🕥 35-minute read

Ludwig Tieck's Schriften. Achter Band - 18

Total number of words is 4545
Total number of unique words is 1374
44.7 of words are in the 2000 most common words
58.8 of words are in the 5000 most common words
65.1 of words are in the 8000 most common words
Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  dieser Name! Welche verborgene Zauberei hat sich in den Klang gemischt,
  daß heut mein Blut ihm schneller hüpft? Ist dieß Liebe, Wilhelm?
  Nein, nein, sie ist die Verlobte meines Freundes, meines Erretters.
  -- Es kann nicht Liebe sein. Liebe, sagt Adalbert, macht menschlicher,
  wohlwollend gegen jedes Geschöpf, und ist mir doch, als ob ich den
  Namen Adalbert haßte seit ich den Namen Emma liebe! -- Nein, es ist
  nur Zuneigung, nur der erste starke Eindruck, den jeder neue Gegenstand
  macht. -- Zuneigung? Mehr nicht? Und warum konnt' ich es nicht über mich
  gewinnen, ein Wort mit dem Ritter zu sprechen, der neben ihr saß? Wie
  konnt' ich ihn beneiden, daß ihn der Saum ihres Kleides berühre? Warum
  haßte ich jeden, den nur einer ihrer holdseligen Blicke traf? Was machte
  mich glühend heiß, wenn ihr Auge auf mir verweilte? -- Freundschaft ist
  dieß Gefühl nicht, wenn es nicht Liebe ist, so bin ich wahnsinnig! -- ist
  es aber Liebe, so soll Adalbert sehen, wie ein Mann eine Leidenschaft
  besiegt.
  Besiegt? als ob hier schon etwas zu besiegen wäre. -- Als ob es schon
  ausgemacht wäre, daß _ich sie_ liebte! -- Es kann, es darf nicht sein.
  Ich will mich mit aller meiner Männlichkeit panzern; sie gehört Adalbert,
  er liebt sie, sie ihn, ich habe sie ihm versprochen, -- ein Mann, ein
  Ritter muß auf sein Versprechen halten und wenn er selbst darüber zu
  Grunde ginge.
  Er eilte in die Burg zurück, und freute sich dieses Sieges.
   * * * * *
  
  Emma hatte sich indeß einigemal wieder dem Fenster genähert, ohne von
  Löwenau bemerkt zu werden. Sie konnte den schönen Mann nie ohne eine
  gewisse Theilnahme sehn und diese Theilnahme ging sehr bald in den Wunsch
  über: wenn _dieser_ dich liebte! Ohne es selbst zu wissen, spann sie
  denn diesen Traum weiter aus, und die spielenden Phantasieen schlossen
  mit der Frage: Du liebst ihn also?
  Sie erschrak nicht mehr über diese Frage, schon während der Mahlzeit
  hatte sie sich an diesen Gedanken gewöhnt. -- Ganz leise fing ihr Herz
  an diese Frage mit Ja zu beantworten; sie hatte ihn schon geliebt, ehe
  sie noch die Möglichkeit dieser Liebe dachte, itzt gab sie erst zu dieser
  Liebe nur noch ihre Einwilligung. Dieß war der erste Augenblick, in
  welchem sie eine Art von Freude darüber empfand, daß Adalbert nicht
  in der Burg zugegen sei, das Andenken seiner Liebe lebte nur noch ganz
  schwach in ihrer Seele, nur wie die Erinnerung des gestrigen Abendmahls
  beim majestätischen Aufgang der Sonne. Sie fühlte, daß sie ihren Adalbert
  noch lange nicht so geliebt habe, als sie lieben könne, ja sie fing so
  gar an, sich ihre Gefühle abzustreiten, er war wie sie jetzt glaubte,
  nur ihr Freund gewesen. Durch die Erscheinung Löwenau's war überhaupt
  auf sein Bild jener Schatten der Gleichgültigkeit zurückgeworfen, aus
  dem die Liebe den geliebten Gegenstand an das hellste Licht hervorzieht.
  Alle Vollkommenheiten, die sie einst an Adalbert bewunderte, fand sie
  ungleich vollkommner an Löwenau wieder und jener behielt am Ende nichts
  als seine Fehler, die sie sonst immer zu seinen Vorzügen gerechnet hatte;
  und da man auch andre gern seiner eignen Fehler wegen anklagt, so
  glaubte sie darin, daß er nicht wenigstens Abschied von ihr genommen
  habe, einen Beweis zu finden, daß auch er sie nie geliebt habe. -- In
  dieser Voraussetzung fand sie sehr viel Beruhigendes, und darum ward sie
  endlich Überzeugung.
  Die Liebe stimmt die Empfindung feiner und roher, erhabner und niedriger;
  den vorher gemeinen Menschen erhebt sie oft zum Edelmuth; der Edle sinkt
  zum Gemeinen hinab, ein und ebenderselbe Gesang, der auf jedem Instrument
  in andern Tönen lebt. Was Emma sonst immer mit Verachtung angesehn hatte,
  schien ihr itzt wichtig; der geschmückte Löwenau gefiel ihr um ein großes
  Theil mehr als er ihr ohne Schmuck würde gefallen haben, sie gestand
  sich dieß Gefühl, und beschloß von jetzt an auch auf ihren Putz mehrere
  Aufmerksamkeit zu wenden. Sie sahe sogar die Erinnerung an Adalbert
  darum etwas gleichgültiger an, weil er nur ihres Vaters _Knappe_ gewesen
  war.
  Löwenau wollte eben durch den großen Gang in die Versammlung der Ritter
  gehn, als Emma, vielleicht zufällig, vielleicht mit Vorsatz, weil sie
  ihn hatte zurückkommen sehn, aus dem Gemache trat.
  Ihr hier, Fräulein? rief Löwenau etwas hastig.
  Sie wurde roth, denn sie glaubte in diesen Worten und in der Art, wie er
  sie sprach, einigen Unwillen des Ritters zu entdecken, oder den Gedanken,
  sie sei seinetwegen gekommen. -- Um in den Garten zu gehn, antwortete sie,
  indem sie rasch vorbeihüpfen wollte. --
  Ihr flieht mich? sprach der Ritter.
  Euch fliehen? Dann müßtet Ihr nicht der Ritter Löwenau sein. --
  Sie waren beide an ein Bogenfenster getreten und der Schein des Abends
  überflog mit freundlicher Röthe das Gesicht des Mädchens. --
  Fräulein, -- fing der Ritter nach einigem Stillschweigen an, die Sonne
  nimmt durch einen holdseligen Kuß von Euch Abschied, um Euch morgen
  wieder mit einem Kusse zu wecken. -- Um Euer Antlitz zittert ein blasser
  Flammenschein, man sollte Euch für eine Heilige halten.
  Daß Ihr nur nicht in die Versuchung kommt, mich anzubeten, erwiederte
  Emma schalkhaft.
  _Löwenau._ Und wenn ich nun in die Versuchung käme? -- Würdet Ihr mein
  Gebet erhören, schöne Emma? --
  _Emma._ Ich müßte erst wissen, um was Ihr mich bitten wolltet. -- Sie
  sprach diese Worte leise und mit zitternder Stimme, denn sie fürchtete
  und hoffte viel.
  So bitt' ich Euch, sprach Löwenau, nicht so schnell von mir in den
  Garten zu eilen.
  Nicht mehr als das? rief Emma schnell, und mit einem kleinen Unwillen
  über ihre getäuschte Erwartung. --
  _Löwenau._ Wenn Ihr so gütig seid, mein Fräulein, so werdet Ihr mich
  leicht zu einem ungestümen Bitter machen.
  _Emma._ Was könntet Ihr noch mehr wünschen? --
  _Löwenau._ Euch sehen und nicht wünschen? --
  _Emma._ Ihr sprecht in Räthseln.
  _Löwenau._ Daß Euer Herz sie verstehen _wollte_!
  Emma sahe starr vor sich hin. Löwenau's Augen wurzelten auf ihrem
  Antlitz, er zitterte, eine niegefühlte Empfindung bebte durch seinen
  Körper, wie mit Ketten riß es ihn zu Emma hin, er umarmte sie plötzlich
  und sprach mit leiser unterdrückter Stimme: Emma, ich liebe dich! --
  Betäubt hing er an ihrem Halse, Emma sprach nicht, eine von seinen
  Händen lag in der ihrigen, sie drückte sie schweigend.
  Liebst du mich? rief er, wie aus einem Traum erwachend. -- Ein leises
  flüsterndes »Ja,« nur der Liebe hörbar, flog ihm entgegen.
  Sein Gesicht sank auf das ihrige, er drückte einen brennenden zitternden
  Kuß auf ihre Lippen, -- kein Gedanke, kein Gefühl, keine Erinnerung trat
  vor seine Seele, als daß er _sie_ in seinen Armen halte; selbst daß sie
  ihn liebe, hatte er vergessen. --
  Emma erholte sich zuerst aus ihrer Betäubung, noch einen Kuß drückte sie
  auf seine Lippen, und flohe dann zitternd in ihr Gemach, wo sie sogleich
  athemlos auf einen Sessel niedersank, als würde sie von einem Ungeheuer
  verfolgt. Löwenau starrte ihr nach, bis der letzte weiße Schimmer ihres
  Gewandes verschwand; lange noch blieb sein Auge unbeweglich auf einen
  Punkt geheftet, als wäre ihm ein Gespenst begegnet.
  Endlich ging er in den Saal, wo alle Ritter noch fröhlich bei den
  Pokalen saßen; selbst Friedrich und Konrad hatten ihre verlornen Söhne
  vergessen.
  Löwenau wandelte wie im Traum und beantwortete jede Frage nur
  unvollständig. -- Friedrich glaubte, er sei von der Reise und vom
  Turnier ermüdet und ließ ihn durch einen Diener auf sein Zimmer führen.
  Auch die übrigen Ritter gingen aus einander. -- Löwenau entschlief, als
  sich seine Phantasie müde geschwärmt, und seine Leidenschaften in
  Erschöpfung gekämpft hatten.
   * * * * *
  Als er am Morgen erwachte, war Adalbert und sein Versprechen sein erster
  Gedanke. Furchtbar trat diese Erinnerung auf ihn zu, und mahnte ihn
  schrecklich, auf dem Wege nicht fortzuwandeln, den er zu betreten
  angefangen habe. -- Aber wie war es möglich rückwärts zu gehn? Er hatte
  ihr seine Liebe gestanden, und sie, daß sie ihn wieder liebe. Wenn dieß
  Geständniß nicht über seine Lippen geschlüpft wäre, so hätte er gegen
  seine Leidenschaft noch kämpfen können; jetzt aber würde er sich und
  Emma zugleich unglücklich gemacht haben. -- Er überließ sich und sein
  Schicksal endlich ganz und gar der Zeit, wenigstens verschob er alles
  Nachsinnen, alle Entschlüsse bis auf jene Stunde, in welcher er bei dem
  Vater um sie anhalten wollte. -- Weiß ich doch noch nicht gewiß, ob sie
  mir der Vater nicht abschlägt; geschieht es nicht, nun so kann ich ja
  auch dann noch immer für Adalbert handeln. -- Mit diesen Täuschungen
  beruhigte er die Vorwürfe, die er in dem Innern seiner Seele fühlte.
  Emma und Wilhelm waren sich bald nicht mehr fremd, das vertrauliche Du
  verdrängte bald die fremde steife Höflichkeit; denn Löwenau verachtete
  alle Zurückhaltung, alles Verschließen in sich selbst; er glaubte, es
  zieme dem Mann, stets gerade und offen zu handeln, keinem ungeprüft zu
  mißtrauen, von jedem Unbekannten das Beste zu denken, und ihn als Freund
  zu behandeln. So war Wilhelm der Freund der ganzen Welt. -- Emma,
  die nie die Burg ihres Vaters verlassen hatte, die fast immer nur
  mit Geschöpfen ihrer Phantasie umgegangen war, besaß noch weniger
  Zurückhaltung; sie äußerte sich ganz so, wie sie war, kannte Verstellung
  kaum dem Namen nach, und traute jedem offenen Gesichte.
  Er sprach itzt zuweilen von Adalbert, und sie gestand ihm, daß sie ihn
  nie geliebt habe. Sie glaubte es jetzt. -- Löwenau fühlte sich durch
  diese Erklärung glücklich. -- Beide waren sich bald unentbehrlich, und
  Löwenau gab den Einladungen Friedrichs, da die übrigen Ritter die Burg
  verließen, sehr gern Gehör. Wenn er jetzt nicht bei Emma war, war er
  sich selbst zur Last; jede Beschäftigung machte ihm Langeweile, und doch
  verlegte er die Stunde immer von einem Tag zum andern, in welcher er bei
  Friedrich um sie anhalten wollte; denn er fühlte sich in der Täuschung
  etwas beruhigt, daß er noch immer nicht gegen Adalbert handle.
  Emma war jetzt liebenswürdiger als je; der leichte Gram um Adalbert hatte
  ihr manches von ihrer Lebhaftigkeit genommen, sie war jetzt mehr eine
  stille, leidende Schönheit, die sich um so reizender an den stärkern
  Mann anschließt und hinter seiner Brust einen Schirm gegen alle Stürme
  des Schicksals sucht. Ihre neue Liebe hatte ihr einen seelenvollen Blick
  gegeben, in welchem ein schönes Feuer brannte. -- Der heftige Löwenau
  liebte sie bis zur Anbetung, denn es war seine erste Liebe. --
  Endlich aber fand er doch diese Lage peinlich, er beschloß noch heute
  mit sich und Adalbert Abrechnung zu halten, noch heute bei dem Vater
  um sie zu werben. Er ging zum alten Friedrich, den er in einem Sessel
  nachdenkend im Saale fand. -- Woran denkt Ihr, Ritter? redete er ihn an.
  _Friedrich._ Bei mir ist ja leider die Zeit gekommen, wo ich nur noch in
  der Erinnerung leben kann; die Zeit der Thaten ist verschwunden.
  _Löwenau._ Aber könnt Ihr nicht auch in der Zukunft leben?
  _Friedrich._ In der Rückerinnerung lernen wir mehr, nur Thoren sind in
  der Zukunft zu Hause. -- Wenn man seinen ganzen Reichthum anwendet, in
  jenem goldnen Lande Palläste aufzubauen, und _ein_ Windstoß sie alle
  niederreißt: wohin soll dann der verarmte Pilger fliehen? -- Über dem
  Lande der Zukunft liegt ein dicker Nebel; oft scheint uns aus der
  Entfernung etwas ein Schloß zu sein, und wenn wir näher kommen, ist
  es eine überhangende Klippe, die sich im nächsten Augenblick auf unser
  Haupt herabwirft. --
  _Löwenau._ Ihr wollt also nicht hoffen?
  _Friedrich._ O ja, aber die Hoffnung, jene Betrügerin, nicht zu meiner
  täglichen Gesellschaft machen. Das größte Glück erscheint klein, neben
  dem Bilde, das uns die Hoffnung vorhielt.
  _Löwenau._ Die Hoffnung trägt für Euch die Gestalt Emma's, und eine
  solche Tochter -- --
  _Friedrich._ Je besser sie ist, desto mehr hab' ich zu fürchten, und je
  mehr ich sie liebe, je mehr verlier' ich in ihr. Alles wär' mit ihr
  dahin! Ich wünsche nichts, als sie glücklich zu sehn; dann werde ich es
  auch sein.
  _Löwenau._ Habt Ihr noch auf keinen Eidam gedacht?
  _Friedrich._ Er schläft in Palästina, Konrad von Burgfels, ihr mußt ihn
  gekannt haben, -- ein anderer, -- o ich mag nicht gern daran denken!
  -- ein gewisser Adalbert liebte sie, ich schlug sie ihm ab; wäre er jetzt
  hier, sie wäre sein. --
  Löwenau schwieg, und sahe düster vor sich nieder. Ein gewisser -- Wollt
  Ihr sie keinem Ritter von berühmtem Hause geben? fragte er endlich.
  _Friedrich._ Wer weiß ob sie mit einem solchen glücklich wäre?
  _Löwenau._ Wenn er sie, wenn sie ihn liebte?
  _Friedrich._ Dann würd' ich mich keinen Augenblick bedenken.
  Löwenau kämpfte jetzt einen schweren Kampf, sein Edelmuth und seine
  Liebe rangen hartnäckig mit einander; oft wollte er den Namen Adalbert
  aussprechen, aber der Name starb auf den Lippen bei dem Gedanken an
  Emma. -- Die Liebe blieb Siegerin. -- Würdet Ihr mich als Eidam
  verschmähen, Ritter?
  _Friedrich._ Euch? -- Ist das Euer Ernst?
  _Löwenau._ Könntet Ihr mir jetzt wirklich Scherz zutrauen?
  _Friedrich._ Sie ist Euer, wenn sie Euch liebt.
  _Löwenau._ Dafür kann ich Bürge sein. --
  _Friedrich._ Nun so darf ich doch endlich hoffen, ein glücklicher Vater
  zu werden; ich zweifelte schon daran, denn man muß sich gewöhnen, an
  allem in dieser Welt zu zweifeln, was dem Glücke ähnlich sieht.
  _Löwenau._ Ihr seid heute besonders traurig gestimmt. --
  _Friedrich._ Ich will es nicht länger bleiben, mein Eidam muß nicht
  glauben, daß er an mir einen mürrischen Vater erhält.
  Die Ritter sprachen noch lange zusammen; Friedrich ward sehr heiter,
  Löwenau ging endlich spät in sein Schlafgemach.
  Sie ist mein! rief er aus. -- Unwidersprechlich mein. -- Itzt sei es
  fest beschlossen. -- Sie ist mein, Adalbert! und sollt' ich darüber mein
  Leben, welches ich dir danke, gegen dich auf's Spiel setzen müssen.
  Die Freundschaft sterbe für die Liebe. Sie liebt ihn nicht; sie wäre
  unglücklich, und -- bei allen Heiligen! -- sie verdient es nicht zu
  sein. Auch er wird sie vergessen, -- oder mein Leben -- ein nichtiges
  Geschenk ohne sie, zurückfordern. Mag er! ich werde es vertheidigen,
  denn jetzt ist es Emma's Eigenthum. Der große Vertrag mit seinem Gewissen
  war bald von der Leidenschaft abgeschlossen; ihre Sprache hielt er für
  die Stimme der unpartheiischen Wahrheit, und schlief zu glücklichen
  Träumen ein.
   * * * * *
  Emma! du bist mein! dein Vater hat dich mir zugesagt, du mein! ich dein!
  so rief Löwenau als er in Emmas Zimmer trat und in ihre Arme eilte.
  -- Jetzt kann uns nichts in der Welt von einander reißen.
  _Emma._ Ich dein? du mein? --
  _Löwenau._ Nur etwas mangelt unserm Glück und dieses Wort umfaßt noch
  mehr.
  _Emma._ Was könnte dieses Etwas sein?
  _Löwenau._ Daß Adalbert alle seine Rechte auf dich aufgiebt; so lange
  wir noch fürchten müssen, daß er zwischen unsre Umarmungen tritt, so
  lange sind wir nur halb glücklich. -- Emma, ich weiß den Ort seines
  Aufenthalts, schicke ihm durch einen Bothen nur wenige Worte, die ihm
  sagen, daß du ihn nicht mehr liebst, daß er jeden Gedanken an dich
  vergessen solle, daß du mein seist. -- Ich bitte dich darum, Emma.
  Dann wollen wir uns ohne alle Besorgnisse ganz dem Glück unsrer Liebe
  überlassen, dann soll keine ängstliche Furcht uns nahe treten, dann will
  ich es trotzig mit der Zeit aufnehmen, ob sie durch unzählige Jahre im
  Stande sei, meine Liebe zu schwächen.
  Emma gab sehr leicht ihre Einwilligung, auch Löwenau setzte sich und
  schrieb diesen Brief:
   _Adalbert!_
   Mein Versprechen ist gebrochen! rechte mit dem Schicksal und nicht
   mit mir! Ich bin unschuldig. -- Engel gaben der Versuchung nach und
   verspielten ihr ewiges Glück; ich bin nur ein schwacher Mensch, mag der
   Verlust Deiner Freundschaft meine Schwäche bestrafen. -- Emma gehört Dir
   nicht mehr, sie ist mein, mir von ihrem Vater und der Liebe zugesagt.
   Zweifle nicht Adalbert, sie liebt Dich nicht, sie hat Dich nie geliebt.
   Alle Deine Hoffnungen sind durch mich gemordet; ermorde mich, wenn Du
   Dich rächen mußt; aber ihren Besitz wirst Du mir nie streitig machen.
   Gieb sie verloren Adalbert, sie kann in Ewigkeit nicht die Deinige
   werden. Ich bin der Hüter dieses Schatzes; wer ihn erlangen will, muß
   mich erst tödten.
   _Löwenau._
  Emma hatte indessen einige Worte geschrieben, die sie ihm gab. Er legte
  sie in seinen Brief und siegelte ihn.
   _Ritter_,
   Vergeßt mich, so wie ich Euch vergessen will, denkt an mich stets wie
   an einen verstorbenen Freund; ich bin die Verlobte eines Ritters und
   darf mich daher nicht mehr nennen:
   Eure Emma.
  Löwenau gab die Briefe seinem Knappen Franz, der ihn nach Mannstein
  begleitet hatte. Dieser ritt noch an eben dem Tage fort, um so früh als
  möglich auf der Burg Löwenau's anzukommen.
  Friedrich und Löwenau dachten itzt nur an das Vermählungsfest, welches
  sie recht glänzend zu machen beschlossen. Emma war in den Armen ihres
  Geliebten so glücklich, als man es auf dieser Welt sein kann.
   * * * * *
  Adalbert lebte während dieser Zeit noch immer unter seinen schönen
  Hoffnungen und erwartete täglich die Bothschaft seines Glücks. Sein
  vergebliches Warten machte ihn nicht traurig, nur verdrüßlich, denn
  dieser Aufschub schien die Hoffnung von dem glücklichen Fortgang des
  Unternehmens zu bestätigen. Er war oft auf die Jagd gegangen, hatte die
  schönen Gegenden in der Nähe besucht und dachte jeden Abend bei der
  Heimkehr, einen Bothen seines Freundes zu finden.
  Er war von einem seiner Spaziergänge zurückgekommen und stand an eine
  Buche gelehnt, das Wolkenspiel im Abendroth zu betrachten, als er in der
  Ferne einen Reuter erblickte, der sich dem Schlosse näherte. Er erkannte
  bald in ihm Franz, den Knappen Löwenau's. -- Schnell eilte er mit der
  Frage auf ihn zu: ob ihn der Ritter gesendet habe. -- Franz antwortete
  mit Ja und überreichte ihm den Brief Löwenau's. --
  Adalberts Herz klopfte heftig als er den Brief und die Aufschrift
  betrachtete, er zögerte ihn zu erbrechen. -- Unaussprechliches Glück,
  oder Tod springt mir entgegen, -- noch, noch darf ich hoffen, noch bin
  ich glücklich. -- Die Sonne war untergegangen, er ging auf sein Zimmer,
  den Brief beim Schein eines Lichtes zu lesen. Dieser Augenblick war ihm
  feierlich, eine heilige Stille schwebte längst den Wänden des Gemachs,
  eine Grille zirpte leise und eine ferne Glocke tönte über den Berg
  herüber. -- Er lößte das Siegel.
  Emma's Brief fiel ihm zuerst auf, er kannte die Hand und küßte das
  Pergament. -- Er las -- und ward bleich, -- er las von neuem und schaute
  wild mit weit geöffneten Augen empor, alle seine Gedanken verirrten sich,
  er wußte nur, daß er elend sei, kalt und fürchterlich faßte ihn diese
  Überzeugung an; was sein Elend sei, war aus seiner Seele geschwunden.
  Emma! rief er endlich mit fürchterlicher Stimme, indem seine Besinnung
  zurückkehrte. -- Er wagte es, noch einmal zu lesen, dann las er den
  Brief Löwenau's. -- Seine Augen schlossen sich, wie von einer zu großen
  Helle geblendet, krampfhaft schlug er die Zähne zusammen und hing kalt
  und starr wie eine Leiche in dem Sessel. -- _Das_ hatte er nicht
  erwartet.
  Er sprang nach einer Stille auf und brüllte wie ein Rasender: Fluch über
  alle, die in dieser Stunde glücklich sind! Fluch über alle Elende! -- Ja,
  ich fluche mir selbst, ich fluche mir und ihr -- o ihr Verzweifelten!
  kommt zu mir her an meine Brust und helft mich verfluchen! _Eure_ Emma?
  _Eure_ Emma? -- Du lügst Meineidige! so hast du dich nie genannt! --
  Mir hat noch keine Hoffnung Wort gehalten, keine Seligkeit der Erde hat
  mich Freund genannt. Mein Leben ist ein schwarzes Gewebe von Unglück,
  wie von einem Feind werd' ich vom Elend verfolgt, durch tausend Quaalen
  jagt es mich in den Rachen des Todes. _Meinetwegen_ wird ein zärtlicher
  Vater grausam, _meinetwegen_ ein edler Freund ein Ungeheuer, -- ich gebe
  die Hoffnung, ich gebe das Schicksal auf. Ein blindes Ohngefähr würfelt
  mit Glück und Unglück, -- gut, so will ich denn auch handeln, so lange
  ich noch handeln kann, -- ich will zu ihnen, sie sollen aus ihren
  Umarmungen zurückstürzen, als hätten sie den Schuppenhals eines Drachen
  berührt. -- Ich will nicht _allein_ unglücklich sein, die _Liebe_ haßt
  mich, der _Haß_ soll mich itzt glücklich machen.
  _Eure_ Emma? -- Konnte deine Hand diese Worte schreiben? Dieselbe Hand,
  die mir so oft den Schweiß des Kampfes von der Stirn trocknete, dieselbe
  Hand, die so oft in der meinigen lag und mich deiner Liebe versicherte
  -- o Himmel! was für ein armseliges Ding ist die Tugend, wenn sich
  in wenigen Wochen der Mensch so ganz umschaffen kann! Richtet keinen
  Bösewicht mehr hin, er ist in wenigen Tagen vielleicht ein Muster für
  seine Richter! -- Tugend? -- Für mich ist keine Tugend, kein Gott mehr,
  denn sie, das Unterpfand für beide, ist mir verloren.
  Er drückte knirschend Löwenaus Brief zusammen, sein Athem drängte sich
  schwer durch seine Kehle, tausend Centner waren auf seine Brust gewälzt.
  -- Sein Blick fiel auf Emma's grünes Band nieder, das er auf seiner
  Brust immer als eine Reliquie getragen hatte, er riß es wüthend herab.
  Das Pfand ihrer Treue! ihrer Liebe! -- -- Sie will mich vergessen. -- Ich
  kann sie nie vergessen, und warum sollt' ich es auch? -- wenn ich sie
  vergessen könnte, dann könnte ich einst wieder lächeln -- aber das werd'
  ich nie wieder.
  Er schwieg und lehnte sich in eine Ecke des Zimmers, alles war still wie
  eine Todtengruft.
  Du hast mir mein Leben gestohlen, Emma, sprach er leise, um die tiefe
  Einsamkeit nicht zu stören; ich werde bald sterben und habe umsonst
  gelebt, von mir darf Niemand Rechenschaft dort jenseits fordern, nur
  über Jammer kann ich Red' und Antwort geben, -- Emma, ich weise den
  fürchterlichen Richter an dich, und an dich Wilhelm!
  _Eure_ Emma! -- Hättest du mir doch wenigstens das armselige »Du« übrig
  gelassen, -- aber _nichts_ sollte mir übrig bleiben. -- Gut, setzte er
  mit schrecklicher Kälte hinzu, auch dies Band will ich dir zurückbringen.
  Er glaubte einigemal, Emma und sein Freund hätten nur auf eine grausame
  Art mit ihm scherzen wollen, um seine Liebe auf die Probe zu stellen;
  er dachte, er hätte in seiner Wuth einige Ausdrücke zu stark empfunden,
  er suchte dann nochmals in den Briefen nach und quälte sich den
  fürchterlichen Sinn zu mildern, -- aber umsonst! der kalte, gefühllose
  Buchstabe blieb derselbe, und seine Pein fand keine Linderung.
  Der Ritter durchlebte eine fürchterliche Nacht, er konnte nicht
  schlafen, aber auch nicht wachen; tausendmal stand sein Verstand
  vor dem fürchterlichen Thor des Wahnsinns, er sahe tausend Gestalten
  vorüberziehn, die ihn bald mit Entsetzen, bald mit Wonne erfüllten;
  in dem einen Augenblick lag er in den Armen Emma's, alles war nur
  ein fürchterlicher Traum gewesen; er drückte sie an sein Herz,
  und das Knistern des Briefs, den er noch immer in seiner Hand fest
  eingeschlossen hielt, weckte ihn wie durch schadenfrohen Zauber aus
  seiner Trunkenheit. Bald kämpfte er mit Löwenau um Tod und Leben und sah
  ihn unter seinen Streichen fallen; bald verschlang alles um ihn her eine
  große wüste Leere, er stand mit seinem Schmerz allein in der tauben
  ausgestorbenen Wildniß, von einer unendlichen Nacht umfangen; Geister
  fuhren auf fernen Donnern und schwache Blitze spalteten das ungeheure
  Reich der ewigen Öde.
  Er fühlte, wie seine Kräfte merklich schwanden. Gott! rief er, wenn ich
  diese Nacht sterben müßte! ohne sie noch einmal zu sehn! -- Mein Geist
  muß von meiner gestorbenen Emma Abschied nehmen, ich _muß_, ich muß sie
  sehn.
  Er wartete ängstlich auf den Anbruch des Morgens, die Nacht schien ihm
  Hohn zu sprechen, der Morgen kam immer noch nicht. -- Endlich zitterte
  der erste graue Streif des Tages empor und Adalbert sprang schnell auf,
  riß ein Roß aus dem Stalle, und sprengte hinweg. Sein treuer Hund, der
  ihm oft auf der Jagd gefolgt war, begleitete ihn.
  Er jagte rasch der Sonne entgegen, er spornte sein Roß unaufhörlich,
  denn die größte Eile war ihm zu langsam.
  Eine drückende Hitze zog herauf und sein Roß war schon ermüdet, als er
  einen Ritter einholte, der auch diese Straße zog. -- Wohin? fragte er
  diesen. -- Nach Mannstein, war die Antwort, zur Hochzeit des edeln
  Löwenau und der schönen Emma. -- Adalbert lachte wild auf. -- Worüber
  lacht Ihr? -- Voll Freude, daß wir einen Weg haben. -- In eben dem
  Augenblicke gab er von neuem dem Rosse die Sporen und sprengte wie
  rasend hinweg. -- Warum eilt Ihr so? rief ihm der Ritter nach. -- Seht
  Ihr nicht, schrie Adalbert zurück, wie mir der bleiche Tod nachjagt?
  -- Er war ihm bald aus den Augen.
  Das grüne Band war um seinen Arm gebunden und flatterte ihm nach;
  Todtenblässe hatte sein Gesicht überzogen, sein Roß keuchte und sein
  treuer Hund lief ihm oft voraus, und sah ihn winselnd an, -- aber ohne
  Bewußtsein jagte er immer wieder in neuer Wuth weiter. -- Am Abend
  stürzte der Rappe todt nieder, der Hund war fort, als er sich nach ihm
  umsah. -- Auch er hat mich verlassen, dachte Adalbert; aber der treue
  Gefährte lag schon weit hinter ihm sterbend am Wege.
  Adalbert reiste zu Fuß die ganze Nacht hindurch, seine Kräfte schienen
  übermenschlich, tausend Schrecken schienen ihn unermüdet vor sich hin
  zu jagen. -- Am Mittag des andern Tages entdeckte er in einem kleinen
  versteckten Thale eine Schäferhütte, sein Gaumen war von der Hitze
  aufgeschwollen, er trat in die Hütte und begehrte von einem Greise, den
  er dort fand, eine Schale Wasser. -- Ihr sollt kühle Milch bekommen,
  sagte dieser, und gab seiner Tochter den Auftrag eine Schale voll zu
  holen. -- Das kleine Mädchen eilte willig hinweg und Adalbert stand
  düster an die Thür gelehnt. -- Das Mädchen verweilte etwas lange. Wo
  bleibst du, Emma? rief der Alte. Adalbert fuhr auf, das Mädchen trat in
  eben dem Augenblick herein und bot ihm freundlich lächelnd die Schale.
  Statt sie an den Mund zu setzen, warf er sie wüthend auf den Boden, daß
  sie in tausend Scherben zersprang; dann eilte er wie ein Wahnsinniger
  weiter.
  Die Sonne ging schon unter, als er auf der Grenze des Horizonts einen
  Thurm erblickte, der ihm bekannt schien; -- tausend Erinnerungen kamen
  in seine Seele zurück, -- es war die Burg Mannstein.
   * * * * *
  Er stand still und sahe mit langem Blick nach der wohlbekannten
  väterlichen Gegend, und in seine Verzweiflung mischten sich einige
  Tropfen der Wehmuth, sie _so_ wiederzusehn. Die Burg stand zaubervoll
  da in einem rothen Flammenschein. Die Sonne ging blutig unter.
  Er eilte weiter. Der letzte Streif des Tages verschwand hinter einen
  grünen Berg; der Mond brach hervor, und glänzte durch die zitternden
  Tannenzweige. Schon unterschied er die erleuchteten Fenster der Burg,
  schon erblickte er in ihnen Schatten, die ungewiß hin und wieder
  schwebten, schon hörte er immer näher und näher das Tönen der Trompeten
  und den Donner der Pauken, -- tausend brennende Dolche fuhren durch
  seine Brust.
  Jetzt war er an die Burg gekommen. Er ging durch das offne Thor, das
  frohe Getümmel der Gäste lärmte ihm entgegen, er hätte gern geweint,
  aber seine Augen waren trocken. Er schlich sich in den Burggarten und
  setzte sich in eine kleine Laube, welche ein Fliederbaum bildete; bald
  sahe er still und mit anscheinender Ruhe durch die monderhellte Gegend,
  bald nach der geräuschvollen Burg. -- Alle seine Empfindungen wurden
  nach und nach abgespannt; er war betäubt, als er zwei Gestalten auf sich
  zukommen sah, -- es waren Löwenau und Emma. --
  Löwenau hatte sich in sich selbst geirrt, er hatte sich für stärker
  gehalten, als er wirklich war, die Stimme seines Gewissens war nur
  unterdrückt gewesen, sie fing itzt um so lauter an zu sprechen. Er
  begann zu ahnen, daß er in Emma's Armen nie recht glücklich sein würde,
  aber ohne Emma lag ein grenzenloses Elend vor ihm. Er war am Abend still
  und nachdenkend gewesen, und wollte itzt mit Emma einen Spaziergang
  
You have read 1 text from German literature.