Leben und Tod Königs Richard des zweyten - 1

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Leben und Tod Königs Richard des zweyten.
William Shakespeare
Ein Trauerspiel.
Übersetzt von Christoph Martin Wieland

Personen.
König Richard der Zweyte.
Herzog von York.
Johann von Gaunt, Herzog von Lancaster.
Bolingbroke, Sohn des Johann von Gaunt, und nachmals König
Heinrich der Vierte.
Aumerle, Sohn des Herzogs von York.
Mowbray, Herzog von Norfolk.
Graf von Salisbury.
Lord Berkley.
Buschy, Bagot und Green, Diener des Königs Richard.
Graf von Northumberland, Lord Percy, dessen Sohn, Roß und
Willougby, Bolingbroks Freunde.
Bischoff von Carlisle und Sir Stephan Scroop, Freunde des Königs
Richard.
Fizwater, Surry, Abbt von Westminster und Sir Pierce von Exton,
Herren vom Parlament.
Die Königin, König Richards Gemalin.
Die Herzogin von Glocester.
Die Herzogin von York.
Hofdamen der Königin.
Herolde, zween Gärtner, ein Kammerdiener, ein Hüter, ein Bote, und
andre stumme Personen.
Der Schauplaz ist in verschiednen Theilen von England.


Erster Aufzug.

Erste Scene.
(Der Hof.)
(König Richard, Johann von Gaunt, Lords und Gefolge treten auf.)

König Richard.
Johann von Gaunt, Herzog von Lancaster, ehrenvoller Greis; hast du,
deinem Eid und deiner Pflicht gemäß, Heinrichen von Herford, deinen
kühnen Sohn anhergebracht, um jene Anklage zu behaupten, die er
unlängst gegen Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk angebracht, und
die wir damals anzuhören keine Musse hatten?
Gaunt.
Ich habe ihn hieher gebracht, Gnädigster Herr.
König Richard.
So sage mir dann ferner: Hast du nicht von ihm erforscht, ob es nur
ein alter eingewurzelter Groll gegen seine Person ist, was ihn zu
dieser Klage angetrieben; oder die pflichtmäßige Treue eines guten
Unterthanen, um einen geheimen Verräther in Mowbray zu entlarven?
Gaunt.
So viel als ich von ihm über diese Sache herausbringen konnte, so
ist es kein Privat-Groll, sondern die vermeynte Entdekung einer
über Eurer Hoheit schwebenden Gefahr.
König Richard.
So ruffe man sie dann vor unsre Gegenwart; wirs selbst wollen,
Stirne gegen Stirne, den Kläger und den Beklagten reden hören: Sie
sind beyde von sehr feuriger Gemüths-Art, beyde voll Grimms; in
ihrer Wuth beyde taub wie die See, und rasch wie Feuer.

Zweyte Scene.
(Bolingbroke und Mowbray zu den Vorigen.)

Bolingbroke.
Möge eine lange Reyhe von Jahren, voll glüklicher Tage, meinem
gnädigsten und geliebtesten Oberherrn bestimmt seyn!
Mowbray.
Und jeder Tag die Glükseligkeit des vorigen vermehren, bis der
Himmel, der Erde soviel Glük mißgönnend, das Vorrecht der
Unsterblichkeit zu eurer Crone hinzuthut.
König Richard.
Wir danken euch beyden; obgleich die Sache selbst, weßwegen ihr vor
uns erschienen seyd, ein Beweis ist, daß uns einer von beyden
schmeichelt. Vetter von Hereford, sage, was für Vorwürfe gegen den
Herzog von Norfolk, Thomas Mowbray, hast du anzubringen?
Bolingbroke.
So wisset dann vor allen Dingen, Gnädigster König, und der Herr sey
meiner Reden Zeuge! daß ich aus Antrieb der pflichtmäßigen Liebe
eines getreuen Unterthanen, aus zärtlicher Sorge für die Erhaltung
meines Fürsten, frey von Groll, Rachgier oder andrer unächter
Absicht, als Ankläger hieher in seine königliche Gegenwart gekommen
bin. Nun, Thomas Mowbray, wend' ich mich zu dir, und horche wol
auf meinen Gruß; denn was ich reden werde, wird entweder dieser Arm
auf Erden erproben, oder meine unsterbliche Seele im Himmel
verantworten. So sag' ich dann: Du bist ein Verräther und Rebell,
zu gut, ein solcher zu seyn, und zu schlimm, beym Leben zu bleiben;
denn je schöner und crystallner der Himmel ist, desto häßlicher
sehen die Wolken aus, die ihn befleken. Noch einmal, das Gewicht
meiner Anklage zu verdoppeln, stopf ich dir mit dem schändlichen
Namen eines Verräthers den Rachen, und wünsche, daß mir von meinem
Gnädigsten Oberherrn erlaubt werde, an eben diesem Plaz und in
diesem Augenblik, was meine Zunge gesprochen hat, durch mein recht-
gezognes Schwerdt zu beweisen.
Mowbray.
Laßt nicht hier die Kälte meiner Worte meinen Eifer verdächtig
machen; diese unsre Sache kan nicht mit den Waffen eines
Weiberkriegs, dem bittern Geschrey zwoer scharfen Zungen, unter uns
entschieden werden. Das Blut ist heiß, das für diß erkalten muß.
Jedoch kan ich mich keiner so zahmen Geduld rühmen, mich stossen zu
lassen, und gar nichts dazu zu sagen; und würde mich nicht die
Ehrfurcht vor Eu. Hoheit zurük halten, meiner freyen Rede Zügel
und Sporren zu geben, sie sollte schnell genug seyn, diese
Beschuldigungen von Verrätherey zweyfach in seinen Rachen zurük zu
stossen. Sezet aber das hohe Vorrecht seines königlichen Geblüts
bey Seite, und laßt ihn nicht den Vetter meines Königs seyn, so
biet ich ihm troz, und verschmähe ihn, nenne ihn eine
verläumderische Memme, und einen nichtswürdigen Schurken, und bin
bereit, ihm zu beweisen daß er's ist, an welchem Ort er will mit
ihm zusammen zu kommen, und wenn ich gleich mit naktem Fuß auf die
befrornen Gipfel der Alpen rennen müßte, oder in welche andre
unbewohnbare Gegend es seyn mag, wohin nie kein Engländer es wagte
seinen Fuß zu sezen. Indeß laßt diß meine Treue rechtfertigen: Bey
allen meinen Hoffnungen, er hat die lügenhafteste Unwahrheit gesagt.
Bolingbroke.
Blasser, zitternder Verräther, hier zieh ich meinen Handschuh, lege
die Vorrechte meines königlichen Geblüts bey Seite, und begebe mich
des Vortheils, der Blutsverwandte eines Königs zu seyn, (worauf du
aus Zagheit, nicht aus Ehrfurcht dich beruffen hast.) Wenn das
bebende Bewußtseyn deiner Schuld dir noch so viel Stärke übrig
gelassen hat, dieses Pfand meines Ehrenworts anzunehmen, so büke
dich. Bey diesem, und bey allen andern Gesezen der Ritterschaft
mach' ich mich anheischig, das was ich gesprochen habe, Arm gegen
Arm, dir zu beweisen.
Mowbray.
Ich heb' ihn auf, und bey diesem Schwerdt schwör' ich, dessen
sanfter Schlag die Ritterschaft auf meine Schulter legte; daß ich
dir mit Speer und Schwerdt, nach ritterlichem Brauch und Sitte
antworten will, und wenn ich mein Pferd besteige, möge ich nicht
gesund wieder absteigen, wofern ich ein Verräther bin, oder für
eine ungerechte Sache kämpfe!
König Richard.
Was ist es dann, was unser Vetter den Mowbray bezüchtiget? Es muß
etwas Grosses seyn, was uns vermögen kan, dem blossen Gedanken
einer bösen Gesinnung von seiner Seite Plaz zu geben.
Bolingbroke.
Höret was ich sage, mein Leben soll beweisen, daß es Wahrheit ist;
dieser Mowbray, sage ich, hat achttausend Nobels* aufgenommen,
unter dem Vorwand Eu. Hoheit Kriegs-Völker damit zu unterhalten,
solche aber wie ein Verräther und schelmischer Bube zurük behalten,
und für sich selbst zu lüderlichem Gebrauch angewandt. Überdas
sag' ich, und will es durch einen Zweykampf beweisen, entweder hier,
oder anderswo, sey es bis auf dem äussersten Stük Landes, das
jemals ein Engländisches Aug' übersehen hat, daß alle Verräthereyen,
die seit achtzehn Jahren in diesem Königreich angezettelt worden,
von diesem treulosen Mowbray ihren ersten Ursprung genommen haben.
Ferner sag' ich, und will es auf seinen ehrlosen Kopf beweisen, daß
er Ursächer der Ermordung des Herzogs von Glocester war; daß er es
war, der seine leichtgläubige Feinde aufstiftete, und daß er
folglich es war, der wie ein feiger schelmischer Meuchelmörder sein
unschuldiges Blut vergoß, welches izt, gleich Abels Blut, aus den
stummen Gewölben der Erde zu mir um gerechte und strenge Rache
schreyt. Und, bey dem glorreichen Werth dieses Bluts, das in
meinen eignen Adern fließt, dieser Arm soll es vollziehen, oder
dieses Leben soll aufgeopfert werden.
{ed.-* Eine alte Münze, die an Werth etwas über sechs Englische
Schillings betragen haben soll.}
König Richard.
Was sagst du hiezu, Thomas von Norfolk?
Mowbray.
O möchte mein Gebietender Herr sein Angesicht wenden, und seinem
Ohr einen Augenblik taub zu seyn befehlen, bis ich diesem
Schandflek seines Bluts gesagt habe, wie sehr Gott und Menschen
einen so schändlichen Lügner hassen.
König Richard.
Mowbray, unsre Augen und Ohren sind ohne Partheylichkeit; wär' er
unser Bruder, ja wär' er der Erbe unsers Reichs, wie er nur unsers
Vaters Bruders-Sohn ist, dennoch sollte, ich schwör' es bey der
Majestät meines Scepters, eine so nahe Verwandtschaft mit unserm
geheiligten Blut ihm nicht das geringste Vorrecht geben, noch die
unbiegsam Festigkeit unsrer aufrichtigen Seele partheyisch machen.
Er ist unser Unterthan, Mowbray, wie du; rede frey und ungescheut,
ich erlaub' es dir.
Mowbray.
So sag ich dann, Bolingbroke, in deinen verläumdrischen Hals hinein,
du lügst! Drey Theile von der Summe, die ich für Calais erhielt,
bezahlte ich an Sr. Hoheit Kriegs-Völker; das übrige behielt ich
mit Einwilligung, für eine Schuld zurük, die ich an meinen König zu
fordern hatte, den Rest der beträchtlichen Auslagen die ich machte,
da ich lezthin nach Frankreich reißte, die Königin abzuholen. Nun,
schluke diese Lüge hinab--Was Glocesters Tod betrift, so war ich's
nicht, der ihn erschlug. Wofern jemand berechtigt seyn sollte, mit
einer solchen Beschuldigung wieder mich aufzutreten, so wär' es der
ehrenvolle Vater meines Feindes, ihr mein edler Lord von Lancaster;
euch stellt' ich einst hinterlistig nach dem Leben, ein Verbrechen,
das noch immer meine reuvolle Seele foltert; aber ich beichtete es,
eh ich leztmals das Sacrament empfieng, und ich bat euch so
aufrichtig um Verzeihung, daß ich sie erhalten zu haben hoffe. Diß
ist mein Vergehen; alles übrige, dessen er mich anklagt, ist der
Geifer eines grollsüchtigen, lügenhaften und höchst ausgearteten
Verräthers; und zum Zeichen daß ich Muth habe, dieses mit meinem
Leben zu beweisen, werf ich gleichfalls mein Pfand vor dieses
übermüthigen Verräthers Füsse hin; in dem besten Blut, das in
seinem Herzen wallt, will ich beweisen, daß ich ein rechtschaffner
Edelmann bin; und damit ich nicht lange verziehen müsse, bitte ich
Eu. Hoheit herzlichst, den Tag zu unserm Zweykampf anzusezen.
König Richard.
Ergrimmte Edle, laßt euch von euerm Fürsten zähmen; laßt uns diese
Galle ohne blutvergiessen ausführen; Eure Wuth würde zu tiefe
Einschnitte machen, und unsre Ärzte sagen, es sey izt nicht Zeit
zum Bluten. Vergeßt, vergebt, vergleicht euch, und werdet
zufrieden; mein lieber Oheim, helft mir diesen Zwist in seiner
Geburt erstiken; wir wollen den Norfolk besänftigen, ihr euern Sohn.
Gaunt.
Es kan meinen Jahren nicht übel anstehen, wenn ich ein
Friedensstifter bin. Sohn, wirf des Herzogs von Norfolk Pfand
wieder hin.
König Richard.
Und ihr, Norfolk, werfet seines hin.
Gaunt.
Wie, Harry, du zögerst? Muß ich zweymal Gehorsam verlangen?
Mowbray.
Mich selbst, mein Gnädigster Souverain, werf' ich zu deinen Füssen;
mein Leben kanst du fordern, aber nicht meine Ehre. Jenes ist
meine Lehens-Pflicht dir schuldig; aber an meinen unbeflekten Namen
hast du (troz dem Tode, der auf meinem Grabe lebt **) kein Recht,
und nimmermehr werd' ich zugeben, daß er zur Schande mißbraucht
werde. Ich bin hier angegriffen und beschimpft worden, bis in die
Seele mit der Verläumdung vergiftetem Speer durchstochen, und diese
tödtliche Wunde kan kein andrer Balsam heilen, als das Blut aus dem
Herzen, welches diesen Gift ausgeathmet hat.
{ed.-** Die Reime, womit dieses Stük hie und da verbrämt ist, sind
nach Pope's Anmerkung, meist ausserordentlich schlecht, so schlecht,
daß dieser scharfsinnige Criticus vermuthet, sie seyen von einer
fremden Hand. Dieser jämmerliche Einfall, der in ( ) eingeschlossen
ist, und alle andre von dieser Art durch dieses ganze Stük, sind
dergleichen Reime, an die der Übersezer sich dann auch nicht
gebunden halten wird.}
König Richard.
Wuth muß Widerstand finden; gieb mir sein Pfand: Löwen machen
Leoparden zahm.
Mowbray.
Ja, aber sie löschen ihre Fleken nicht aus; nehmt nur meine
Beschimpfung von mir, so will ich mein Pfand abtreten. Mein
theurer, theurer Gebieter, der ächteste Schaz eines Mannes ist
unbeflekte Ehre; ist diese verlohren, so sind Menschen nur
übergüldeter Leim oder gemahlter Koth. Meine Ehre ist mein Leben,
sie sind in eins verwachsen; nehmt mir meine Ehre, so habt ihr mein
Leben genommen. So laßt mich dann meine Ehre bewähren, mein
theurer Oberherr; in ihr leb' ich, und für sie will ich sterben.
König Richard.
Vetter, werft euer Pfand hin, macht ihr den Anfang.
Bolingbroke.
Der Himmel bewahre meine Seele vor einer so schändlichen
Niederträchtigkeit. Wie, ich sollte mich vor meines Vaters Augen
überwunden geben, oder mit einem blassen Bettler-Gesicht mich
selbst vor diesem ausgeschämten Bastard anklagen? Eh meine Zunge
einen solchen Laut von sich geben soll, eh sollen meine Zähne das
sclavische Werkzeug der wiederruffenden Feigheit durchschneiden und
sie blutend in Mowbrays schändliches Antliz speyen.
(Gaunt geht ab.)
König Richard.
Wir sind nicht gebohren zu bitten, sondern zu befehlen; und da wir
dieses nicht können, um euch auszusöhnen, so haltet euch, so gewiß
als euer Leben dafür antworten soll, bereit, auf Sct. Lamberts Tag
zu Coventry zu erscheinen. Dort sollen eure Lanzen und Schwerdter
den schwellenden Zwist eures tiefgewurzelten Hasses entscheiden:
Lord Marschall, ertheilt euern Herolden und Officieren Befehl,
alles zu dieser feyerlichen Handlung zuzurüsten.
(Sie gehen alle ab.)

Dritte Scene.
(Der Schauplaz verwandelt sich in des Herzog von Lancaster Palast.)
(Gaunt und Herzogin von Glocester treten auf.)

Gaunt.
Ach, Schwester! Denkt ihr, daß eure Ausruffungen mich stärker als
der Bruder-Name treiben können, gegen die Mörder von Gloster's
Leben zu entbrennen? Aber da die Bestraffung dieser Übelthat in
den nemlichen Händen ligt, welche die Übelthat begangen haben, so
laßt uns unsre Sache dem Himmel anheim stellen, der, wenn er die
Stunde dazu auf Erden gereift sieht, heisse Rache auf der
Verbrecher Haupt regnen wird.
Herzogin.
Ist das alles, wozu der Name deines ermordeten Bruders dich treiben
kan! Hat die Liebe nicht mehr Wärme in deinem alten Blut? Edwards
sieben Söhne, wovon du selbst einer bist, waren wie sieben Phiolen
mit seinem geheiligten Blut angefüllt, oder wie sieben schöne
Zweige, aus einem Stamm entsprossen; einige von diesen sieben
Phiolen sind durch den Lauf der Natur ausgetroknet, einige von
diesen Ästen durch das Schiksal abgeschnitten; aber Thomas, mein
theurer Gemal, mein Gloster, (eine Phiole voll von Edwards
geheiligtem Blut, ein blühender Zweig aus seinem königlichen Stamm)
ist gewaltthätig zerbrochen, und all sein kostbarer Saft
verschüttet, ist umgehauen und alles sein Sommerlaub verwelkt,
durch die Hand des Neids zerbrochen, durch des Meuchelmords blutige
Axt umgefällt--Und du kanst gelassen bleiben? O, Gaunt, sein Blut
war auch deines; eben dieses Ehebett, eben dieser Mutterleib,
dieser Stoff, diese nemliche Form, so dich bildeten, machten ihn
zum Menschen; in ihm, ob du gleich lebst und athmest, bist auch du
erschlagen, ja du willigst gewisser Maassen in deines Vaters Tod
ein, indem du deinen unglükseligen Bruder, ihn, der ein Theil von
deines Vaters Leben war, so gleichgültig sterben siehst. Nenn' es
nicht Geduld, Gaunt, es ist Muthlosigkeit; indem du so gelassen
duldest, daß dein Bruder erschlagen worden, zeigst du den nakten
Pfad zu deinem eignen Leben, und lehrst den unerbittlichen Mord
dich auch zu mezeln. Das, was wir an gemeinen Menschen Geduld
nennen, ist blasse, kalte Feigheit in einer edeln Brust. Was soll
ich noch mehr sagen? Du kanst dein eignes Leben nicht besser
sicher stellen, als wenn du Glosters Tod rächest.
Gaunt.
Diese Sache ist Gottes Sache; denn Gottes Substitut, sein gesalbter
Statthalter, hat seinen Tod verursacht; geschah es unrechtmäßig, so
überlaßt Gott die Rache; ich werde niemals einen feindseligen Arm
gegen seinen Diener aufheben.
Herzogin.
Gegen wen, ach! gegen wen mag ich dann, ich Unglükselige, über
mein Unrecht mich beklagen?
Gaunt.
Gegen den Himmel, den Beschüzer der Wittwe.
Herzogin.
Nun dann, so will ich; lebe wohl, alter Gaunt, lebe wohl. Du gehst
nach Coventry, ein Zuschauer des Kampfs zwischen unserm Bruder
Herford und dem lasterhaften Mowbray zu seyn. O, Himmel, lege
meines Gemals erlidtnes Unrecht auf Herfords Speer, damit er des
mördrischen Mowbrays Brust durchbohre; oder wenn unglüklicher Weise
sein Speer ihn verfehlt, o! so laß Mowbrays Verbrechen so schwer
in seinem Busen werden, daß es seinem schäumenden Rosse den Naken
breche, und der Reuter, so lang er ist, in die Schranken falle, ein
dem Tod verfluchtes Opfer, wiewol unwürdig von Herfords edler Hand
zu sterben. Lebe wohl, alter Gaunt; die Unglükliche, die einst
deines Bruders Weib war, hat nun keinen andern Gespielen als einen
Jammer, der nur mit ihrem Leben enden kan.
Gaunt.
Schwester, lebet wohl; ich muß nach Coventry.
Herzogin.
Nur noch ein Wort; der Schmerz wird nie fertig; empfiehl mich
meinem Bruder Edmund von York; sieh', das ist alles--Nein, geh'
noch nicht--Ob diß gleich alles ist, so geh' nicht so schnell, es
wird mir noch mehr beyfallen. Sag' ihm--O was? Sag' ihm, er solle
mich, so bald als möglich, zu Plaschie besuchen. Aber, ach, was
wird der gute alte York dort sehen, als leere Gemächer und öde
Wände, unbevölkerte Nebenzimmer und unbetretne Steine? Was für
einen andern Willkomm wird er hören, als meine Klagen? Sag' ihm
also--Nein, laß ihn nicht hinkommen. Was kan sein Mitleiden mir
helfen. Auf allen Seiten trostlos, will ich geh'n und sterben; diß
lezte Lebewohl nimmt mein weinendes Auge von dir!
(Sie gehen ab.)

Vierte Scene.
(Die Schranken zu Coventry.)
(Der Lord Marschall, und der Herzog von Aumerle treten auf.)

Marschall.
Milord Aumerle, ist Harry Herford bewaffnet?
Aumerle.
Ja, vom Fuß bis zum Kopf, und wartet ungeduldig hereingelassen zu
werden.
Marschall.
Auch der Herzog von Norfolk wartet voll ungeduldigen Feuers auf die
Trompete des Appellanten.
Aumerle.
Die Kämpfer sind also gerüstet, und erwarten nur die Ankunft seiner
Majestät.
(Die Trompeten erschallen; und der König erscheint mit seinen Edeln;
nachdem sie sich gesezt haben, tritt der Herzog von Norfolk, als
Appellat, in voller Rüstung auf.)

König Richard.
Marschall, erforsche von jenem Ritter die Ursache, warum er hier in
Waffen erscheint; frag' ihn nach seinem Namen, und lege ihm den
gesezmäßigen Eid zu schwören auf.
Marschall.
In Gottes und des Königs Namen, sage wer bist, und warum erscheinst
du hier in dieser ritterlichen Rüstung? Gegen wen kommst du, und
was ist deine Sache? Antworte bey deiner ritterlichen Ehre, und
auf deinen Eid, und so beschüze dich der Himmel und deine
Tapferkeit!
Mowbray.
Mein Nam' ist Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk, und ich erscheine
hier bey meinem Wort, das einem Ritter unverlezlich heilig seyn
soll, beydes meine Treue und ritterliche Ehre zu Gott, meinem König
und meinen Nachkommen, wider den Herzog von Hereford, meinen
Ankläger, zu behaupten, und mit Gottes Gnade und der Stärke meines
Arms ihm durch meine Vertheidigung zu beweisen, daß er ein
Verräther gegen Gott, meinen König und mich ist; und so wie ich für
eine gerechte Sache fechte, so schüze mich der Himmel! (Die
Trompeten erschallen; Bolingbroke, als ein Appellant, tritt in
vollen Rüstung auf.)
König Richard.
Marschall, frage jenen bewaffneten Ritter wer er ist, warum er hier
in diesem kriegrischen Aufzug erscheint? Und laß ihn, unsern
Gesezen gemäß, förmlich auf die Gerechtigkeit seiner Sache schwören.
Marschall.
Wie ist dein Nahme, und warum kommst du vor König Richards
Gegenwart, in seine königliche Schranken? Gegen wen kommst du und
was hast du für eine Sache? Rede, wie ein rechtschaffner Ritter,
und so beschüze dich der Himmel!
Bolingbroke.
Ich bin Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby, und stehe hier
in dieser Waffenrüstung, durch Gottes Gnade und meine Tapferkeit
gegen Thomas Mowbray Herzog von Norfolk zu beweisen, daß er ein
schändlicher und verderblicher Verräther an Gott im Himmel, dem
König Richard und an mir ist, und so wie ich für Recht und Wahrheit
kämpfe, beschüze mich der Himmel!
Marschall.
Bey Strafe des Todes erfreche sich niemand, diese Schranken zu
berühren, als der Marschall, und diejenigen Officiers, welche zu
Anordnung des Kampfs bestellt sind.
Bolingbroke.
Lord Marschall, laßt mich meines Königs Hand küssen und meine Knie
vor seiner Majestät beugen; Mowbray und ich sind wie zween Männer,
die eine lange und gefährliche Pilgrimschaft geloben; es sey uns
also vergönnt einen feyrlichen Abschied von unsern Freunden zu
nehmen.
Marschall.
Der Kläger bittet sich die Gnade aus, Euer Majestät seine
Schuldigkeit zu bezeugen, und seinen Abschied zu nehmen.
König Richard.
Wir wollen herabsteigen, und ihn in unsre Arme schliessen. Vetter
von Hereford, so wie deine Sache gerecht ist, so sey dein Glük in
diesem königlichen Kampfe! Fahre wohl, mein Blut; und wenn dein
Verhängniß ist, es an diesem Tag zu vergiessen, so werden wir
trauren, aber keine Rache an dem Thäter nehmen.
Bolingbroke.
O laßt kein edles Aug' eine Thräne für mich entweihen, wenn ich
durch Mowbrays Lanze falle! Aber so muthig wie ein Falke auf einen
Vogel schießt, geh' ich mit Mowbray zu fechten. Mein theurer Herr,
ich nehme meinen Abschied von euch, und von euch, mein edler Vetter,
Lord Aumerle--nicht niedergeschlagen, ob ich gleich eine tödtliche
Arbeit vor mir habe, sondern munter, jugendlich, und frölich
athmend--O du, der irdische Schöpfer meines Wesens,
(zu Gaunt.)
dessen ehmaliger Jugend-Geist in mir wiedergebohren, mich mit
zwiefacher Stärke emporhebt, den Sieg zu erreichen, der über meinem
Haupte schwebt; stähle meine Rüstung durch dein Gebet, und schärfe
durch deinen Segen die Spize meiner Lanze, daß sie Mowbrays
gewichstes Wamms durchdringen und dem Namen Johann von Gaunt durch
das edle Betragen seines Sohns einen neuen Glanz gebe!
Gaunt.
Der Himmel begünstige dich in deiner gerechten Sache! Sey behend
im Streit wie der Bliz, und laß deine Streiche, zweymal verdoppelt,
wie betäubende Donnerschläge auf den Helm deines verderblichen
Gegners herab stürzen. Feure dein jugendliches Blut an, sey tapfer,
und lebe!
Bolingbroke.
So helfen mir meine Unschuld, Gott, und St. George!
Mowbray.
Was für ein Loos auch der Himmel oder das Glük für mich ziehen mag,
so leb' oder sterb' ich hier, getreu an König Richards Thron, ein
pflichtmäßiger, redlicher und rechtschaffner Edelmann! Nie hat ein
Gefangner mit einem frohern Herzen seine Ketten abgeworfen, und
seine goldne unabhängige Befreyung umfaßt, als womit meine tanzende
Seele an diesem Kampf mit meinem Feind, wie an einem Freuden-Fest
sich erlustiget. Großmächtigster Oberherr, und ihr meine edlen
Freunde, empfangt aus meinem Munde den Wunsch glüklicher Jahre! So
freudig und guten Muths wie zu einem Ritterspiel, geh' ich zu
diesem Kampf; Redlichkeit hat ein ruhiges Herz.
König Richard.
Fahre wohl, Milord; ich sehe Tugend und Muth ruhig in deinen Augen
ligen. Ordnet den Kampf an, Marschall, und beginnt!
Marschall.
Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby, empfange diese Lanze,
und der Himmel schüze dein Recht!
Bolingbroke.
Fest in Hoffnung wie ein Thurm, ruf ich Amen!
Marschall.
Geh, bringe diese Lanze Thomas, Herzogen von Norfolk.
1. Herold.
Heinrich von Hereford, Lancaster und Derbey, steht hier für Gott,
seinen Lehnsherrn und ihn selbst, bey Straffe falsch und meineidig
erfunden zu werden, zu beweisen, daß Thomas Mowbray, Herzog von
Norfolk ein Verräther an seinem Gott, seinem König und ihm sey,
muthig steht er hier und fordert ihm zum Kampf auf!
2. Herold.
Hier steht Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk, bey Straffe falsch
und meineidig erfunden zu werden, beydes sich selbst zu
vertheidigen, und zu beweisen, daß Heinrich von Hereford, Lancaster
und Derbey ein Verräther an Gott, seinem Lehnsherrn, und ihm sey;
und er wartet muthvoll und mit Verlangen auf das Zeichen zum Anfang.
(Man blaßt zum Angriff.)
Marschall.
Blaset Trompeten, und ihr Kämpfer, rüket aus--Doch halt! Der König
hat seinen Stab hingeworffen.
König Richard.
Laßt sie ihre Helme und Lanzen bey Seite legen, und beyde zu ihren
Stühlen zurük kehren; entfernt euch mit uns, und laßt die Trompeten
schallen, bevor wir diesen Herzogen unsern Willen kund thun.
(Trompeten.)
König Richard (Zu den Kämpfern:)
Kommt näher herbey, und höret, was wir mit unserm Rath gethan haben.
Damit die Erde unsers Königreichs nicht mit diesem kostbaren
Blute besudelt werde, dessen Mutter sie ist, und weil unsre Augen
den gräßlichen Anblik bürgerlicher Wunden hassen, die von
nachbarlichen Schwerdtern gegraben werden, und weil wir denken, daß
nichts anders als der Adlerbeschwingte Stolz ehrsüchtiger und
himmelan-strebender Gedanken euch mit eifersüchtigem Haß erfüllt
und aufgereizt hat, den Frieden, der gleich einem
sanftschlummernden neugebohrnen Kind, in der Wiege unsers
mütterlichen Landes zu schlafen angefangen, wieder aufzuweken. Aus
diesen Ursachen verbannen wir euch, Vetter von Hereford, bey
Straffe des Todes aus unsern Gebieten; bis zehen Sommer unsre
Felder bereichert haben, sollt ihr unsre blühenden Herrschaften
nicht wieder grüssen, sondern die fremden Pfade der Verbannung
betreten.
Bolingbroke.
Euer Wille geschehe! Mein Trost muß seyn, daß die nemliche Sonne,
die euch hier erwärmt, mich bescheinen wird, und daß eben diese
goldnen Stralen, die sie euch hier leiht, meine Verbannung
vergülden werden.
König Richard.
Norfolk, auf dich wartet ein strengeres Urtheil, wiewol ich es
nicht ohne Widerwillen anspreche. Die schnellgeflügelten Stunden
werden deiner Verbannung kein Ziel bestimmen; das hoffnunglose Wort,
nicht wiederzukehren, athme ich gegen dich bey Straffe des Todes.
Mowbray.
Ein hartes Urtheil, mein gebietender Oberherr, und aus Eurer Hoheit
Mund gar zu unerwartet! Ich habe eine bessere Belohnung von Eurer
Hand verdient, als so verstümmelt an die freye Luft hingeworfen zu
werden. Die Sprache, die ich nun vierzig Jahre gelernt habe, mein
angebohrnes Englisch, muß ich nun vergessen, und meine Zunge wird
mir künftig nicht mehr nüzen, als eine unbesaitete Harfe, oder als
ein feines Instrument in der Hand dessen, der es nicht zu spielen
weiß. Ihr habt meine Zunge in meinen Mund eingekerkert, und stumme,
gefühllose, unfruchtbare Unwissenheit ist der Kerkermeister, der
mich bewachen soll. Ich bin zu alt, mich an den Busen einer neuen
Säugamme zu schmiegen, oder wieder ein Lehrknabe zu werden. Was
ist also Euer Urtheil, als die Verdammung zu einem sprachlosen Tod,
der meiner Zunge das Leben nimmt?
König Richard.
Vergebens bemühst du dich unser Mitleiden zu erweken; Nachdem unser
Urtheil ausgesprochen ist, kommen Klagen zu spät.
Mowbray.
So entweich ich dann aus dem Tag meines Vaterlands, um mein Leben
in den traurigen Schatten einer hoffnunglosen Nacht zu enden.
König Richard.
Kommt wieder zurük und nehmt einen Eid mit euch. Legt eure
verbannten Hände auf eure königlichen Schwerdter, und schweert bey
eurer Pflicht zum Himmel, (den Antheil, den wir daran haben,
verbannen wir mit euch selbst*) daß ihr den Eid halten wollet, den
wir euch auferlegen. Nimmer sollt ihr während eurer Verbannung
euch mit einander aussöhnen, keiner soll des andern Angesicht sehen,
keiner auf welche Art es sey, einige Gemeinschaft mit dem andern
unterhalten, vielweniger durch verabredete Entwürfe irgend etwas
böses gegen uns, unsern Staat, unsre Unterthanen, und unser Land
anzuspinnen oder auszuführen suchen; schwört diß, so wahr euch der
Himmel helfe!
{ed.-* Es ist eine Frage, worüber unter den Lehrern des Völker-Rechts
viel gestritten worden, ob ein Verwiesener dem Staat, der ihn
verbannt hat, dem ungeachtet mit der Pflicht der Treue zugethan sey.
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