Romeo und Julia - 2

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Wir können nicht zugleich hier und dort sein.--Lustig, Kerle,
haltet euch brav; wer am längsten lebt, kriegt den ganzen Bettel.
(Sie ziehen sich in den Hintergrund zurück. Capulet etc.
[und die Seinen] mit den Gästen und Masken [und Dienerschaft].)
CAPULET
Willkommen, meine Herrn! Wenn Eure Füße
Kein Leichdorn plagt. Ihr Damen, flink ans Werk!
He, he. Ihr schönen Fraun, wer von Euch allen
Schlägts nun wohl ab zu tanzen? Ziert sich eine,
Ich wette, die hat Hühneraugen. Nun,
Hab ichs Euch nah gelegt? Ihr Herrn, willkommen!
Ich weiß die Zeit, da ich 'ne Larve trug
Und einer Schönen eine Weis' ins Ohr
Zu flüstern wußte, die ihr wohlgefiel.
Das ist vorbei, vorbei! Willkommen, Herren!
Kommt, Musikanten, spielt! Macht Platz da, Platz!
Ihr Mädchen, frisch gesprungen!
(Musik und Tanz. [--Zu den Dienern:])
Mehr Licht, ihr Burschen, und beiseit die Tische!
Das Feuer weg! Das Zimmer ist zu heiß.--
Ha, recht gelegen kommt der unverhoffte Spaß.
Na, setzt Euch, setzt Euch, Vetter Capulet!
Wir beide sind ja übers Tanzen hin.
Wie lang ists jetzo, seit wir uns zuletzt
In Larven steckten?
ZWEITER CAPULET
Dreißig Jahr, mein Seel.
CAPULET
Wie, Schatz? So lang noch nicht, so lang noch nicht.
Denn seit der Hochzeit des Lucentio
Ists etwa fünfundzwanzig Jahr, sobald
Wir Pfingsten haben; und da tanzten wir.
ZWEITER CAPULET
's ist mehr, 's ist mehr! Sein Sohn ist älter, Herr,
Sein Sohn ist dreißig.
CAPULET
Sagt mir das doch nicht!
Sein Sohn war noch nicht mündig vor zwei Jahren.
ROMEO
(zu einem Diener aus seinem Gefolge.)
Wer ist das Fräulein, welche dort den Ritter
Mit ihrer Hand beehrt?
DER DIENER
Ich weiß nicht, Herr.
ROMEO
Oh, sie nur lehrt die Kerzen, hell zu glühn!
Wie in dem Ohr des Mohren ein Rubin,
So hängt der Holden Schönheit an den Wangen
Der Nacht; zu hoch, zu himmlisch dem Verlangen.
Sie stellt sich unter den Gespielen dar
Als weiße Taub in einer Krähenschar.
Schließt sich der Tanz, so nah ich ihr: ein Drücken
Der zarten Hand soll meine Hand beglücken.
Liebt ich wohl je? Nein, schwör es ab, Gesicht!
Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht.
TYBALT
Nach seiner Stimm ist dies ein Montague.
(Zu einem Diener.)
Hol meinen Degen, Bursch!--Was? Wagt der Schurk,
Vermummt in eine Fratze, herzukommen
Zu Hohn und Schimpfe gegen unser Fest?
Fürwahr, bei meines Stammes Ruhm und Adel,
Wer tot ihn schlüg, verdiente keinen Tadel!
CAPULET
Was habt Ihr, Vetter? Welch ein Sturm? Wozu?
TYBALT
Seht, Oheim, der da ist ein Montague!
Der Schurke drängt sich unter Eure Gäste
Und macht sich einen Spott an diesem Feste.
CAPULET
Ist es der junge Romeo?
TYBALT
Der Schurke Romeo!
CAPULET
Seid ruhig, Herzensvetter! Laßt ihn gehn!
Er hält sich wie ein wackrer Edelmann;
Und in der Tat, Verona preiset ihn
Als einen sittgen, tugendsamen Jüngling.
Ich möchte nicht für alles Gut der Stadt
In meinem Haus ihm einen Unglimpf tun.
Drum seid geduldig; merket nicht auf ihn.
Das ist mein Will, und wenn du diesen ehrst,
So zeig dich freundlich, streif die Runzeln weg,
Die übel sich bei einem Feste ziemen.
TYBALT
Kommt solch ein Schurk als Gast, so stehn sie wohl.
Ich leid ihn nicht.
CAPULET
Er soll gelitten werden,
Er soll!--Herr Junge, hört Er das? Nur zu!
Wer ist hier Herr? Er oder ich? Nur zu!
So, will Er ihn nicht leiden?--Helf mir Gott!--
Will Hader unter meinen Gästen stiften?
Will sich als starken Mann hier wichtig machen?
TYBALT
Ists nicht 'ne Schande, Oheim?
CAPULET
Zu! Nur zu!
Ihr seid ein kecker Bursch. Ei, seht mir doch!
Der Streich mag Euch gereun; ich weiß schon was.
Ihr macht mirs bunt! Ja, das käm eben recht!--
Brav, Herzenskinder!--Geht, vorwitzig seid Ihr!
Seid ruhig, sonst--Mehr Licht, mehr Licht, zum Kuckuck!--
Will ich zur Ruh Euch bringen!--Lustig, Kinder!
TYBALT
Mir kämpft Geduld aus Zwang mit willger Wut
Im Innern und empört mein siedend Blut.
Ich gehe.--Hand ist frommer Waller Kuß.
ROMEO
Haben nicht Heilge Lippen wie die Waller?
JULIA
Ja, doch Gebet ist die Bestimmung aller.
ROMEO
O so vergönne, teure Heilge nun,
Daß auch die Lippen wie die Hände tun.
Voll Inbrunst beten sie zu dir: erhöre,
Daß Glaube nicht sich in Verzweiflung kehre!
JULIA
Du weißt, ein Heilger pflegt sich nicht zu regen,
Auch wenn er eine Bitte zugesteht.
ROMEO
So reg dich, Holde, nicht, wie Heilge pflegen,
Derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht.
(Er küßt sie.)
Nun hat dein Mund ihn aller Sünd entbunden.
JULIA
So hat mein Mund zum Lohn Sünd für die Gunst?
ROMEO
Zum Lohn die Sünd? O Vorwurf, süß erfunden!
Gebt sie zurück!
(Küßt sie wieder.)
JULIA
Ihr küßt recht nach der Kunst.
WÄRTERIN (tritt heran.)
Mama will Euch ein Wörtchen sagen, Fräulein.
ROMEO
Wer ist des Fräuleins Mutter?
WÄRTERIN
Ei nun, Junker,
Das ist die gnädge Frau vom Hause hier,
Gar eine wackre Frau und klug und ehrsam.
Die Tochter, die Ihr spracht, hab ich gesäugt.
Ich sag Euch, wer ihr' habhaft werden kann,
Ist wohl gebettet.
ROMEO
Sie eine Capulet? O teurer Preis! Mein Leben
Ist meinem Feind als Schuld dahingegeben!
BENVOLIO
Fort, laßt uns gehn; die Lust ist bald dahin.
ROMEO
Ach, leider wohl! Das ängstet meinen Sinn.
CAPULET
Nein, liebe Herrn, denkt noch ans Weggehn nicht!
Ein kleines, schlichtes Mahl ist schon bereitet.--
Muß es denn sein? Nun wohl, ich dank Euch allen;
Ich dank Euch, edle Herren: Gute Nacht!--
Mehr Fackeln her!--Kommt nun, bringt mich zu Bett.
(Zum zweiten Capulet.)
Wahrhaftig, es wird spät, ich will zur Ruh.
(Alle ab, außer Julia und Wärterin.)
JULIA
Komm zu mir, Amme; wer ist dort der Herr?
WÄRTERIN
Tiberios, des alten, Sohn und Erbe.
JULIA
Wer ists, der eben aus der Türe geht?
WÄRTERIN
Das, denk ich, ist der junge [Marcellin] Petruchio.
JULIA
Wer folgt ihm da, der gar nicht tanzen wollte?
WÄRTERIN
Ich weiß nicht.
JULIA
Geh, frage, wie er heißt!--Ist er vermählt,
So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt.
WÄRTERIN (kommt zurück.)
Sein Nam ist Romeo, ein Montague
Und Eures großen Feindes einzger Sohn.
JULIA
So einzge Lieb aus großem Haß entbrannt!
Ich sah zu früh, den ich zu spät erkannt.
O Wunderwerk: ich fühle mich getrieben,
Den ärgsten Feind aufs zärtlichste zu lieben.
WÄRTERIN
Wieso, wieso?
JULIA
Es ist ein Reim, den ich von einem Tänzer
Soeben lernte.
(Man ruft drinnen: Julia!)
WÄRTERIN
Gleich, wir kommen ja!
Kommt, laßt uns gehn; kein Fremder ist mehr da.
(Ab.)
(Der Chorus tritt auf.)
CHORUS
Die alte Liebe stirbt in ihm dahin,
Und junge Zuneigung beerbt sie da;
Die Schöne, nach der schmachtend stand sein Sinn,
Scheint nicht mehr schön nun neben Julia.
Er wird geliebt und liebt nun auch zum Schluß,
Ein Zauberblick kann beiderseits nicht fehln,
Doch scheint als Feind sie, der ers klagen muß,
Und seiner Falle Köder muß sie stehln.
Als Feind gesehn, darf er nicht zu ihr her,
Zu schwörn, wie wirs sonst bei Verliebten sehn;
Auch sie liebt ihn, doch kann noch weniger
Zum neu geliebten irgendwohin gehn:
Doch Zeit schafft Rat, Verlangen leiht die Kraft
Und lindert Leid durch süße Leidenschaft.
(Geht ab.)


ZWEITER AKT

ERSTE SZENE
(Ein offner Platz, der an Capulets Garten stößt)
(Romeo tritt auf.)

ROMEO
Kann ich von hinnen, da mein Herz hier bleibt?
Geh, frostge Erde, suche deine Sonne!
(Er ersteigt die Mauer und springt hinunter.
Benvolio und Mercutio treten auf.)
BENVOLIO
He, Romeo, he, Vetter!
MERCUTIO
Er ist klug
Und hat, mein Seel, sich heim ins Bett gestohlen.
BENVOLIO
Er lief hieher und sprang die Gartenmauer
Hinüber. Ruf ihn, Freund Mercutio!
MERCUTIO
Ja, auch beschwören will ich. Romeo!
Was? Grillen! Toller! Leidenschaft! Verliebter!
Erscheine du, gestaltet wie ein Seufzer;
Sprich nur ein Reimchen, so genügt mirs schon;
Ein Ach nur jammre, paare Lieb und Triebe;
Gib der Gevattrin Venus ein gut Wort,
Schimpf eins auf ihren blinden Sohn und Erben,
Held Amor, der so flink gezielt, als König
Kophetua das Bettlermädchen liebte.
Er höret nicht, er regt sich nicht, er rührt sich nicht.
Der Aff ist tot; ich muß ihn wohl beschwören.
Nun wohl: Bei Rosalindens hellem Auge,
Bei ihrer Purpurlipp und hohen Stirn,
Bei ihrem zarten Fuß, dem schlanken Bein,
Den üppgen Hüften und der Region,
Die ihnen nahe liegt, beschwör ich dich,
Daß du in eigner Bildung uns erscheinest.
BENVOLIO
Wenn er dich hört, so wird er zornig werden.
MERCUTIO
Hierüber kann ers nicht; er hätte Grund,
Bannt ich hinauf in seiner Dame Kreis
Ihm einen Geist von seltsam eigner Art
Und ließe den da stehn, bis sie den Trotz
Gezähmt und nieder ihn beschworen hätte.
Das wär Beschimpfung! Meine Anrufung
Ist gut und ehrlich; mit der Liebsten Namen
Beschwör ich ihn, bloß um ihn aufzurichten.
BENVOLIO
Komm! Er verbarg sich unter jenen Bäumen
Und pflegt des Umgangs mit der feuchten Nacht.
Die Lieb ist blind, das Dunkel ist ihr recht.
MERCUTIO
Ist Liebe blind, so zielt sie freilich schlecht.
Nun sitzt er wohl an einen Baum gelehnt
Und wünscht, sein Liebchen wär die reife Frucht
Und fiel ihm in den Schoß. Doch, gute Nacht,
Freund Romeo! Ich will ins Federbett;
Das Feldbett ist zum Schlafen mir zu kalt.
Komm, gehn wir?
BENVOLIO
Ja, es ist vergeblich, ihn
Zu suchen, der nicht will gefunden sein.
(Beide ab.)

ZWEITE SZENE
(Capulets Garten)
(Romeo kommt.)

ROMEO
Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt.
(Julia erscheint oben an einem Fenster.)
Doch still, was schimmert durch das Fenster dort?
Es ist der Ost, und Julia die Sonne!--
Geh auf, du holde Sonn! Ertöte Lunen,
Die neidisch ist und schon vor Grame bleich,
Daß du viel schöner bist, obwohl ihr dienend.
O da sie neidisch ist, so dien ihr nicht!
Nur Toren gehn in ihrer blassen, kranken
Vestalentracht einher; wirf du sie ab!
Sie ist es, meine Göttin, meine Liebe!
O wüßte sie, daß sie es ist!--
Sie spricht, doch sagt sie nichts: was schadet das?
Ihr Auge redt, ich will ihm Antwort geben.--
Ich bin zu kühn, es redet nicht zu mir.
Ein Paar der schönsten Stern am ganzen Himmel
Wird ausgesandt und bittet Juliens Augen,
In ihren Kreisen unterdes zu funkeln.
Doch wären ihre Augen dort, die Sterne
In ihrem Antlitz? Würde nicht der Glanz
Von ihren Wangen jene so beschämen
Wie Sonnenlicht die Lampe? Würd ihr Aug
Aus luftgen Höhn sich nicht so hell ergießen,
Daß Vögel sängen, froh den Tag zu grüßen?
O wie sie auf die Hand die Wange lehnt!
Wär ich der Handschuh doch auf dieser Hand
Und küßte diese Wange!
JULIA
Weh mir!
ROMEO
Horch!
Sie spricht. O sprich noch einmal, holder Engel!
Denn über meinem Haupt erscheinest du
Der Nacht so glorreich, wie ein Flügelbote
Des Himmels dem erstaunten, über sich
Gekehrten Aug der Menschensöhne, die
Sich rücklings werfen, um ihm nachzuschaun,
Wenn er dahin fährt auf den trägen Wolken
Und auf der Luft gewölbtem Busen schwebt.
JULIA
O Romeo! Warum denn Romeo?
Verleugne deinen Vater, deinen Namen!
Willst du das nicht, schwör dich zu meinem Liebsten,
Und ich bin länger keine Capulet!
ROMEO (für sich.)
Hör ich noch länger, oder soll ich reden?
JULIA
Dein Nam ist nur mein Feind. Du bliebst du selbst,
Und wärst du auch kein Montague. Was ist
Denn Montague? Es ist nicht Hand, nicht Fuß,
Nicht Arm noch Antlitz, noch ein andrer Teil
Von einem Menschen. Sei ein andrer Name!
Was ist ein Name? Was uns Rose heißt,
Wie es auch hieße, würde lieblich duften;
So Romeo, wenn er auch anders hieße,
Er würde doch den köstlichen Gehalt
Bewahren, welcher sein ist ohne Titel.
O Romeo, leg deinen Namen ab,
Und für den Namen, der dein Selbst nicht ist,
Nimm meines ganz!
ROMEO (indem er näher hinzutritt.)
Ich nehme dich beim Wort.
Nenn Liebster mich, so bin ich neu getauft
Und will hinfort nicht Romeo mehr sein.
JULIA
Wer bist du, der du, von der Nacht beschirmt,
Dich drängst in meines Herzens Rat?
ROMEO
Mit Namen
Weiß ich dir nicht zu sagen, wer ich bin.
Mein eigner Name, teure Heilge, wird,
Weil er dein Feind ist, von mir selbst gehaßt;
Hätt ich ihn schriftlich, so zerriss' ich ihn.
JULIA
Mein Ohr trank keine hundert Worte noch
Von diesen Lippen, doch es kennt den Ton.
Bist du nicht Romeo, ein Montague?
ROMEO
Nein, Holde; keines, wenn dir eins mißfällt.
JULIA
Wie kamst du her? O sag mir, und warum?
Die Gartenmaur ist hoch, schwer zu erklimmen;
Die Stätt ist Tod--bedenk nur, wer du bist--,
Wenn einer meiner Vettern dich hier findet.
ROMEO
Der Liebe leichte Schwingen trugen mich,
Kein steinern Bollwerk kann der Liebe wehren;
Und Liebe wagt, was irgend Liebe kann,
Drum hielten deine Vettern mich nicht auf.
JULIA
Wenn sie dich sehn, sie werden dich ermorden.
ROMEO
Ach, deine Augen drohn mir mehr Gefahr
Als zwanzig ihrer Schwerter; blick du freundlich,
So bin ich gegen ihren Haß gestählt.
JULIA
Ich wollt um alles nicht, daß sie dich sähn.
ROMEO
Vor ihnen hüllt mich Nacht in ihren Mantel.
Liebst du mich nicht, so laß sie nur mich finden;
Durch ihren Haß zu sterben wär mir besser
Als ohne deine Liebe Lebensfrist.
JULIA
Wer zeigte dir den Weg zu diesem Ort?
ROMEO
Die Liebe, die zuerst mich forschen hieß;
Sie lieh mir Rat, ich lieh ihr meine Augen.
Ich bin kein Steuermann, doch wärst du fern
Wie Ufer, von dem fernsten Meer bespült,
Ich wagte mich nach solchem Kleinod hin.
JULIA
Du weißt, die Nacht verschleiert mein Gesicht,
Sonst färbte Mädchenröte meine Wangen
Um das, was du vorhin mich sagen hörtest.
Gern hielt ich streng auf Sitte, möchte gern
Verleugnen, was ich sprach; doch weg mit Form!
Sag, liebst du mich? Ich weiß, du wirsts bejahn,
Und will dem Worte traun; doch wenn du schwörst,
So kannst du treulos werden; wie sie sagen,
Lacht Jupiter des Meineids der Verliebten.
O holder Romeo, wenn du mich liebst:
Sags ohne Falsch! Doch dächtest du, ich sei
Zu schnell besiegt, so will ich finster blicken,
Will widerspenstig sein und Nein dir sagen,
So du dann werben willst; sonst nicht um alles.
Gewiß, mein Montague, ich bin zu herzlich,
Du könntest denken, ich sei leichten Sinns.
Ich glaube, Mann, ich werde treuer sein
Als sie, die fremd zu tun geschickter sind.
Auch ich, bekenn ich, hätte fremd getan,
Wär ich von dir, eh ichs gewahrte, nicht
Belauscht in Liebesklagen. Drum vergib!
Schilt diese Hingebung nicht Flatterliebe,
Die so die stille Nacht verraten hat.
ROMEO
Ich schwöre, Fräulein, bei dem heilgen Mond,
Der silbern dieser Bäume Wipfel säumt--Lieben sei!
ROMEO
Wobei denn soll ich schwören?
JULIA
Laß es ganz!
Doch willst du, schwör bei deinem edlen Selbst,
Dem Götterbilde meiner Anbetung;
So will ich glauben.
ROMEO
Wenn die Herzensliebe--
JULIA
Gut, schwöre nicht! Obwohl ich dein mich freue,
Freu ich mich nicht des Bundes dieser Nacht.
Er ist zu rasch, zu unbedacht, zu plötzlich,
Gleicht allzusehr dem Blitz, der nicht mehr ist,
Noch eh man sagen kann: es blitzt.--Schlaf süß!
Des Sommers warmer Hauch kann diese Knospe
Der Liebe wohl zur schönen Blum entfalten,
Bis wir das nächste Mal uns wiedersehn.
Nun gute Nacht! So süße Ruh und Frieden,
Als mir im Busen wohnt, sei dir beschieden.
ROMEO
Ach, willst du lassen mich so ungetröstet?
JULIA
Welch Tröstung kannst du diese Nacht begehren?
ROMEO
Gib deinen treuen Liebesschwur für meinen!
JULIA
Ich gab ihn dir, eh du darum gefleht;
Und doch, ich wollt, er stünde noch zu geben.
ROMEO
Wolltst du mir ihn entziehn? Wozu das, Liebe?
JULIA
Um unverstellt ihn dir zurückzugeben.
Allein ich wünsche, was ich habe, nur.
So grenzenlos ist meine Huld, die Liebe
So tief ja wie das Meer. Je mehr ich gebe,
Je mehr auch hab ich: beides ist unendlich.
Ich hör im Haus Geräusch; leb wohl. Geliebter!
(Die Wärterin ruft hinter der Szene.)
Gleich, Amme! Holder Montague, sei treu!
Wart einen Augenblick; ich komme wieder!
(Sie geht zurück.)
ROMEO
O selge, selge Nacht! Nur fürcht ich, weil
Mich Nacht umgibt, dies alles sei nur Traum,
Zu schmeichelnd süß, um wirklich zu bestehn.
(Julia erscheint wieder am Fenster.)
JULIA
Drei Worte, Romeo, dann gute Nacht!
Wenn deine Liebe tugendsam gesinnt
Vermählung wünscht, so laß mich morgen wissen
Durch jemand, den ich zu dir senden will,
Wo du und wann die Trauung willst vollziehn.
Dann leg ich dir mein ganzes Glück zu Füßen
Und folge durch die Welt dir, meinem Herrn.
(Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein!)
Ich komme, gleich!--Doch meinst du es nicht gut,
So bitt ich dich--
(Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein!)
Im Augenblick, ich komme!
--Hör auf zu werben, laß mich meinem Gram!
Ich sende morgen früh.
ROMEO
Beim ewgen Heil!
JULIA
Nun tausend gute Nacht!
(Geht zurück.)
ROMEO
Raubst du dein Licht ihr, wird sie bang durchwacht.
Wie Knaben aus der Schul eilt Liebe hin zum Lieben,
Wie Knaben an ihr Buch wird sie hinweggetrieben.
(Er entfernt sich langsam. Julia erscheint wieder am Fenster.)
JULIA
St! Romeo, st! O eines Jägers Stimme,
Den edlen Falken wieder herzulocken!
Abhängigkeit ist heiser, wagt nicht laut
Zu reden, sonst zersprengt ich Echos Kluft
Und machte heisrer ihre luftge Kehle
Als meine mit dem Namen Romeo.
ROMEO (umkehrend.)
Mein Leben ists, das meinen Namen ruft.
Wie silbersüß tönt bei der Nacht die Stimme
Der Liebenden, gleich lieblicher Musik
Dem Ohr des Lauschers!
JULIA
Romeo!
ROMEO
Mein Fräulein!
JULIA
Um welche Stunde soll ich morgen schicken?
ROMEO
Um neun.
JULIA
Ich will nicht säumen; zwanzig Jahre
Sinds bis dahin. Doch ich vergaß, warum
Ich dich zurückgerufen.
ROMEO
Laß hier mich stehn, derweil du dich bedenkst.
JULIA
Auf daß du stets hier weilst, werd ich vergessen,
Bedenkend, wie mir deine Näh so lieb.
ROMEO
Auf daß du stets vergessest, werd ich weilen,
Vergessend, daß ich irgend sonst daheim.
JULIA
Es tagt beinah, ich wollte nun, du gingst;
Doch weiter nicht, als wie ein tändelnd Mädchen
Ihr Vögelchen der Hand entschlüpfen läßt,
Gleich einem Armen in der Banden Druck,
Und dann zurück ihn zieht am seidnen Faden;
So liebevoll mißgönnt sie ihm die Freiheit.
ROMEO
War ich dein Vögelchen!
JULIA
Ach wärst du's. Lieber!
Doch hegt und pflegt ich dich gewiß zu Tod.
Nun gute Nacht! So süß ist Trennungswehe,
Ich rief wohl gute Nacht, bis ich den Morgen sähe.
(Sie geht zurück.)
ROMEO
Schlaf wohn auf deinem Aug, Fried in der Brust!
O wär ich Fried und Schlaf und ruht in solcher Lust!
Ich will zur Zell des frommen Vaters gehen,
Mein Glück ihm sagen und um Hülf ihn flehen.
(Ab.)

DRITTE SZENE
([Ein Klostergarten] Bruder Lorenzos Zelle)
(Bruder Lorenzo mit einem Körbchen.)

LORENZO
Der Morgen lächelt froh der Nacht ins Angesicht
Und säumet das Gewölk im Ost mit Streifen Licht.
Die matte Finsternis flieht wankend, wie betrunken,
Von Titans Pfad, besprüht von seiner Rosse Funken.
Eh höher nun die Sonn ihr glühend Aug erhebt,
Den Tau der Nacht verzehrt und neu die Welt belebt,
Muß ich dies Körbchen hier voll Kraut und Blumen lesen,
Voll Pflanzen giftger Art und diensam zum Genesen.
Die Mutter der Natur, die Erd, ist auch ihr Grab,
Und was ihr Schoß gebar, sinkt tot in ihn hinab,
Und Kinder mannigfalt, so all ihr Schoß empfangen,
Sehn wir, gesäugt von ihr, an ihren Brüsten hangen.
An vielen Tugenden sind viele drunter reich,
Ganz ohne Wert nicht eins, doch keins dem andern gleich.
Oh, große Kräfte sinds, weiß man sie recht zu pflegen,
Die Pflanzen, Kräuter, Stein in ihrem Innern hegen;
Was nur auf Erden lebt, da ist auch nichts so schlecht,
Daß es der Erde nicht besondern Nutzen brächt.
Doch ist auch nichts so gut, das, diesem Ziel entwendet,
Abtrünnig seiner Art, sich nicht durch Mißbrauch schändet.
In Laster wandelt sich selbst Tugend, falsch geübt,
Wie Ausführung auch wohl dem Laster Würde gibt.
Die kleine Blume hier beherbergt giftge Säfte
In ihrer zarten Hüll und milde Heilungskräfte!
Sie labet den Geruch und dadurch jeden Sinn;
Gekostet, dringt sie gleich zum Herzen tötend hin.
Zwei Feinde lagern so im menschlichen Gemüte
Sich immerdar im Kampf: verderbter Will und Güte,
Und wo das Schlechtre herrscht mit siegender Gewalt,
Dergleichen Pflanze frißt des Todes Wurm gar bald.
(Romeo tritt auf.)
ROMEO
Mein Vater, guten Morgen!
LORENZO
Sei der Herr gesegnet!
Wes ist der frühe Gruß, der freundlich mir begegnet?
Mein junger Sohn, es zeigt, daß wildes Blut dich plagt,
Daß du dem Bett so früh schon Lebewohl gesagt.
Die wache Sorge lauscht im Auge jedes Alten,
Und Schlummer bettet nie sich da, wo Sorgen walten;
Doch da wohnt goldner Schlaf, wo mit gesundem Blut
Und grillenfreiem Hirn die frische Jugend ruht.
Drum läßt mich sicherlich dein frühes Kommen wissen,
Daß innre Unordnung vom Lager dich gerissen.
Wie? Oder hätte gar mein Romeo die Nacht
--Nun rat ichs besser--nicht im Bette hingebracht?
ROMEO
So ists, ich wußte mir viel süßre Ruh zu finden.
LORENZO
Verzeih die Sünde Gott! Warst du bei Rosalinden?
ROMEO
Bei Rosalinden, ich? Ehrwürdger Vater, nein!
Vergessen ist der Nam und dieses Namens Pein.
LORENZO
Das ist mein wackrer Sohn! Allein wo warst du? Sage!
ROMEO
So hör; ich sparte gern dir eine zweite Frage.
Ich war bei meinem Feind auf einem Freudenmahl,
Und da verwundete mich jemand auf einmal.
Desgleichen tat ich ihm, und für die beiden Wunden
Wird heilge Arzenei bei deinem Amt gefunden.
Ich hege keinen Groll, mein frommer, alter Freund,
Denn sieh, zustatten kommt die Bitt auch meinem Feind.
LORENZO
Einfältig, lieber Sohn! Nicht Silben fein gestochen!
Wer Rätsel beichtet, wird in Rätseln losgesprochen.
ROMEO
So wiss' einfältiglich: Ich wandte Seel und Sinn
In Lieb auf Capulets holdselge Tochter hin.
Sie gab ihr ganzes Herz zurück mir für das meine,
Und uns Vereinten fehlt zum innigsten Vereine
Die heilge Trauung nur; doch wie und wo und wann
Wir uns gesehn, erklärt und Schwur um Schwur getan,
Das alles will ich dir auf unserm Weg erzählen;
Nur bitt ich, willge drein, noch heut uns zu vermählen!
LORENZO
O heiliger Sankt Franz! Was für ein Unbestand!
Ist Rosalinde schon aus deiner Brust verbannt,
Die du so heiß geliebt? Liegt junger Männer Liebe
Denn in den Augen nur, nicht in des Herzens Triebe?
O heiliger Sankt Franz! Wie wusch ein salzig Naß
Um Rosalinden dir so oft die Wangen blaß!
Und löschen konnten doch so viele Tränenfluten
Die Liebe nimmer dir; sie schürten ihre Gluten.
Noch schwebt der Sonn ein Dunst von deinen Seufzern vor,
Dein altes Stöhnen summt mir noch im alten Ohr,
Sieh, auf der Wange hier ist noch die Spur zu sehen
Von einer alten Trän, die noch nicht will vergehen.
Und warst du je du selbst und diese Schmerzen dein,
So war der Schmerz und du für Rosalind allein.
Und so verwandelt nun? Dann leide, daß ich spreche:
Ein Weib darf fallen, wohnt in Männern solche Schwäche.
ROMEO
Oft schmältest du mit mir um Rosalinden schon.
LORENZO
Weil sie dein Abgott war, nicht weil du liebtest, Sohn.
ROMEO
Und mahntest oft mich an, die Liebe zu besiegen.
LORENZO
Nicht um in deinem Sieg der zweiten zu erliegen.
ROMEO
Ich bitt dich, schmäl nicht! Sie, der jetzt mein Herz gehört,
Hat Lieb um Liebe mir und Gunst um Gunst gewährt.
Das tat die andre nie.
LORENZO
Sie wußte wohl, dein Lieben
Sei zwar ein köstlich Wort, doch nur in Sand geschrieben.
Komm, junger Flattergeist! Komm nur, wir wollen gehn;
Ich bin aus einem Grund geneigt, dir beizustehn:
Vielleicht, daß dieser Bund zu großem Glück sich wendet
Und eurer Häuser Groll durch ihn in Freundschaft endet.
ROMEO
O laß uns fort von hier! Ich bin in großer Eil.
LORENZO
Wer hastig läuft, der fällt; drum eile nur mit Weil.
(Beide ab.)

VIERTE SZENE
(Eine Straße)
(Benvolio und Mercutio kommen.)

MERCUTIO
Wo, Teufel, kann der Romeo stecken? Kam er heute nacht nicht
nach Hause?
BENVOLIO
Nach seines Vaters Hause nicht; ich sprach seinen Diener.
MERCUTIO
Ja, dies hartherzge Frauenbild, die Rosalinde,
Sie quält ihn so, er wird gewiß verrückt.
BENVOLIO
Tybalt, des alten Capulet Verwandter,
Hat dort ins Haus ihm einen Brief geschickt.
MERCUTIO
Eine Ausforderung, so wahr ich lebe!
BENVOLIO
Romeo wird ihm die Antwort nicht schuldig bleiben.
MERCUTIO
Auf einen Brief kann ein jeder antworten, wenn er schreiben kann.
BENVOLIO
Nein, ich meine, er wird dem Briefsteller zeigen, daß er Mut
hat, wenn man ihm so was zumutet.
MERCUTIO
Ach, der arme Romeo; er ist ja schon tot! Durchbohrt von einer
weißen Dirne schwarzem Auge; durchs Ohr geschossen mit einem
Liebesliedchen; seine Herzensscheibe durch den Pfeil des
kleinen blinden Schützen mitten entzweigespalten. Ist er der
Mann darnach, es mit dem Tybalt aufzunehmen?
BENVOLIO
Nun, was ist Tybalt denn Großes?
MERCUTIO
Kein papierner Held, das kann ich dir sagen! Oh, er ist ein
beherzter Zeremonienmeister der Ehre. Er ficht, wie Ihr ein
Liedlein singt, hält Takt und Maß und Ton. Er beobachtet seine
Pausen; eins--zwei--drei; dann sitzt Euch der Stoß in der
Brust! Er bringt Euch einen seidnen Knopf unfehlbar ums Leben.
Ein Raufer, ein Raufer! Ein Ritter vom ersten Range, der Euch
alle Gründe eines Ehrenstreits an den Fingern herzuzählen weiß.
Ach die göttliche Passade! Die doppelte Finte! Der!
BENVOLIO
Der--was?
MERCUTIO
Der Henker hole diese phantastischen, gezierten, lispelnden
Eisenfresser! Was sie für neue Töne anstimmen!--"Eine sehr
gute Klinge"--"Ein sehr wohlgewachsener Mann!"--"Eine sehr
gute Hure!"--Wetter, sie hatte doch einen bessern Liebhaber,
um sie zu bereimen!--, Dido eine Trutschel, Kleopatra eine
Zigeunerin, Helena und Hero Metzen und lose Dirnen, Thisbe ein
artiges Blauauge oder sonst so was, will aber nichts vorstellen.
(Romeo tritt auf.)
Signor Romeo, bonjour! Da habt Ihr einen französischen Gruß
für Eure französischen Pumphosen! Ihr spieltet uns diese
Nacht einen schönen Streich.
ROMEO
Guten Morgen, meine Freunde! Was für einen Streich?
MERCUTIO
Einen Diebesstreich. Ihr stahlt Euch unversehens davon.
ROMEO
Verzeihung, guter Mercutio. Ich hatte etwas Wichtiges vor,
und in einem solchen Falle tut man wohl einmal der Höflichkeit
Gewalt an.
MERCUTIO
Das soll wohl heißen, daß in einem solchen Falle ein Mann dazu
vergewaltigt wird, sich in den Schenkeln zu verbeugen.
ROMEO
Das bedeutet, einen höflichen Knicks zu machen.
MERCUTIO
Du hast es allergnädigst erfaßt.
ROMEO
Eine äußerst höfliche Auslegung.
MERCUTIO
Ich bringe die Höflichkeit zur höchsten Blüte.
ROMEO
Blüte steht für Blume.
MERCUTIO
Richtig.
ROMEO
Nun, dann ist mein Tanzschuh gut geblümt.
MERCUTIO
Gut gesagt: spinne mir nun diesen Scherz weiter, bis du deinen
Tanzschuh abgenutzt hast; so daß, wenn seine einzige Sohle
abgenutzt ist, der Scherz solo und einzigartig hernach übrig
bleibe.
ROMEO
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