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Ludwig Tieck's Schriften. Achter Band - 11

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  das der größern Kraft wider Willen nachgeben muß. -- O das ist ein
  Gedanke, der mich dem Wahnsinn entgegen führen könnte. -- Alle meine
  Wünsche gehen hier unter, mein Wille ist todt, -- ich muß, ich muß es
  vollbringen, und dann erst wird das Werkzeug aus den Händen gelegt.
  -- Wo finden meine Gedanken auf diesem Meere einen Ort der Ruhe? -- Wo
  eine Insel, an die sie im Sturme landen können? --
  Er setzte sich in das Gras unter einem dichten Baum und sahe starr dem
  Spiel der Mücken und Gewürme auf der Erde zu. --
  
  
  Viertes Kapitel.
  
  Ein Geräusch dicht neben ihm im Busche schreckte ihn auf, _Raschid_
  stand vor ihm. --
  Er sprang auf und fiel seinen Freund schnell in die Arme. -- O, rief er,
  das ist es, was ich suchte, ja, ein Mensch hat mir gefehlt und dieser
  wird mir itzt gesendet.
  Wir sind beide unglücklich, sagte _Raschid_, Elend verschwistert unsre
  Seelen.
  _Abdallah._ Du elend? -- O worin kannst du unglücklich sein?
  _Raschid._ Ich? -- Ich irre in der Nacht und am Tage durch verlassene
  und wüste Gegenden, ich wünsche und hoffe und verzweifle in demselben
  Augenblick, -- ach Abdallah! Abdallah! du weißt vielleicht, was Unglück
  ist, nicht wahr, du würdest mich glücklich machen, wenn du es könntest?
  _Abdallah._ Ja ich weiß was Elend ist, Unglück ist mir nicht fremd.
  -- Aber was kannst du bei mir wollen? Suchst du Quaalen und Verzweiflung?
  -- o die kann ich dir geben, -- sieh! dies sind meine Schätze!
  Sie gingen mit einander, in Abdallah's Busen lag es zentnerschwer, er
  wollte zu reden anfangen und schwieg dann wieder furchtsam. Endlich
  umarmte er den Freund noch einmal glühend: Raschid! Raschid! rief er, du
  bist ein Mensch, nicht wahr, es schlägt ein fühlendes Herz in dieser
  Brust? deine Seele ist für Mitleid nicht taub, -- o sprich! nur ein Wort
  der tröstenden Linderung! --
  _Raschid._ Du schweigst? vertraue deinem Freunde den Sturm, der in deiner
  Seele wüthet. -- Was kann dich so mit Riesenkräften niederdrücken?
  Abdallah schwieg noch immer, -- ich liebe Zulma! rief er dann plötzlich.
  -- Ach, ich muß dies fürchterliche Geheimniß in einen Menschenbusen
  ausschütten, o tröste mich, -- verzeihst du mir, nennst du mich Bruder,
  wenn -- hast du je die Allmacht der Liebe gefühlt?
  Zulma? rief Raschid und stürzte bleich zurück, Zulma? O Unglücklicher!
  _Abdallah._ Nur ein Wort aus deinem Munde! _Darf_ ich sie wünschen?
  -- macht mich meine Liebe zum Ungeheuer? -- warum starrst du mich so an?
  Willst du mir keinen Trost geben?
  _Raschid._ Trost? -- Dieses Entsetzen hat mich zu dir gejagt, ich kam zu
  dir, um zu deinen Füßen mir mein Glück zu erbetteln, -- du liebst Zulma,
  -- o Unglücklicher, so wisse, so erfahre es denn und schaudre bis in das
  Innerste deiner Seele, -- auch Raschid liebt diese Tochter der Sonne!
  aus dieser Quelle sind alle meine Martern geflossen, dies hat mich seit
  Jahren gepeinigt und an der Wurzel meines Lebens genagt.
  _Abdallah._ Du liebst sie? du? -- O Raschid, hinweg! du bist nicht mehr
  mein Freund! -- ich verlange einen Ton der mich tröstet, ich schlage
  verzweifelnd an die Laute, -- aber alle ihre Saiten sind zerrissen, kein
  Wiederhall in der ganzen Schöpfung!
  _Raschid._ Darum bin ich hier, Selim sollte mich glücklich machen, du
  solltest mir ihn abtreten.
  _Abdallah._ Nein! nein! -- O beim Unendlichen, alles thürmt sich immer
  höher und höher, alle Schrecken wachsen zu Riesen auf und werfen sich
  mir entgegen. -- Nein, nein, Raschid, du darfst nicht, Selim ist mein
  und Zulma mein, deine Hand darf es nicht wagen, in mein Glück zu
  greifen.
  _Raschid._ Hinweg Freundschaft und Mitleid! die Liebe kömmt ihren Thron
  zu besteigen! Ich bin nicht mehr Raschid, nicht mehr dein Freund -- Ja,
  ich will den großen Kampf mit dir eingehen, Abdallah, unsre Freundschaft
  sei zerrissen! Fluch um Fluch, Hölle um Hölle, alle Schrecken gegen
  einander, -- Zulma ist mein! mein, sag' ich, -- endlich hat der Himmel
  den Verstoßenen wieder angenommen, ich bin mit mir selber ausgesöhnt.
  _Abdallah._ Raschid, ich ziehe allmächtig diese Waage nieder, die zu den
  Wolken aufgeschnellt wird, dieser Baum ist mein, in dessen Schatten du
  dich lagern willst, -- Zulma liebt mich! --
  _Raschid._ O sie wird, sie muß mich einst lieben, deines Vaters Elend
  ist eine Leiter, die mich in den Himmel trägt, ich will verwegen bis
  auf die letzte schwindelnde Sprosse steigen und wie ein Gott auf die
  armselige Welt hinabsehen.
  Er wollte gehen und Abdallah hielt ihn mächtig zurück. -- Wohin willst
  du? rief er aus, Schrecklicher!
  Zu Ali, antwortete _Raschid,_ dein Vater ist ein Unterpfand, das
  mir nicht entrinnen wird, ich bin nicht vergebens deinen Schritten
  nachgeschlichen; o ich muß eilen, denn ich fühl' es im Innern meiner
  Seele, für Zulma würd' ich freudig meinen Vater und meine Mutter der
  Schlachtbank überliefern.
  Sie rangen hartnäckig mit einander. -- O noch, noch verweile, rief
  Abdallah, nur diesen einzigen Tag noch, nur diese Stunde schenke mir
  noch mitleidig!
  Um in dieser um meine Seligkeit betrogen zu werden? antwortete Raschid.
  -- Nein! zurück von mir! -- Er riß sich gewaltsam los und entflohe mit
  der Eil des Windes, auch keinen flüchtigen Blick warf er seinem Freunde
  rückwärts. --
  Abdallah sahe ihm betäubt und schwindelnd nach. -- Ha! nun ist es ja
  entschieden, sagte er mit unterdrücktem Lächeln, meine Martern habe ich
  umsonst geduldet, Zulma ist mir ewig, ewig verloren. -- Ha! wie es in
  meinem Innern tobt und wüthet! -- Kalt steh' ich da und sehe, wie auch
  meine letzte Freude von einem fremden Vorübergehenden lachend gemordet
  wird. -- Er verhöhnt Freundschaft und Liebe und fliegt nach seinem
  glänzenden Ziel, -- nur ich zögernder Thor schlage mich mit tausend
  Zweifeln und verliere den großen Augenblick. -- Zulma nicht mein,
  Raschids? -- O das, das kann, das soll nicht sein! So weit dürfte dieser
  Fremde sich in mein Paradies hineinwagen? -- Was hält mich denn zurück?
  -- Wollte er nicht seinen Vater dieser Wonne ohne Bedenken opfern? -- O
  er ist ja auch ein Mensch, -- er liebt ja Gott und betet das Schicksal
  und die Tugend an und dennoch, -- mir ist alles genommen und doch zögert
  meine Trägheit noch? Wie mit hundert Stricken wird mein Arm zum tödtlichen
  Streich herabgerissen und ich kämpfe noch gegen diesen Schlag, -- und
  muß Selim nicht dennoch sterben? -- Er muß -- und ich und Zulma sind
  unglücklich, -- ja, ja, es muß sein, -- ich höre die Stimmen umher
  brüllen, die mich zur That anmahnen. --
  Er drängte sich in wüthender Eil durch die Gebüsche und sahe auf der
  Landstraße Raschid schon weit voraus, der der Stadt zueilte. Geängstigt
  rennt er ihm nach und stürzt wie beflügelt hinter ihm her, seine Augen
  sahen den Weg nicht, sein Athem röchelte laut, oft biß er knirschend die
  Zähne zusammen. -- Endlich erreichte er ihn matt und ohne Bewußtsein.
  -- Halt! rief er laut, -- halt an mit deiner Beute, Betrüger!
  Raschid sahe rückwärts und erblickte Abdallah, er wollte ihm von neuem
  entfliehen, aber gewaltig ergriff ihn Abdallahs Arm und hielt ihn zurück.
  -- Nein, du sollst mir nicht entrinnen, schrie er wüthend, schwöre hier
  durch einen gräßlichen Eid dich von Zulma los, -- oder beim Propheten!
  ich vergesse unsre Freundschaft, so wie du sie vergessen hast.
  Raschid wollte sich los machen, aber Abdallah schlug seine Arme um ihn
  und hielt ihn mit der Kraft eines Riesen an seine Brust geklammert.
  -- Zurückgerissen von dem Sonnenglanz, rief er, sollst du in einem ewigen
  Dunkel verschmachten, schwöre Zulma ab und wirf deine frechen Wünsche
  hinter dir, -- ha! Selim ist _mein_ Vater, nur Vatermord kann dich
  Zulma's würdig machen.
  Ich schwöre nicht! schrie Raschid auf, -- von mir Schändlicher! für
  Zulma ring' ich mit dir um Leben und Tod. --
  Er versuchte es, sich mit allen Kräften aus Abdallah's Armen zu
  schleudern, aber dieser drängte ihn zu fest an sich, Raschid biß ihn
  mit den Zähnen wüthend in den Arm, um sich frei zu machen. -- Sie rangen
  unter einem dumpfen Gebrülle gegen einander, kräftig warfen sie sich hin
  und her, die Erde dröhnte unter ihren Tritten. -- Endlich warf Abdallah
  den ermüdeten Raschid nieder, er kniete auf ihn hin. -- Willst du itzt
  Zulma zurückgeben? schrie er und stierte ihn mit einem eisernen Blicke
  an. -- Nein, nein, und müßt ich ewig dafür verdammt werden, nein! brüllte
  ihm Raschid zu. -- Abdallah zog einen Dolch und stieß ihn in die Brust
  des Überwundenen, ein großer Blutstrom stürzte hervor und floß über
  die Erde. -- Unter krampfhaften Zuckungen starb Raschid endlich, ein
  Schleier zog sich über sein starres hervorgetriebenes Auge, er lag
  bleich und unbeweglich da. --
  Abdallah stand über ihm und betrachtete ihn mit fürchterlicher
  Schadenfreude. -- Warum rufst du nicht mehr Zulma's Namen aus? sagte
  er bitterlächelnd, wirst du mir sie itzt noch abkämpfen wollen? -- Kann
  ich nun ruhen, ohne deine Eile zu fürchten? -- Nun wirst du sie nicht
  gewinnen, die Würmer nehmen dich in Besitz! Nun ist sie mein, mein! o
  ich will es dir in die Ohren schreien, bis du von neuem fluchst, -- Zulma
  ist mein! -- Ha, warum bist du im Augenblick so kalt, gleichgültig und
  träge geworden? -- Liebst du Zulma nicht mehr? -- verdient sie itzt
  nicht mehr die Huldigung deiner Wünsche? --
  Ein plötzlicher heftiger Schauder fiel ihn an, er wandte sich und flohe
  mit Windesschnelligkeit zur Stadt.
  
  
  Fünftes Kapitel.
  
  Er stürzte wild in die Stadt hinein und eilte wie ein Rasender durch die
  Straßen, alles wich ihm furchtsam auf seinem Wege aus, man hielt ihn für
  einen Wahnsinnigen, der seinem Kerker entsprungen sei und jedermann sahe
  ihn mit Furcht und Mitleid nach. Er schweifte wüthend umher und stand
  itzt vor dem Pallast des Sultans. Als er hineinstürzen wollte, hielten
  ihn die Leibwächter zurück. Er wollte sich mit Gewalt hindurchdrängen,
  er schrie laut, man sollte, man müßte ihn zum Sultan führen, man stieß
  ihn wie einen Unsinnigen fort; da er aber stets von neuem und stets
  dringender bat, nahm man ihm endlich seinen Dolch ab und ließ ihn in
  den Pallast treten. _Mehmed,_ der Vezier, begegnete ihm, Abdallah's
  Knie zitterten, seine Stimme war nur ein gebrochenes Lallen. Der Vezier
  sahe ihn mißtrauisch an und ging endlich in das Gemach des Sultans.
  -- Abdallah stand zitternd auf dem langen Gange vor den Thüren der
  Zimmer, er wußte nicht mehr, wer er war und was er wollte, vorübergehende
  Sklaven betrachteten ihn mit Erstaunen, wie einen niegesehenen Fremdling,
  er sahe scheu umher, alle fuhren vor ihm, wie vor einem Mörder zurück.
  Sein Zustand war fürchterlich und doch wünschte er ihn verlängert,
  sehnlich wartete er auf die Eröffnung der Thür und konnte sich diesen
  Augenblick nie als wirklich denken; ein wehmüthiges Entsetzen, eine
  fremde Verzweiflung, die ihn mit einer kalten Freude erfüllte, herrschte
  in seiner Seele. Itzt war ihm nichts werth und nichts verhaßt, er war
  sich selber abgestorben, in einem dumpfen Nachsinnen verloren, gab er
  sich endlich Mühe zu entdecken, warum er dort stehe und auf was er
  harre. -- In einzelnen Streifen brach sich der Sonnenschein durch die
  Fenster und er betrachtete aufmerksam die kleinen zitternden Strahlen,
  die sich zusammenwebten und wieder auseinander flogen, sein unverwandtes
  Auge verlor sich in aufmerksamen Betrachtungen von hundert Kleinigkeiten,
  dann sahe er wieder nach den Sklaven, die vor ihm zitterten und eine leise
  Ahndung sprach in ihm an, als müßte er sich vor ihren Blicken schämen.
  -- In der Ferne flog ein Schall den langen Gang hinab, mit seinem todten
  eiskalten Blick sah er hin, es war _Zulma,_ die mit einigen Sklavinnen
  dicht vor ihm vorüber in ein Gemach ging, ein Schleier bedeckte ihr
  Gesicht, aber er erkannte ihren Gang und den Glanz ihres Auges durch
  die Verhüllung. Alle seine gefesselten wüthenden Leidenschaften wurden
  plötzlich von eisernen Banden wie Wirbelwinde losgelassen, er kam zu
  sich selber zurück und fand jedes Entsetzen in der grauenvollen Wohnung
  wieder. Er starrte dem Schimmer ihres Gewandes lange nach, sie hatte ihn
  nicht erkannt. -- Wo bist du? fragte ihn ein aufwachender Gedanke, -- und
  was willst du? -- Ha! die Verdammniß hält dir noch einmal die trügende
  Speise an der giftigen Angel hin; war es nicht _Zulma_, die vorüberging?
  -- Es ist _meine_ Zulma, sprach er in sich weiter, sie ist _mein_, jetzt
  geh' ich hin und bezahle den großen Kauf, die Hölle reicht mir ihre
  Verschreibung. -- Jetzt, jetzt wird der fürchterliche Augenblick nahen,
  der mich zum ernsten Verhör fordert, doch auch _er_ wird vorübergehen,
  die Zeit verschlingt geizig alles. -- Aber auch mein Glück wird
  verschwinden, es wird eine Zeit kommen, in der ich sagen werde, Zulma
  _war_ mein und dann? -- Nein, nein, ich will die Zeit festschmieden und
  ihre Räder zerbrechen, lahm soll sie langsamer von dannen schleichen.
  Die Wonne der Liebe soll mich berauschen bis ich wahnsinnig werde; wenn
  ich Zulma in meinen Armen halte, dann soll sich die Hölle nicht an mich
  hinanwagen, ihre Schuld einzufordern, o, ich will, ich _will_ glücklich
  sein, -- ich will schwören, daß ich nicht elend sein werde, der Fluch
  Selims trifft mich im Paradiese an, und flattert scheu zurück, in Zulma
  finde ich die Tugend und Gott, nur hier will ich anbeten, ich will mir
  selber Trotz bieten; die Seele ist verächtlich, die nicht Muth hat, von
  sich zurückzuschleudern, was feindlich in ihre Seligkeiten bricht, nur
  der Furchtsame leidet, durch seine feige Einwilligung ist der Elende
  elend, -- ha! ich trotze dem Schicksal und der Allmacht, ich will kühn
  schroffe Klippen erklettern und mit hohnlachendem Triumph meine Kränze
  aus den Schrecken pflücken, -- wer, wer kann mir verbieten glücklich zu
  sein? Wer will meinen frechen Geist beherrschen? Wer in Zulma's Armen
  Elend auf mich herabsprechen? -- o er versuch' es, der Ewige, -- _mich_
  treffen seine Flüche nicht, -- mein Glück ist meine Tugend, ohne Zulma
  bin ich unglücklich, -- Tugend ist ein nichtiger Schall, der verdammende
  Richter hat in seinem Busen nie die Menschheit gefühlt, -- ein tyrannisches
  Schicksal hat eherne Gesetze für uns geschrieben, der Ewige hielt seine
  Erschaffenen für Engel, -- er selber versteht die Menschheit nicht,
  -- darum zertrümmert diese Gesetze, er wird einst verzeihen, oder er ist
  ein Tyrann, der die Schöpfung belebte, um sich ihrer Quaalen zu freuen. --
  Die Thür des Gemaches öffnete sich. Der Vezier des Sultans trat heraus
  und führte Abdallah in ein prächtiges Zimmer; Ali saß in einer kalten
  empörenden Wuth auf einem Sessel und sahe dem eintretenden Abdallah
  starr entgegen; der Jüngling warf sich vor ihm nieder.
  Eine lange Stille. Ali blickte auf ihn ernst herab, Abdallah wagte es
  nicht, die Augen aufzuheben. Seine Sinne hatten ihn verlassen, er ächzte
  laut in einer todten Betäubung. -- Was willst du? fragte ihn endlich der
  Sultan mit zurückschreckender Kälte.
  Abdallah hob sein Haupt auf und blieb auf den Knien liegen. -- Was
  ich will? -- antwortete er leise. -- O diesen großen, schrecklichen,
  einzigen Augenblick wollt' ich. -- Itzt, itzt ist er da! -- Was such'
  ich hier? -- Warum kam ich hierher? -- Wer bist du?
  Er ist wahnsinnig! schrie Ali auf, hinweg mit dem Unsinnigen!
  Sklaven näherten sich und wollten ihn hinwegführen, Abdallah widersetzte
  sich ihnen stumm, -- nein, rief er endlich aus, laßt mich! Ich muß hier
  bleiben, eine große Entdeckung führte mich vor deinen Thron, darum höre
  mich an. -- Ali winkte, und die Sklaven entfernten sich wieder.
  Nun sprich! sagte Ali, oder bei meinem Zorn, du gehst nicht lebendig aus
  diesem Saal!
  Ich will sprechen, sagte Abdallah. O ich muß sprechen, von itzt an hab'
  ich keinen Willen weiter. -- O Zulma! Zulma! -- Ali, du hast ein großes
  Kleinod ausgeboten, du hast dem Zulma verheißen, der Selim deiner Strafe
  ausliefern würde.
  _Ali._ Ja.
  _Abdallah._ Wirst du dein Versprechen halten?
  _Ali._ Beim Propheten!
  _Abdallah._ O so ist sie _mein!_ ich bringe dir das Geheimniß, gegen das
  du sie austauschen mußt.
  Ali sprang heftig auf. -- Selim? rief er, Selim? O meine Rache lechzt
  nach diesem Blute, sprich es aus, wo ist er? Wo kann ich ihn finden?
  Abdallah schwieg. --
  Sprich! schrie Ali noch einmal, meine Wuth steht mit neuer Macht in
  meinem Busen auf, foltre meine Ungeduld nicht länger, -- oder beim
  Propheten --
  Was hab' ich gethan? sagte Abdallah. -- Hab' ich es ausgesprochen, das
  fürchterliche Wort? O nein, nein, ich habe nichts gesagt, ich frage dich
  Sultan, sprich, nicht wahr, ich habe nichts gesagt? -- O laßt mich, laßt
  mich schweigen, meine Worte werden zu Mißgeburten, die meinen eignen
  Busen verwunden, ich bin an die Schwelle der Verdammniß gekommen, o laßt
  mich wieder rückwärts schreiten.
  Sein Körper zitterte in einer fürchterlichen Angst, er wollte sich
  aufheben, aber er sank wieder kraftlos nieder.
  Verwegner! sprach Ali zürnend, bist du Frecher hierhergekommen! meiner
  zu spotten? -- Du kannst nicht wieder zurückfordern, was du gesagt
  hast; sprich, oder Foltern sollen die Nachrichten aus dir herausquälen,
  die du mir verweigerst. --
  _Abdallah._ Und es muß also sein? die fürchterliche Frage ist nun auf
  ewig entschieden? -- Nun so sei es denn!
  Er hob sich mühsam auf, seine Stimme zitterte, sein Gesicht war bleich,
  sein Blick starr. -- Er beschrieb dem wüthenden Ali den Pfad, der zu der
  Wohnung Selims führte, er nannte ihm die Zeichen, an denen man den Weg
  erkennen könnte. Ali befahl seiner Leibwache, diesen Weg aufzusuchen und
  Selim zu ihm zu führen. -- Abdallah wollte mit dieser wieder aus dem
  Saal hinauswanken.
  Nein, rief Ali, so steht unser Spiel nicht, du verweilst hier, bis die
  Abgeordneten zurückkommen; sind deine Nachrichten Lügner gewesen, so
  soll dein Leben für deine Frechheit büßen.
  Abdallah blieb zurück und sahe wieder starr vor sich nieder.
  _Ali._ Hast du Wahrheit gesprochen, o dann werde dieser Tag als ein Fest
  gefeiert, Jubelgesänge sollen durch den Pallast jauchzen, durch die ganze
  Stadt eine laute Freude brausen. Was Selims Frechheit wagte, hat noch
  kein Sterblicher gewagt, er werde gestraft, wie noch kein Sterblicher
  gestraft worden ist. Ich will darauf sinnen, wie ich ihn martre, allen
  meinen Launen will ich an diesem Verworfnen ein Fest geben, heut will
  ich nach langer Zeit wieder fröhlich sein. Fürchterlich will ich unter
  meine Feinde treten, alles um mich her will ich verwüsten, was mich
  haßt. Auf Liebe darf ich nicht mehr hoffen, aber _fürchten_ soll man
  mich immer; so weit ist es mit mir noch nicht gekommen, daß man mich
  ungestraft verachten dürfte. -- Ich will den Trotzigen zittern sehn und
  sollt' ich mein Gehirn mit Ersinnung von Martern zersprengen; Selim
  läugnet mir meine Menschheit ab, nun so mag er denn einen Tiger in mir
  finden. Nur durch Martern will ich zu ihm sprechen, die Folter soll mein
  Dolmetscher sein.
  Bebend hörte Abdallah die Worte Ali's, er sahe ihn mit einem stieren
  Blicke an, kalt und ohne Leben wie das Gesicht eines ehernen Bildes. Ali
  fuhr zornig fort:
  O daß das Leben nicht meinem Rufe gehorcht, _ein_ Tod ist zu wenig, um
  diesen Frevel abzubüßen, ich wollte ihn mit Flammengeißeln durch hundert
  Tode und Leben peitschen, in die Vernichtung geworfen und wieder zum
  Dasein aufgeschreckt wollt' ich ihn mit Quaalen jagen, bis er in Demuth
  zitternd um Gnade flehte und den letzten Tod als ein Geschenk erwinselte.
  -- Hat der Bösewicht nicht Freuden genossen, mit denen ich niemals
  Bekanntschaft machte? War ich nicht von je ein Bettler gegen ihn? Und
  mit niedrigem Neide steht er auf, mir auch das letzte zu stehlen, das
  Leben, ein Gut, das er verachtet, das einzige, was mir nur übrig blieb,
  da diese Menschen, die er liebt, mir alles genommen haben. Meine einzige
  Perl? -- O dafür soll er keine Verzeihung finden, und wenn er mir alle
  Schätze seines Busens wie einem Erben hinterlassen könnte.
  Abdallah erlag unter der Last dieser Gedanken, länger konnte er sie
  nicht ertragen, er riß mit Gewalt seinen Geist von diesen gräßlichen
  Vorstellungen zurück. Und _Zulma_? fragte er mit zitternder Stimme.
  _Ali._ Sie ist dein, sie ist deine Gattin, und du bist mein Sohn, mein
  ganzes Reich soll es erfahren, daß du mein Sohn bist. -- O ich bin
  glücklich, daß diese Tochter, mein Stolz, eine Lockspeise meiner Rache
  geworden ist, durch diese _eine_ That belohnt sie meine väterliche
  Zärtlichkeit.
  Zulma mein? -- stammelte Abdallah. --
  Aber wer bist du? fragte Ali, du hast mir deinen Namen noch nicht
  genannt.
  Abdallah fuhr erschrocken auf. -- Wer? schrie er laut. O daß ich es
  vergessen dürfte! daß dies Andenken sich nicht so fürchterlich an mich
  hinge! -- Ha! wer bin ich? -- -- Nein, kein Mensch, kein Thier, kein
  Teufel, -- o hinweg mit der Schaam! selbst diese geziemt dem Verworfenen
  nicht mehr. -- _Ich bin sein Sohn._
  Abdallah? Selims Sohn? schrie Ali auf. --
  Ich war einst Abdallah, antwortete er.
  Ali fuhr bleich zurück, erblassend sah sich das Gefolge des Sultans an,
  ein starres Entsetzen bemächtigte sich eines jeden, man betrachtete den
  Jüngling als ein fremdartiges Wesen, das der Menschheit, seiner Mutter,
  auf ewig entlaufen sei.
  Ihr fahrt zurück? sagte Abdallah. -- Selbst Ali erblaßt, vor dem
  schüchtern jede menschliche Empfindung zurückbebt, ha dieser Blitzstrahl
  dringt allmächtig durch den steinernen Harnisch seines Busens! er fühlt
  es, er freut sich, daß er ein Mensch ist! Wie war es denn möglich,
  daß ich über diese unermeßliche Kluft sprang und nicht im Springen
  zerschmettert wurde? -- Nun steh' ich jenseit und strecke die Arme nach
  der Vergangenheit aus. -- Ha! warum erblaßt ihr? -- Ihr fahrt zurück
  wie vor einem Verbrecher, der an die letzte fürchterliche Gränze aller
  Laster gekommen ist, ihr scheut euch mich Bruder zu nennen, -- ach, ein
  hartes Verhängniß weht mich wie einen Staub umher, ich muß der sein, der
  ich bin. --
  Ali sah ihn lange mit einem staunenden Blicke an. -- Ich nannte dich so
  eben Sohn, sagte er langsam und leise, -- Zulma bleibt dir, -- aber mein
  _Sohn_ kannst du nicht werden. --
  _Abdallah._ Weil ich diesen Namen auf ewig gebrandmarkt habe, ha! Väter
  werden bei diesem Ton zusammenfahren und Mütter schaudern; seit Abdallah
  seinen Vater verrieth, zittert ein schneidendes Gefühl durch die Brust
  der Ältern, die Hölle jauchzt, der Himmel weint, Greise wetzen Dolche für
  den ungebornen Enkel, mein böser Engel hat sein schwarzes Buch geschlossen
  und steht müssig zu meiner Rechten, diese That endigt das Verzeichnis
  meiner Sünden; alles, was ich nun noch thun kann, ist nichtswürdig gegen
  diesen glänzenden Triumph.
  Alle schwiegen und Abdallah sprach heftiger weiter:
  Nun ich über den Gränzstein ausgeschritten bin, o Himmel, nun ich
  jenseit aller Menschen wohne, o so nimm mir auch das Bewußtsein und
  meine Gedanken, -- was sollen sie mir dort in der verbrannten Wildniß?
  -- Gieß den Wahnsinn in vollen glühenden Schalen auf mich herab! -- Itzt,
  itzt kann ich wahnsinnig werden, ich fühl' es, -- ich gebe dir den Funken
  zurück, den du mir grausam geliehen hast. -- Aber das Schicksal ruft
  fürchterlich: Nein! Ja mir selbst wächst unaufhörlich der Schierling,
  der mich in Todeskrämpfen zittern läßt, zum Bewußtsein verdammt zieh'
  ich selber die Feuerflammen und Verdammnißquaalen um mich herum, dieser
  Geist ist meine Hölle und giebt mich nie wieder frei. -- Itzt ist auch
  die letzte, die traurigste Blume der Hoffnung verwelkt, ich habe die
  Verzweiflung überstanden und bin noch der ich war; o warum ist unsre
  Tugend und Ruhe nicht so felsenhart und unzerbrechlich, als dies kalte
  quälende Bewußtsein?
  Unglücklicher! sagte Ali, wie war es möglich --
  Abdallah unterbrach ihn: -- Kann ich es selbst begreifen? das Verhängniß
  und Zulma, -- ich habe diesen Preis gewonnen, was ist es mehr, wenn ich
  mich selbst dabei verspielte? -- Zulma, Zulma soll es mir alles ersetzen,
  ha! oder ich will einst den Richter jenseit bitter anklagen, daß er mich
  um mein Leben betrog, daß er mir hämisch einen großen Tausch anbot -- und
  mich schadenfroh hinterging --
  Halt ein! rief Ali, der Wahnsinn spricht aus dir! du lästerst den Herrn,
  Elender! -- Was hilft es, daß du gegen die Last kämpfest, du wirst sie
  niemals abwerfen. --
  Ali sahe starr vor sich nieder, sein Gesicht ward milder, sein Auge
  menschlicher. Er dachte über einen Gedanken nach, der ihn wehmüthig
  machte.
  Ha, Mehmed! sagte er endlich und wandte sich zu seinem Vezier. -- Wer
  tadelt mich nun noch, daß ich die Menschheit verachte? Wer darf noch
  murren, wenn ich ihren prahlenden Beglaubigungsschein nicht als gültig
  anerkennen will? -- Sie selber sendet einen aus ihrer Mitte, der ihre
  schwarze Verrätherei entdeckt, der den verächtlichen Betrug entlarvt. Bis
  itzt hab' ich noch immer gefürchtet, an diesem Geschlecht zu irren, aber
  nun sind meine Zweifel gehoben, ich bin überzeugt! Was hat Selim von mir
  gewollt, da sein Sohn, den er liebt, der ihn liebt, selber gegen seine
  Stimme schreit? -- Wo soll ich ehren, wo lieben, wenn Verächtlichkeit
  und Meineid mir warnend auf der Gränze entgegenkommen? diesen Bothschafter
  hier nennen sie selber tugendhaft und er schlägt das Vermögen unter,
  das sie ihm anvertrauten und entläuft knechtisch mit seiner Beute. -- O
  hinweg von mir, was sich mit dem Namen Mensch brüstet! Ihr Stolz ist
  Niedrigkeit, ihre Tugenden sind nur unterdrückte Verbrechen, von itzt
  sollen sie an mir einen unerbittlichen Richter finden, der sich durch
  keinen blendenden Glanz bestechen läßt. Ich will ihren Stolz verfolgen,
  bis er zur Demuth wird, sie verkaufen sich um eine Nichtswürdigkeit der
  Hölle, ihre eignen Sinne sind die Angelhaken, die sie für die ewige
  Verdammniß gefangen nehmen. Selim haßte mich, weil ich die Menschheit
  haßte, weil ich sie nicht lieben konnte, wollte er das Band meines
  Lebens zerreissen, diesen hat er für seine Menschheit erzogen und er
  verläugnet sie auf ewig. -- Mit Selim will ich mein strenges Amt beginnen,
  statt zu verachten will ich das Siegel itzt _verhöhnen_, auf das diese
  Elenden so stolz sind. Es ist Tugend, diese Brut zu verfolgen, über ihre
  allgemeine Vernichtung würde die Erde und der Himmel jauchzen. Selim ist
  die erste Beute, die mir aus dieser schändlichen Rotte zugeworfen wird,
  an ihm will ich dreist sündigen, an ihm sollen sie eine Probe ihrer
  Verfolgung sehn und zittern. -- Kömmt er noch nicht? Ich schmachte nach
  seinem Anblick, itzt will ich ihm mit Kühnheit entgegengehn, denn unser
  großer Streit hat sich entschieden, ich habe meine Anklage gewonnen, er
  soll zusammenfahren. Alle Quaalen will ich an ihm ermüden und ihn dann
  erst des Spielwerks überdrüssig, in die Vernichtung werfen.
  Abdallah hatte bis itzt in tiefen Gedanken verloren da gestanden, er
  hatte kaum Ali's Worte verstanden. Plötzlich brach wieder ein Ton durch
  die taube stumme Leere seines Innern, eine Tageshelle stand unvermuthet
  unter den flüchtigen Schatten, er wachte wie aus einem Rausche auf.
  Mächte des Himmels! rief er plötzlich in lauter Angst, -- was, _was_
  hab' ich gethan? Ha! wie bin ich hierhergekommen? -- Wer ist es, der aus
  meinen Busen spricht? das ist nicht das Wesen, das sich einst Abdallah
  nannte, ein Fremdling hat ihn aus seiner Behausung geworfen und zerstört
  seine Wohnung, o könnt' ich ihn aus diesem Herzen reissen! -- Nein, dies
  hat vor mir noch kein Mensch empfunden! Diesen Brand im Innern meiner
  Seele hat noch kein Sterblicher erduldet.
  Er stürzte wüthend nieder.
  Allmächtiger! rief er. -- _Was_ hab' ich gethan? -- Vernichte mich,
  Gräßlicher, damit ich aus diesem Traum erwache! -- Nur einen, einen
  Donner auf mein Haupt, laß ihn zerstörend durch mein Herz rollen und den
  Blitz durch diese Brust flammen, -- wirf mich in die Hölle hinab, nur
  rette mich von _diesem_ Gefühl, laß die Verdammniß mich nur von _dieser_
  Quaal erlösen! -- Himmel! wie ein Nachtwandler wache ich plötzlich auf
  und finde mich in eine Todtengruft verirrt. -- Reißt mit glühenden Ketten,
  mit Feuerhaken diesen angeklammerten Drachen aus meinem Busen, der
  wüthend mit scharfem Zahn in mein Eingeweide beißt! -- Beschützt mich
  Geister der Hölle und schlagt diese Erinnerungen zurück, die zu mir
  hinanspringen! -- O Ali, Ali, -- ruf deine Henker und laß mich vernichten,
  wenn noch ein einziges Menschengefühl unter den vermoderten Ruinen
  
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