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Ludwig Tieck's Schriften. Achter Band - 06

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  Welcher Wurm kann sich ohne Flügel zum Glanz der Sonne aufwärts schwingen?
  Ein Strahl zittert auf ihn hernieder und er glaubt sie steige auf sein
  Gebot zu ihm herab und spiele neben ihm im Grase, aber es ist nichts, als
  ein Tropfen Thau's, in welchem ihm ihr Bild aus einem kleinen Spiegel
  entgegenlächelt. Die Hand des Menschen wird nie in ewige Gesetze greifen
  und ihnen Stillstand gebieten; wer würde noch zum Allmächtigen beten,
  wenn der Hauch des Staubes die Weltendonner seiner Sprache überschrie,
  wenn ein Sonnenstaub sich seinem Willen entgegenwürfe und das große
  Gewebe sperrte? -- Nein Abdallah, du _glaubst_ zu sehen, was du nicht
  sehen kannst, in dir selber schlägst du die Töne an, die du aus den
  Wolken zu hören glaubst, die Unendlichkeit steht deinem Lehrer nicht zu
  Gebot, aber deine schwachen Sinnen vermag er zu beherrschen, das große
  Geheimniß, vor dem du verehrend zurückschauderst, ist nichts, als ein
  gemeiner Betrug, den du an einem armseligen Künstler verachten würdest.
  Darum höre mich und sei was du warst, verliere den Freund und gewinne
  dich selber der Verrätherei wieder ab, sprich das belebende Wort über
  die Leichen aus und laß aus ihrem Grabe die Seligkeiten wiederkommen,
  die du selbst ermordet hast; laß das schlachtende Messer inne halten
  und binde sorgsam die letzte Rose auf, die schon in der Sonnenhitze
  verschmachten will. --
  Mein Name ist _Nadir_, ich trete mit dem morgenden Tage in mein
  achtzigstes Jahr, traue meinem Alter, das mich bald vor den Thron des
  Richters bringen wird, wo man mir jede Lüge aufbewahrt. -- Seit meiner
  Kindheit brannte in mir eine unauslöschliche Ungeduld, alles zu erfahren
  und zu wissen, was nur in der Seele des Menschen Raum fände; als Jüngling
  schweifte ich bald mit meinen Gedanken über die Gränze hinaus, die eine
  gütige und grausame Hand unserm vorwitzigen Geiste gesetzt hat. Mein
  Verstand wollte das Unendliche umspannen und das Undurchdringliche
  durchdringen, die Schwäche der Menschheit hielt ich nur für die Schwäche
  _meines_ Geistes, meine Sinne schweiften durch alle Regionen der kühnsten
  Zweifel und der verwegensten Irrthümer, ich riß alles um mich her aus,
  und bepflanzte die leere Schöpfung dann mit den Wesen meiner Einbildung,
  ich glaubte nichts, um alles zu glauben. Alle meine Kräfte bot' ich zum
  Kampfe auf und fühlte mitten im Streit meine Schwäche, ich hatte durch
  meine Kühnheit Gott und das Schicksal verloren und doch genügte ich
  mir nicht selbst in der traurigen Einsamkeit, ich hatte die Vorsehung
  geläugnet und fing nun an, an die Macht fremder Wesen und Dämonen zu
  glauben; Aberglaube und Nichtglaube berühren sich unmittelbar auf der
  Gränze, aus einem Feinde der Andacht ward ich ein Schwärmer. Von itzt
  lebte ich unter Wundern und Unbegreiflichkeiten, zu denen ich mich
  hinandrängen wollte, die Ähnlichkeit der Gottheit schien mir darin zu
  liegen, die geheimen Winke der Natur zu verstehn, und das Unmögliche
  möglich zu machen, ich taumelte auf einem schmalen gefährlichen Wege
  durch das Gebiet des Wahnsinns, von blendenden Hoffnungen begleitet.
  Auf dem Gipfel des Caucasus, hört' ich, wohne der weise _Achmed_, der
  die große Auflösung zu den Millionen Räthseln gefunden habe, den Stab,
  mit dem er an die Sonne und die Sterne reichen könne und dem sich die
  Zukunft aufthue. Ich verließ mein Vaterland, um diesen Gott zu sehen
  und sein Schüler zu werden, wenn er mich für würdig erklärte. Er nahm
  mich auf und ich überstand fünf harte Probejahre, in denen er mich
  durch tausend Mühseligkeiten zurück zu schrecken versuchte, aber meine
  Wißbegierde ertrug alle Lasten leicht und tröstete meine Ungeduld, die
  zuweilen erwachte, mit dem herrlichen Augenblick, in welchem meinen
  Augen der ewige Vorhang niederfallen würde. -- _Omar_ war wie ich ein
  Schüler Achmeds, -- der erharrte Tag erschien endlich und ich ward in
  den schwarzen Bund aufgenommen. -- Wir mußten beide dem edeln Achmed
  mit einem heiligen Eide schwören, nur durch unsre Macht Glück und Freude
  zu verbreiten, dem Elenden beizustehn, den Schändlichen zu strafen und
  so dem Ewigen ähnlich zu werden. -- Wir schwuren es und Achmeds Gewalt
  war die unsrige.
  Nun erst sah ich ein, daß meine Wünsche jenseit der Schranken der
  Menschheit lagen, daß das, was ich verloren gegeben hatte, mehr werth
  sei, als mein Gewinnst. Alle meine großen Hoffnungen waren hintergangen,
  ich war im Begriff mich selbst zu verachten. Tausendmal wünscht' ich
  die Vergangenheit zurück, in der ich noch nicht an die Gränze der
  menschlichen Kraft gekommen war, wo mich eine unbarmherzige Schrift
  höhnend zu den Thieren des Feldes zurückwies. Ich hatte gehofft, daß
  sich mir die Ewigkeit aufschließen würde, wo ich im Heiligsten die
  Gottheit schaute und den großen Plan der Welt sähe, den sie gezeichnet
  hat -- und ich ward vor einem Spiegel geführt, in dem ich nun meine
  eigne Verächtlichkeit sahe und eine Kunst war mir verliehen, die mir
  durch armseligen Betrug den großen Verlust nicht ersetzen konnte, eine
  Macht, die Niemand an dem Besitzer beneiden würde, wenn er nur _einen_
  Blick durch den blendenden Glanz zu werfen vermöchte.
  Omars Freundschaft tröstete mich in meiner Trostlosigkeit und versöhnte
  nach und nach mein Mißvergnügen, wir tauschten unsre Seelen gegen
  einander aus, und ein jeder gewann, wir schlossen einen heiligen Bund
  und jeder Gedanke, jedes Gefühl floß in das Wesen des Freundes hinüber.
  Endlich trennte sich Omar von mir und ich blieb allein bei meinem
  Lehrer, und lebte in einer stillen Einsamkeit und Ruhe, von der Welt
  und ihren Geschäften geschieden, in steten Betrachtungen der Natur und
  der Weisheit Gottes. Ich dachte oft an meinen Freund Omar und wünschte
  ihn zu mir zurück. Zwanzig Jahre waren so verflossen, als ich von meinem
  Lehrer Achmed den Auftrag erhielt, ihn aufzusuchen, denn meine Reise
  setzte er hinzu, könnte wichtige Folgen haben.
  Ich durchreiste Arabien und Persien vergebens und fand ihn endlich hier
  wieder, an jenem Abend, als du unter einer Cipresse eingeschlafen warst
  und ein brausender Sturm dich aus deinen Träumen weckte. -- Er eilte in
  meine Arme, es war eine wonnevolle Stunde des Wiedersehens; wir
  erzählten uns unsre Schicksale und Omar sprach also:
  »O! daß der Mensch in Seinem Busen einen unversöhnlichen Feind mit sich
  herumtragen muß, der ihn unabläßig quält! daß dies heillose Drängen unsrer
  Seele, dies Streben gegen die Unmöglichkeit uns den Genuß unsers Daseins
  raubt und uns gegen uns selbst verderbliche Waffen in die Hand giebt!«
  Wir hatten uns weiter hinein in den Busch entfernt, die Nacht sah
  schweigend auf uns herab, die Bäume wiegten sich leiserauschend und Omar
  fuhr also fort:
  »Wir sprachen schon damals, Nadir, als wir beide noch den Unterricht des
  weisen Achmeds genossen, von jenem Sturm, der unaufhörlich in dem Baum
  unsers Geistes wüthet und ihn zu zerstören droht. Kaum hatte ich von dir
  Abschied genommen, so verfolgten mich alle meine Wünsche mit erneuerter
  Wuth, mein brennender Durst war nicht gestillt, sondern durch Achmeds
  Kenntniß nur von neuem angefacht, mein Vordrängen war vergebens gewesen,
  denn noch in dichtem Nebel eingehüllt lag der große Felsen in der Ferne,
  hinter welchem die Sonne wohnte, die ich suchte. Ich fühlte mich
  eingeengt und gepreßt und war unglücklicher als ich je gewesen war.«
  »Furchtbare Gedanken standen itzt leise in meiner schwarzen Seele auf wie
  Verbrecher, die die Ketten von sich streifen und sich frech im düstern
  Kerker erheben. _Weisheit_ war mir der edelste, der einzige Zweck des
  Menschen, die einzige Krone, die seine Stirn schmücken könnte, ein
  Zweifel an alle Tugend machte mir diese gepriesene Gottheit verächtlich
  -- und ich wagte endlich vermessen einen Schritt, von dem ich vorher
  wußte, daß sich hinter mir ein Abgrund reissen würde, um mir den Rückweg
  ewig unmöglich zu machen.«
  Omar hielt ein und mit gespannter Aufmerksamkeit horchte ich auf seine
  Rede. -- Mein Freund fuhr fort:
  »Am Ende der Welt, in einem fürchterlichen Schlund, der sich zwischen
  die Klippen des Atlas wirft, an einer Stelle, wohin noch kein Menschenfuß
  sich verirrte, wo zwischen ewig einsamen Felsenwänden das Grausen wohnt
  und kaum ein verirrter Wind mit seinem Fittig gegen die hohen Steinmauern
  streift, dort, -- so sagte eine alte Sage, -- wohne seit Jahrtausenden
  ein furchtbarer Sterblicher, der hier im kalten Haß der Ewigkeit
  entgegenharre, von Menschen und Engeln losgerissen, ein Wesen, einzig,
  ohne je ein Leben zu finden, dessen Seele mit der seinigen gleichgestimmt
  sei. -- Greise erzählten mir unter Schaudern, daß er ein höherer Geist
  gewesen sei, der sich vom Ewigen losgeschworen und in die leere Wüste
  der Strafe der Allmacht entronnen sei, _Mondal_, so nannten sie den
  Schrecklichen und sagten, daß der große Verworfene keine Strafe bedürfe,
  denn er selber sei seine Verdammniß. Man sprach von den Wundern die er
  ehedem gethan und denen die Völker in Demuth erzittert wären, von
  gräßlichen Strafen, mit denen er sich an seinem Feinde gerächt, sein
  Name war die Loosung zum Schrecken.«
  »_Ihn_ wollt' ich aufsuchen und mich an seine fürchterliche Größe drängen,
  hier die Flammen meines Busens kühlen, oder ein unausbleibliches Verderben
  finden. -- Ich wanderte durch die Wüsten von Afrika, ich ging über die
  hohen unermeßlichen Gebirge und näherte mich endlich der langerhofften
  Gegend. Das Gebirge lag fürchterlich aufgethürmt, wie die Mauer der Welt
  vor mir, die Wolken des Himmels schienen scheu um den Fuß zu flattern
  und frech hoben sich die Spitzen des Klippengebirges in die unendliche
  Leere des Äthers, immer höher und höher aufgewälzt und immer furchtbarer
  und kühner aufgethürmt.«
  »Ich bestieg die untersten Gebirge, die sich nur wie Hügel an die
  unbegränzte Felsenmauer lehnten. Die Erde lag unter mir mit allen ihren
  Schätzen und Städten ausgebreitet und schien mir Lebewohl zu sagen, das
  Meer unermeßlich ausgegossen tief unter mir. In tausend Herrlichkeiten
  winkte mich die Sterblichkeit zurück, sie streckte die Arme liebevoll
  nach ihrem verlornen Sohne aus und rief mich mütterlich an ihren Busen
  hin, an dem ich in der Kindheit meines Geistes mit so inniger Liebe
  gehangen hatte. -- Aber ich ging vorwärts und ließ hier meine Menschheit
  zurück, ich warf alles von mir ab, was der Endlichkeit gehörte, ich riß
  auf ewig das große Band entzwei, das mich an die Schöpfung hielt, ich
  setzte den Fuß vorwärts, von diesem Augenblick ganz mein eigen, die
  Menschheit hinter mir auf ewig zugeschlossen, ich auf ewig in die
  Unendlichkeit des Meeres hinausgewiesen, von keinem Ufer jemals wieder
  angewinkt zu werden.«
  »Mein Pfad wand sich immer steiler die Felsen hinan, immer unfreundlicher
  die Natur umher, die Bäume starben aus, die Sträucher, und endlich
  erlosch auch der letzte Schimmer des grünen Grases unter meinen Füßen.
  -- Itzt lag die Erde und das Meer in eins verschwommen ungewisser
  wie ein Nebel unter meinem Blicke, wie in einen schwarzen Schleier
  eingewickelt; so weit mein schwindelnder Blick sich wagte, über mir und
  unter mir und neben meinem Schritte die unendliche gedankenlose Leere.
  -- Bei jedem Schritte zog sich ein härterer Panzer um meine Brust, keine
  meiner vormaligen Empfindungen wagte es, mir in den eisernen Aufenthalt
  zu folgen, nur von nackten Felsen und dem Himmel umgeben hatt' ich schon
  vergessen, daß ich einst ein Mensch gewesen sei.« --
  »Ich kam in Gegenden, die die Natur zuletzt in ihrer Ermüdung geschaffen
  zu haben schien, kein Leben, kein Moos, das die Felsen hinaufkroch,
  erinnerte mich an die Welt, die ich verlassen hatte. Hier schien der Tod
  seine Behausung zu haben, eine Welt schien hier einst untergegangen und
  dies ihre schauderhaften Ruinen zu sein. Ein kaltes Grauen begleitete
  mich, immer größere Furchtbarkeiten kamen mir entgegen, alle meine Gefühle
  gingen nach und nach in meiner Brust unter, und nichts als mein Vorsatz
  und das Bewußtsein meines Daseins blieb mir übrig.«
  »Itzt stand ich auf einer Felsenspitze, die in ein Thal hinabsahe, das
  rings von kahlen schwarzen Klippen eingeschlossen war, ein Schauder
  brütete über diesem Schlund, in den sich tausend Höhlen rissen und ein
  verworrenes Gebäude bildeten, kein Luftzug rauschte durch die Felsenwüste,
  kein Ton, der ein Leben verrieth, schlich hervor; die gespaltenen Klippen
  grinßten mir aus dem Abgrund entgegen, die Vernichtung sahe sich hier
  selbst mit Wohlgefallen an und behorchte sich in der schauderhaften
  Stille.«
  »Dies ist seine Behausung! rief ich unwillkührlich aus und der erste
  Klang warf sich zerschmettert die gewundenen Klippen hinab, ich selber
  fuhr erschrocken zurück und der Ton verlor sich winselnd in den fernsten
  Schlünden.«
  »Die letzte Furcht faßte mich zweifelhaft an. -- Soll ich hinuntersteigen?
  fragte ich mich leise. -- Noch, noch steht mir der Rückweg offen! Noch
  darf ich selber über meinen Willen gebieten. -- Doch was soll ich in der
  Welt? -- Ein Engel darf, ein Mensch mag ich nicht sein, nur die Hölle
  bleibt den Unbefriedigten übrig, -- ich kann nicht anders, ich würde
  nichts vom Menschen wieder rückwärts bringen: -- und zugleich stieg ich
  in das fürchterliche Thal hinab.«
  »Wie mit tausend kalten Armen hielt es mich eingeklammert, wie in den
  unerbittlichen Tod schritt ich hinunter.
  »Plötzlich fuhr ich bebend zurück. -- In einer halb dunkeln Grotte saß ein
  Greis und lächelte mir mit einer Freundlichkeit entgegen, die mehr dem
  Zähngeknirsch eines Ungeheuers glich. Ein weißer Bart sank bis auf seine
  Füße hinab und deckte sein Gesicht. Ein fremdes mir unbegreifliches Wesen
  sahe aus seinen wilden Augen, er hatte bloß das Ansehn eines Menschen,
  um die Menschheit von sich zurückzuscheuchen. -- Sein Anblick hatte mich
  bis in das Innerste meiner Seele erschüttert und ich wagte es nicht,
  die Augen zum zweitenmal auf ihn hinzuwerfen: ich hatte allen sanften
  Gefühlen Abschied gegeben und die Schauder vertraulich in meinem Busen
  aufgenommen, -- aber hier fand ich ein Wesen, vor dem meine Frechheit
  Demuth ward, alle meine Verwegenheit sich in banges Grauen auflöste.«
  »Wer bist du? rief er mir in Tönen entgegen, wie ohne Klang und Athem;
  sie kamen zu mir, wie aus einer fernen Welt und sprachen in Accenten,
  von denen kein sterbliches Ohr eine Ahndung hat und haben kann.«
  »Ein Wesen, schrie ich ihm entgegen, das sich selber nicht begreift!
  Meine Menschheit hab' ich jenseit diesen Klippen ausgezogen! -- Das
  Leben hat keinen Reiz für mich, ich will in der Wildniß meine Freude
  suchen.«
  »Mondal schwebte mir entgegen und stierte mich mit einem Blicke an, der
  meine Seele mit Riesenkräften zusammendrückte.«
  »Du bist das erste Wesen, sprach er, das mein Angesicht sieht, ich sitze
  hier und faste der Ewigkeit entgegen und noch kein Staubgeborner hat es
  gewagt, mich in meinem Hause zu besuchen, wo ich mit dem Grausen spiele
  und Schauder mir die Zeit verkürzen. -- Was suchst du hier?« --
  »Was ich hier oder nirgends finde, antwortete ich zitternd, ich schäme
  mich ein Mensch zu sein, nimm du mich in deine Gesellschaft auf und
  vergönne, daß ich deinen Geist begreife und dir ähnlich werde.«
  »Er sahe mich an und lachte fürchterlich auf, daß die Felsen umher in
  ihren Wurzeln wankten. -- Vermessener! rief er dann: -- Du verläugnest
  die Menschheit und doch zeigen deine Worte, daß du ihr noch zugehörst.
  _Ein_ Funke, der von mir zu dir herüberleuchtete, würde dein Wesen
  zersprengen. Dank' es meiner Verachtung, daß mein Anblick dich nicht
  tödtet!«
  »Nun dann, sprach ich mit knirschender Verzweiflung, so bleibt mir keine
  Hoffnung übrig, als meine Vernichtung!«
  »Vernichtung? antwortete der Furchtbare und zog den Mund zum Grinsen, so
  kalt und todt wie die Felsen umher. Was _ist_, kann nicht vernichtet
  werden, die Ewigkeit hält dich fest, so lange die Zeit dauert, dauerst
  du selbst. Du kannst dich tödten und in eben dem Augenblick stehst du
  ein neues Wesen in deiner eignen Verdammniß wieder da, -- so hat es der
  Gütige dort gewollt, der alles mit seiner Milde umfängt. O! wenn
  _Vernichtung_ möglich wäre, wenn wir uns selber angehörten und
  beherrschten -- o dann wäre noch Glück in seiner Schöpfung!« --
  »Ich fuhr mit Entsetzen zurück. -- Voll Frechheit kömmst du hierher,
  sprach Mondal weiter, und bedachtest nicht, daß dein Wesen sich nie dem
  meinigen nähern könne. -- Nein, Sterblicher, ganz kannst du mich nicht
  verstehen, denn tausend Naturen stehen zwischen uns; die Gedanken,
  die die du begreifst, sind nicht meine Gedanken, unser Urstoff ist
  verschieden, wir können uns in keiner Empfindung begegnen.«
  »Wo find' ich dann, rief ich mit bitterm Unwillen aus, ein Wesen, das
  mich versteht? Mir ist alles verschlossen, in der ganzen Schöpfung kein
  Laut, der in mir denselben anschlüge. Vernichte dies Streben in meiner
  Brust, das mich durch alle Welten drängen würde, du verwirfst mich als
  deinen Schüler, erniedrige mich bis zum Wurm, der sich dumpf und ohne
  Bewußtsein zu deinen Füßen windet.«
  »Ich verwerfe dich nicht, sagte Mondal, deine Natur hält dich gefangen!
  Ich will dir geben, was ich kann, -- aber du wirst meine Bedingung nicht
  erfüllen.«
  »Alles, alles, sprach ich hastig, -- nur reiß mich aus diesem peinvollen
  Dasein, mach, daß ich mich nicht verachten muß, sollt' ich mich auch
  dafür verabscheuen!« --
  »Mondal schwieg eine Weile, dann sagte er: Ich stehe nicht über der
  Menschheit, ich bin nur ein fremdartiges Geschöpf, dessen Gedanken und
  Gefühle Strahlen sind, die nie mit denen der Menschen in ein Licht
  zusammenfließen, sondern sich ewig zurückstoßen. Die Menschen haben von
  ihrem Gotte jenen Trieb, alles zu ordnen und in ein Ganzes zu bringen,
  _meine_ Freude ist Zerstörung. Ihrem Triebe genug zu thun, arbeiten sie
  in einer ewigen Thätigkeit an Ordnung und Harmonie, Sklaven eines Herrn,
  dem sie dadurch schmeicheln wollen, Schönheit und Tugend nennen sie das
  Gebäude, das sie aufführen, für mich giebt es keine Tugend als ihre
  Laster. -- Kannst du deine angeborne Menschheit bis auf die letzte
  schwächste Ahndung ablegen und mir voll Vertrauen die Hand reichen, kann
  ein heiserer Mißklang dir eben so viel Freude geben, als jener Wohlklang
  dort unten, verlierst du nichts an jenem Gott dort oben, so bist du
  mein!«
  »Ich reichte ihm mit erzwungener Festigkeit die Hand.«
  »Zerstörung! rief er mit wilder Freude, dein Hauch sei Vernichtung,
  jeder Pulsschlag ein Verbrechen, verfolge ihre Tugend und sei der Freund
  des Bösen, kehre in die Welt zurück und zerreiß das Gewebe, mit dem sie
  sich an ihre Gottheit knüpfen wollen, dies beschwöre mir mit einem
  großen Eid und unter diesen Bedingungen will ich zeigen, was kein Auge
  sieht. Fern ist noch der letzte Tag, wir wollen wirken, bis die Zeit zum
  Greise wird.« --
  Omar hielt hier in seiner Erzählung ein. -- »Und du schwurst den Eid?«
  rief ich erschrocken aus. --
  »Ich schwur ihn,« antwortete er langsam und sprach dann weiter: »Es war
  ein Schwur, o, mehr ein Fluch, unter dem sich die geängstigte Erde hätte
  bäumen mögen, ich wag' es kaum, ihn in Gedanken zu wiederholen.« --
  »Wie ein Vorhang fiel es vor meiner Seele hinweg, alle meine Gedanken
  waren zu Riesen aufgewachsen, die gegen den Himmel anstürmten, meine
  vorige Frechheit schien mir itzt Feigheit, alle meine Gefühle waren
  ehern, mein Busen Diamant.«
  »Ich ward in seine fürchterlichen Geheimnisse eingeweiht, Flüche
  segneten mich ein, Grausen stieg mir aus den unendlichen Labyrinthen
  entgegen und Schauder waren meine Erfrischung. Meine Gedanken dachten
  das Ungedachte, ich war über den fernsten Gränzstein der Menschheit
  hinausgeschritten und wandelte nun, ein fremder Pilger, jenseit dem
  Leben auf der dürren Haide. -- Die Vergangenheit kam meinem Ruf zurück,
  die Zukunft schloß sich meinem Blicke auf. -- Mondal zeigte mir ein
  ungeheures Buch, in welchem auf jedem seiner Millionen Blätter tausend
  Punkte gezeichnet waren. -- Dies ist mein Almanach, sagte er lächelnd,
  so viel Punkte du ausgelöscht siehst, so viele Tage hab' ich durchlebt,
  die übrigen sind die Tage, die noch bis zum letzten Tage übrig sind,
  ihre Zahl ist unzählbar; aber endlich nutzt sich nach und nach die Zeit
  ab, auch der letzte Punkt wird ausgelöscht und die neugeborne Ewigkeit
  wandelt über den Ruin der Welten. Bis dahin sieht mein Auge; was dann
  sein wird, ist ein Geheimniß, das ich schon seit Jahrtausenden zu
  enthüllen strebe.«
  »Mein Geschäft war nun geendigt und ich ging in die Welt zurück, nicht
  um zu leben und zu genießen, sondern um Genuß und Leben zu zerstören.
  Alle meine vormaligen Freuden kamen mir wie eben so viele Feinde
  entgegen, ich zerstörte und vernichtete, so weit nur meine Gewalt
  reichte, Jammergeschrei folgte meinen Schritten und Flüche der Wittwen
  und Waisen, mein Weg war mit Thränen benetzt und Grabhügel waren die
  Denkmale, die von meiner Durchreise sprachen. -- Der Ewige hatte mich in
  ein Leben verwiesen, das ich verachtete und ich sättigte mich im Genuß
  der Rache, ihn selber konnte mein Arm nicht erreichen, aber seine
  Geschöpfe mußten meinem Zorne büßen! Das Dasein quälte mich, wie eine
  Gewissensangst, Vernichtung war nicht möglich, Flüche nicht genug, ich
  mußte ihn _strafen_.« --
  »Ich kam in mein Vaterland und der Sultan _Ali_ ward mein Freund, er
  war im Begriff, seinen Unterthanen ein guter Fürst zu werden, aber
  ich lehrte ihn die Menschheit und ihre Tugend verachten und so kam er
  endlich zu jener kalten Grausamkeit, die seinen Namen zum Schrecken des
  Landes gemacht hat. Durch mich ließ er tausend Schlachtopfer fallen und
  tausend eine Beute des Mangels werden, unter diesen war auch _Selim_;
  Ali nahm ihm seine Schätze, Selim entflohe mit seiner Gattin und einem
  kleinen Sohne, auch die Gattin mußte sterben und ihn sein Sohn nur
  noch gewaltsam in ein quaalvolles Leben zurückhalten. -- Ich ging unter
  den Menschen in einer ewigen Einsamkeit, wie dienstbare Henkerknechte
  liefen Schrecken vor mir her und schlugen gewaltsam jedes Gefühl, jeden
  Menschengedanken von mir zurück, -- so fand ich den armen, vormals
  glücklichen Selim, weinend auf dem Grabe seiner Gattin sitzend, -- da
  flog mir wie ein ferner Schein der Wunsch vorüber, wieder in den
  entweihten Menschenorden zu treten. -- In diesem unseligen Augenblick
  vergaß ich meines Amts und meines Herrn und ließ den trauernden Selim in
  den Schooß des Glücks zurückkehren, meine Macht ließ ihn einen Schatz
  finden, der ihm dreifach ersetzte, was er verloren hatte. -- O wie hab'
  ich Jahrelang diesen einzigen Augenblick verflucht, wie gern hätt' ich
  ihn zurückgenommen und Selim's Glück mit neunfachem Jammer ausgetauscht,
  wenn es dem Zauberer vergönnt wäre, sein eigen Werk wieder zu vernichten.«
  »Unaufhaltsam jagte es mich seit dieser Zeit zu Mondals Wohnung zurück,
  ich sträubte mich vergebens gegen die drängende Macht. -- Mondal trat
  mir entgegen. Schon so früh kömmst du wieder? sagte er mit gräßlichem
  Hohnlächeln, -- du hast deine Menschheit abgeschworen, dein Vertrauen
  war so frech -- und doch kömmst du selber zurück, dich anzuklagen? Stumm
  ging er mit mir zu einem fernen, verzackten, einsamen Klippenmeer, er
  spaltete einen Felsen und warf mich bis an die Hüften in die Öffnung,
  die donnernd wieder zusammensprang.« --
  »Mich zermalmten unaussprechliche Martern. Eine heiße Gluth webte sich
  am Tage um mich her und nagte und saugte an meinen Gebeinen, Flammen
  bohrten sich glühend in mein Innres und in der Nacht jagten sich kalte
  Nordwinde um mich her und bliesen mich mit ihrem Athem an, ein Panzer
  von Eis umgab meinen Körper und zerschmolz wieder an der Gluth des
  Morgens. Siedende Waldströme stürzten brausend auf mich herab und
  schmetterten spielend mein Gebein gegen hervorragende Felsenspitzen.
  Mein Geheul erklang fürchterlich den Abgrund hinab, und sprang von
  Klippe zu Klippe, eine taube stumme Einsamkeit lag kalt und ohne Mitleid
  um mich her. -- So brüllte ich vier Jahr meine Flüche und meine Bitten
  dem unerweichlichen Mondal entgegen, aber er hörte mich nicht; zuweilen
  flog er auf einer braunen Wolke über mein Haupt, sahe höhnisch auf mich
  herab, freute sich meiner Quaalen und überließ mich dann von neuem den
  unerbittlichen Martern. -- Endlich schien er gerührt, oder der alten
  Ergötzung überdrüssig, denn welches Mitleid sollte diese steinerne Brust
  bewohnen? -- Ich will dich von deiner Kette losnehmen, rief er und
  neigte sich wie ein Gewitter weiter auf mich herab, aber nur unter einer
  schweren Bedingung geb' ich dich frei.« -- -- -- --
  Abdallah wollte unter Schaudern weiter lesen, als sich ein lautes
  Getümmel im Hofe des Pallastes erhob. -- Bestürzt eilte er an's Fenster
  -- und die furchtbaren Palmblätter entsanken seiner Hand. --
  
  
  Viertes Kapitel.
  
  Säbel glänzten im Schein der Sonne und leuchteten Abdallah wie Blitze
  entgegen; in einem fürchterlichen Getümmel kämpften Selim's Sklaven mit
  der Leibwache Ali's, sein Vater stand in der Mitte des Gefechts, mit
  entblößtem Säbel stürzte er hinaus.
  Ein wildes Geschrei flog über den Hof des Pallastes, Ali's Sklaven
  wütheten gegen Selims bewaffnete Freunde, das Geklirre der Säbel an die
  Schilder geschlagen, rasselte furchtbar. Abubeker lag mit seinem weißen
  Barte vor ihm, in seinem Blute gewälzt, das Geschrei und der Klang der
  Waffen schlug gegen die Mauern des Pallastes, Blut floß in Strömen,
  einige Sklaven flohen, andre stürzten todt nieder, -- und itzt sahe
  Abdallah auch seinen Vater unter einem Säbelhiebe sinken.
  Er stürzte sich wüthend in das Gedränge und metzelte um sich her, eine
  blinde Wuth gab ihm Riesenkräfte, er fühlte die leichten Wunden nicht,
  die er erhalten hatte und tobte wie ein Rasender in dem Gewühle auf und
  ab, -- eine bekannte Stimme rief seinen Namen aus, -- es war sein Freund
  _Raschid._ -- Auch du? rief Abdallah wüthend, -- auch du bist mit meinem
  Elende einverstanden? -- Nur wider meinen Willen, antwortete Raschid und
  gab ihm die Hand; rette nur deinen Vater, setzte er leise hinzu, sieh'
  er lebt noch.
  Abdallah blickte nieder, sein Vater lag zu seinen Füßen und sahe ihn mit
  einem matten Blicke an; Abdallah ergriff ihn stark und trug ihn aus dem
  Getümmel, Raschid begleitete ihn und half den verwundeten Selim aus dem
  Hofe des Pallastes führen, alle Krieger machten dem bekannten Raschid
  Platz, weil sie den Verwundeten für einen Diener Ali's hielten; so
  brachte Abdallah seinen Vater aus dem Pallast und durch das Thor der
  Stadt.
  Selim war stumm und in sich selbst verschlossen, heftige Gedanken
  schienen ihn zu beunruhigen, nur zuweilen stahl sich ein Seufzer aus
  seiner Brust, den er aber seinem Sohne zu verbergen suchte.
  Ich kann nicht weiter, sagte er endlich und setzte sich auf einen
  Erdhügel am Wege. Sein Gesicht war bleich, seine Wunde, die Abdallah
  verbunden hatte, fing von neuem an zu bluten. -- Warum hast du mich
  nicht sterben lassen? sagte er dann, da das Schicksal auf mich zürnt?
  -- Du hättest mich jenen Dolchen lassen sollen, denen du mich entrissest,
  denn ich gehörte ihnen an, von Verrätherei dem Tode verkauft. --
  Abdallah kam itzt erst aus seinem Staunen, seiner Wuth und Angst nach
  und nach zurück. Er war bis itzt in eine unwillkührliche Thätigkeit
  geworfen, er hatte nicht empfunden und nicht gedacht, über die Gefahr
  seines Vaters hatte er sich selbst vergessen. -- Vater! rief er aus,
  -- o daß ich dich habe retten können, daß ich dich aus dem Gemetzel
  herausriß und dem Leben wiedergab, -- o das ist das erstemal, daß dein
  Sohn dir etwas mehr als Dank sagen kann, -- eine Stunde, wo ich dir
  durch Thaten meine Liebe zeigen könnte, habe ich so lange gewünscht,
  -- ach! und sie mußte so schrecklich, so unvermuthet kommen!
  Abubeker, sagte Selim, der redliche Greis ist todt, mein großer Entwurf
  ist dahin! -- deine Ahndung, alter wackerer Mann, hatte Recht, warum
  hörten wir nicht auf deine Stimme? Wozu leb' ich noch, da die schönste
  Hoffnung meines Lebens umgesunken ist? -- Ich habe ein großes Spiel
  gewagt, ich setzte verwegen mich und Ali dem Verderben zum Pfande aus
  -- und das Schicksal rief _Selim_!
  Schmerzt dich deine Wunde, Vater? fragte Abdallah.
  O ich weiß kaum, daß ich verwundet bin! rief Selim unwillig aus, ich
  weiß nur, daß ich habe entfliehen müssen. -- O warum kann ich nicht der
  verächtliche Hund jenes müden Wanderers sein, der den Berg herunterzieht?
  Er ist freier und glücklicher als ich! --
  Dann ging Abdallah mit seinem Vater langsam weiter. Oft ließ er ihn
  
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