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Romeo und Julia - 2

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  Wir können nicht zugleich hier und dort sein.--Lustig, Kerle,
  haltet euch brav; wer am längsten lebt, kriegt den ganzen Bettel.
  (Sie ziehen sich in den Hintergrund zurück. Capulet etc.
  [und die Seinen] mit den Gästen und Masken [und Dienerschaft].)
  CAPULET
  Willkommen, meine Herrn! Wenn Eure Füße
  Kein Leichdorn plagt. Ihr Damen, flink ans Werk!
  He, he. Ihr schönen Fraun, wer von Euch allen
  Schlägts nun wohl ab zu tanzen? Ziert sich eine,
  Ich wette, die hat Hühneraugen. Nun,
  Hab ichs Euch nah gelegt? Ihr Herrn, willkommen!
  Ich weiß die Zeit, da ich 'ne Larve trug
  Und einer Schönen eine Weis' ins Ohr
  Zu flüstern wußte, die ihr wohlgefiel.
  Das ist vorbei, vorbei! Willkommen, Herren!
  Kommt, Musikanten, spielt! Macht Platz da, Platz!
  Ihr Mädchen, frisch gesprungen!
  (Musik und Tanz. [--Zu den Dienern:])
  Mehr Licht, ihr Burschen, und beiseit die Tische!
  Das Feuer weg! Das Zimmer ist zu heiß.--
  Ha, recht gelegen kommt der unverhoffte Spaß.
  Na, setzt Euch, setzt Euch, Vetter Capulet!
  Wir beide sind ja übers Tanzen hin.
  Wie lang ists jetzo, seit wir uns zuletzt
  In Larven steckten?
  ZWEITER CAPULET
   Dreißig Jahr, mein Seel.
  CAPULET
  Wie, Schatz? So lang noch nicht, so lang noch nicht.
  Denn seit der Hochzeit des Lucentio
  Ists etwa fünfundzwanzig Jahr, sobald
  Wir Pfingsten haben; und da tanzten wir.
  ZWEITER CAPULET
  's ist mehr, 's ist mehr! Sein Sohn ist älter, Herr,
  Sein Sohn ist dreißig.
  CAPULET
   Sagt mir das doch nicht!
  Sein Sohn war noch nicht mündig vor zwei Jahren.
  ROMEO
  (zu einem Diener aus seinem Gefolge.)
  Wer ist das Fräulein, welche dort den Ritter
  Mit ihrer Hand beehrt?
  DER DIENER
   Ich weiß nicht, Herr.
  ROMEO
  Oh, sie nur lehrt die Kerzen, hell zu glühn!
  Wie in dem Ohr des Mohren ein Rubin,
  So hängt der Holden Schönheit an den Wangen
  Der Nacht; zu hoch, zu himmlisch dem Verlangen.
  Sie stellt sich unter den Gespielen dar
  Als weiße Taub in einer Krähenschar.
  Schließt sich der Tanz, so nah ich ihr: ein Drücken
  Der zarten Hand soll meine Hand beglücken.
  Liebt ich wohl je? Nein, schwör es ab, Gesicht!
  Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht.
  TYBALT
  Nach seiner Stimm ist dies ein Montague.
  (Zu einem Diener.)
  Hol meinen Degen, Bursch!--Was? Wagt der Schurk,
  Vermummt in eine Fratze, herzukommen
  Zu Hohn und Schimpfe gegen unser Fest?
  Fürwahr, bei meines Stammes Ruhm und Adel,
  Wer tot ihn schlüg, verdiente keinen Tadel!
  CAPULET
  Was habt Ihr, Vetter? Welch ein Sturm? Wozu?
  TYBALT
  Seht, Oheim, der da ist ein Montague!
  Der Schurke drängt sich unter Eure Gäste
  Und macht sich einen Spott an diesem Feste.
  CAPULET
  Ist es der junge Romeo?
  TYBALT
  Der Schurke Romeo!
  CAPULET
  Seid ruhig, Herzensvetter! Laßt ihn gehn!
  Er hält sich wie ein wackrer Edelmann;
  Und in der Tat, Verona preiset ihn
  Als einen sittgen, tugendsamen Jüngling.
  Ich möchte nicht für alles Gut der Stadt
  In meinem Haus ihm einen Unglimpf tun.
  Drum seid geduldig; merket nicht auf ihn.
  Das ist mein Will, und wenn du diesen ehrst,
  So zeig dich freundlich, streif die Runzeln weg,
  Die übel sich bei einem Feste ziemen.
  TYBALT
  Kommt solch ein Schurk als Gast, so stehn sie wohl.
  Ich leid ihn nicht.
  CAPULET
   Er soll gelitten werden,
  Er soll!--Herr Junge, hört Er das? Nur zu!
  Wer ist hier Herr? Er oder ich? Nur zu!
  So, will Er ihn nicht leiden?--Helf mir Gott!--
  Will Hader unter meinen Gästen stiften?
  Will sich als starken Mann hier wichtig machen?
  TYBALT
  Ists nicht 'ne Schande, Oheim?
  CAPULET
   Zu! Nur zu!
  Ihr seid ein kecker Bursch. Ei, seht mir doch!
  Der Streich mag Euch gereun; ich weiß schon was.
  Ihr macht mirs bunt! Ja, das käm eben recht!--
  Brav, Herzenskinder!--Geht, vorwitzig seid Ihr!
  Seid ruhig, sonst--Mehr Licht, mehr Licht, zum Kuckuck!--
  Will ich zur Ruh Euch bringen!--Lustig, Kinder!
  TYBALT
  Mir kämpft Geduld aus Zwang mit willger Wut
  Im Innern und empört mein siedend Blut.
  Ich gehe.--Hand ist frommer Waller Kuß.
  ROMEO
  Haben nicht Heilge Lippen wie die Waller?
  JULIA
  Ja, doch Gebet ist die Bestimmung aller.
  ROMEO
  O so vergönne, teure Heilge nun,
  Daß auch die Lippen wie die Hände tun.
  Voll Inbrunst beten sie zu dir: erhöre,
  Daß Glaube nicht sich in Verzweiflung kehre!
  JULIA
  Du weißt, ein Heilger pflegt sich nicht zu regen,
  Auch wenn er eine Bitte zugesteht.
  ROMEO
  So reg dich, Holde, nicht, wie Heilge pflegen,
  Derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht.
  (Er küßt sie.)
  Nun hat dein Mund ihn aller Sünd entbunden.
  JULIA
  So hat mein Mund zum Lohn Sünd für die Gunst?
  ROMEO
  Zum Lohn die Sünd? O Vorwurf, süß erfunden!
  Gebt sie zurück!
  (Küßt sie wieder.)
  JULIA
   Ihr küßt recht nach der Kunst.
  WÄRTERIN (tritt heran.)
  Mama will Euch ein Wörtchen sagen, Fräulein.
  ROMEO
  Wer ist des Fräuleins Mutter?
  WÄRTERIN
   Ei nun, Junker,
  Das ist die gnädge Frau vom Hause hier,
  Gar eine wackre Frau und klug und ehrsam.
  Die Tochter, die Ihr spracht, hab ich gesäugt.
  Ich sag Euch, wer ihr' habhaft werden kann,
  Ist wohl gebettet.
  ROMEO
  Sie eine Capulet? O teurer Preis! Mein Leben
  Ist meinem Feind als Schuld dahingegeben!
  BENVOLIO
  Fort, laßt uns gehn; die Lust ist bald dahin.
  ROMEO
  Ach, leider wohl! Das ängstet meinen Sinn.
  CAPULET
  Nein, liebe Herrn, denkt noch ans Weggehn nicht!
  Ein kleines, schlichtes Mahl ist schon bereitet.--
  Muß es denn sein? Nun wohl, ich dank Euch allen;
  Ich dank Euch, edle Herren: Gute Nacht!--
  Mehr Fackeln her!--Kommt nun, bringt mich zu Bett.
  (Zum zweiten Capulet.)
  Wahrhaftig, es wird spät, ich will zur Ruh.
  (Alle ab, außer Julia und Wärterin.)
  JULIA
  Komm zu mir, Amme; wer ist dort der Herr?
  WÄRTERIN
  Tiberios, des alten, Sohn und Erbe.
  JULIA
  Wer ists, der eben aus der Türe geht?
  WÄRTERIN
  Das, denk ich, ist der junge [Marcellin] Petruchio.
  JULIA
  Wer folgt ihm da, der gar nicht tanzen wollte?
  WÄRTERIN
  Ich weiß nicht.
  JULIA
  Geh, frage, wie er heißt!--Ist er vermählt,
  So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt.
  WÄRTERIN (kommt zurück.)
  Sein Nam ist Romeo, ein Montague
  Und Eures großen Feindes einzger Sohn.
  JULIA
  So einzge Lieb aus großem Haß entbrannt!
  Ich sah zu früh, den ich zu spät erkannt.
  O Wunderwerk: ich fühle mich getrieben,
  Den ärgsten Feind aufs zärtlichste zu lieben.
  WÄRTERIN
  Wieso, wieso?
  JULIA
  Es ist ein Reim, den ich von einem Tänzer
  Soeben lernte.
  (Man ruft drinnen: Julia!)
  WÄRTERIN
   Gleich, wir kommen ja!
  Kommt, laßt uns gehn; kein Fremder ist mehr da.
  (Ab.)
  (Der Chorus tritt auf.)
  CHORUS
  Die alte Liebe stirbt in ihm dahin,
   Und junge Zuneigung beerbt sie da;
  Die Schöne, nach der schmachtend stand sein Sinn,
   Scheint nicht mehr schön nun neben Julia.
  Er wird geliebt und liebt nun auch zum Schluß,
   Ein Zauberblick kann beiderseits nicht fehln,
  Doch scheint als Feind sie, der ers klagen muß,
   Und seiner Falle Köder muß sie stehln.
  Als Feind gesehn, darf er nicht zu ihr her,
   Zu schwörn, wie wirs sonst bei Verliebten sehn;
  Auch sie liebt ihn, doch kann noch weniger
   Zum neu geliebten irgendwohin gehn:
  Doch Zeit schafft Rat, Verlangen leiht die Kraft
  Und lindert Leid durch süße Leidenschaft.
  (Geht ab.)
  
  
  ZWEITER AKT
  
  ERSTE SZENE
  (Ein offner Platz, der an Capulets Garten stößt)
  (Romeo tritt auf.)
  
  ROMEO
  Kann ich von hinnen, da mein Herz hier bleibt?
  Geh, frostge Erde, suche deine Sonne!
  (Er ersteigt die Mauer und springt hinunter.
  Benvolio und Mercutio treten auf.)
  BENVOLIO
  He, Romeo, he, Vetter!
  MERCUTIO
   Er ist klug
  Und hat, mein Seel, sich heim ins Bett gestohlen.
  BENVOLIO
  Er lief hieher und sprang die Gartenmauer
  Hinüber. Ruf ihn, Freund Mercutio!
  MERCUTIO
  Ja, auch beschwören will ich. Romeo!
  Was? Grillen! Toller! Leidenschaft! Verliebter!
  Erscheine du, gestaltet wie ein Seufzer;
  Sprich nur ein Reimchen, so genügt mirs schon;
  Ein Ach nur jammre, paare Lieb und Triebe;
  Gib der Gevattrin Venus ein gut Wort,
  Schimpf eins auf ihren blinden Sohn und Erben,
  Held Amor, der so flink gezielt, als König
  Kophetua das Bettlermädchen liebte.
  Er höret nicht, er regt sich nicht, er rührt sich nicht.
  Der Aff ist tot; ich muß ihn wohl beschwören.
  Nun wohl: Bei Rosalindens hellem Auge,
  Bei ihrer Purpurlipp und hohen Stirn,
  Bei ihrem zarten Fuß, dem schlanken Bein,
  Den üppgen Hüften und der Region,
  Die ihnen nahe liegt, beschwör ich dich,
  Daß du in eigner Bildung uns erscheinest.
  BENVOLIO
  Wenn er dich hört, so wird er zornig werden.
  MERCUTIO
  Hierüber kann ers nicht; er hätte Grund,
  Bannt ich hinauf in seiner Dame Kreis
  Ihm einen Geist von seltsam eigner Art
  Und ließe den da stehn, bis sie den Trotz
  Gezähmt und nieder ihn beschworen hätte.
  Das wär Beschimpfung! Meine Anrufung
  Ist gut und ehrlich; mit der Liebsten Namen
  Beschwör ich ihn, bloß um ihn aufzurichten.
  BENVOLIO
  Komm! Er verbarg sich unter jenen Bäumen
  Und pflegt des Umgangs mit der feuchten Nacht.
  Die Lieb ist blind, das Dunkel ist ihr recht.
  MERCUTIO
  Ist Liebe blind, so zielt sie freilich schlecht.
  Nun sitzt er wohl an einen Baum gelehnt
  Und wünscht, sein Liebchen wär die reife Frucht
  Und fiel ihm in den Schoß. Doch, gute Nacht,
  Freund Romeo! Ich will ins Federbett;
  Das Feldbett ist zum Schlafen mir zu kalt.
  Komm, gehn wir?
  BENVOLIO
   Ja, es ist vergeblich, ihn
  Zu suchen, der nicht will gefunden sein.
  (Beide ab.)
  
  ZWEITE SZENE
  (Capulets Garten)
  (Romeo kommt.)
  
  ROMEO
  Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt.
  (Julia erscheint oben an einem Fenster.)
  Doch still, was schimmert durch das Fenster dort?
  Es ist der Ost, und Julia die Sonne!--
  Geh auf, du holde Sonn! Ertöte Lunen,
  Die neidisch ist und schon vor Grame bleich,
  Daß du viel schöner bist, obwohl ihr dienend.
  O da sie neidisch ist, so dien ihr nicht!
  Nur Toren gehn in ihrer blassen, kranken
  Vestalentracht einher; wirf du sie ab!
  Sie ist es, meine Göttin, meine Liebe!
  O wüßte sie, daß sie es ist!--
  Sie spricht, doch sagt sie nichts: was schadet das?
  Ihr Auge redt, ich will ihm Antwort geben.--
  Ich bin zu kühn, es redet nicht zu mir.
  Ein Paar der schönsten Stern am ganzen Himmel
  Wird ausgesandt und bittet Juliens Augen,
  In ihren Kreisen unterdes zu funkeln.
  Doch wären ihre Augen dort, die Sterne
  In ihrem Antlitz? Würde nicht der Glanz
  Von ihren Wangen jene so beschämen
  Wie Sonnenlicht die Lampe? Würd ihr Aug
  Aus luftgen Höhn sich nicht so hell ergießen,
  Daß Vögel sängen, froh den Tag zu grüßen?
  O wie sie auf die Hand die Wange lehnt!
  Wär ich der Handschuh doch auf dieser Hand
  Und küßte diese Wange!
  JULIA
   Weh mir!
  ROMEO
   Horch!
  Sie spricht. O sprich noch einmal, holder Engel!
  Denn über meinem Haupt erscheinest du
  Der Nacht so glorreich, wie ein Flügelbote
  Des Himmels dem erstaunten, über sich
  Gekehrten Aug der Menschensöhne, die
  Sich rücklings werfen, um ihm nachzuschaun,
  Wenn er dahin fährt auf den trägen Wolken
  Und auf der Luft gewölbtem Busen schwebt.
  JULIA
  O Romeo! Warum denn Romeo?
  Verleugne deinen Vater, deinen Namen!
  Willst du das nicht, schwör dich zu meinem Liebsten,
  Und ich bin länger keine Capulet!
  ROMEO (für sich.)
  Hör ich noch länger, oder soll ich reden?
  JULIA
  Dein Nam ist nur mein Feind. Du bliebst du selbst,
  Und wärst du auch kein Montague. Was ist
  Denn Montague? Es ist nicht Hand, nicht Fuß,
  Nicht Arm noch Antlitz, noch ein andrer Teil
  Von einem Menschen. Sei ein andrer Name!
  Was ist ein Name? Was uns Rose heißt,
  Wie es auch hieße, würde lieblich duften;
  So Romeo, wenn er auch anders hieße,
  Er würde doch den köstlichen Gehalt
  Bewahren, welcher sein ist ohne Titel.
  O Romeo, leg deinen Namen ab,
  Und für den Namen, der dein Selbst nicht ist,
  Nimm meines ganz!
  ROMEO (indem er näher hinzutritt.)
   Ich nehme dich beim Wort.
  Nenn Liebster mich, so bin ich neu getauft
  Und will hinfort nicht Romeo mehr sein.
  JULIA
  Wer bist du, der du, von der Nacht beschirmt,
  Dich drängst in meines Herzens Rat?
  ROMEO
   Mit Namen
  Weiß ich dir nicht zu sagen, wer ich bin.
  Mein eigner Name, teure Heilge, wird,
  Weil er dein Feind ist, von mir selbst gehaßt;
  Hätt ich ihn schriftlich, so zerriss' ich ihn.
  JULIA
  Mein Ohr trank keine hundert Worte noch
  Von diesen Lippen, doch es kennt den Ton.
  Bist du nicht Romeo, ein Montague?
  ROMEO
  Nein, Holde; keines, wenn dir eins mißfällt.
  JULIA
  Wie kamst du her? O sag mir, und warum?
  Die Gartenmaur ist hoch, schwer zu erklimmen;
  Die Stätt ist Tod--bedenk nur, wer du bist--,
  Wenn einer meiner Vettern dich hier findet.
  ROMEO
  Der Liebe leichte Schwingen trugen mich,
  Kein steinern Bollwerk kann der Liebe wehren;
  Und Liebe wagt, was irgend Liebe kann,
  Drum hielten deine Vettern mich nicht auf.
  JULIA
  Wenn sie dich sehn, sie werden dich ermorden.
  ROMEO
  Ach, deine Augen drohn mir mehr Gefahr
  Als zwanzig ihrer Schwerter; blick du freundlich,
  So bin ich gegen ihren Haß gestählt.
  JULIA
  Ich wollt um alles nicht, daß sie dich sähn.
  ROMEO
  Vor ihnen hüllt mich Nacht in ihren Mantel.
  Liebst du mich nicht, so laß sie nur mich finden;
  Durch ihren Haß zu sterben wär mir besser
  Als ohne deine Liebe Lebensfrist.
  JULIA
  Wer zeigte dir den Weg zu diesem Ort?
  ROMEO
  Die Liebe, die zuerst mich forschen hieß;
  Sie lieh mir Rat, ich lieh ihr meine Augen.
  Ich bin kein Steuermann, doch wärst du fern
  Wie Ufer, von dem fernsten Meer bespült,
  Ich wagte mich nach solchem Kleinod hin.
  JULIA
  Du weißt, die Nacht verschleiert mein Gesicht,
  Sonst färbte Mädchenröte meine Wangen
  Um das, was du vorhin mich sagen hörtest.
  Gern hielt ich streng auf Sitte, möchte gern
  Verleugnen, was ich sprach; doch weg mit Form!
  Sag, liebst du mich? Ich weiß, du wirsts bejahn,
  Und will dem Worte traun; doch wenn du schwörst,
  So kannst du treulos werden; wie sie sagen,
  Lacht Jupiter des Meineids der Verliebten.
  O holder Romeo, wenn du mich liebst:
  Sags ohne Falsch! Doch dächtest du, ich sei
  Zu schnell besiegt, so will ich finster blicken,
  Will widerspenstig sein und Nein dir sagen,
  So du dann werben willst; sonst nicht um alles.
  Gewiß, mein Montague, ich bin zu herzlich,
  Du könntest denken, ich sei leichten Sinns.
  Ich glaube, Mann, ich werde treuer sein
  Als sie, die fremd zu tun geschickter sind.
  Auch ich, bekenn ich, hätte fremd getan,
  Wär ich von dir, eh ichs gewahrte, nicht
  Belauscht in Liebesklagen. Drum vergib!
  Schilt diese Hingebung nicht Flatterliebe,
  Die so die stille Nacht verraten hat.
  ROMEO
  Ich schwöre, Fräulein, bei dem heilgen Mond,
  Der silbern dieser Bäume Wipfel säumt--Lieben sei!
  ROMEO
  Wobei denn soll ich schwören?
  JULIA
   Laß es ganz!
  Doch willst du, schwör bei deinem edlen Selbst,
  Dem Götterbilde meiner Anbetung;
  So will ich glauben.
  ROMEO
   Wenn die Herzensliebe--
  JULIA
  Gut, schwöre nicht! Obwohl ich dein mich freue,
  Freu ich mich nicht des Bundes dieser Nacht.
  Er ist zu rasch, zu unbedacht, zu plötzlich,
  Gleicht allzusehr dem Blitz, der nicht mehr ist,
  Noch eh man sagen kann: es blitzt.--Schlaf süß!
  Des Sommers warmer Hauch kann diese Knospe
  Der Liebe wohl zur schönen Blum entfalten,
  Bis wir das nächste Mal uns wiedersehn.
  Nun gute Nacht! So süße Ruh und Frieden,
  Als mir im Busen wohnt, sei dir beschieden.
  ROMEO
  Ach, willst du lassen mich so ungetröstet?
  JULIA
  Welch Tröstung kannst du diese Nacht begehren?
  ROMEO
  Gib deinen treuen Liebesschwur für meinen!
  JULIA
  Ich gab ihn dir, eh du darum gefleht;
  Und doch, ich wollt, er stünde noch zu geben.
  ROMEO
  Wolltst du mir ihn entziehn? Wozu das, Liebe?
  JULIA
  Um unverstellt ihn dir zurückzugeben.
  Allein ich wünsche, was ich habe, nur.
  So grenzenlos ist meine Huld, die Liebe
  So tief ja wie das Meer. Je mehr ich gebe,
  Je mehr auch hab ich: beides ist unendlich.
  Ich hör im Haus Geräusch; leb wohl. Geliebter!
  (Die Wärterin ruft hinter der Szene.)
  Gleich, Amme! Holder Montague, sei treu!
  Wart einen Augenblick; ich komme wieder!
  (Sie geht zurück.)
  ROMEO
  O selge, selge Nacht! Nur fürcht ich, weil
  Mich Nacht umgibt, dies alles sei nur Traum,
  Zu schmeichelnd süß, um wirklich zu bestehn.
  (Julia erscheint wieder am Fenster.)
  JULIA
  Drei Worte, Romeo, dann gute Nacht!
  Wenn deine Liebe tugendsam gesinnt
  Vermählung wünscht, so laß mich morgen wissen
  Durch jemand, den ich zu dir senden will,
  Wo du und wann die Trauung willst vollziehn.
  Dann leg ich dir mein ganzes Glück zu Füßen
  Und folge durch die Welt dir, meinem Herrn.
  (Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein!)
  Ich komme, gleich!--Doch meinst du es nicht gut,
  So bitt ich dich--
  (Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein!)
   Im Augenblick, ich komme!
  --Hör auf zu werben, laß mich meinem Gram!
  Ich sende morgen früh.
  ROMEO
   Beim ewgen Heil!
  JULIA
  Nun tausend gute Nacht!
  (Geht zurück.)
  ROMEO
  Raubst du dein Licht ihr, wird sie bang durchwacht.
  Wie Knaben aus der Schul eilt Liebe hin zum Lieben,
  Wie Knaben an ihr Buch wird sie hinweggetrieben.
  (Er entfernt sich langsam. Julia erscheint wieder am Fenster.)
  JULIA
  St! Romeo, st! O eines Jägers Stimme,
  Den edlen Falken wieder herzulocken!
  Abhängigkeit ist heiser, wagt nicht laut
  Zu reden, sonst zersprengt ich Echos Kluft
  Und machte heisrer ihre luftge Kehle
  Als meine mit dem Namen Romeo.
  ROMEO (umkehrend.)
  Mein Leben ists, das meinen Namen ruft.
  Wie silbersüß tönt bei der Nacht die Stimme
  Der Liebenden, gleich lieblicher Musik
  Dem Ohr des Lauschers!
  JULIA
   Romeo!
  ROMEO
   Mein Fräulein!
  JULIA
  Um welche Stunde soll ich morgen schicken?
  ROMEO
  Um neun.
  JULIA
   Ich will nicht säumen; zwanzig Jahre
  Sinds bis dahin. Doch ich vergaß, warum
  Ich dich zurückgerufen.
  ROMEO
  Laß hier mich stehn, derweil du dich bedenkst.
  JULIA
  Auf daß du stets hier weilst, werd ich vergessen,
  Bedenkend, wie mir deine Näh so lieb.
  ROMEO
  Auf daß du stets vergessest, werd ich weilen,
  Vergessend, daß ich irgend sonst daheim.
  JULIA
  Es tagt beinah, ich wollte nun, du gingst;
  Doch weiter nicht, als wie ein tändelnd Mädchen
  Ihr Vögelchen der Hand entschlüpfen läßt,
  Gleich einem Armen in der Banden Druck,
  Und dann zurück ihn zieht am seidnen Faden;
  So liebevoll mißgönnt sie ihm die Freiheit.
  ROMEO
  War ich dein Vögelchen!
  JULIA
   Ach wärst du's. Lieber!
  Doch hegt und pflegt ich dich gewiß zu Tod.
  Nun gute Nacht! So süß ist Trennungswehe,
  Ich rief wohl gute Nacht, bis ich den Morgen sähe.
  (Sie geht zurück.)
  ROMEO
  Schlaf wohn auf deinem Aug, Fried in der Brust!
  O wär ich Fried und Schlaf und ruht in solcher Lust!
  Ich will zur Zell des frommen Vaters gehen,
  Mein Glück ihm sagen und um Hülf ihn flehen.
  (Ab.)
  
  DRITTE SZENE
  ([Ein Klostergarten] Bruder Lorenzos Zelle)
  (Bruder Lorenzo mit einem Körbchen.)
  
  LORENZO
  Der Morgen lächelt froh der Nacht ins Angesicht
  Und säumet das Gewölk im Ost mit Streifen Licht.
  Die matte Finsternis flieht wankend, wie betrunken,
  Von Titans Pfad, besprüht von seiner Rosse Funken.
  Eh höher nun die Sonn ihr glühend Aug erhebt,
  Den Tau der Nacht verzehrt und neu die Welt belebt,
  Muß ich dies Körbchen hier voll Kraut und Blumen lesen,
  Voll Pflanzen giftger Art und diensam zum Genesen.
  Die Mutter der Natur, die Erd, ist auch ihr Grab,
  Und was ihr Schoß gebar, sinkt tot in ihn hinab,
  Und Kinder mannigfalt, so all ihr Schoß empfangen,
  Sehn wir, gesäugt von ihr, an ihren Brüsten hangen.
  An vielen Tugenden sind viele drunter reich,
  Ganz ohne Wert nicht eins, doch keins dem andern gleich.
  Oh, große Kräfte sinds, weiß man sie recht zu pflegen,
  Die Pflanzen, Kräuter, Stein in ihrem Innern hegen;
  Was nur auf Erden lebt, da ist auch nichts so schlecht,
  Daß es der Erde nicht besondern Nutzen brächt.
  Doch ist auch nichts so gut, das, diesem Ziel entwendet,
  Abtrünnig seiner Art, sich nicht durch Mißbrauch schändet.
  In Laster wandelt sich selbst Tugend, falsch geübt,
  Wie Ausführung auch wohl dem Laster Würde gibt.
  Die kleine Blume hier beherbergt giftge Säfte
  In ihrer zarten Hüll und milde Heilungskräfte!
  Sie labet den Geruch und dadurch jeden Sinn;
  Gekostet, dringt sie gleich zum Herzen tötend hin.
  Zwei Feinde lagern so im menschlichen Gemüte
  Sich immerdar im Kampf: verderbter Will und Güte,
  Und wo das Schlechtre herrscht mit siegender Gewalt,
  Dergleichen Pflanze frißt des Todes Wurm gar bald.
  (Romeo tritt auf.)
  ROMEO
  Mein Vater, guten Morgen!
  LORENZO
   Sei der Herr gesegnet!
  Wes ist der frühe Gruß, der freundlich mir begegnet?
  Mein junger Sohn, es zeigt, daß wildes Blut dich plagt,
  Daß du dem Bett so früh schon Lebewohl gesagt.
  Die wache Sorge lauscht im Auge jedes Alten,
  Und Schlummer bettet nie sich da, wo Sorgen walten;
  Doch da wohnt goldner Schlaf, wo mit gesundem Blut
  Und grillenfreiem Hirn die frische Jugend ruht.
  Drum läßt mich sicherlich dein frühes Kommen wissen,
  Daß innre Unordnung vom Lager dich gerissen.
  Wie? Oder hätte gar mein Romeo die Nacht
  --Nun rat ichs besser--nicht im Bette hingebracht?
  ROMEO
  So ists, ich wußte mir viel süßre Ruh zu finden.
  LORENZO
  Verzeih die Sünde Gott! Warst du bei Rosalinden?
  ROMEO
  Bei Rosalinden, ich? Ehrwürdger Vater, nein!
  Vergessen ist der Nam und dieses Namens Pein.
  LORENZO
  Das ist mein wackrer Sohn! Allein wo warst du? Sage!
  ROMEO
  So hör; ich sparte gern dir eine zweite Frage.
  Ich war bei meinem Feind auf einem Freudenmahl,
  Und da verwundete mich jemand auf einmal.
  Desgleichen tat ich ihm, und für die beiden Wunden
  Wird heilge Arzenei bei deinem Amt gefunden.
  Ich hege keinen Groll, mein frommer, alter Freund,
  Denn sieh, zustatten kommt die Bitt auch meinem Feind.
  LORENZO
  Einfältig, lieber Sohn! Nicht Silben fein gestochen!
  Wer Rätsel beichtet, wird in Rätseln losgesprochen.
  ROMEO
  So wiss' einfältiglich: Ich wandte Seel und Sinn
  In Lieb auf Capulets holdselge Tochter hin.
  Sie gab ihr ganzes Herz zurück mir für das meine,
  Und uns Vereinten fehlt zum innigsten Vereine
  Die heilge Trauung nur; doch wie und wo und wann
  Wir uns gesehn, erklärt und Schwur um Schwur getan,
  Das alles will ich dir auf unserm Weg erzählen;
  Nur bitt ich, willge drein, noch heut uns zu vermählen!
  LORENZO
  O heiliger Sankt Franz! Was für ein Unbestand!
  Ist Rosalinde schon aus deiner Brust verbannt,
  Die du so heiß geliebt? Liegt junger Männer Liebe
  Denn in den Augen nur, nicht in des Herzens Triebe?
  O heiliger Sankt Franz! Wie wusch ein salzig Naß
  Um Rosalinden dir so oft die Wangen blaß!
  Und löschen konnten doch so viele Tränenfluten
  Die Liebe nimmer dir; sie schürten ihre Gluten.
  Noch schwebt der Sonn ein Dunst von deinen Seufzern vor,
  Dein altes Stöhnen summt mir noch im alten Ohr,
  Sieh, auf der Wange hier ist noch die Spur zu sehen
  Von einer alten Trän, die noch nicht will vergehen.
  Und warst du je du selbst und diese Schmerzen dein,
  So war der Schmerz und du für Rosalind allein.
  Und so verwandelt nun? Dann leide, daß ich spreche:
  Ein Weib darf fallen, wohnt in Männern solche Schwäche.
  ROMEO
  Oft schmältest du mit mir um Rosalinden schon.
  LORENZO
  Weil sie dein Abgott war, nicht weil du liebtest, Sohn.
  ROMEO
  Und mahntest oft mich an, die Liebe zu besiegen.
  LORENZO
  Nicht um in deinem Sieg der zweiten zu erliegen.
  ROMEO
  Ich bitt dich, schmäl nicht! Sie, der jetzt mein Herz gehört,
  Hat Lieb um Liebe mir und Gunst um Gunst gewährt.
  Das tat die andre nie.
  LORENZO
   Sie wußte wohl, dein Lieben
  Sei zwar ein köstlich Wort, doch nur in Sand geschrieben.
  Komm, junger Flattergeist! Komm nur, wir wollen gehn;
  Ich bin aus einem Grund geneigt, dir beizustehn:
  Vielleicht, daß dieser Bund zu großem Glück sich wendet
  Und eurer Häuser Groll durch ihn in Freundschaft endet.
  ROMEO
  O laß uns fort von hier! Ich bin in großer Eil.
  LORENZO
  Wer hastig läuft, der fällt; drum eile nur mit Weil.
  (Beide ab.)
  
  VIERTE SZENE
  (Eine Straße)
  (Benvolio und Mercutio kommen.)
  
  MERCUTIO
  Wo, Teufel, kann der Romeo stecken? Kam er heute nacht nicht
  nach Hause?
  BENVOLIO
  Nach seines Vaters Hause nicht; ich sprach seinen Diener.
  MERCUTIO
  Ja, dies hartherzge Frauenbild, die Rosalinde,
  Sie quält ihn so, er wird gewiß verrückt.
  BENVOLIO
  Tybalt, des alten Capulet Verwandter,
  Hat dort ins Haus ihm einen Brief geschickt.
  MERCUTIO
  Eine Ausforderung, so wahr ich lebe!
  BENVOLIO
  Romeo wird ihm die Antwort nicht schuldig bleiben.
  MERCUTIO
  Auf einen Brief kann ein jeder antworten, wenn er schreiben kann.
  BENVOLIO
  Nein, ich meine, er wird dem Briefsteller zeigen, daß er Mut
  hat, wenn man ihm so was zumutet.
  MERCUTIO
  Ach, der arme Romeo; er ist ja schon tot! Durchbohrt von einer
  weißen Dirne schwarzem Auge; durchs Ohr geschossen mit einem
  Liebesliedchen; seine Herzensscheibe durch den Pfeil des
  kleinen blinden Schützen mitten entzweigespalten. Ist er der
  Mann darnach, es mit dem Tybalt aufzunehmen?
  BENVOLIO
  Nun, was ist Tybalt denn Großes?
  MERCUTIO
  Kein papierner Held, das kann ich dir sagen! Oh, er ist ein
  beherzter Zeremonienmeister der Ehre. Er ficht, wie Ihr ein
  Liedlein singt, hält Takt und Maß und Ton. Er beobachtet seine
  Pausen; eins--zwei--drei; dann sitzt Euch der Stoß in der
  Brust! Er bringt Euch einen seidnen Knopf unfehlbar ums Leben.
  Ein Raufer, ein Raufer! Ein Ritter vom ersten Range, der Euch
  alle Gründe eines Ehrenstreits an den Fingern herzuzählen weiß.
  Ach die göttliche Passade! Die doppelte Finte! Der!
  BENVOLIO
  Der--was?
  MERCUTIO
  Der Henker hole diese phantastischen, gezierten, lispelnden
  Eisenfresser! Was sie für neue Töne anstimmen!--"Eine sehr
  gute Klinge"--"Ein sehr wohlgewachsener Mann!"--"Eine sehr
  gute Hure!"--Wetter, sie hatte doch einen bessern Liebhaber,
  um sie zu bereimen!--, Dido eine Trutschel, Kleopatra eine
  Zigeunerin, Helena und Hero Metzen und lose Dirnen, Thisbe ein
  artiges Blauauge oder sonst so was, will aber nichts vorstellen.
  (Romeo tritt auf.)
  Signor Romeo, bonjour! Da habt Ihr einen französischen Gruß
  für Eure französischen Pumphosen! Ihr spieltet uns diese
  Nacht einen schönen Streich.
  ROMEO
  Guten Morgen, meine Freunde! Was für einen Streich?
  MERCUTIO
  Einen Diebesstreich. Ihr stahlt Euch unversehens davon.
  ROMEO
  Verzeihung, guter Mercutio. Ich hatte etwas Wichtiges vor,
  und in einem solchen Falle tut man wohl einmal der Höflichkeit
  Gewalt an.
  MERCUTIO
  Das soll wohl heißen, daß in einem solchen Falle ein Mann dazu
  vergewaltigt wird, sich in den Schenkeln zu verbeugen.
  ROMEO
  Das bedeutet, einen höflichen Knicks zu machen.
  MERCUTIO
  Du hast es allergnädigst erfaßt.
  ROMEO
  Eine äußerst höfliche Auslegung.
  MERCUTIO
  Ich bringe die Höflichkeit zur höchsten Blüte.
  ROMEO
  Blüte steht für Blume.
  MERCUTIO
  Richtig.
  ROMEO
  Nun, dann ist mein Tanzschuh gut geblümt.
  MERCUTIO
  Gut gesagt: spinne mir nun diesen Scherz weiter, bis du deinen
  Tanzschuh abgenutzt hast; so daß, wenn seine einzige Sohle
  abgenutzt ist, der Scherz solo und einzigartig hernach übrig
  bleibe.
  ROMEO
  
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