Römische Geschichte — Buch 1 - 22

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und dem Buerger wie seiner Gemeinde zur Zier gereichende
Beschaeftigungen, so zog sich in Latium der bessere Teil der
Buergerschaft mehr und mehr von diesen eitlen Kuensten zurueck, und um
so entschiedener, je mehr die Kunst sich oeffentlich darstellte und je
mehr sie von den belebenden Anregungen des Auslandes durchdrungen war.
Die einheimische Floete liess man sich gefallen, aber die Lyra blieb
geaechtet; und wenn das nationale Maskenspiel zugelassen ward, so
schien das auslaendische Ringspiel nicht bloss gleichgueltig, sondern
schaendlich. Waehrend die musischen Kuenste in Griechenland immer mehr
Gemeingut eines jeden einzelnen und aller Hellenen zusammen werden und
damit aus ihnen eine allgemeine Bildung sich entwickelt, schwinden sie
in Latium allgemach aus dem allgemeinen Volksbewusstsein, und indem sie
zu in jeder Beziehung geringen Handwerken herabsinken, kommt hier nicht
einmal die Idee einer der Jugend mitzuteilenden, allgemein nationalen
Bildung auf. Die Jugenderziehung blieb durchaus befangen in den
Schranken der engsten Haeuslichkeit. Der Knabe wich dem Vater nicht von
der Seite und begleitete ihn nicht bloss mit dem Pfluge und der Sichel
auf das Feld, sondern auch in das Haus des Freundes und in den
Sitzungssaal, wenn der Vater zu Gaste oder in den Rat geladen war.
Diese haeusliche Erziehung war wohl geeignet, den Menschen ganz dem
Hause und ganz dem Staate zu bewahren; auf der dauernden
Lebensgemeinschaft zwischen Vater und Sohn und auf der gegenseitigen
Scheu des werdenden Menschen vor dem fertigen und des reifen Mannes vor
der Unschuld der Jugend beruhte die Festigkeit der haeuslichen und
staatlichen Tradition, die Innigkeit des Familienbandes, ueberhaupt der
gewichtige Ernst (gravitas) und der sittliche und wuerdige Charakter
des roemischen Lebens. Wohl war auch diese Jugenderziehung eine jener
Institutionen schlichter und ihrer selbst kaum bewusster Weisheit, die
ebenso einfach sind wie tief; aber ueber der Bewunderung, die sie
erweckt, darf es nicht uebersehen werden, dass sie nur durchgefuehrt
werden konnte und nur durchgefuehrt ward durch die Aufopferung der
eigentlichen individuellen Bildung und durch voelligen Verzicht auf die
so reizenden wie gefaehrlichen Gaben der Musen.
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^7 Vates ist wohl zunaechst der Vorsaenger (denn so wird der vates der
Salier zu fassen sein) und naehert sich dann im aelteren Sprachgebrauch
dem griechischen προφήτης: es ist ein dem religioesen Ritual
angehoerendes Wort und hat, auch als es spaeter vom Dichter gebraucht
ward, immer den Nebenbegriff des gotterfuellten Saengers, des
Musenpriesters, behalten.
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Ueber die Entwicklung der musischen Kuenste bei den Etruskern und
Sabellern mangelt uns so gut wie jede Kunde ^8. Es kann hoechstens
erwaehnt werden, dass auch in Etrurien die Taenzer (histri, histriones)
und die Floetenspieler (subulones) frueh und wahrscheinlich noch
frueher als in Rom aus ihrer Kunst ein Gewerbe machten und nicht bloss
in der Heimat, sondern auch in Rom um geringen Lohn und keine Ehre sich
oeffentlich produzierten. Bemerkenswerter ist es, dass an dem
etruskischen Nationalfest, welches die saemtlichen Zwoelfstaedte durch
einen Bundespriester ausrichteten, Spiele wie die des roemischen
Stadtfestes gegeben wurden; indes die dadurch nahegelegte Frage,
inwieweit die Etrusker mehr als die Latiner zu einer nationalen, ueber
den einzelnen Gemeinden stehenden musischen Kunst gelangt sind, sind
wir zu beantworten nicht mehr imstande. Anderseits mag wohl in Etrurien
schon in frueherer Zeit der Grund gelegt sein zu der geistlosen
Ansammlung gelehrten, namentlich theologischen und astrologischen
Plunders, durch den die Tusker spaeterhin, als in dem allgemeinen
Verfall die Zopfgelehrsamkeit zur Bluete kam, mit den Juden, Chaldaeern
und Aegyptern die Ehre teilten, als Urquell goettlicher Weisheit
angestaunt zu werden.
Womoeglich noch weniger wissen wir von sabellischer Kunst; woraus
natuerlich noch keineswegs folgt, dass sie der der Nachbarstaemme
nachgestanden hat. Vielmehr laesst sich nach dem sonst bekannten
Charakter der drei Hauptstaemme vermuten, dass an kuenstlerischer
Begabung die Samniten den Hellenen am naechsten, die Etrusker ihnen am
fernsten gestanden haben moegen; und eine gewisse Bestaetigung dieser
Annahme gewaehrt die Tatsache, dass die bedeutendsten und
eigenartigsten unter den roemischen Poeten, wie Naevius, Ennius,
Lucilius, Horatius, den samnitischen Landschaften angehoeren, wogegen
Etrurien in der roemischen Literatur fast keine anderen Vertreter hat
als den Arretiner Maecenas, den unleidlichsten aller herzvertrockneten
und worteverkraeuselnden Hofpoeten, und den Volaterraner Persius, das
rechte Ideal eines hoffaertigen und mattherzigen, der Poesie
beflissenen Jungen.
Die Elemente der Baukunst sind, wie dies schon angedeutet ward, uraltes
Gemeingut der Staemme. Den Anfang aller Tektonik macht das Wohnhaus; es
ist dasselbe bei Griechen und Italikern. Von Holz gebaut und mit einem
spitzen Stroh- oder Schindeldach bedeckt, bildet es einen viereckigen
Wohnraum, welcher durch die mit dem Regenloch im Boden
korrespondierende Deckenoeffnung (cavum aedium) den Rauch entlaesst und
das Licht einfuehrt. Unter dieser “schwarzen Decke” (atrium) werden die
Speisen bereitet und verzehrt; hier werden die Hausgoetter verehrt und
das Ehebett wie die Bahre aufgestellt; hier empfaengt der Mann die
Gaeste und sitzt die Frau spinnend im Kreise ihrer Maegde. Das Haus
hatte keinen Flur, insofern man nicht den unbedeckten Raum zwischen der
Haustuer und der Strasse dafuer nehmen will, welcher seinen Namen
vestibulum, das ist der Ankleideplatz, davon erhielt, dass man im Hause
im Untergewand zu gehen pflegte und nur, wenn man hinaustrat, die Toga
umwarf. Auch eine Zimmereinteilung mangelte, ausser dass um den
Wohnraum herum Schlaf- und Vorratskammern angebracht werden konnten;
und an Treppen und aufgesetzte Stockwerke ist noch weniger zu denken.
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^8 Dass die Atellanen und Fescenninen nicht der kampanischen und
etruskischen, sondern der latinischen Kunst angehoeren, wird seiner
Zeit gezeigt werden.
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Ob und wieweit aus diesen Anfaengen eine national-italische Tektonik
hervorging, ist kaum zu entscheiden, da die griechische Einwirkung
schon in der fruehesten Zeit hier uebermaechtig eingegriffen und die
etwa vorhandenen volkstuemlichen Anfaenge fast ganz ueberwuchert hat.
Schon die aelteste italische Baukunst, welche uns bekannt ist, steht
nicht viel weniger unter dem Einfluss der griechischen als die Tektonik
der augustischen Zeit. Die uralten Graeber von Caere und Alsium sowie
wahrscheinlich auch das aelteste unter den kuerzlich aufgedeckten
praenestinischen sind ganz wie die Thesauren von Orchomenos und Mykenae
durch uebereinandergeschobene, allmaehlich einspringende und mit einem
grossen Deckstein geschlossene Steinlagen ueberdacht gewesen. In
derselben Weise ist ein sehr altertuemliches Gebaeude an der Stadtmauer
von Tusculum gedeckt, und ebenso gedeckt war urspruenglich das
Quellhaus (tullianum) am Fusse des Kapitols, bis des darauf gesetzten
Gebaeudes wegen die Spitze abgetragen ward. Die nach demselben System
angelegten Tore gleichen sich voellig in Arpinum und in Mykenae. Der
Emissar des Albaner Sees hat die groesste Aehnlichkeit mit dem des
Kopaischen. Die sogenannten kyklopischen Ringmauern kommen in Italien,
vorzugsweise in Etrurien, Umbrien, Latium und der Sabina haeufig vor
und gehoeren der Anlage nach entschieden zu den aeltesten Bauwerken
Italiens, obwohl der groesste Teil der jetzt vorhandenen wahrscheinlich
erst viel spaeter, einzelne sicher erst im siebenten Jahrhundert der
Stadt aufgefuehrt worden sind. Sie sind, eben wie die griechischen,
bald ganz roh aus grossen unbearbeiteten Felsbloecken mit dazwischen
eingeschobenen kleineren Steinen, bald quadratisch in horizontalen
Lagen ^9, bald aus vieleckig zugehauenen, ineinandergreifenden Bloecken
geschichtet; ueber die Wahl des einen oder des anderen dieser Systeme
entschied in der Regel wohl das Material, wie denn in Rom, wo man in
aeltester Zeit nur aus Tuff baute, deswegen der Polygonalbau nicht
vorkommt. Die Analogie der beiden ersten einfacheren Arten mag man auf
die des Baustoffs und des Bauzwecks zurueckfuehren; aber es kann
schwerlich fuer zufaellig gehalten werden, dass auch der kuenstliche
polygone Mauerbau und das Tor mit dem durchgaengig links einbiegenden
und die unbeschildete rechte Seite des Angreifers den Verteidigern
blosslegenden Torweg den italischen Festungen ebensowohl wie den
griechischen eignet. Bedeutsame Winke liegen auch darin, dass in
demjenigen Teil Italiens, der von den Hellenen zwar nicht unterworfen,
aber doch mit ihnen in lebhaftem Verkehr war, der eigentliche polygone
Mauerbau landueblich war und er in Etrurien nur in Pyrgi und in den
nicht sehr weit davon entfernten Staedten Cosa und Saturnia begegnet;
da die Anlage der Mauer von Pyrgi, zumal bei dem bedeutsamen Namen
(“Tuerme”), wohl ebenso sicher den Griechen zugeschrieben werden kann
wie die der Mauern von Tirynth, so steht hoechst wahrscheinlich in
ihnen noch uns eines der Muster vor Augen, an denen die Italiker den
Mauerbau lernten. Der Tempel endlich, der in der Kaiserzeit der
tuscanische hiess und als eine den verschiedenen griechischen
Tempelbauten koordinierte Stilgattung betrachtet ward, ist sowohl im
ganzen eben wie der griechische ein gewoehnlich viereckiger ummauerter
Raum (cella), ueber welchem Waende und Saeulen das schraege Dach
schwebend emportragen, als auch im einzelnen, vor allem in der Saeule
selbst und ihrem architektonischen Detail, voellig abhaengig von dem
griechischen Schema. Es ist nach allem diesem wahrscheinlich wie auch
an sich glaublich, dass die italische Baukunst vor der Beruehrung mit
den Hellenen sich auf Holzhuetten, Verhacke und Erd- und
Steinaufschuettungen beschraenkte und dass die Steinkonstruktion erst
in Aufnahme kam durch das Beispiel und die besseren Werkzeuge der
Griechen. Kaum zu bezweifeln ist es, dass die Italiker erst von diesen
den Gebrauch des Eisens kennenlernten und von ihnen die
Moertelbereitung (cal[e]x, calecare, von χάλιξ), die Maschine (machina
μηχανή), das Richtmass (groma, verdorben aus γνώμων γνώμα) und den
kuenstlichen Verschluss (clatri κλήθρον) ueberkamen. Demnach kann von
einer eigentuemlich italischen Architektur kaum gesprochen werden. Doch
mag in dem Holzbau des italischen Wohnhauses neben den durch
griechischen Einfluss hervorgerufenen Abaenderungen manches
Eigentuemliche festgehalten oder auch erst entwickelt worden sein und
dies dann wieder auf den Bau der italischen Goetterhaeuser
zurueckgewirkt haben. Die architektonische Entwicklung des Hauses aber
ging in Italien aus von den Etruskern. Der Latiner und selbst der
Sabeller hielten noch fest an der ererbten Holzhuette und der guten
alten Sitte, dem Gotte wie dem Geist nicht eine geweihte Wohnung,
sondern nur einen geweihten Raum anzuweisen, als der Etrusker schon
begonnen hatte, das Wohnhaus kuenstlerisch umzubilden und nach dem
Muster des menschlichen Wohnhauses auch dem Gotte einen Tempel und dem
Geist ein Grabgemach zu errichten. Dass man in Latium zu solchen
Luxusbauten erst unter etruskischem Einfluss vorschritt, beweist die
Bezeichnung des aeltesten Tempelbau- und des aeltesten Hausbaustils als
tuscanischer ^10. Was den Charakter dieser Uebertragung anlangt, so
ahmt der griechische Tempel wohl auch die allgemeinen Umrisse des
Zeltes oder des Wohnhauses nach; aber er ist wesentlich von Quadern
gebaut und mit Ziegeln gedeckt, und in dem durch den Stein und den
gebrannten Ton bestimmten Verhaeltnissen haben sich fuer ihn die
Gesetze der Notwendigkeit und der Schoenheit entwickelt. Dem Etrusker
dagegen blieb der scharfe griechische Gegensatz zwischen der von Holz
hergerichteten Menschen- und der steinernen Goetterwohnung fremd; die
Eigentuemlichkeiten des tuscanischen Tempels: der mehr dem Quadrat sich
naehernde Grundriss, der hoehere Giebel, die groessere Weite der
Zwischenraeume zwischen den Saeulen, vor allem die gesteigerte
Schraegung und das auffallende Vortreten der Dachbalkenkoepfe ueber die
tragenden Saeulen gehen saemtlich aus der groesseren Annaeherung des
Tempels an das Wohnhaus und aus den Eigentuemlichkeiten des Holzbaues
hervor.
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^9 Dieser Art sind die Servianischen Mauern gewesen. Sie bestehen teils
aus einer Verstaerkung der Huegelabhaenge durch vorgelegte bis zu vier
Metern starke Futtermauern, teils in den Zwischenraeumen, vor allem am
Viminal und Quirinal, wo vom Esquilinischen bis zum Collinischen Tore
die natuerliche Verteidigung fehlte, aus einem Erdwall, welcher nach
aussen durch eine aehnliche Futtermauer abgeschlossen wird. Auf diesen
Futtermauern ruhte die Brustwehr. Ein Graben, nach zuverlaessigen
Berichten der Alten 30 Fuss tief und 100 Fuss breit, zog sich vor dem
Wall hin, zu dem die Erde aus eben diesem Graben genommen war. Die
Brustwehr hat sich nirgends erhalten; von den Futtermauern sind in
neuerer Zeit ausgedehnte Ueberreste zum Vorschein gekommen. Die
Tuffbloecke derselben sind im laenglichen Rechteck behauen,
durchschnittlich 60 Zentimeter (= 2 roem. Fuss) hoch und breit,
waehrend die Laenge von 70 Zentimetern bis zu drei Metern wechselt, und
ohne Anwendung von Moertel, abwechselnd mit den Lang- und mit den
Schmalseiten nach aussen, in mehreren Reihen nebeneinander geschichtet.
Der im Jahre 1862 in der Villa Negroni aufgedeckte Teil des
Servianischen Walls am Viminalischen Tor ruht auf einem Fundament
gewaltiger Tuffbloecke von drei bis vier Metern Hoehe und Breite, auf
welchem dann aus Bloecken von demselben Material und derselben Groesse,
wie sie bei der Mauer sonst verwandt waren, die Aussenmauer sich erhob.
Der dahinter aufgeschuettete Erdwall scheint auf der oberen Flaeche
eine Breite bis zu etwa dreizehn Metern oder reichlich 40 roem. Fuss,
die ganze Mauerwehr mit Einrechnung der Aussenmauer von Quadern eine
Breite bis zu fuenfzehn Metern oder 50 roem. Fuss gehabt zu haben. Die
Stuecke aus Peperinbloecken, welche mit eisernen Klammern verbunden
sind, sind erst bei spaeteren Ausbesserungsarbeiten hinzugekommen.
Den Servianischen wesentlich gleichartig sind die in der Vigna Nussiner
am Abhang des Palatins nach der Kapitolseite und an anderen Punkten des
Palatin aufgefundenen Mauern, die von Jordan (Topographie der Stadt Rom
im Altertum. Bd. 2. Berlin 1885, S. 173) wahrscheinlich mit Recht fuer
Ueberreste der Burgmauer des palatinischen Rom erklaert worden sind.
^10 Ratio Tuscanica; cavum aedium Tuscanicum.
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Die bildenden und zeichnenden Kuenste sind juenger als die Architektur;
das Haus muss erst gebaut sein, ehe man daran geht, Giebel und Waende
zu schmuecken. Es ist nicht wahrscheinlich, dass diese Kuenste in
Italien schon waehrend der roemischen Koenigszeit recht in Aufnahme
gekommen sind; nur in Etrurien, wo Handel und Seeraub frueh grosse
Reichtuemer konzentrierten, wird die Kunst oder, wenn man lieber will,
das Handwerk in fruehester Zeit Fuss gefasst haben. Die griechische
Kunst, wie sie auf Etrurien gewirkt hat, stand, wie ihr Abbild beweist,
noch auf einer sehr primitiven Stufe und es moegen wohl die Etrusker in
nicht viel spaeterer Zeit von den Griechen gelernt haben, in Ton und
Metall zu arbeiten, als diejenige war, in der sie das Alphabet von
ihnen entlehnten. Von etruskischer Kunstfertigkeit dieser Epoche geben
die Silbermuenzen von Populonia, fast die einzigen mit einiger
Sicherheit dieser Epoche zuzuweisenden Arbeiten, nicht gerade einen
hohen Begriff; doch moegen von den etruskischen Bronzewerken, welche
die spaeteren Kunstkenner so hoch stellten, die besten eben dieser
Urzeit angehoert haben, und auch die etruskischen Terrakotten koennen
nicht ganz gering gewesen sein, da die aeltesten in den roemischen
Tempeln aufgestellten Werke aus gebrannter Erde, die Bildsaeule des
kapitolinischen Jupiter und das Viergespann auf seinem Dache, in Veii
bestellt worden waren und die grossen derartigen Aufsaetze auf den
Tempeldaechern ueberhaupt bei den spaeteren Roemern als “tuscanische
Werke” gingen.
Dagegen war bei den Italikern, nicht bloss bei den sabellischen
Staemmen, sondern selbst bei den Latinern, das eigene Bilden und
Zeichnen in dieser Zeit noch erst im Entstehen. Die bedeutendsten
Kunstwerke scheinen im Auslande gearbeitet worden zu sein. Der
angeblich in Veii verfertigten Tonbilder wurde schon gedacht; dass in
Etrurien verfertigte und mit etruskischen Inschriften versehene
Bronzearbeiten wenn nicht in Latium ueberhaupt, doch mindestens in
Praeneste gangbar waren, haben die neuesten Ausgrabungen bewiesen. Das
Bild der Diana in dem roemisch-latinischen Bundestempel auf dem
Aventin, welches als das aelteste Goetterbild in Rom galt ^11, glich
genau dem massaliotischen der ephesischen Artetuis und war vielleicht
in Elea oder Massalia gearbeitet. Es sind fast allein die seit alter
Zeit in Rom vorhandenen Zuenfte der Toepfer, Kupfer- und Goldschmiede,
welche das Vorhandensein eigenen Bildens und Zeichnens daselbst
beweisen; von ihrem Kunststandpunkt aber ist es nicht mehr moeglich,
eine konkrete Vorstellung zu gewinnen.
Versuchen wir aus den Archiven aeltester Kunstueberlieferung und
Kunstuebung geschichtliche Resultate zu gewinnen, so ist zunaechst
offenbar, dass die italische Kunst ebenso wie italisches Mass und
italische Schrift nicht unter phoenikischem, sondern ausschliesslich
unter hellenischem Einfluss sich entwickelt hat. Es ist nicht eine
einzige unter den italischen Kunstrichtungen, die nicht in der
altgriechischen Kunst ihr bestimmtes Musterbild faende, und insofern
hat die Sage ganz recht, wenn sie die Verfertigung der bemalten
Tonbilder, ohne Zweifel der aeltesten Kunstart, in Italien
zurueckfuehrt auf die drei griechischen Kuenstler: den “Bildner”,
“Ordner” und “Zeichner”, Eucheir, Diopos und Eugrammos, obwohl es mehr
als zweifelhaft ist, dass diese Kunst zunaechst von Korinth und
zunaechst nach Tarquinii kam. Von unmittelbarer Nachahmung
orientalischer Muster findet sich ebensowenig eine Spur als von einer
selbstaendig entwickelten Kunstform; wenn die etruskischen
Steinschneider an der urspruenglich aegyptischen Kaefer- oder
Skarabaeenform festhielten, so sind doch auch die Skarabaeen in
Griechenland in sehr frueher Zeit nachgeschnitten worden, wie denn ein
solcher Kaeferstein mit sehr alter griechischer Inschrift sich in
Aegina gefunden hat, und koennen also den Etruskern recht wohl durch
die Griechen zugekommen sein. Von dem Phoeniker mochte man kaufen; man
lernte nur von dem Griechen.
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^11 Wenn Varro (bei Aug. civ. 4, 31, vgl. Plut. Num. 8) sagt, dass die
Roemer mehr als 170 Jahre die Goetter ohne Bilder verehrt haetten, so
denkt er offenbar an dies uralte Schnitzbild, welches nach der
konventionellen Chronologie zwischen 176 und 219 (578 und 535) der
Stadt dediziert und ohne Zweifel das erste Goetterbild war, dessen
Weihung die dem Varro vorliegenden Quellen erwaehnten. Vgl. oben 1,
230.
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Auf die weitere Frage, von welchem griechischen Stamm den Etruskern die
Kunstmuster zunaechst zugekommen sind, laesst sich eine kategorische
Antwort nicht geben; doch bestehen bemerkenswerte Beziehungen zwischen
der etruskischen und der aeltesten attischen Kunst. Die drei
Kunstformen, die in Etrurien wenigstens spaeterhin in grosser, in
Griechenland nur in sehr beschraenkter Ausdehnung geuebt worden sind,
die Grabmalerei, die Spiegelzeichnung und die Steinschneidekunst, sind
bis jetzt auf griechischem Boden einzig in Athen und Aegina beobachtet
worden. Der tuskische Tempel entspricht genau weder dem dorischen noch
dem ionischen; aber in den wichtigsten Unterscheidungsmomenten, in dem
um die Cella herumgefuehrten Saeulengang sowie in der Unterlegung eines
besonderen Postaments unter jede einzelne Saeule, folgt der etruskische
Stil dem juengeren ionischen; und eben der noch vom dorischen Element
durchdrungene ionisch-attische Baustil steht in der allgemeinen Anlage
unter allen griechischen dem tuskischen am naechsten. Fuer Latium
mangelt es so gut wie ganz an sicheren kunstgeschichtlichen
Verkehrsspuren; wenn aber, wie sich dies ja genau genommen von selbst
versteht, die allgemeinen Handels- und Verkehrsbeziehungen auch fuer
die Kunstmuster entscheidend gewesen sind, so kann mit Sicherheit
angenommen werden, dass die kampanischen und sizilischen Hellenen wie
im Alphabet so auch in der Kunst die Lehrmeister Latiums gewesen sind;
und die Analogie der aventinischen Diana mit der ephesischen Artemis
widerspricht dem wenigstens nicht. Daneben war denn natuerlich die
aeltere etruskische Kunst auch fuer Latium Muster. Den sabellischen
Staemmen ist wie das griechische Alphabet so auch die griechische Bau-
und Bildkunst wenn ueberhaupt doch nur durch Vermittlung der
westlicheren italischen Staemme nahegetreten.
Wenn aber endlich ueber die Kunstbegabung der verschiedenen italischen
Nationen ein Urteil gefaellt werden soll, so ist schon hier
ersichtlich, was freilich in den spaeteren Stadien der Kunstgeschichte
noch bei weitem deutlicher hervortritt, dass die Etrusker wohl frueher
zur Kunstuebung gelangt sind und massenhafter und reicher gearbeitet
haben, dagegen ihre Werke hinter den latinischen und sabellischen an
Zweckrichtigkeit und Nuetzlichkeit nicht minder wie an Geist und
Schoenheit zurueckstehen. Es zeigt sich dies allerdings fuer jetzt nur
noch in der Architektur. Der ebenso zweckmaessige wie schoene polygone
Mauerbau ist in Latium und dem dahinterliegenden Binnenland haeufig, in
Etrurien selten und nicht einmal Caeres Mauern sind aus vieleckigen
Bloecken geschichtet. Selbst in der auch kunstgeschichtlich
merkwuerdigen religioesen Hervorhebung des Bogens und der Bruecke in
Latium ist es wohl erlaubt, die Anfaenge der spaeteren roemischen
Aquaedukte und roemischen Konsularstrassen zu erkennen. Dagegen haben
die Etrusker den hellenischen Prachtbau wiederholt, aber auch
verdorben, indem sie die fuer den Steinbau festgestellten Gesetze nicht
durchaus geschickt auf den Holzbau uebertrugen und durch das tief
hinabgehende Dach und die weiten Saeulenzwischenraeume ihrem
Gotteshaus, mit einem alten Baumeister zu reden, “ein breites,
niedriges, sperriges und schwerfaelliges Ansehen” gegeben haben. Die
Latiner haben aus der reichen Fuelle der griechischen Kunst nur sehr
weniges ihrem energisch realistischen Sinne kongenial gefunden, aber
was sie annahmen, der Idee nach und innerlich sich angeeignet und in
der Entwicklung des polygonen Mauerbaus vielleicht ihre Lehrmeister
uebertroffen; die etruskische Kunst ist ein merkwuerdiges Zeugnis
handwerksmaessig angeeigneter und handwerksmaessig festgehaltener
Fertigkeiten, aber so wenig wie die chinesische ein Zeugnis auch nur
genialer Rezeptivitaet. Wie man sich auch straeuben mag, so gut wie man
laengst aufgehoert hat, die griechische Kunst aus der etruskischen
abzuleiten, wird man sich auch noch entschliessen muessen, in der
Geschichte der italischen Kunst die Etrusker aus der ersten in die
letzte Stelle zu versetzen.
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