Turandot, Prinzessin von China - 4

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großen Becken, voll von Goldstücken.

Erster Auftritt.
Turandot. Zelima. Skirina. Timur. Barak.
(Barak und Timur stehen, jeder an einer Säule, einander gegenüber,
die Verschnittenen um sie herum, alle mit entblößten Säbeln und
Dolchen. Zelima und Skirina stehen weinend auf der einen, Turandot
drohend und streng auf der andern Seite.)

Turandot. Noch ist es Zeit. Noch lass' ich mich herab,
Zu bitten--Dieser aufgehäufte Berg
Von Gold ist euer, wenn ihr mir in Gutem
Des Unbekannten Stand und Namen nennt.
Besteht ihr aber drauf, ihn zu verschweigen,
So sollen diese Dolche, die ihr hier
Auf euch gezückt seht, euer Herz durchbohren!
He da, ihr Sklaven! Machet euch bereit.
(Die Verschnittenen halten ihnen ihre Dolche auf die Brust.)
Barak (zu Skirina). Nun, heillos Weib, nun siehst du, Skirina,
Wohin uns deine Plauderhaftigkeit geführt.
--Prinzessin, sättigt Eure Wuth! Ich biete
Den Martern Trotz, die Ihr ersinnen könnt,
Ich bin bereit, den herbsten Tod zu leiden.
--Herbei, ihr Schwarzen! Auf, ihr Marterknechte.
Tyrannische Werkzeuge der Tyrannin,
Zerfleischt mich, tödtet mich, ich will es dulden.
--Sie hat ganz Recht, ich kenne diesen Prinzen
Und seinen Vater, Beider Namen weiß ich;
Doch keine Marter preßt sie von mir aus,
Kein Gold verführt mich; weniger als Staub,
Als schlechte Erde acht' ich diese Schätze!
Du, meine Gattin, jammre nicht um mich!
Für Diesen Alten spare deine Thränen,
Für ihn erweiche dieses Felsenherz,
Daß der Unschuldige gerettet werde!
Sein ganz Verbrechen ist, mein Freund zu sein.
Skirina (flehend zu Turandot).
O Königin, Erbarmen!
Timur. Niemand kümmre sich
Um einen schwachen Alten, den die Götter
Im Zorn verfolgen, dem der Tod Erlösung,
Das Leben eine Marter ist. Ich will
Dich retten, Freund, und sterben. Wisse denn,
Du Grausame--
Barak (unterbricht ihn). Um aller Götter willen, schweigt!
Der Name komme nicht aus Eurem Munde!
Turandot (neugierig).
Du weißt ihn also, Greis?
Timur. Ob ich ihn weiß?
Unmenschliche!--Freund, sag' mir das Geheimniß,
Warum darf ich die Namen nicht entdecken?
Barak. Ihr tödtet ihn und uns, wenn Ihr sie nennt.
Turandot. Er will dich schrecken, Alter, fürchte nichts!
Herbei, ihr Sklaven, züchtigt den Verwegnen!
(Die Verschnittenen umgeben den Barak.)
Skirina. Ihr Götter, helft! Mein Mann! Mein Mann!
Timur (tritt dazwischen). Halt! Haltet!
Was soll ich thun! Ihr Götter, welche Marter!
--Prinzessin, schwört mir's zu bei Eurem Haupt,
Bei Euren Göttern schwört mir, daß sein Leben
Und dieses Fremdlings Leben ungefährdet
Sein soll--Mein eignes acht' ich nichts und will
Es freudig Eurer Wuth zum Opfer geben--
Schwört mir das zu, und Ihr sollt Alles wissen.
Turandot. Bei meinem Haupt, zum furchtbarn Fohi schwör' ich,
Daß weder seinem Leben, noch des Prinzen,
Noch irgend eines hier Gefährde droht--
Barak (unterbricht sie).
Halt, Lügnerin--Nicht weiter--Glaubt ihr nicht!
Verrätherei lauscht hinter diesem Schwur.
--Schwört, Turandot, schwört, daß der Unbekannte
Euer Gatte werden soll, im Augenblick,
Da wir die Namen Euch entdeckt, wie recht
Und billig ist; Ihr wißt es, Undankbare!
Schwört, wenn Ihr könnt und dürft, daß er, verschmäht
Von Euch, nicht in Verzweiflung sterben wird
Durch seine eigne Hand--Und schwört uns zu,
Daß, wenn wir Euch die Namen nun entdeckt,
Für unser Leben nichts zu fürchten sei,
Noch, daß ein ew'ger Kerker uns lebendig
Begraben und der Welt verbergen soll--
Dies schwört uns, und der Erste bin ich selbst,
Der Euch die beiden Namen nennt!
Timur. Was für Geheimnisse sind dies! Ihr Götter,
Nehmt diese Qual und Herzensangst von mir!
Turandot. Ich bin der Worte müd--Ergreift sie, Sklaven!
Durchbohret sie!
Skirina. O Königin! Erbarmen!
(Die Verschnittenen sind im Begriff, zu gehorchen, aber Skirina
und Zelima werfen sich dazwischen.)
Barak. Nun siehst du, Greis, das Herz der Tigerin!
Timur (niedergeworfen).
Mein Sohn! Dir weih' ich freudig dieses Leben.
Die Mutter ging voran, ihr folg' ich nach.
Turandot (betroffen, wehrt den Sklaven).
Sein Sohn! Was hör' ich! Haltet!--Du ein Prinz?
Ein König? Du des Unbekannten Vater?
Timur. Ja, Grausame! Ich bin ein König--bin
Ein Vater, den der Jammer niederdrückt!
Barak. O König! Was habt Ihr gethan!
Skirina. Ein König!
In solchem Elend!
Zelima. Allgerechte Götter!
Turandot (in tiefes Sinnen verloren, nicht ohne Rührung).
Ein König und in solcher Schmach!--Sein Vater!
Des unglücksel'gen Jünglings, den ich mich
Zu hassen zwinge und nicht hassen kann!
--O der Bejammernswürdige--Wie wird mir!
Das Herz im tiefsten Busen wendet sich!
Sein Vater!--Und er selbst--Sagt' er nicht so?
Genöthiget, als niedrer Knecht zu dienen
Und Lasten um geringen Sold zu tragen!
O Menschlichkeit! O Schicksal!
Barak. Turandot,
Dies ist ein König! Scheuet Euch und schaudert
Zurück, die heil'gen Glieder zu verletzen!
Wenn solches Jammers Größe Euch nicht rührt,
Euch nicht das Mitleid, nicht die Menschlichkeit
Entwaffnen kann, laßt Euch die Scham besiegen.
Ehrt Eures eignen greisen Vaters Haupt
In diesem Greis--O, schändet Euch nicht selbst
Durch eine That, die Euer Blut entehrte!
Genug daß Ihr die Jünglinge gemordet,
Schonet das Alter, das ohnmächtige,
Das auch die Götter zum Erbarmen zwingt!
Zelima (wirft sich zu ihren Füßen).
Ihr seid bewegt, Ihr könnt nicht widerstehn.
O, gebt dem Mitleid und der Gnade Raum,
Laßt Euch die Größe dieses Jammers rühren!

Zweiter Auftritt.
Adelma zu den Vorigen.

Turandot (ihr entgegen).
Kommst du, Adelma? Hilf mir! O, schaff' Rath!
Ich bin entwaffnet--Ich bin außer mir!
Dies ist sein Vater, ein Monarch und König!
Adelma. Ich hörte Alles. Fort mit diesen Beiden,
Schafft dieses Gold hinweg, der Kaiser naht!
Turandot. Mein Vater? Wie?
Adelma. Ist auf dem Weg hieher. (Zu den Schwarzen)
Fort, eh wir überfallen werden! Sklaven,
Führt diese Beiden in die untersten
Gewölbe des Serails, dort haltet sie
Verborgen bis auf weitere Befehle! (Zu Turandot)
Es ist umsonst. Wir müssen der Gewalt
Entsagen. Nichts kann retten, als die List.
--Ich habe einen Anschlag--Skirina,
Ihr bleibt zurück. Auch Zelima soll bleiben.
Barak (zu Timur). Weh uns, mein Fürst! Die Götter mögen wissen,
Welch neues Schreckniß ansgebrütet wird!
--Weib! Tochter! Seid getreu, o, haltet fest,
Laßt euch von diesen Schlangen nicht verführen!
Turandot (zu den Schwarzen).
Ihr wisset den Befehl. Fort, fort mit ihnen
In des Serails verborgenste Gewölbe!
Timur. Fall' Eure ganze Rache auf mein Haupt!
Nur ihm, nur meinem Sohn erzeiget Mitleid!
Barak. Mitleid in dieser Furie! Verrathen
Ist Euer Sohn, und uns, ich seh' es klar,
Wird ew'ge Nacht dem Aug der Welt verbergen.
Man führt uns aus dem Angesicht der Menschen,
Wohin kein Lichtstrahl und kein Auge dringt,
Und unser Schmerz kein fühlend Ohr erreicht! (Zur Prinzessin.)
Die Welt kannst du, der Menschen Auge blenden,
Doch zittre vor der Götter Rachgericht!
Magst du im Schlund der Erde sie verstecken,
Laß tausend Todtengrüfte sie bedecken,
Sie bringen deine Übelthat ans Licht.
(Er folgt mit Timur den Verschnittenen, welche zugleich die
Tafel und das Becken mit den Goldstücken hinwegtragen.)

Dritter Auftritt.
Turandot. Adelma. Zelima und Skirina.

Turandot (zu Adelma). Auf dich verlass' ich mich, du einz'ge Freundin!
O, sage, sprich, wie du mich retten willst.
Adelma. Die Wachen, die auf Altoums Befehl
Des Prinzen Zimmer hüten, sind gewonnen.
Man kann zu ihm hineingehn, mit ihm sprechen--
Und was ist dann nicht möglich, wenn wir klug
Die Furcht, die Überredung spielen lassen.
Denn arglos ist sein Herz und gibt sich leicht
Der Schmeichelstimme des Verräthers hin.
Wenn Skirina, wenn Zelima mir nur
Behilflich sind und ihre Rolle spielen,
So zweifelt nicht, mein Anschlag soll gelingen.
Turandot (zu Skirina). So lieb dir Hassans Leben, Skirina!
Er ist in meiner Macht, ich kann ihn tödten.
Skirina. Was Ihr befehlt, ich bin bereit zu Allem,
Wenn ich nur meines Hassans Leben rette.
Turandot (zu Zelima). So werth dir meine Gunst ist, Zelima.--
Zelima. Auf meinen Eifer zählt und meine Treue!
Adelma. So kommt. Kein Augenblick ist zu verlieren (Sie gehen ab.)
Turandot. Geht, geht! Thut, was sie sagt.

Vierter Auftritt.
Turandot allein.

Was sinnt Adelma?
Wird sie mich retten? Götter, steht ihr bei!
Kann ich mich noch mit diesem Siege krönen,
Weß Name wird dann größer sein, als meiner?
Wer wird es wagen, sich in Geisteskraft
Mit Turandot zu messen?--Welche Lust,
Im Divan, vor der wartenden Versammlung,
Die Namen ihm ins Angesicht zu werfen
Und ihn beschämt von meinem Thron zu weisen!
--Und doch ist mir's, als würd' es mich betrüben!
Mir ist, als säh' ich ihn, verzweiflungsvoll,
Zu meinen Füßen seinen Geist verhauchen,
Und dieser Anblick dringt mir in das Herz.
--Wie, Turandot? Wo ist der edle Stolz
Der großen Seele? Hat's ihn auch gekränkt,
Im Divan über dich zu triumphieren?
Was wird dein Antheil sein, wenn er auch hier
Den Sieg dir abgewinnt?--Recht hat Adelma!
Zu weit ist es gekommen! Umkehr ist
Nicht möglich!--Du mußt siegen oder fallen!
Besiegt von einem, ist besiegt von allen!

Fünfter Auftritt.
Turandot. Altoum. Pantalon und Tartaglia folgen ihm in einiger
Entfernung nach.

Altoum (in einem Briefe lesend und in tiefen Gedanken, für sich).
So mußte dieser blutige Tyrann
Von Tefflis enden! Kalaf, Timurs Sohn,
Aus seiner Väter Reich vertrieben, flüchtig
Von Land zu Lande schweifend, muß hieher
Nach Peckin kommen und durch seltsame
Verkettung der Geschicke glücklich werden!
So führt das Schicksal an verborgnem Band
Den Menschen auf geheimnißvollen Pfaden!
Doch über ihm wacht eine Götterhand,
Und wunderbar entwirret sich der Faden.
Pantalon (leise zu Tartaglia).
Rappelt's der Majestät? Was kömmt sie an,
Daß sie in Versen mit sich selber spricht?
Tartaglia (leise zu Pantalon).
Still, still! Es ist ein Bote angelangt
Aus fernen Landen--Was er brachte, mag
Der Teufel wissen!
Altoum (steckt den Brief in den Busen und wendet sich zu
seiner Tochter).
Turandot! Die Stunden
Entfliehen, die Entscheidung rückt heran,
Und schlaflos irrst du im Serail umher,
Zerquälst dich, das Unmögliche zu wissen.
--Vergebens quälst du dich. Es ist umsonst,
Ich aber hab' es ohne Müh' erfahren.
--Sieh diesen Brief. Hier stehen beide Namen
Und Alles, was sie kenntlich macht. So eben
Bringt ihn ein Bote mir aus fernen Landen.
Ich halt' ihn wohl verschlossen und bewacht,
Bis dieser nächste Tag vorüber ist.
Der unbekannte Prinz ist wirklich König
Und eines Königs Sohn--Es ist unmöglich,
Daß du errathest, wer sie beide seien.
Ihr Reich liegt allzufern von hier, der Name
Ist kaum zu Peckin ausgesprochen worden.
--Doch sieh, weil ich's als Vater mit dir meine,
Komm' ich in später Nacht noch her--Kann es
Dir Freude machen, dich zum zweitenmal
Im Divan dem Gelächter bloßzustellen,
Dem Hohn des Pöbels, der mit Ungeduld
Drauf wartet, deinen Stolz gebeugt zu sehn?
Denn abgesinnt, du weißt's, ist dir das Volk,
Kaum werd' ich seiner Wuth gebieten können,
Wenn du im Divan nun verstummen mußt.
--Sieh liebes Kind, dies führte mich hieher.
(Zu Pantalon und Tartaglia.)
Laßt uns allein! (Jene entfernen sich ungern und zaudernd.)

Sechster Auftritt.
Turandot und Altoum.

Altoum (nachdem jene weg sind, nähert sich ihr und faßt sie
vertraulich bei der Hand).
Ich komme, deine Ehre
Zu retten.
Turandot. Meine Ehre, Sire? Spart Euch
Die Müh! Nicht Rettung brauch' ich meiner Ehre--
Ich werde mir im Divan morgen selbst
Zu helfen wissen.
Altoum. Ach, du schmeichelst dir
Mit eitler Hoffnung. Glaube mir's, mein Kind,
Unmöglich ist's, zu wissen, was du hoffst.
Ich les' in deinen Angen, deinen wild
Verwirrten Zügen deine Qual und Angst.
Ich bin dein Vater; sieh, ich hab' dich lieb.
--Wir sind allein--Sei offen gegen mich!
Bekenn' es frei--weißt du die beiden Namen?
Turandot. Ob ich sie weiß, wird man im Divan hören.
Altoum. Nein, Kind, du weißt sie nicht, kannst sie nicht wissen.
Wenn du sie weißt, so sag' mir's im Vertrauen.
Ich lasse dann den Unglücksel'gen wissen,
Daß er verrathen ist, und lass' ihn still
Aus meinen Staaten ziehn. So meidest du
Den Haß des Volks--und mit dem Sieg zugleich
Trägst du den Ruhm der Großmuth noch davon,
Daß du dem Überwundenen die Schmach
Der öffentlichen Niederlage spartest.
--Um dieses Einz'ge bitt' ich dich, mein Kind!
Wirst du's dem Vater, der dich liebt, versagen?
Turandot. Ich weiß die Namen oder weiß sie nicht,
Genug! Hat er im Divan meiner nicht
Geschont, brauch' ich auch seiner nicht zu schonen.
Gerechtigkeit geschehe! Öffentlich,
Wenn ich sie weiß, soll man die Namen hören.
Altoum (will ungeduldig werden, zwingt sich aber und fährt mit
Mäßigung und Milde fort).
Durft' er dich schonen? Galt es nicht sein Leben?
Galt es nicht, was ihm mehr war, deine Hand?
Dich zu gewinnen und sich selbst zu retten,
Mußt' er den Sieg im Divan dir entreißen.
--Nur einen Augenblick leg' deinen Zorn
Bei Seite, Kind--Gib Raum der Überlegung!
Sieh, dieses Haupt setz' ich zum Pfand, du weißt
Die Namen nicht--Ich aber weiß sie--hier (auf den Brief zeigend)
Stehn sie geschrieben, und ich sag' sie dir.
--Der Divan soll sich in der Früh' versammeln,
Der Unbekannte öffentlich erscheinen;
Mit seinem Namen redest du ihn an;
Er soll beschämt, vom Blitz getroffen, stehen,
Verzweifelnd jammern und vor Schmerz vergehen;
Vollkommen sei sein Fall und dein Triumph.
Doch nun, wenn du so tief ihn hast gebeugt
Erheb' ihn wieder! Frei, aus eigner Wahl
Reich' ihm die Hand und endige sein Leiden.
--Komm, meine Tochter, schwöre mir, daß du
Das thun willst, und sogleich--wir sind allein--
Sollst du die Namen wissen. Das Geheimniß,
Ich schwöre dir, soll mit uns beiden sterben.
So löst der Knote sich erfreulich auf;
Du krönest dich mit neuem Siegesruhm,
Versöhnest dir durch schöne Edelthat
Die Herzen meines Volks, gewinnst dir selbst
Den Würdigsten der Erde zum Gemahl,
Erfreuest, tröstest nach so langem Gram
In seinem hohen Alter deinen Vater.
Turandot (ist während dieser Rede in eine immer zunehmende
Bewegung gerathen).
Ach, wie viel arge List gebraucht mein Vater!
--Was soll ich thun? Mich auf Adelmas Wort
Verlassen und dem ungewissen Glück
Vertraun? Soll ich vom Vater mir die Namen
Entdecken lassen und den Nacken beugen
In das verhaßte Joch?--Furchtbare Wahl!
(Sie steht unentschlossen in heftigem Kampf mit sich selbst.)
Herunter, stolzes Herz! Bequeme dich!
Dem Vater nachzugeben ist nicht Schande!
(Indem sie einige Schritte gegen Altoum macht, steht sie
plötzlich wieder still.)
Doch wenn Adelma--sie versprach so kühn,
So zuversichtlich--wenn sie's nun erforschte,
Und übereilt hätt' ich den Schwur gethan?
Altoum. Was sinnest du und schwankest, meine Tochter,
In zweifelnden Gedanken hin und her?
Soll etwa diese Angst mich überreden,
Daß du des Sieges dich versichert haltest?
O Kind, gib deines Vaters Bitte nach--
Turandot. Es sei! Ich wag es drauf. Ich will Adelma
Erwarten--So gar dringend ist mein Vater?
Ein sichres Zeichen, daß es möglich ist,
Ich könne, was er fürchtet, durch mich selbst
Erfahren--Er versteht sich mit dem Prinzen!
Nicht anders! Von ihm selbst hat er die Namen;
Es ist ein abgeredet Spiel; ich bin
Verrathen, und man spottet meiner!
Altoum. Nun?
Was zauderst du? Hör auf, dich selbst zu quälen,
Entschließe dich!
Turandot. Ich bin entschlossen--Morgen
In aller Früh' versammle sich der Divan.
Altoum. Du bist entschlossen, es aufs Äußerste,
Auf öffentliche Schande hin zu wagen?
Turandot. Entschlossen, Sire, die Probe zu bestehen.
Altoum (in heftigem Zorn).
Unsinnige! Verstockte! Blindes Herz!
Noch blinder als die Albernste des Pöbels!
Ich bin gewiß, wie meines eignen Haupts,
Daß du dich öffentlich beschimpfst, daß dir's
Unmöglich ist, das Räthsel aufzulösen.
Wohlan! Der Divan soll versammelt werden,
Und in der Nähe gleich sei der Altar!
Der Priester halte sich bereit, im Augenblick,
Da du verstummst, beim lauten Hohngelächter
Des Volks die Trauung zu vollziehn. Du hast
Den Vater nicht gehört, da er dich flehte.
Leb' oder stirb! Er wird dich auch nicht hören! (Er geht ab.)
Turandot. Adelma! Freundin! Retterin! Wo bist du?
Verlassen bin ich von der ganzen Welt.
Mein Vater hat im Zorn mich aufgegeben,
Von dir allein erwart' ich Heil und Leben. (Entfernt sich von der
andere Seite.)

Siebenter Auftritt.
Die Scene verwandelt sich in ein prächtiges Gemach mit mehreren
Ausgängen. Im Hintergrund steht ein orientalisches Ruhebett für
Kalaf. Es ist finstere Nacht.
Kalaf. Brigella mit einer Fackel.
(Kalaf geht in tiefen Gedanken auf und ab, Brigella betrachtet
ihn mit Kopfschütteln.)

Brigella. 's hat eben Drei geschlagen, Prinz, und Ihr
Seid nun genau dreihundert sechzigmal
In diesem Zimmer auf und ab spaziert.
Verzeiht! Mir liegt der Schlaf in allen Gliedern,
Und wenn Ihr selbst ein wenig ruhen wolltet,
Es könnt' nicht schaden.
Kalaf. Du hast Recht, Brigella.
Mein sorgenvoller Geist treibt mich umher;
Doch du magst gehen und dich schlafen legen.
Brigella (geht, kommt aber gleich wieder zurück).
Ein Wort zur Nachricht, Hoheit--Wenn Euch hier
Von ohngefähr so was erscheinen sollte--
Macht Eure Sache gut--Ihr seid gewarnt!
Kalaf. Erscheinungen? Wie so? An diesem Ort?
(Mustert mit unruhigen Blicke das Zimmer.)
Brigella. Du lieber Himmel! Uns ist zwar verboten
Bei Lebensstrafe, Niemand einzulassen.
Doch--arme Diener! Herr, Ihr wißt ja wohl!
Der Kaiser ist der Kaiser, die Prinzeß
Ist, so zu sagen, Kaiserin--und was
Die in den Kopf sich setzt, das muß geschehn!
's wird Einem sauer, Hoheit, zwischen zwei
Dachtraufen trocknen Kleides durchzukommen.
--Versteht mich wohl. Man möchte seine Pflicht
Gern ehrlich thun--Doch man erübrigte
Auch gern etwas für seine alten Tage.
Herr, unsereins ist halter übel dran!
Kalaf. Wie? Sollte man mir gar ans Leben wollen?
Brigella, rede!
Brigella. Gott soll mich bewahren!
Allein bedenkt die Neugier, die man hat,
Zu wissen, wer Ihr seid. Es könnte sich
Zum Beispiel fügen, daß--durchs Schlüsselloch--
Ein Geist--ein Unhold--eine Hexe käme,
Euch zu versuchen--Gnug! Ihr seid gewarnt!
Versteht mich--Arme Diener, arme Schelme!
Kalaf (lächelnd). Sei außer Sorgen. Ich verstehe dich
Und werde mich in Acht zu nehmen wissen.
Brigella. Thut das, und somit Gott befohlen, Herr.
Ums Himmels willen, bringt mich nicht ins Unglück!
(Gegen die Zuschauer.)
Es kann geschehen, daß man einen Beutel
Mit Golde ausschlägt--möglich ist's! Was mich betrifft,
Ich that mein Bestes, und ich konnt' es nicht. (Er geht ab.)
Kalaf. Er hat mir Argwohn in mein Herz gepflanzt.
Wer könnte mich hier überfallen wollen?
Und laß die Teufel aus der Hölle selbst
Ankommen, dieses Herz wird standhaft bleiben. (Er tritt ans Fenster.)
Der Tag ist nicht mehr weit, ich werde nun
Nicht lange mehr auf dieser Folter liegen.
Indeß versuch' ich es, ob ich vielleicht
Den Schlaf auf diese Augen locken kann.
(Indem er sich auf das Ruhebette niederlassen will, öffnet sich
eine von den Thüren.)

Achter Auftritt.
Kalaf. Skirina in männlicher Kleidung und mit einer Maske vor
dem Gesicht.

Skirina (furchtsam sich nähernd).
Mein lieber Herr--Herr--O, wie zittert mir
Das Herz!
Kalaf (auffahrend). Wer bist du, und was suchst du hier?
Skirina (nimmt die Maske vom Gesicht).
Kennt Ihr mich nicht? Ich bin ja Skirina,
Des armen Hassans Weib und Eure Wirthin.
Verkleidet hab' ich durch die Wachen mich
Herein gestohlen--Ach! was hab' ich Euch
Nicht alles zu erzählen--Doch die Angst
Erstickt mich, und die Kniee zittern mir;
Ich kann vor Thränen nicht zu Worte kommen.
Kalaf. Sprecht, gute Frau. Was habt Ihr mir zu sagen?
Skirina (sich immer schüchtern umsehend).
Mein armer Mann hält sich versteckt. Es ward
Der Turandot gesagt, daß er Euch kenne.
Nun wird ihm nachgespürt an allen Orten,
Ihn ins Serail zu schleppen und ihm dort
Gewaltsam Euren Namen abzupressen.
Wird er entdeckt, so ist's um ihn geschehn;
Denn eher will er unter Martern sterben,
Als Euch verrathen.
Kalaf. Treuer, wackrer Diener!
--Ach, die Unmenschliche!
Skirina. Ihr habt noch mehr
Von mir zu hören--Euer Vater ist
In meinem Haus.
Kalaf. Was sagst du? Große Götter!
Skirina. Von Eurer Mutter zum trostlosen Wittwer
Gemacht--
Kalaf. O meine Mutter!
Skirina. Hört mich weiter!
Er weiß, daß man Euch hier bewacht; er zittert
Für Euer Leben; er ist außer sich;
Er will verzweifelnd vor den Kaiser dringen,
Sich ihm entdecken, kost' es, was es wolle;
Mit meinem Sohne, ruft er, will ich sterben!
Vergebens such' ich ihn zurück zu halten,
Sein Ohr ist taub, er hört nur seinen Schmerz;
Nur das Versprechen, das ich ihm gethan,
Ein tröstend Schreiben ihm von Eurer Hand
Mit Eures Namens Unterschrift zu bringen,
Das ihm Versichrung gibt von Eurem Leben,
Hielt ihn vom Äußersten zurück! So hab' ich mich
Hieher gewagt und in Gefahr gesetzt,
Dem kummervollen Greise Trost zu bringen.
Kalaf. Mein Vater hier in Peckin! Meine Mutter
Im Grab!--Du hintergehst mich, Skirina!
Skirina. Mich strafe Fohi, wenn ich Euch das lüge!
Kalaf. Bejammernswerther Vater! Arme Mutter!
Skirina (dringend). Kein Augenblick ist zu verlieren! Kommt!
Bedenkt Euch nicht; schreibt diese wen'gen Worte.
Fehlt Euch das Nöthige, ich bracht' es mit.
(Sie zieht eine Schreibtafel hervor.)
Genug, wenn dieser kummervolle Greis
Zwei Zeilen nur von Eurer Hand erhält,
Daß Ihr noch lebt und daß Ihr Gutes hofft.
Sonst treibt ihn die Verzweiflung an den Hof,
Er nennt sich dort, und Alles ist verloren.
Kalaf. Ja, gib mir diese Tafel!
(Er ist im Begriff zu schreiben, hält aber plötzlich inne und
sieht sie forschend an.)
Skirina!
Hast du nicht eine Tochter im Serail?
--Ja, ja, ganz recht. Sie dient Sklavin dort
Der Turandot; dein Mann hat mir's gesagt.
Skirina. Nun ja! Wie kommt Ihr darauf?
Kalaf. Skirina!
Geh nur zurück und sage meinem Vater
Von meinetwegen, daß er ohne Furcht
Geheimen Zutritt bei dem Kaiser fordre
Und ihm entdecke, was sein Herz ihn heißt.
Ich bin's zufrieden.
Skirina (betroffen). Ihr verweigert mir
Den Brief? Ein Wort von Eurer Hand genügt.
Kalaf. Nein, Skirina, ich schreibe nicht. Erst morgen
Erfährt man, wer ich bin--Ich wundre mich,
Daß Hassans Weib mich zu verrathen sucht.
Skirina. Ich Euch verrathen! Guter Gott! (Für sich.)
Adelma mag denn selbst ihr Spiel vollenden. (Zu Kalaf.)
Wohl, Prinz! Wie's Euch beliebt! Ich geh' nach Hause,
Ich richte Eure Botschaft aus; doch glaubt' ich nicht,
Nach so viel übernommener Gefahr
Und Mühe Euren Argwohn zu verdienen. (Im Abgehen.)
Adelma wacht, und Dieser schlummert nicht. (Entfernt sich.)
Kalaf. Erscheinungen!--Du sagtest recht, Brigella!
Doch, daß mein Vater hier in Peckin sei
Und meine Mutter todt, hat dieses Weib
Mit einem heil'gen Eide mir bekräftigt!
Kommt doch das Unglück nie allein! Ach, nur
Zu glaubhaft ist der Mund, der Böses meldet!
(Die entgegengesetzte Thüre öffnet sich.)
Noch ein Gespenst! Laß sehen, was es will!

Neunter Auftritt.
Kalaf. Zelima.

Zelima. Prinz, ich bin eine Sklavin der Prinzessin
Und bringe gute Botschaft.
Kalaf. Gäb's der Himmel!
Wohl wär' es Zeit, daß auch das Gute käme!
Ich hoffe nichts, ich schmeichle mir mit nichts;
Zu fühllos ist das Herz der Turandot.
Zelima. Wohl wahr, ich leugn' es nicht--und dennoch, Prinz,
Gelang es Euch, dies stolze Herz zu rühren.
Euch ganz allein; Ihr seid der Erste--Zwar
Sie selbst besteht darauf, daß sie Euch hasse;
Doch ich bin ganz gewiß, daß sie Euch liebt.
Die Erde thu' sich auf und reiße mich
In ihren Schlund hinab, wenn ich das lüge!
Kalaf. Gut, gut, ich glaube dir. Die Botschaft ist
Nicht schlimm. Hast du noch Mehreres zu sagen?
Zelima (nähertretend). Ich muß Euch im Vertrauen sagen, Prinz,
Der Stolz, der Ehrgeiz treibt sie zur Verzweiflung.
Sie sieht nun ein, daß sie Unmögliches
Sich aufgebürdet, und vergeht vor Scham,
Daß sie im Divan nach so vielen Siegen
Vor aller Welt zu Schanden werden soll.
Der Abgrund öffne sich und schlinge mich
Hinab, wenn ich mit Lügen Euch berichte!
Kalaf. Ruf nicht so großes Unglück auf dich her!
Ich glaube dir. Geh, sage der Prinzessin,
Leicht sei es ihr, in diesem Streit zu siegen;
Mehr als durch ihren glänzenden Verstand
Wird sich ihr Ruhm erheben, wenn ihr Herz
Empfinden lernt, wenn sie der Welt beweist,
Sie könne Mitleid fühlen, könne sich
Entschließen, einen Liebenden zu trösten
Und einen greisen Vater zu erfreun.
Ist dies etwa die gute Botschaft, sprich,
Die ich zu hören habe?
Zelima. Nein, mein Prinz!
Wir geben uns so leichten Kaufes nicht;
Man muß Geduld mit unsrer Schwachheit haben.
--Hört an!
Kalaf. Ich höre.
Zelima. Die Prinzessin schickt mich.
--Sie bittet Euch um einen Dienst--Laßt sie
Die Namen wissen, und im Übrigen
Vertraut Euch kühnlich ihrer Großmuth an.
Sie will nur ihre Eigenliebe retten,
Nur ihre Ehre vor dem Divan lösen.
Voll Güte steigt sie dann von ihrem Thron
Und reicht freiwillig Euch die schöne Rechte.
--Entschließt Euch, Prinz. Ihr waget nichts dabei.
Gewinnt mit Güte dieses stolze Herz,
So wird nicht Zwang, so wird die Liebe sie,
Die zärtlichste, in Eure Arme führen.
Kalaf (sieht ihr scharf ins Gesicht, mit einem bittern Lächeln).
Hier, Sklavin, hast du den gewohnten Schluß
Der Rede weggelassen.
Zelima. Welchen Schluß?
Kalaf. Die Erde öffne sich und schlinge mich
Hinab, wenn ich Unwahres Euch berichte.
Zelima. So glaubt Ihr, Prinz, daß ich Euch Lügen sage?
Kalaf. Ich glaub' es fast--und glaub' es so gewiß,
Daß ich in dein Begehren nimmermehr
Kann willigen. Kehr' um zu der Prinzessin!
Sag' ihr, mein einz'ger Ehrgeiz sei ihr Herz,
Und meiner glühnden Liebe möge sie
Verzeihn, daß ich die Bitte muß versagen.
Zelima. Bedachtet Ihr, was dieser Eigensinn
Euch kosten kann?
Kalaf. Mag er mein Leben kosten!
Zelima. Es bleibt dabei, er wird's Euch kosten, Prinz!
--Beharrt Ihr drauf, mir nichts zu offenbaren?
Kalaf. Nichts!
Zelima. Lebet wohl! (Im Abgehen.) Die Mühe konnt' ich sparen!
Kalaf (allein). Geht, wesenlose Larven! Meinen Sinn
Macht Ihr nicht wankend. Andre Sorgen sind's,
Die mir das Herz beklemmen--Skirinas
Bericht ist's, was mich ängstiget--Mein Vater
In Peckin! Meine Mutter todt! Muth, Muth, mein Herz!
In wenig Stunden ist das Loos geworfen.
Könnt' ich den kurzen Zwischenraum im Arm
Des Schlafs verträumen! Der gequälte Geist
Sucht Ruhe, und mich däucht, ich fühle schon
Den Gott die sanften Flügel um mich breiten.
(Er legt sich auf das Ruhebette und schläft ein.)

Zehnter Auftritt.
Adelma tritt auf, das Gesicht verschleiert, eine Wachskerze in
der Hand. Kalaf schlafend.

Adelma. Nicht Alles soll mißlingen--Hab' ich gleich
Vergebens alle Künste des Betrugs
Verschwendet, ihm die Namen zu entlocken,
So werd' ich doch nicht eben so umsonst
Versuchen, ihn aus Peckin wegzuführen
Und mit dem schönen Raube zu entfliehn.
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