preußische Regiment
  Karabiniers, dessen Kommandeur ihn zu seinem Adjutanten machte. In
  dieser Eigenschaft wohnte er den letzten Kämpfen des siebenjährigen
  Krieges bei. Noch während der Kampagne stürzte er mit dem Pferde,
  erlitt einen Rippenbruch, und zunächst wenigstens sich außerstande
  sehend, die militärische Laufbahn fortzusetzen, begab er sich auf sein
  Landgut in der sächsischen Lausitz, wo er sich 1764 mit einer Tochter
  des kursächsischen Kammerherrn _von Wilke_ vermählte. Er lebte hier
  mehrere Jahre in glücklicher Zurückgezogenheit und „übte, wie es in
  einer der zeitgenössischen Schriften heißt, all die gesellschaftlichen
  und häuslichen Tugenden die ihm die Hochachtung derer, die ihn kannten,
  erwarben.“
  Sein guter Ruf verschaffte ihm die Ehre, als Kavalier an den
  sächsischen Hof gerufen zu werden. Von hier aus machte er mit dem
  Prinzen Xaver eine Reise nach Frankreich. Bald nach seiner Rückkehr
  wurde er Kammerherr des Kurfürsten, hiernächst Stallmeister des Prinzen
  Karl, Herzogs von Kurland.
  Herzog Karl von Kurland, Sohn Friedrich August II., lebte damals
  zumeist in Dresden und gehörte in erster Reihe zu jener nicht
  kleinen Zahl von Fürstlichkeiten, die für das epidemisch auftretende
  Ordenswesen, für Goldmachekunst und Geister-Erscheinungen ein lebhaftes
  Interesse zeigten.
  So konnte es denn kaum ausbleiben, daß auch Bischofswerder, wie alle
  übrigen Personen des Hofes, zu jenen Alchymisten und Wunderleuten in
  nähere Beziehung trat, die damals beim Herzoge aus- und eingingen.
  Unter diesen war Johann Georg Schrepfer der bemerkenswerteste. Er besaß
  einen „Apparat“, der so ziemlich das Beste leistete, was nach dieser
  Seite hin in damaliger Zeit geleistet werden konnte. Dazu war er kühn
  und von einem gewissen ehrlichen Glauben an sich selbst. Es scheint,
  daß er, inmitten aller seiner Betrügereien, doch ganz aufrichtig die
  Meinung unterhielt: jeder Tag bringt Wunder; warum sollte am Ende nicht
  auch mir zu Liebe ein Wunder geschehen? Als trotz dieses Glaubens die
  eingesiegelten Papierschnitzel nicht zu Golde werden wollten, erschoß
  er sich im Leipziger Rosental (1774). Bischofswerder war unter den
  Freunden, die ihn auf diesem Gange begleiteten und denen er eine
  „wunderbare Erscheinung“ zugesagt hatte.
  Die ganze Schrepfer-Episode hatte als Schwindel-Komödie geendet. Aber
  so sehr sie für Unbefangene diesen Stempel trug, so wenig waren die
  Adepten geneigt, ihren Meister und seine Kunst aufzugeben. Man trat
  die Schrepfersche Erbschaft an und zitierte weiter. Friedrich Förster
  erzählt: „Bischofswerder, in einem Vorgefühl, daß hier ein Schatz,
  eine Brücke zu Glück und Macht gefunden sei, wußte den Schrepferschen
  Apparat zu erwerben.“ Doch ist dies nicht allzu wahrscheinlich. Wenn
  Bischofswerder später sehr ähnlich operierte, so konnte er es, weil
  ein längerer intimer Verkehr mit dem „Meister“ ihn in alle Geheimnisse
  eingeführt hatte.
  Der prosaische Ausgang Schrepfers -- prosaisch, trotzdem er mit
  einem Pistolenschuß endete -- hatte unseren Bischofswerder nicht
  _um_gestimmt, aber verstimmt; er gab Dresden auf, oder _mußte_ es
  aufgeben, da der ganze Hergang doch viel von sich reden machte und
  nicht gerade zugunsten der Beteiligten. Er ging nach Schlesien und
  lebte einige Zeit (1774 bis 1775) in der Nähe von Grünberg, auf den
  Gütern des Generals von Frankenberg. Bischofswerders äußere Lage war
  damals eine sehr bedrückte.
  Dieser Aufenthalt vermittelte auch wohl den Wiedereintritt
  Bischofswerders in den preußischen Dienst, der nach einigen Angaben
  1775 oder 1776, nach anderen erst bei Ausbruch des bayerischen
  Erbfolgekrieges 1778 erfolgte. Prinz Heinrich verlangte ihn zum
  Adjutanten; als sich diesem Verlangen indes Hindernisse in den
  Weg stellten, errichtete von Bischofswerder, inzwischen zum Major
  avanziert, ein sächsisches Jägerkorps, das der Armee des „Rheinsberger
  Prinzen“ zugeteilt wurde.
  Beim Frieden hatte diese Jägertruppe das Schicksal, das ähnliche
  Korps immer zu haben pflegen: es wurde aufgelöst. König Friedrich
  II. indes, „der die Menschen kannte“, nahm den nunmehrigen Major von
  Bischofswerder in seine Suite auf, worauf sich dieser in Potsdam
  niederließ. Die schon zitierte Schrift schreibt über die sich
  unmittelbar anschließende Epoche (von 1780 bis 1786) das Folgende:
  „Um diese Zeit war es auch, daß der damalige Prinz von Preußen, der
  spätere König Friedrich Wilhelm II., ihn kennen lernte und seines
  besonderen Zutrauens würdig fand. Wobei übrigens eigens bemerkt
  sein mag, daß von Bischofswerder der einzige aus der Umgebung des
  
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