Leben und Tod des Königs Johann - 2

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{ed.-* Um diese und verschiedne andre in einer der folgenden Scenen
vorkommenden Spöttereyen und Grobheiten, die Faulconbridge dem
Herzog von Östreich sagt, zu verstehen, muß man wissen, daß dieser
Herzog mit einer Löwenhaut umhüllt auf der Bühne erscheinen muß.
König Richard hatte, wie man sagt, während seinem berühmten
Kreuzzug, worinn er seine persönliche Herzhaftigkeit und Stärke
durch eine Menge ritterlicher Thaten bewies, auch einen
ausserordentlich grossen Löwen bezwungen, und die Haut desselben,
zum Zeichen dieses Siegs, nachher allezeit getragen oder bey sich
geführt. Dieser Haut bemächtigte sich der Herzog von Östreich,
nachdem er, wie bekannt ist, den König Richard, durch Hinterlist
und Betrug in seine Gewalt bekommen; und soll, aus einer allerdings
lächerlichen Pralerey, selbige, als eine Beute, die er einem so
grossen Helden wie Richard abgenommen, nach dessen Tod allezeit
getragen haben.}
Blanca.
O wie wohl stuhnd dem dieser Löwen-Rok an, der dem Löwen diesen Rok
abzog!
Faulconbridge.
Er ligt so stattlich auf seinem Rüken, als des grossen Alcides
Löwenhaut auf dem Rüken eines Esels; aber, Esel, ich will euch
diese Last von euerm Rüken abnehmen, oder euch noch eine auflegen,
davon euch die Schultern krachen sollen.
Herzog.
Was für ein Schwärmer ist das, der unsre Ohren mit einem solchen
Übermaaß von vergeblichem Athem betäubt? König Philipp,
entschliesset euch ohne längeres Zaudern, was wir thun wollen.
König Philipp.
Weiber und Narren, brecht eure Conferenz ab. König Johann, hier
ist mein Vortrag in wenig Worten: England, Irrland, Anjou, Touraine
und Maine fordre ich im Namen des jungen Arthurs von dir; willt du
sie abtreten, und die Waffen niederlegen?
König Johann.
Eher mein Leben--Ich biete dir Troz deßhalb, Frankreich. Arthur
von Bretagne, begieb dich in meinen Schuz, und ich will dir aus
Liebe mehr geben, als der feige Arm von Frankreich jemals für dich
gewinnen kan. Ergieb dich, Junge.
Elinor.
Komm zu deiner Groß-Mama, Kind.
Constantia (indem sie eine kindische Art zu reden affectirt.)
Thu's, Kind, geh zu Groß-Mama, Kind. Gieb Groß-Mama Königreich,
und Groß-Mama giebt dem Kind ein Zukerchen, eine Kirsche, eine
Feige; es ist eine gute Groß-Mama.
Arthur.
Meine liebe Mutter, gebt euch zufrieden. Ich wollt', ich läge tief
in meinem Grab; ich bin nicht werth, daß man soviel Lerms
meinetwegen mache.
Elinor.
Seine Mutter beschämt ihn so, der arme Junge, er weint.
Constantia.
Das Unrecht, das ihm seine Großmutter zufügt, nicht die Schande die
ihm seine Mutter macht, zieht diese den Himmel rührenden Perlen aus
seinen armen Augen, die der Himmel als ein Schuzgeld annehmen wird;
ja mit diesen Thränen wird sich der Himmel gewinnen lassen, sich
seines Rechts anzunehmen, und euch zur Straffe zu ziehen.
Elinor.
Ungeheuer, scheuest du dich nicht, Himmel und Erde zu lästern?
Constantia.
Ungeheuer, scheust du dich nicht, Himmel und Erde zu beleidigen?
Wie kanst du mich anklagen, daß ich lästre? Du und die deinigen
usurpiren die Länder, Regalien und Gerechtsame dieses unterdrukten
Waysen; es ist der Sohn deines ältesten Sohns, und in nichts
unglüklich als darinn, daß er von dir abstammt. Deine Sünden
werden an diesem armen Kinde heimgesucht; der Ausspruch des Gesezes
ligt auf ihm, da er nur im dritten Glied von deinem
Sündempfangenden Leib entfernt ist.
König Johann.
Tollhäuslerin, hört auf!
Constantia.
Ich habe nur das noch zu sagen, daß er nicht nur um ihrer Sünde
willen gestraft wird, sondern Gott hat ihre Sünde und sie zur
Strafe dieses entfernten Abkömmlings gemacht, der um ihrentwillen
gestraft wird, und mit ihrer Strafe ihre Sünde; sein Unrecht, ihr
Unrecht, der Büttel ihrer Sünde, alles in der Person dieses Kindes
gestraft, und alles um ihrentwillen; daß sie die Pest!**
{ed.-** Dieses Ungeheuer von einer aller Sprach- und Vernunftlehre
trozbietenden Rede, hat man, da ihr ohnehin nicht zu helfen ist,
von Wort zu Wort geben wollen, wie sie der Autor giebt; Deutschen
Unsinn für Englischen Unsinn.}
Elinor.
Du unverständiges Lästermaul, ich kan ein Testament aufweisen, das
deines Sohnes Recht entkräftet.
Constantia.
So, wer zweifelt daran? Ein Testament?--Ein falsches Testament,
ein Weiber-Testament, einer unnatürlichen Großmutter Testament.
König Philipp.
Stille, Lady; schweigt oder mäßigt euch; es schikt sich übel für
diese Versammlung diesen euern übeltönenden Wiederholungen immer
Halt zu ruffen. Laßt eine Trompete diese Leute von Angiers auf die
Mauern fordern; sie sollen sich erklären, wessen Recht sie gelten
lassen wollen, Arthur's oder Johann's.
(Trompeten.)

Dritte Scene.
(Ein Bürger von Angiers kommt auf die Mauern.)
Bürger.
Wer ist der, der uns auf die Mauern hervorgeruffen hat?
König Philipp.
Es ist Frankreich, im Namen Englands.
König Johann.
England in seinem eignen Namen. Ihr Männer von Angiers, und meine
lieben Unterthanen--
König Philipp.
Ihr werthen Männer von Angiers, Arthurs Unterthanen, unsre Trompete
rief euch zu dieser gütlichen Unterredung--
König Johann.
In Betreff unsrer gerechten Sache; höret uns also zuerst; diese
Französischen Fahnen, die hier, so nah' an eurer Stadt, vor euern
Augen sich verbreiten, sind zu euerm Verderben hieher gezogen; der
Bauch ihrer Canonen ist mit Grimm angefüllt, sie sind schon
gerichtet, ihren eisernen Zorn gegen eure Mauern auszuspeyen; diese
Franzosen stellen sich mit allen Zurüstungen zu einer blutigen
Belagerung und einem unbarmherzigen Verfahren vor die Augen eurer
Stadt und vor eure verschloßnen Thore; und, ohne unsre Annäherung,
würden diese schlafenden Steine, die euch umgürten, durch den Stoß
ihrer Maschinen aus ihrem ruhigen Leim-Bette gerissen, und der
blutigen Gewalt ein gräßlicher Ruin gemacht worden seyn, auf euern
Frieden einzustürmen; aber, auf unsern Anblik, euers rechtmäßigen
Königs, (der, des Ungemachs verdoppelter Märsche nichts achtend,
herbey geeilt ist, einen mächtigen Entsaz vor eure Thore zu bringen,
und die bedräuten Wangen eurer Stadt unzerkrazt zu erhalten,) seht,
die bestürzten Franzosen selbst eine Unterredung antragen, und nun,
für in Feuer gekleidete Kugeln, die ein schüttelndes Fieber in
euern Mauern machen sollten, sanfte in Rauch eingehüllte Worte
losschiessen, um eure Ohren durch ein betrügliches Getöne zu
bethören; aber glaubet ihnen, wie sie es verdienen, werthe Bürger,
und lasset uns, euern König ein, dessen müde Lebensgeister, von
dieser übertriebnen Eile abgemattet, Herberge innert euren
Stadtmauern suchen.
König Philipp.
Wenn ich gesprochen habe, so antwortet uns beyden. Seht! an
dieser rechten Hand, deren Schuz durch die heiligsten Gelübde dem
Rechte dessen, den sie hält, geweyhet ist, steht der junge
Plantagenet, Sohn von dem ältern Bruder dieses Mannes, und König
über ihn und alles, was er inne hat. Um seines zu Boden getretnen
Rechts willen treten wir in kriegrischem Marsch diese grünen Ebnen
vor eurer Stadt, ohne einigen Vorsaz einer Feindseligkeit gegen
euch, ausser wozu uns, von eurer Widerspenstigkeit gereizt, ein
mildthätiger Eifer zur Erhaltung dieses unterdrükten Kindes, in
unserm Gewissen nöthiget. Weigert euch also nicht, eine Pflicht zu
erstatten, die ihr demjenigen unleugbar schuldig seyd, der sie zu
fordern berechtigt ist, nemlich, diesem jungen Prinzen; so soll
unsern Waffen, gleich einem bemaulkorbten Bären, sicher anzusehen,
alle Beleidigung verboten seyn, die Bosheit unsrer Canonen gegen
die unverwundbaren Wolken des Himmels ausgelassen werden, und mit
einem friedsamen und ungestörten Rükzug, mit ungebrauchten
Schwerdtern und unversehrten Helmen, wollen wir dieses muthige Blut
wieder heimtragen, welches wir gegen eure Mauern auszuspeyen
gekommen waren, und eure Weiber, Kinder und euch im Frieden lassen.
Solltet ihr aber so thöricht seyn, dieses unser zuvorkommendes
Anerbieten auszuschlagen, so bildet euch nicht ein, daß diese alten
Mauern euch gegen unsre Kriegs-Abgesandten schüzen werden, wenn
gleich alle diese Engländer mit ihrer Macht in ihrem rauhen Umkreis
gelagert wären. Sagt uns also, will eure Stadt uns im Namen
desjenigen, für welchen wir euch dazu auffordern, als ihren Herrn
erkennen; oder sollen wir das Zeichen zum Angriff geben, und in
Blut wattend in unser Eigenthum einziehen?
Bürger.
Unsre Antwort ist kurz: Wir sind des Königs von England Unterthanen;
für ihn und kraft seines Rechts, haben wir diese Stadt inne.
König Johann.
So erkennet dann euern König, und lasset mich ein.
Bürger.
Das können wir nicht; demjenigen der es beweißt, daß er König ist,
wollen wir uns als getreue Unterthanen beweisen; so lange aber
dieses nicht geschehen seyn wird, sollen unsre Thore gegen die
ganze Welt verriegelt bleiben.
König Johann.
Beweißt nicht die Crone von England den König? Und wenn dieses
nicht genug ist, so bring ich euch Zeugen, zweymal fünfzehntausend
Herzen voll von Englischem Blut--
Faulconbridge.
(Hurensöhne und andre.)
König Johann.
Die bereit sind, unser Recht mit ihrem Leben zu beweisen.
König Philipp.
Eben so viele, und von so gutem Blut als jene--
Faulconbridge.
(Die Hurensöhne auch mitgezählt.)
König Philipp.
Stehen hier, ihm seine Fordrung ins Angesicht zu widersprechen.
Bürger.
Biß ihr ausgemacht haben werdet, wessen Recht das vorzüglichste ist,
halten wir für den Vorzüglichsten das Recht von beyden zurük.
König Johann.
So vergebe dann Gott die Sünden aller der Seelen, die zum
furchtbaren Erweis unsers Königlichen Titels, noch eh der Abendthau
fallen wird, in ihre ewige Wohnung geflohen seyn werden!
König Philipp.
Amen, Amen!--Zu Pferde, ihr Ritter, zu den Waffen!
Faulconbridge.
Sanct Georg, der den Lindwurm trillte, und seither immer zu Pferd
vor meiner Wirthin Thüre sizt, helf uns aus diesem Handel!
(Zu Östreich.)
Kerl, wär ich daheim in eurer Höle, Kerl, bey eurer Löwin, ich
wollt euch einen Ochsen-Kopf auf eure Löwenhaut sezen, und ein
Ungeheuer aus euch machen.
Östreich.
Still, nichts mehr!
Faulconbridge.
O zittre, du hörst den Löwen brüllen.
König Johann (zu Faulconbridge.)
Wir wollen weiter in die Ebne vorrüken, um unsre Regimenter besser
ausbreiten und stellen zu können.
Faulconbridge.
So macht fein geschwinde, daß ihr den Vortheil des Plazes gewinnt.
König Philipp (zu Östreich, mit dem er vorher leise gesprochen.)
Gut; die übrigen laßt auf dem andern Hügel sich sezen. Gott und
unser Recht!
(Sie gehen ab.)

Vierte Scene.
(Man blaßt zum Angriff; beyde Armeen werden handgemein, Gefecht;
endlich tritt der Herold von Frankreich mit Trompeten vor das Stadt-
Thor.)

Französischer Herold.
Ihr Männer von Angiers, öffnet eure Thore weit, und laßt den jungen
Arthur, Herzog von Bretagne, ein, der durch Frankreichs Hand an
diesem Tag manchen Englischen Müttern Stoff zu Thränen gegeben hat;
ihre Söhne ligen auf dem blutigen Grunde verzettelt, und mancher
Wittwe Mann krümmt sich im Staub, und umfaßt mit kalten Armen die
blutgefärbte Erde; indeß daß der wohlfeil-erkaufte Sieg um die
tanzenden Paniere der Franzosen scherzt, die in triumphierender
Unordnung bey der Hand sind, als Sieger einzuziehen, und Arthur von
Bretagne zu Englands und euerm König auszuruffen.
(Ein Englischer Herold tritt mit Trompeten auf.)
Englischer Herold.
Freuet euch, ihr Männer von Angiers, läutet eure Gloken; König
Johann, euer und Englands König, ist im Anzug, als Meister von
diesem heissen blutigen Tage. Die Rüstungen derer, die diesen
Morgen in so hellem Silberglanz vor euch vorbeyzogen, kehren alle
in Französischem Blute vergüldet zurük; nicht ein einziger
Federbusch, der auf einem Englischen Helme winkte, ist von einem
Französischen Speer abgeschlagen worden; unsre Fahnen kommen in den
nemlichen Händen wieder, die sie entfalteten als wir auszogen, und
gleich einem lustigen Truppen Jäger, kommen unsre frölichen
Engländer, alle mit bepurpurten Händen zurük, in dem Lebensblut
ihrer sterbenden Feinde gefärbt. Öffnet eure Thore, und laßt die
Sieger einziehen.
Bürger.
Ihr Herolde, wir haben von unsern Thürmen euerm ganzen Gefecht, vom
Angriff bis zum Abzug zusehen können; unsre schärfsten Augen haben
keinen Vorzug oder Vortheil auf einen von beyden Partheyen entdeken
können; Blut hat Blut erkauft, und Streiche haben Streichen
geantwortet; Stärke, Muth, Dapferkeit und Glük waren auf beyden
Seiten gleich. So sind auch wir gegen beyde, bis einer der
Grösseste bleibt; so lange sie so im Gleichgewicht stehen, halten
wir unsre Stadt für keinen, sondern für beyde.

Fünfte Scene.
(Die beyden Könige mit ihrem Heer treten auf verschiednen Seiten
auf.)

König Johann.
Frankreich, hast du noch mehr Blut wegzuwerfen? Sprich, willt du
dem Strom unsers Rechts seinen friedfertigen Lauf lassen; oder soll
er von dir gestört, aus seinem natürlichen Canal hervorschwellen,
und deine angrenzenden Ufer überströmen?
König Philipp.
England, du hast in diesem hizigen Wettkampf nicht einen einzigen
Tropfen Bluts mehr zurükgebracht als wir; eher hast du mehr
verlohren. Und ich schwöre bey dieser Hand, die diesen
weitgrenzenden Erdstrich beherrschet; eh wir diese gerechten Waffen
niederlegen, wollen wir dich, gegen den wir sie tragen, in den
Staub niederlegen, oder selbst die Zahl der Todten mit einem
königlichen Schatten vermehren!
Faulconbridge.
Ha! Majestät!--Wie hoch steigt dein Stolz, wenn das goldne Blut
der Könige in Feuer gesezt wird! Oh, nun füttert der Tod seine
morschen Kinnbaken mit Stahl, Schlachtschwerdter sind seine Zähne
und Griffe, und nun schmaußt er und frißt sich, indeß daß die
Könige hadern, an Menschenfleisch satt. Warum stehen diese
königlichen Linien so unbeweglich? Ruft zum Angriff, ihr Könige;
zurük in das blutbeflekte Feld, ihr gleichmächtigen Fürsten, ihr
Feuer-sprudelnden Geister! Laßt die Niederlage des einen Theils
den Frieden des andern bekräftigen. Bis dahin Streiche, Blut und
Tod!
König Johann.
Für wessen Parthey erklären sich nun die Leute in der Stadt?
König Philipp.
Sprecht, ihr Bürger; wen erkennt ihr für euern König?
Bürger.
Den König von England, sobald wir ihn kennen.
König Philipp.
Erkennt ihn in Uns, die wir hier sein Recht verfochten haben.
König Johann.
In Uns, die wir unser eigner grosser Abgeordneter sind, und im
Besiz unsrer eignen Person uns hier befinden, Herr von unsrer
Gegenwart, von Angiers, und von euch.
Bürger.
Eine grössere Macht, als die eurige, widerspricht all dieses, und
bis sie ausser allem Zweifel ist, schliessen wir unsre erste
Bedenklichkeit in unsre stark verrigelte Thore ein. Könige sind
unsre Furcht, so lange bis unsre Furcht von einem gewissen Könige
aufgelöst, gereinigt und ausgetrieben seyn wird.
Faulconbridge.
Diese unverschämten Gesellen von Angiers spotten eurer, ihr Könige,
und stehen sicher auf ihren Zinnen, wo sie wie auf einem
Amphitheater, unsern arbeitvollen Todes-Scenen und Aufzügen mit
weitoffnen Augen und richtendem Blik zusehen. Laßt euch von mir
rathen, ihr Könige; seyd gleich den Aufrührern von Jerusalem eine
Weile Freunde, und vereinigst eure äusserste Macht wider diese
Stadt. Laßt Frankreich von Osten, und England von Westen ihre bis
an die Mündung gefüllte Canonen wider sie richten, bis ihr Seele-
schrekendes Geschrey die steinernen Rippen dieser trozigen Stadt zu
Boden geklafft hat; ich wollte unverzüglich auf diese Schindmähren
spielen, bis die Verwüstung ihnen keine andre Schuzwehr als die
umgebende Luft übrig liesse. Wenn dieses geschehen ist, dann
trennt eure vereinbarte Macht wieder, sondert eure vermengten
Fahnen ab, und sezet Antliz gegen Antliz, und Schwerdt gegen
Schwerdt. Dann wird Fortuna in einem Augenblik aus einem von
beyden Theilen ihren glüklichen Günstling auswählen, dem sie die
Ehre dieses Tages zuwenden, und den sie mit einem glorreichen Siege
küssen wird. Wie gefällt euch dieser wilde Rath, mächtige Fürsten?
Schmekt er nicht ein wenig nach der Politik?
König Johann.
Nun bey dem Himmel, der über unsern Häuptern hängt, er gefällt mir.
Frankreich, laßt uns unsre Kräfte vereinbaren, und dieses Angiers
dem Erdboden gleich machen; dann wollen wir erst durch die Waffen
ausmachen, wer König davon seyn soll?
Faulconbridge (zu Frankreich.)
Und wenn du anders die Empfindlichkeit eines Königs hast, so richte,
da du eben so sehr als wir selbst von dieser halsstarrigen Stadt
beleidigt worden bist, den Rachen deiner Artillerie, wie wir der
unsrigen, gegen diese trozigen Mauern; und wenn wir sie zu Boden
geschmettert haben, nun, dann könnt ihr's mit einander aufnehmen,
und einander, wie es kommt, gen Himmel oder in die Hölle schiken.
König Philipp.
So wollen wir's machen; saget, wo wollt ihr angreiffen?
König Johann.
Wir wollen von Westen Zerstörung in den Busen dieser Stadt senden.
Östreich.
Ich von Norden.
König Philipp.
Unser Donner soll von Süden einen Hagel von Kugeln auf diese Stadt
regnen.
Faulconbridge (leise.)
Eine weise Einrichtung! Von Norden zu Süden; Östreich und
Frankreich werden einander ins Gesicht schiessen. Ich will sie
dazu aufreizen;
(laut;)
kommt, hinweg, hinweg!
Bürger.
Hört uns, grosse Könige; laßt euch gefallen noch einen Augenblik zu
verweilen, und ich will euch einen Vorschlag zum Frieden und zu
einem annehmlichen Verglich thun. Gewinnet lieber diese Stadt ohne
Wunden, und lasset diese Kriegsmänner, die als Schlachtopfer auf
den Wahlplaz hieher gekommen sind, ihr Leben wieder nach Hause
tragen, und in ihren Betten sterben. Verharret nicht auf euerm
Vorsaz, sondern höret mich, grosse Könige.
König Johann.
Redet, wir erlauben es, und wollen hören.
Bürger.
Diese Infantin von Spanien, Lady Blanca, ist nahe mit England
verwandt; betrachtet den jungen Ludwig, den Dauphin, und dieses
liebenswürdige Mädchen. Wenn wollüstige Liebe auf die Jagd der
Schönheit ausgehen wollte, wo könnte sie solche schöner finden, als
in Lady Blanca? Wenn keusche Liebe gehen wollte, die Tugend
aufzusuchen, wo könnte sie solche reiner finden, als in Lady
Blanca? Wenn ehrsüchtige Liebe ein Bündniß mit hohem Stande machen
will, in welchen Adern rinnt ein edler Blut als in Lady Blanca's?
So wie sie an Schönheit, Tugend und Geburt ist, so vollkommen ist
der junge Dauphin, in jedem Stüke; soll er nicht vollkommen seyn, o,
so sagt nur, er ist nicht sie; so wie ihr nichts anders mangelt,
(wenn das ein Mangel heissen kan,) als daß sie nicht er ist. Er
ist die Helfte eines vollkommnen Mannes, bestimmt, durch eine
solche Sie vollendet zu werden; und sie eine schöne getheilte
Vortreflichkeit, deren vollständige Vollkommenheit in ihm ligt. O!
zween solche Silberströme, wenn sie sich vereinigen, machen die
Ufer worinn sie zusammenfliessen, zu Paradiesen. Diese Vereinigung
soll mehr über unsre festverschloßnen Thore vermögen als Batterien;
denn sobald ihr dieses Bündniß beschlossen haben werdet, soll sich
der Mund des Zugangs, schneller als der Bliz des Pulvers ihn mit
Gewalt eröffnen könnte, von freyen Stüken weit aufthun, euch
einzulassen; aber ohne dieses Bündniß, ist die ergrimmte See nicht
halb so taub, sind Löwen nicht halb so unerschroken, und Berge und
Felsen so unbeweglich; nein, der Tod selbst ist in seiner
verderblichen Wuth nicht halb so unerbittlich, als wir, diese Stadt
zu behaupten.
Faulconbridge.
Das ist ein Redner, der das faule Gerippe des Todes aus seinen
Lumpen herausschüttelt. Das ist ein grosses Maul, in der That, das
Tod und Berge, Felsen und Seen ausspeyt, und von brüllenden Löwen
so vertraulich spricht, als Mädchen von dreyzehn Jahren von
Schooßhündchen. Was für ein Constabel zeugte dieses lustige Blut?
Er spricht lauter Canonen-Feuer, Rauch und Knall; er giebt Prügel-
Suppe mit seiner Zunge; unsre Ohren kriegen Stokschläge; er sagt
nicht ein Wort, das nicht eine derbere Maulschelle giebt als eine
Französische Faust. Zum Henker! Ich bin nie so mit Worten
abgepläut worden, seit ich meines Bruders Vater Papa genennt habe.
Elinor (zu König Johann, leise.)
Sohn, gieb diesem Vorschlag Gehör, geh dieses Bündniß ein, und gieb
ihnen mit unsrer Nichte eine Morgengabe, womit sie zufrieden seyn
können; denn durch dieses Band kanst du dein izt wankendes Recht an
die Crone so feste machen, daß jener grüne Bube keine Sonne haben
wird, um die Blüthe zu zeitigen, die eine mächtige Frucht
verspricht. Ich sehe Nachgiebigkeit in Frankreichs Bliken; sieh,
wie sie einander zuflüstern; fasse sie bey diesem Augenblik, da
ihre Seelen fähig sind, sich durch die Hoffnung einer vergrösserten
Macht bestechen zu lassen, sonst möcht' ihr Eifer für Arthurs Sache,
der izt durch den lauen Athem von sanften Bitten, Mitleiden und
Bedenklichkeiten aufgeschmelzt worden, wieder erkalten, und zu der
vorigen Härte gefrieren.
Bürger.
Was antworten Eure Majestäten auf den gütlichen Vorschlag unsrer
bedräuten Stadt?
König Philipp.
Sprecht zuerst, England, da ihr der erste waret, der seinen Antrag
an diese Stadt machte; was ist eure Gesinnung?
König Johann.
Wofern der hier gegenwärtige Dauphin, dein königlicher Sohn, in
diesem Buche der Schönheit lesen kan, ich liebe; so soll ihre
Mitgift soviel wägen als eine Königin; denn Anjou, und das schöne
Touraine, Maine, Poitou, und alles, was (diese belagerte Stadt hier
ausgenommen,) auf dieser Seite des Meers unsrer Crone einverleibt
ist, soll ihr Braut-Bette vergülden, und sie an Titeln, Würden und
Gütern so reich machen, als sie an Geburt, Erziehung und Schönheit,
jeder andern Princeßin in der Welt die Wage hält.
König Philipp.
Was sagst du denn, Junge? Sieh der Princeßin ins Gesicht.
Ludwig.
Ich thu es, Sire, und ich find' in ihren Augen ein Wunderwerk, oder
doch eine wunderbare Erscheinung, meinen eignen Schatten in ihren
Augen abgebildet, der, ob er gleich nur der Schatten euers Sohnes
ist, eine Sonne wird, und euern Sohn zu einem Schatten macht. Ich
versichre euch, ich liebte mich selbst noch nie bis izt, da ich
mich selbst in der schmeichelnden Tafel ihres Auges abgerissen
finde.
Blanca (zu Ludwig.)
Meines Oheims Wille ist in dieser Sache der meinige; was er nur
immer an euch sehen mag, das ihm gefällt, dieses Etwas, das ihm
gefällt, kan ich ohne Mühe zu meinem Willen übertragen; oder, um
eigentlicher zu reden, wenn ihr wollt, kan ich es leicht meiner
Liebe aufnöthigen. Milord, ohne euch über alles was ich
liebenswürdiges an euch sehe, zu schmeicheln, will ich nur soviel
sagen, daß ich nichts an euch sehe, was, wenn gleich die Tadelsucht
selbst Richter seyn sollte, einiges Hasses würdig wäre.
König Johann.
Was sagen diese jungen Leute? Was sagt ihr, meine Nichte?
Blanca.
Daß ihre Ehre sie verbindet, alles zu thun, was eurer Klugheit ihr
zu befehlen belieben wird.
König Johann.
Redet dann, Prinz Dauphin, könnt ihr diese Lady lieben?
Ludwig.
Fragt mich vielmehr, ob es mir möglich sey, sie nicht zu lieben;
denn ich liebe sie im höchsten Grade.
König Johann.
So geb' ich dir also Volquessen, Touraine, Maine, Poitiers und
Anjou, diese fünf Provinzen, mit ihr; und über dieses noch die
volle Summe von dreyßigtausend Mark Englischen Geldes. Philipp von
Frankreich, wenn du damit zufrieden bist, so befiehl deinem Sohn
und deiner Tochter einander die Hände zu geben.
König Philipp.
Wir sind es vollkommen zufrieden, ihr jungen Prinzen, vereinigst
eure Hände.
Östreich.
Und eure Lippen dazu; denn ich erinnre michs noch wohl daß ich es
so machte, wie ich das erstemal versprochen wurde.
König Philipp.
Nun, ihr Bürger von Angiers, öffnet eure Thore, um die Freundschaft
einzulassen die ihr gestiftet habt, damit ohne Verzug diese
Vermählung in St. Martins Capelle sollennisirt werden könne. Ist
die Lady Constantia nicht in dieser Gesellschaft? Doch sie kan
nicht hier seyn; ihre Gegenwart würde diesem neugeschloßnen
Verglich ein starkes Hinderniß in den Weg gelegt haben. Wo ist sie,
und ihr Sohn, wer kan es mir sagen?
Ludwig.
Sie sizt voll Traurigkeit und Unwillen in Eurer Majestät Gezelt.
König Philipp.
Bey meiner Ehre, dieses Bündniß das wir getroffen haben, wird ihrer
Schwermuth wenig Lindrung geben. Bruder von England, wie können
wir diese Fürstliche Wittwe zufrieden stellen? Zu Behauptung ihres
Rechts sind wir gekommen, und nun haben wir uns, Gott weiß es, zu
unserm eignen Vortheil, auf eine andre Seite gedreht.
König Johann.
Wir wollen alles gut machen; denn wir wollen den jungen Arthur zum
Herzog von Bretagne und Grafen von Richmond ernennen, und ihn
überdiß zum Herrn dieser schönen reichen Stadt machen. Ruffet die
Lady Constantia; ladet sie eilfertig zu unsrer Feyrlichkeit ein;
wenn wir gleich nicht das ganze Maaß ihres Willens erfüllen, so
werden wir sie doch in gewissem Maasse befriedigen, und wenigstens
ihren Ausruffungen den Mund stopfen. Izt laßt uns zu Vollziehung
dieser unvorgesehnen und unvorbereiteten Solennität keine Zeit
verliehren.
(Alle gehen ab, bis auf Faulconbridge.)

Sechste Scene.

Faulconbridge.
Närrische Welt! närrische Könige! närrisches Zeug zusammen!
Johann, um Arthurn sein Recht zum Ganzen zu benehmen, begiebt sich
freiwillig eines Theils; und Frankreich, dem das Gewissen seine
Rüstung angeschnallt, den Eifer und Christliche Liebe als Gottes
eignen Waffenträger ins Feld geführt, läßt sich nun von diesem
Vorsaz-Ändrer entwafnen, diesem schlauen Teufel, diesem Mäkler,
der immer der Treue den Hals bricht, diesem täglichen Eidbrecher,
der alle Menschen verführt, Könige, Bettler, Alte, Junge, und der
die Mädchen selbst, die sonst nichts äusserliches zu verliehren
haben als das Wort Mädchen, die armen Dinger auch um das betrügt;
diesem glattmaulichten Stuzer, diesem kizelnden Schmeichler,
Interesse--Interesse, der die ganze Welt aus ihrem ebnen
natürlichen Lauf heraushebt, und ohne alle gerade Richtung, Absicht
und Regel forttreibt. Und eben dieses Interesse, diese Kupplerin,
dieser Mäkler, dieser allesverwandelnde Zauberer, auf das Auge des
wankelmüthigen Philipps geplakt, hat ihn von seinem festgesezten
Endzwek, von einem beschloßnen und ehrenvollen Krieg, zu einem
höchst schimpflichen und niederträchtigen Frieden gezogen--Und
warum ziehe ich wider dieses Interesse los, als weil es noch bisher
nicht um mich gebuhlt hat; nicht, weil ich die Stärke hätte die
Hand zuzuschliessen, wenn seine schönen Engel mir die ihrige
darreichen würden; sondern weil meine Hand, die noch immer leer
gelassen worden, gleich einem armen Bettler über die Reichen
schmählt. Wohl dann, so lang ich ein Bettler bin, will ich über
die Reichen schmählen, und sagen, es sey keine grössere Sünde als
reich seyn: Und wenn ich reich bin, dann soll meine Tugend darinn
bestehen, daß ich behaupte, es sey kein Laster als Dürftigkeit.
Wenn Könige selbst ihren Eid aus Eigennuz brechen, so sey du mein
Gott, Gewinnst; denn dir allein will ich dienen.
(Er geht ab.)


Dritter Aufzug.

Erste Scene.
(Des Französischen Königs Gezelt.)
(Constantia, Arthur und Salisbüry, treten auf.)

Constantia.
Gegangen, um sich zu vermählen? Um einen Frieden zu schwören?
Treuloses Blut mit treulosem Blut vereinigt! Gegangen, um Freunde
zu seyn? Ludwig soll Blanca haben, und Blanca diese Provinzen? Es
ist nicht so, du hast dich verredet, du hast nicht recht gehört; es
kan nicht seyn, du sagst nur, es sey so; ich bin versichert daß du
nicht die Wahrheit sagst, denn dein Wort ist nur der eitle Athem
eines gemeinen Mannes. Glaube mir, Mann, ich glaube dir nicht, ich
habe den Eid eines Königs für das Gegentheil; du sollt dafür
gestraft werden, daß du mich so erschrekt hast; denn ich bin krank,
und leicht in Furcht zu sezen; mißhandelt und unterdrükt, und also
voller Furcht; eine Wittwe ohne Mann, ohne Beschüzer, also der
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