Romeo und Julia - 3

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Oh einfachbesohlter Scherz, einfach einzigartig in seiner Einfalt!
MERCUTIO
Tritt zwischen uns, guter Benvolio; mein Witz schwindet mir.
ROMEO
Dann gib ihm Peitsche und Sporen, Peitsche und Sporen; oder
ich rufe mich zum Sieger aus.
MERCUTIO
Nein, wenn dein Witz ebenso ziellos herumgaloppiert wie bei einer
Wildgansjagd, bin ich fertig; denn du hast mehr von einer
schnatternden Wildgans in einem deiner Sinne, da bin ich mir
sicher, als ich in meinen ganzen fünfen: bin ich Euch mit der
Schnatterei zu nahe getreten?
{Wildgansjagd (wild-goose chase}: Ein Wettrennen zu Pferde, bei
dem der führende Reiter die Strecke bestimmt. Im übertragenen
Sinn: ein sehr wenig erfolgversprechendes Unternehmen.}
ROMEO
Du bist nie nahe zu mir getreten, außer mit Schnatterei.
MERCUTIO
Für diesen Scherz werde ich dir am Ohr knabbern.
ROMEO
Nein, guter Gänserich, beiß mich nicht.
MERCUTIO
Dein Witz ist wie ein sehr bitterer Süßapfel; er ist eine äußerst
scharfe Soße.
ROMEO
Und ist er dann nicht genau die richtige Beilage zu einer süßen
Gans?
MERCUTIO
Oh, das ist ein Witz aus Glacéleder, der sich von einem kleinen
Zoll auf eine große Elle dehnen läßt!
ROMEO
Ich werde ihn durch das Wort "groß" ausdehnen, welches, wenn es
der Gans hinzugefügt wird, dich weit und breit als eine große
Schnattergans dastehen läßt.
MERCUTIO
Wie nun? [Du sprichst ja ganz menschlich. Wie kommt es, daß du
auf einmal deine aufgeweckte Zunge und deine muntern Augen
wiedergefunden hast? So hab ich dich gern.] Ist das nicht besser
als das ewige Liebesgekrächze? Jetzt bist du umgänglich, jetzt
bist du Romeo; jetzt bist du was du bist, in deiner Kunst ebenso
wie in deiner Natur, denn dieser faselnde Amor ist wie ein großer
Einfaltspinsel, der lächsend auf und ab rennt, um sein Stöckchen
in einem Loch zu verstecken.
BENVOLIO
Halt ein, halt ein.
MERCUTIO
Du wünschst, daß ich meine Ergüße unzeitig beende.
BENVOLIO
Ansonsten wäre es dir zu lang geworden.
MERCUTIO
O, du irrst dich; es wäre sogleich wieder kurz geworden, denn ich
bin bereits in die volle Tiefe vorgedrungen und beabsichtigte in
der Tat, auf dem Fall nicht länger herumzureiten.
ROMEO
Seht den prächtigen Aufzug!
(Die Wärterin und Peter hinter ihr.)
MERCUTIO
Was kommt da angesegelt?
BENVOLIO
Zwei, zwei: ein Männerhemd und ein Unterrock.
WÄRTERIN
Peter!
PETER
Was beliebt?
WÄRTERIN
Meinen Fächer, Peter!
MERCUTIO
Gib ihn ihr, guter Peter, um ihr Gesicht zu verstecken.
Ihr Fächer ist viel hübscher wie ihr Gesicht.
WÄRTERIN
Schönen guten Morgen, Ihr Herren!
MERCUTIO
Schönen guten Abend, schöne Dame!
WÄRTERIN
Warum guten Abend?
MERCUTIO
Euer Brusttuch deutet auf Sonnenuntergang.
WÄRTERIN
Pfui, was ist das für ein Mensch?
ROMEO
Einer, Verehrte, den Gott geschaffen hat, daß er sich selbst
verderbe.
WÄRTERIN
Schön gesagt, bei meiner Seele! Daß er sich selbst verderbe!
Ganz recht! Aber, Ihr Herren, kann mir keiner von Euch sagen,
wo ich den jungen Romeo finde?
ROMEO
Ich kanns Euch sagen; aber der junge Romeo wird älter sein, wenn
Ihr ihn gefunden habt, als er war, da Ihr ihn suchtet.
Ich bin der Jüngste, der den Namen führt, weil kein schlechterer
da war.
WÄRTERIN
Gut gegeben.
MERCUTIO
So? Ist das Schlechteste gut gegeben? Nun wahrhaftig: gut
begriffen! Sehr vernünftig!
WÄRTERIN
Wenn Ihr Romeo seid, mein Herr, so wünsche ich Euch insgeheim
zu sprechen.
BENVOLIO
Sie wird ihn irgendwohin auf den Abend bitten.
MERCUTIO
Eine Kupplerin, eine Kupplerin! Ho, ho!
BENVOLIO
Was witterst du?
MERCUTIO
[Neue Jagd, neue Jagd!--] Kein Häschen, mein Herr; außer vielleicht
einer Häsin, mein Herr, in einer Fastenspeise, die schon etwas
schal und schimmelig-grau geworden ist, bevor sie vernascht wurde.
(Singt.) Ein Has', ergraut,
Und ein Has', ergraut,
Welch sehr gute Fastenspeis';
Doch ein Has', der ergraut,
Ist zu viel zugetraut,
Wenns ergraut eh' ichs verspeis.
{Es ist sicher kein Zufall, daß das Wort "hoar" (ergraut) genauso
klingt wie "whore" (Hure) und daß die sprichwörtliche
Vermehrungsfreudigkeit der Hasen auch eine Interpretation von
"hare" (Hase) als Hure nahelegt. So lautet die erste Zeile wörtlich
"Ein alter Hase, (der) ergraut (ist)", doch der Zuhörer versteht
"Eine alte Hure".}
Romeo, kommt nach Eures Vaters Hause, wir wollen zu Mittag
da essen.
ROMEO
Ich komme euch nach.
MERCUTIO
Lebt wohl, alte Schöne! Lebt wohl,
(Singt.)
o Schöne--Schöne--Schöne!
(Benvolio und Mercutio gehen ab.)
WÄRTERIN
Sagt mir doch, was war das für ein unverschämter Gesell, der
nichts als Schelmstücke im Kopfe hatte?
ROMEO
Jemand, der sich selbst gern reden hört, meine gute Frau, und der
in einer Minute mehr spricht, als er in einem Monate verantworten
kann.
WÄRTERIN
Ja, und wenn er auf mich was zu sagen hat, so will ich ihn bei den
Ohren kriegen, und wäre er auch noch vierschrötiger, als er ist,
und zwanzig solcher Hasenfüße obendrein; und kann ichs nicht, so
könnens andre. So 'n Lausekerl! Ich bin keine von seinen Kreaturen,
ich bin keine von seinen Karnuten.
(Zu Peter.)
Und du mußt auch dabeistehen und leiden, daß jeder Schuft sich nach
Belieben über mich hermacht!
PETER
Ich habe nicht gesehn, daß sich jemand über Euch hergemacht hätte,
sonst hätte ich geschwind vom Leder gezogen, das könnt Ihr glauben.
Ich kann so gut ausziehen wie ein andrer, wo es einen ehrlichen Zank
gibt und das Recht auf meiner Seite ist.
WÄRTERIN
Nu, weiß Gott, ich habe mich so geärgert, daß ich am ganzen Leibe
zittre. So 'n Lausekerl!--Seid so gütig, mein Herr, auf ein Wort!
Und was ich Euch sagte: Mein junges Fräulein befahl mir. Euch zu
suchen. Was sie mir befahl. Euch zu sagen, das will ich für mich
behalten; aber erst laßt mich Euch sagen, wenn Ihr sie wolltet bei
der Nase herumführen, sozusagen, das wäre eine unartige Aufführung,
sozusagen. Denn seht, das Fräulein ist jung, und also, wenn Ihr
falsch gegen sie zu Werke gingt, das würde sich gar nicht gegen
ein Fräulein schicken und wäre ein recht nichtsnutziger Handel.
ROMEO
Empfiehl mich deinem Fräulein! Ich beteure dir--
WÄRTERIN
Du meine Zeit! Gewiß und wahrhaftig, das will ich ihr wiedersagen.
O jemine, sie wird sich vor Freude nicht zu lassen wissen!
ROMEO
Was willst du ihr sagen, gute Frau? Du gibst nicht Achtung.
WÄRTERIN
Ich will ihr sagen, daß Ihr beteuert, und ich meine, das ist
recht wie ein Kavalier gesprochen.
ROMEO
Sag ihr, sie mög ein Mittel doch ersinnen,
Zur Beichte diesen Nachmittag zu gehn.
Dort in Lorenzos Zelle soll alsdann,
Wenn sie gebeichtet, unsre Trauung sein.
Hier ist für deine Müh.
WÄRTERIN
Nein, wahrhaftig, Herr, keinen Pfennig!
ROMEO
Nimm, sag ich dir; du mußt!
WÄRTERIN
Heut nachmittag? Nun gut, sie wird Euch treffen.
ROMEO
Du, gute Frau, wart hinter der Abtei,
Mein Diener soll dir diese Stunde noch,
Geknüpft aus Seilen, eine Leiter bringen,
Die zu dem Gipfel meiner Freuden ich
Hinan will klimmen in geheimer Nacht.
Leb wohl! Sei treu, so lohn ich deine Müh.
Leb wohl! Empfiehl mich deinem Fräulein!
WÄRTERIN
Nun, Gott der Herr gesegn es!--Hört, noch eins!
ROMEO
Was willst du, gute Frau?
WÄRTERIN
Schweigt Euer Diener? Habt Ihr nie vernommen:
Wo zwei zu Rate gehn, laßt keinen dritten kommen?
ROMEO
Verlaß dich drauf, der Mensch ist treu wie Gold.
WÄRTERIN
Nun gut, Herr, meine Herrschaft ist ein allerliebstes Fräulein.
O jemine, als sie noch so ein kleines Dingelchen war--Oh, da ist
ein Edelmann in der Stadt, einer, der Paris heißt, der gern
einhaken möchte; aber das gute Herz mag ebenso lieb eine Kröte
sehn, eine rechte Kröte, als ihn.--Ich ärgre sie zuweilen und sag
ihr: Paris wär doch der hübscheste; aber Ihr könnt mirs glauben,
wenn ich das sage, so wird sie so blaß wie ein Tischtuch. Fängt
nicht Rosmarin und Romeo mit demselben Buchstaben an?
ROMEO
Ja, gute Frau; beide mit einem R.
WÄRTERIN
Ach, Spaßvogel, warum nicht gar? Das schnurrt ja wie 'n Spinnrad.
Nein, ich weiß wohl, es fängt mit einem andern Buchstaben an, und
sie hat die prächtigsten Reime und Sprichwörter darauf, daß Euch
das Herz im Leibe lachen tät, wenn Ihrs hörtet.
ROMEO
Empfiehl mich deinem Fräulein!
(Ab.)
WÄRTERIN
Jawohl, viel tausendmal!
(Romeo geht ab.)
--Peter!
PETER
Was beliebt?
WÄRTERIN
Peter, nimm meinen Fächer und geh vorauf!
(Beide ab.)

FÜNFTE SZENE
(Capulets Garten)
(Julia tritt auf.)

JULIA
Neun schlug die Glock, als ich die Amme sandte.
In einer halben Stunde wollte sie
Schon wieder hier sein. Kann sie ihn vielleicht
Nicht treffen? Nein, das nicht. Oh, sie ist lahm!
Zu Liebesboten taugen nur Gedanken,
Die zehnmal schneller fliehn als Sonnenstrahlen,
Wenn sie die Nacht von finstern Hügeln scheuchen.
Deswegen ziehn ja leichtbeschwingte Tauben
Der Liebe Wagen, und Cupido hat
Windschnelle Flügel. Auf der steilsten Höhe
Der Tagereise steht die Sonne jetzt;
Von neun bis zwölf, drei lange Stunden sinds,
Und dennoch bleibt sie aus. O hätte sie
Ein Herz und warmes, jugendliches Blut,
Sie würde wie ein Ball behende fliegen,
Es schnellte sie mein Wort dem Trauten zu
Und seines mir.
Doch Alte tun, als lebten sie nicht mehr,
Träg, unbehülflich, und wie Blei so schwer.
(Die Wärterin und Peter kommen.)
O Gott, sie kommt!
(Die Amme und Peter treten auf.)
Was bringst du, goldne Amme?
Trafst du ihn an? Schick deinen Diener weg!
WÄRTERIN
Wart vor der Türe, Peter!
(Peter ab.)
JULIA
Nun, Mütterchen? Gott, warum blickst du traurig?
Ist dein Bericht schon traurig, gib ihn fröhlich,
Und klingt er gut, verdirb die Weise nicht,
Indem du sie mit saurer Miene spielst.
WÄRTERIN
Ich bin ermattet; laßt ein Weilchen mich!
Das war 'ne Jagd! Das reißt in Gliedern mir!
JULIA
Ich wollt, ich hätte deine Neuigkeit,
Du meine Glieder. Nun, so sprich geschwind!
Ich bitt dich, liebe, liebe Amme, sprich!
WÄRTERIN
Was für 'ne Hast! Könnt Ihr kein Weilchen warten?
Seht Ihr nicht, daß ich außer Atem bin?
JULIA
Wie außer Atem, wenn du Atem hast,
Um mir zu sagen, daß du keinen hast?
Der Vorwand deines Zögerns währt ja länger
Als der Bericht, den du dadurch verzögerst.
Gib Antwort: Bringst du Gutes oder Böses!
Nur das, so wart ich auf das Nähere gern.
Beruhge mich! Ists Gutes oder Böses?
WÄRTERIN
Ei, Ihr habt mir eine recht einfältige Wahl getroffen; Ihr versteht
auch einen Mann auszulosen! Romeo--ja, das ist der rechte!--Er hat
zwar ein hübscher Gesicht wie andre Leute; aber seine Beine gehen
über alle Beine, und Hand und Fuß und die ganze Positur--es läßt
sich eben nicht viel davon sagen, aber man kann sie mit nichts
vergleichen. Er ist kein Ausbund von feinen Manieren, doch wett
ich drauf, wie ein Lamm so sanft.--Treibs nur so fort, Kind, und
fürchte Gott!--Habt Ihr diesen Mittag zu Hause gegessen?
JULIA
Nein, nein! Doch all dies wußt ich schon zuvor.
Was sagt er von der Trauung? Hurtig: was?
WÄRTERIN
O je, wie schmerzt der Kopf mir! Welch ein Kopf!
Er schlägt, als wollt er gleich in Stücke springen.
Da hier mein Rücken, o mein armer Rücken!
Gott sei Euch gnädig, daß Ihr hin und her
So viel mich schickt, mich bald zu Tode hetzt.
JULIA
Im Ernst, daß du nicht wohl bist, tut mir leid.
Doch, beste, beste Amme, sage mir:
Was macht mein Liebster?
WÄRTERIN
Eur Liebster sagt, so wie ein wackrer Herr--und ein artiger und
ein freundlicher und ein hübscher Herr und, auf mein Wort, ein
tugendsamer Herr.--Wo ist denn Eure Mutter?
JULIA
Wo meine Mutter ist? Nun, sie ist drinnen;
Wo wär sie sonst? Wie seltsam du erwiderst:
Eur Liebster sagt, so wie ein wackrer Herr--
Wo ist denn Eure Mutter?
WÄRTERIN
Jemine!
Seid Ihr so hitzig? Seht doch! Kommt mir nur!
Ist das die Bähung für mein Gliederweh?
Geht künftig selbst, wenn Ihr 'ne Botschaft habt.
JULIA
Das ist 'ne Not! Was sagt er? Bitte, sprich!
WÄRTERIN
Habt Ihr Erlaubnis, heut zu beichten?
JULIA
Ja.
WÄRTERIN
So macht Euch auf zu Eures Paters Zelle,
Da harrt ein Mann, um Euch zur Frau zu machen.
Nun steigt das lose Blut Euch in die Wangen,
Gleich sind sie Scharlach, wenns was Neues gibt.
Eilt Ihr ins Kloster; ich muß sonst wohin,
Die Leiter holen, die der Liebste bald
Zum Nest hinan, wenns Nacht wird, klimmen soll.
Ich bin das Lasttier, muß für Euch mich plagen,
Doch Ihr sollt Eure Last zur Nacht schon tragen.
Ich will zur Mahlzeit erst; eilt Ihr zur Zelle hin!
JULIA
Zu hohem Glücke, treue Pflegerin!
(Beide ab.)

SECHSTE SZENE
(Bruder Lorenzos Zelle)
(Lorenzo und Romeo.)

LORENZO
Der Himmel lächle so dem heilgen Bund,
Daß künftge Tag' uns nicht durch Kummer schelten!
ROMEO
Amen! So sei's! Doch laß den Kummer kommen,
So sehr er mag; wiegt er die Freuden auf,
Die mir in ihrem Anblick eine flüchtge
Minute gibt? Füg unsre Hände nur
Durch deinen Segensspruch in eins, dann tue
Sein Äußerstes der Liebeswürger Tod;
Genug, daß ich nur mein sie nennen darf.
LORENZO
So wilde Freude nimmt ein wildes Ende
Und stirbt im höchsten Sieg, wie Feur und Pulver
Im Kusse sich verzehrt. Die Süßigkeit
Des Honigs widert durch ihr Übermaß,
Und im Geschmack erstickt sie unsre Lust.
Drum liebe mäßig; solche Lieb ist stet;
Zu hastig und zu träge kommt gleich spät.
(Julia tritt auf.)
Hier kommt das Fräulein, sieh,
Mit leichtem Tritt, der keine Blume biegt.
Sieh, wie die Macht der Lieb und Wonne siegt!
(Julia tritt auf.)
JULIA
Ehrwürdger Herr, ich sag Euch guten Abend.
LORENZO
Für mich und sich dankt Romeo, mein Kind.
JULIA
Es gilt ihm mit, sonst wär sein Dank zuviel.
ROMEO
Ach Julia! Ist deiner Freude Maß
Gehäuft wie meins und weißt du mehr die Kunst,
Ihr Schmuck zu leihn, so würze rings die Luft
Durch deinen Hauch; laß des Gesanges Mund
Die Seligkeit verkünden, die wir beide
Bei dieser teuern Näh im andern finden.
JULIA
Gefühl, an Inhalt reicher als an Worten,
Ist stolz auf seinen Wert und nicht auf Schmuck.
Nur Bettler wissen ihres Guts Betrag;
Doch meine treue Liebe stieg so hoch,
Daß keine Schätzung ihre Schätz erreicht.
LORENZO
Kommt, kommt mit mir, wir schreiten gleich zur Sache.
Ich leide nicht, daß ihr allein mir bleibt,
Bis euch die Kirch einander einverleibt.
(Alle ab.)


DRITTER AKT

ERSTE SZENE
(Ein öffentlicher Platz)
(Mercutio, Benvolio, Page und Diener.)

BENVOLIO
Ich bitt dich, Freund, laß uns nach Hause gehn!
Der Tag ist heiß, die Capulets sind draußen,
Und treffen wir, so gibt es sicher Zank:
Denn bei der Hitze tobt das tolle Blut.
MERCUTIO
Du bist mir so ein Zeisig, der, sobald er die Schwelle eines
Wirtshauses betritt, mit dem Degen auf den Tisch schlägt und
ausruft: Gebe Gott, daß ich dich nicht nötig habe!--a kommen
die Capulets.
MERCUTIO
Bei meiner Sohle! Mich kümmerts nicht.
(Tybalt und andre kommen.)
TYBALT (zu seinen Leuten.)
Schließt euch mir an, ich will mit ihnen reden.--
Guten Tag, Ihr Herrn! Ein Wort mit Euer einem!
MERCUTIO
Nur ein Wort mit einem von uns? Gebt noch was zu, laßt es ein Wort
und einen Schlag sein!
TYBALT
Dazu werdet Ihr mich bereit genug finden, wenn Ihr mir Anlaß gebt.
MERCUTIO
Könntet Ihr ihn nicht nehmen, ohne daß wir ihn gäben?
TYBALT
Mercutio, du harmonierst mit Romeo.
MERCUTIO
Harmonierst? Was? Machst du uns zu Musikanten? Wenn du uns zu
Musikanten machen willst, so sollst du auch nichts als Dissonanzen
zu hören kriegen. Hier ist mein Fiedelbogen, wart, der soll Euch
tanzen lehren! Alle Wetter! Über das Harmonieren!
BENVOLIO
Wir reden hier auf öffentlichem Markt;
Entweder sucht Euch einen stillern Ort,
Wo nicht, besprecht Euch kühl von Eurem Zwist.
Sonst geht! Hier gafft ein jedes Aug auf uns.
MERCUTIO
Zum Gaffen hat das Volk die Augen; laß sie!
Ich weich und wank um keines willen, ich!
(Romeo tritt auf.)
TYBALT
Herr, zieht in Frieden! Hier kommt mein Gesell.
(Romeo tritt auf.)
MERCUTIO
Ich will gehängt sein, Herr, wenn Ihr sein Meister seid.
Doch stellt Euch nur, er wird sich zu Euch halten;
In dem Sinn mögen Eure Gnaden wohl
Gesell ihn nennen.
TYBALT
Hör, Romeo! Der Haß, den ich dir schwur,
Gönnt diesen Gruß dir nur: Du bist ein Schurke!
ROMEO
Tybalt, die Ursach, die ich habe, dich
Zu lieben, mildert sehr die Wut, die sonst
Auf diesen Gruß sich ziemt. Ich bin kein Schurke,
Drum lebe wohl! Ich seh, du kennst mich nicht.
TYBALT
Nein, Knabe, dies entschuldigt nicht den Hohn,
Den du mir angetan; kehr um und zieh!
ROMEO
Ich schwöre dir, nie tat ich Hohn dir an.
Ich liebe mehr dich, als du denken kannst,
Bis du die Ursach meiner Liebe weißt.
Drum, guter Capulet, ein Name, den
Ich wert wie meinen halte, sei zufrieden!
MERCUTIO
O zahme, schimpfliche, verhaßte Demut!
Die Kunst des Raufers trägt den Sieg davon.--
(Er zieht.)
Tybalt, du Ratzenfänger, willst du dran?
TYBALT
Was willst du denn von mir?
MERCUTIO
Mein guter Katzenkönig, nichts als eins von Euern neun Leben;
damit will ich mich nebenbei lustig machen, und wenn Ihr mir
wieder über den Weg lauft, auch die andern acht ausklopfen.
Wollt Ihr bald Euren Degen bei den Ohren aus der Scheide ziehn?
Macht zu, sonst habt Ihr meinen um die Ohren, eh er heraus ist.
TYBALT
Ich steh zu Dienst.
(Er zieht.)
ROMEO
Lieber Mercutio, steck den Degen ein!
MERCUTIO
Kommt, Herr! Laßt Eure Finten sehn!
(Sie fechten.)
ROMEO
Zieh, Benvolio!
Schlag zwischen ihre Degen! Schämt euch doch
Und haltet ein mit Wüten! Tybalt! Mercutio!
Der Prinz verbot ausdrücklich solchen Aufruhr
In Veronas Gassen. Halt, Tybalt! Freund Mercutio!
(Tybalt entfernt sich mit seinen Anhängern.)
MERCUTIO
Ich bin verwundet.--
Zum Teufel beider Sippschaft! Ich bin hin.
Und ist er fort? Und hat nichts abgekriegt?
BENVOLIO
Bist du verwundet, wie?
MERCUTIO
Ja, ja, geritzt, geritzt!--Wetter, 's ist genug.--
Wo ist mein Page?--Bursch, hol einen Wundarzt!
(Der Page geht ab.)
ROMEO
Sei guten Muts, Freund! Die Wunde kann nicht beträchtlich sein.
MERCUTIO
Nein, nicht so tief wie ein Brunnen noch so weit wie eine
Kirchtüre; aber es reicht eben hin. Fragt morgen nach mir,
und Ihr werdet einen stillen Mann an mir finden. Für diese
Welt, glaubts nur, ist mir der Spaß versalzen.--Hol der Henker
eure beiden Häuser!--Was? Von einem Hund, einer Maus, einer
Ratze, einer Katze zu Tode gekratzt zu werden! Von so einem
Prahler, einem Schuft, der nach dem Rechenbuche ficht!--Warum
zum Teufel kamt Ihr zwischen uns? Unter Eurem Arm wurde ich
verwundet.
ROMEO
Ich dacht es gut zu machen.
MERCUTIO
O hilf mir in ein Haus hinein, Benvolio.
Sonst sink ich hin.--Zum Teufel eure Häuser!
Sie haben Würmerspeis aus mir gemacht.
Ich hab es tüchtig weg; verdammte Sippschaft!
(Mercutio und Benvolio ab.)
ROMEO
Um meinetwillen wurde dieser Ritter,
Dem Prinzen nah verwandt, mein eigner Freund,
Verwundet auf den Tod; mein Ruf befleckt
Durch Tybalts Lästerungen, Tybalts, der
Seit einer Stunde mir verschwägert war.
O süße Julia, deine Schönheit hat
So weibisch mich gemacht; sie hat den Stahl
Der Tapferkeit in meiner Brust erweicht.
(Benvolio kommt zurück.)
BENVOLIO
O Romeo, der wackre Freund ist tot,
Sein edler Geist schwang in die Wolken sich,
Der allzu früh der Erde Staub verschmäht.
ROMEO
Nichts kann den Unstern dieses Tages wenden;
Er hebt das Weh an, andre müssens enden.
(Tybalt kommt zurück.)
BENVOLIO
Da kommt der grimmige Tybalt wieder her.
ROMEO
Am Leben! Siegreich! Und mein Freund erschlagen!
Nun flieh gen Himmel, schonungsreiche Milde!
Entflammte Wut, sei meine Führerin!
(Tybalt kommt zurück.)
Nun, Tybalt, nimm den Schurken wieder, den du
Mir eben gabst! Der Geist Mercutios
Schwebt nah noch über unsern Häuptern hin
Und harrt, daß deiner sich ihm zugeselle.
Du oder ich! sonst folgen wir ihm beide.
TYBALT
Elendes Kind, hier hieltest du's mit ihm
Und sollst mit ihm von hinnen.
ROMEO
Dies entscheide!
(Sie fechten; Tybalt fällt.)
BENVOLIO
Flieh, Romeo, die Bürger sind in Wehr
Und Tybalt tot. Steh so versteinert nicht!
Flieh, flieh, der Prinz verdammt zum Tode dich,
Wenn sie dich greifen. Fort, nur fort mit dir!
ROMEO
Weh mir, ich Narr des Glücks!
BENVOLIO
Was weilst du noch?
(Romeo ab. Bürger treten auf.)
EIN BÜRGER
Wo lief er hin, der den Mercutio totschlug?
Der Mörder Tybalts? Hat ihn wer gesehn?
BENVOLIO
Da liegt der Tybalt.
EIN BÜRGER
Auf, Herr, geht mit mir!
Gehorcht! Ich mahn Euch von des Fürsten wegen.
(Der Prinz mit Gefolge, Montague, Capulet, ihre
Gemahlinnen und andre.)
PRINZ
Wer durfte freventlich hier Streit erregen?
BENVOLIO
O edler Fürst, ich kann verkünden recht
Nach seinem Hergang dies unselige Gefecht.
Der deinen wackren Freund Mercutio
Erschlagen, liegt hier tot, entleibt vom Romeo.
GRÄFIN CAPULET
Mein Vetter! Tybalt! Meines Bruders Kind!
O Fürst! O mein Gemahl! O seht, noch rinnt
Das teure Blut! Mein Fürst, bei Ehr und Huld,
Im Blut der Montagues tilg ihre Schuld!--
O Vetter, Vetter!
PRINZ
Benvolio, sprich, wer hat den Streit erregt?
BENVOLIO
Der tot hier liegt, von Romeo erlegt.
Viel gute Worte gab ihm Romeo,
Hieß ihn bedenken, wie gering der Anlaß,
Wie sehr zu fürchten Euer höchster Zorn.
Dies alles, vorgebracht mit sanftem Ton,
Gelaßnem Blick, bescheidner Stellung, konnte
Nicht Tybalts ungezähmte Wut entwaffnen.
Dem Frieden taub, berennt mit scharfem Stahl
Er die entschloßne Brust Mercutios;
Der kehrt gleich rasch ihm Spitze gegen Spitze
Und wehrt mit Kämpfertrotz mit einer Hand
Den kalten Tod ab, schickt ihn mit der andern
Dem Gegner wieder, des Behendigkeit
Zurück ihn schleudert. Romeo ruft laut:
Halt, Freunde, auseinander! Und geschwinder
Als seine Zunge schlägt sein rüstger Arm,
Dazwischen stürzend, beider Mordstahl nieder.
Recht unter diesem Arm traf des Mercutio Leben
Ein falscher Stoß vom Tybalt. Der entfloh,
Kam aber gleich zum Romeo zurück,
Der eben erst der Rache Raum gegeben.
Nun fallen sie mit Blitzeseil sich an,
Denn eh ich ziehen konnt, um sie zu trennen,
War der beherzte Tybalt umgebracht.
Er fiel, und Romeo, bestürzt, entwich.
Ich rede wahr, sonst führt zum Tode mich.
GRÄFIN CAPULET
Er ist verwandt mit Montagues Geschlecht,
Aus Freundschaft spricht er falsch, verletzt das Recht.
Die Fehd erhoben sie zu ganzen Horden,
Und alle konnten nur ein Leben morden.
Ich fleh um Recht; Fürst, weise mich nicht ab:
Gib Romeo, was er dem Tybalt gab!
PRINZ
Er hat Mercutio, ihn Romeo erschlagen;
Wer soll die Schuld des teuren Blutes tragen?
GRÄFIN MONTAGUE
Fürst, nicht mein Sohn, der Freund Mercutios;
Was dem Gesetz doch heimfiel, nahm er bloß:
Das Leben Tybalts.
PRINZ
Weil er das verbrochen,
Sei über ihn sofort der Bann gesprochen.
Mich selber trifft der Ausbruch eurer Wut,
Um euren Zwiespalt fließt mein eignes Blut;
Allein ich will dafür so streng euch büßen,
Daß mein Verlust euch ewig soll verdrießen.
Taub bin ich jeglicher Beschönigung,
Kein Flehn, kein Weinen kauft Begnadigung;
Drum spart sie. Romeo flieh schnell von hinnen!
Greift man ihn, soll er nicht dem Tod entrinnen.
Tragt diese Leiche weg! Vernehmt mein Wort!
Wenn Gnade Mörder schont, verübt sie Mord!
(Alle ab.)

ZWEITE SZENE
(Ein Zimmer in Capulets Hause)
(Julia tritt auf.)

JULIA
Hinab, du flammenhufiges Gespann,
Zu Phöbus' Wohnung! Solch ein Wagenlenker
Wie Phaethon jagt' euch gen Westen wohl
Und brächte schnell die wolkige Nacht herauf.
Verbreite deinen dichten Vorhang, Nacht,
Du Liebespflegerin, damit das Auge
Der Neubegier sich schließ und Romeo
Mir unbelauscht in diese Arme schlüpfe.
Verliebten gnügt zu der geheimen Weihe
Das Licht der eignen Schönheit, oder wenn
Die Liebe blind ist, stimmt sie wohl zur Nacht.
Komm, ernste Nacht, du züchtig stille Frau,
Ganz angetan mit Schwarz, und lehre mich
Ein Spiel, wo jedes reiner Jugend Blüte
Zum Pfände setzt, gewinnend zu verlieren!
Verhülle mit dem schwarzen Mantel mir
Das wilde Blut, das in den Wangen flattert,
Bis scheue Liebe kühner wird und nichts
Als Unschuld sieht in innger Liebe Tun.
Komm, Nacht! Komm, Romeo, du Tag in Nacht,
Denn du wirst ruhn auf Fittichen der Nacht
Wie frischer Schnee auf eines Raben Rücken.
Komm, milde, liebevolle Nacht! Komm, gib
Mir meinen Romeo! Und stirbt er einst,
Nimm ihn, zerteil in kleine Sterne ihn:
Er wird des Himmels Antlitz so verschönen,
Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt
Und niemand mehr der eitlen Sonne huldigt.--
Ich habe Lieb erworben wie ein Haus,
Und durfte noch nicht einziehn; bin verkauft,
Doch noch nicht übergeben. Dieser Tag
Währt so verdrießlich lang mir wie die Nacht
Vor einem Fest dem ungeduldgen Kinde,
Das noch sein neues Kleid nicht tragen durfte.
(Die Wärterin mit einer Strickleiter.)
Da kommt die Amme ja, die bringt Bericht,
Und jede Zunge, die nur Romeo
Beim Namen nennt, spricht so beredt wie Engel.
(Die Amme tritt auf mit einer Strickleiter.)
Nun, Amme? Sag, was gibts, was hast du da?
Die Stricke, die dich Romeo hieß holen?
WÄRTERIN
Ja, ja, die Stricke!
(Sie wirft sie auf die Erde.)
JULIA
Weh mir! Was gibts? Was ringst du so die Hände?
WÄRTERIN
Daß Gott erbarm! Er ist tot, er ist tot, er ist tot!
Wir sind verloren, Fräulein, sind verloren!
O weh uns! Er ist hin! Ermordet! Tot!
JULIA
So neidisch kann der Himmel sein?
WÄRTERIN
Ja, das kann Romeo; der Himmel nicht.
O Romeo, wer hätt es je gedacht?
O Romeo, Romeo!
JULIA
Welch Teufel bist du, daß du so mich folterst?
Die grause Hölle nur brüllt solche Qual.
Hat Romeo sich selbst ermordet? Sprich!
Und sagt du "Ja", vergiftet dieser Laut
Mehr als des Basilisks todbringend "Aug".
Ich bin nicht "ich", wenns gibt ein solches "Ja",
Dies Auge zu, das dich zwingt zu dem "Ja".
{Ein Wortspiel mit den Wörtern "aye" (ja), "I" (ich) und
"eye" (Auge), die alle gleich ausgesprochen werden.}
Ist er entleibt, sag ja, wo nicht, sag nein!
Ein kurzer Laut entscheidet Wonn und Pein.
WÄRTERIN
Ich sah die Wunde, meine Augen sahn sie
--Behüte Gott!--auf seiner tapfern Brust;
Die blutge Leiche, jämmerlich und blutig,
Bleich, bleich wie Asche, ganz mit Blut besudelt,
Ganz starres Blut--de wieder! Pulsschlag, hemme dich!
Ein Sarg empfange Romeo und mich!
WÄRTERIN
O Tybalt, Tybalt! O mein bester Freund!
Leutselger Tybalt, wohlgesinnter Herr!
So mußt ich leben, um dich tot zu sehn?
JULIA
Was für ein Sturm tobt so von jeder Seite?
Ist Romeo erschlagen? Tybalt tot?
Mein teurer Vetter? Teuerster Gemahl?
Dann töne nur des Weltgerichts Posaune!
Wer lebt noch, wenn dahin die beiden sind?
WÄRTERIN
Dahin ist Tybalt, Romeo verbannt;
Verbannt ist Romeo, der ihn erschlug.
JULIA
Gott! Seine Hand, vergoß sie Tybalts Blut?
WÄRTERIN
Sie tats, sie tats! O weh uns, weh, sie tats!
JULIA
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