König Heinrich der vierte. Der Zweyte Theil, der seinen Tod, und die Crönung von - 4

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uns erfochten--Man sorge davor, daß diese Verräther bis zu ihrem
Todes-Urtheil wol verwahret werden.
(Sie gehen ab.)

Sechste Scene.
(Ein Kriegs-Getümmel. Excursionen. Falstaff und Coleville treten
auf.)

Falstaff.
Wie ist euer Name, Sir? Von welchem Stand seyd ihr? Und von
welchem Plaz, wenn ich bitten darf?
Coleville.
Ich bin ein Ritter, Sir, und mein Nam ist Coleville vom Thal.
Falstaff.
Gut, Coleville ist also euer Nam', ein Ritter ist euer Stand, und
euer Plaz das Thal. Coleville soll immer euer Name bleiben, ein
Verräther euer Stand, und ein Loch im Gefängniß euer Plaz; ein Ort
das tief genug ist, damit ihr immer Coleville vom Thal bleibet.
Coleville.
Seyd ihr nicht Sir John Falstaff?
Falstaff.
Ein so braver Mann, Sir, als er, ich mag seyn wer ich will; wollt
ihr euch ergeben, Sir, oder soll ich um euertwillen schwizen? Muß
ich schwizen, so sind meine Schweiß-Tropfen die Thränen deiner
Freunde, die deinen Tod beweinen. Zittre also so gut du kanst, und
bitte um Gnade.
Coleville.
Ich denke, ihr seyd Sir John Falstaff, und in dieser Meynung geb
ich mich zu euerm Gefangnen.
Falstaff.
Ich hab' eine ganze Schule voll Zungen in diesem Bauch und nicht
eine einzige davon redt was anders als meinen Namen: Hätt' ich nur
einen Bauch von etwas indifferenterm Umfang, ich wäre ohne weiters
der activste Kerl in ganz Europa; mein Wanst, mein Wanst, mein
Wanst ist mein Unglük--Hier kommt unser General. (Der Prinz John
von Lancaster, und Westmorland treten auf.)
Lancaster.
Die Hize ist vorbey, folgt ihnen nicht weiter, ruft die Unsrigen
zurük, mein lieber Vetter Westmorland.
(Westmorland geht ab.)
Nun, Falstaff, wo seyd ihr diese ganze Zeit über gewesen? Wenn
alles und jedes vorbey ist, dann kommt ihr. Diese Langsamkeit
schikt sich nicht gut zu euerm Handwerk; bey meinem Leben, sie wird
über lang oder kurz noch einmal einem Galgen den Rüken brechen.
Falstaff.
Es solte mir leid thun, Milord, wenn es nicht so wäre; ich habe nie
anders gehört, als daß Verweise und Demüthigungen der Lohn der
Tapferkeit sind. Denkt ihr, ich sey eine Schwalbe, ein Pfeil oder
eine Kugel? Kan ich armer alter Mann die Geschwindigkeit eines
Gedankens haben? Ich eilte mit dem äussersten Punct des äussersten
Grads der Möglichkeit hieher. Ich habe hundert und etlich und
achtzig Postpferde zu Schanden geritten; und kaum war ich
abgestiegen, so nahm' ich, so matt ich von der Reise war, in meiner
reinen und immaculirten Tapferkeit diesen Sir John Coleville vom
Thal, einen ganz furiosen Ritter und höchst furchtbaren Feind,
gefangen: Doch was sag ich? Er sah mich, und ergab sich; so daß
ich in Wahrheit mit jenem Haaken-nasichten Gesellen aus Rom da, dem
Cäsar, sagen kan: ich kam, sah und siegte.
Lancaster.
Das war eine blosse Höflichkeit von ihm daß er sich ergab, und ihr
könnt euch kein Verdienst daraus machen.
Falstaff.
Ich weiß nicht; hier ist er, und hier liefr' ich ihn aus, und bitte
Eu. Durchlaucht, daß es mit den übrigen Thaten dieses Tages
aufgeschrieben werden möge; oder bey G*** ich will eine eigne
Ballade darauf machen lassen, und oben drüber mein Bild in
Holzschnitt, und Colevillen wie er mir die Füsse küßt; wenn ich
genöthiget werde, so was zu thun, und wenn ihr nicht alle wie
verguldte Doppel-Pfennige gegen mich aussehen sollt, und ich am
hellen Himmel des Ruhms euch nicht eben so weit überglänzen werde,
als der Vollmond die Funken in einer heissen Asche, die nur wie
Steknadel-Köpfe gegen ihn aussehen, so glaubt keinem Edelmann auf
sein Wort. Laßt mir also mein Recht wiederfahren; laßt das
Verdienst steigen.
Lancaster.
Zum Steigen ist das deine zu schwer.
Falstaff.
So laßt es scheinen.
Lancaster.
Dazu ist es zu dicht.
Falstaff.
Laßt es nur etwas thun, mein gütiger Lord, das mir wohl thut, und
nennt es wie ihr wollt.
Lancaster.
Ist dein Name Coleville?
Coleville.
Ja, Milord.
Lancaster.
Du bist ein berüchtigter Rebell, Coleville.
Coleville.
Ich bin, Milord, was bessere als ich sind, die mich hieher führten;
hätt' ich ihnen rathen sollen, ihr solltet sie theurer bezahlt
haben, als ihr habt.
Falstaff.
Ich weiß nicht, wie theuer sie sich selbst verkauften, aber du
warst ein so gutherziger Geselle, und gabst dich gratis weg; und
ich danke dir davor.

Siebende Scene.
(Westmorland zu den Vorigen.)

Lancaster.
Nun, habt ihr das Nachsezen gehemmet?
Westmorland.
Unsre Leute sind wieder zurük, und warten nur auf Befehl, wegen der
Gefangnen.
Lancaster.
Sendet also Colevillen mit seinen Consorten nach York, ihr Urtheil
unverzüglich zu empfangen. Blunt, führe sie ab, und sorge daß sie
wol bewacht werden.
(Blunt geht mit Coleville ab.)
Und nun, Milords, will ich nach Hofe; ich höre, der König mein
Vater ist krank; unsre Zeitungen sollen uns zuvorkommen, und ihr,
Vetter, sollet sie seiner Majestät überbringen; vielleicht werden
sie von beßrer Würkung seyn, als alle andre Arzneyen. Wir werden
euch sobald als möglich folgen.
(Sie gehen ab.)

Achte Scene.
(Verwandelt sich in den Palast zu Westmünster.)
(König Heinrich, Warwik, Clarence und Glocester treten auf.)

König Heinrich.
Nun, Milords, wenn der Himmel diesem Streit, der vor unsrer Thüre
blutet, ein glükliches Ende macht, so wollen wir unsre Jugend in
höhere Gefilde führen, und hinfort keine andre als geheiligte
Schwerdter ziehen. Unsre Flotte ist ausgerüstet, unsre Macht
beysammen, die Regierung in unsrer Abwesenheit ist bestellt, und
alles ist so wie wir's wünschen; ausser daß wir uns ein wenig
besser befinden sollten, und noch verziehen müssen, bis diese
Rebellen zu paaren getrieben sind.
Warwik.
Beydes, Gnädigster Herr, wird, wie wir nicht zweifeln, in kurzem
nach Wunsch erfolgen.
König Heinrich.
Humphrey, mein Sohn von Glocester, wo ist der Prinz euer Bruder?
Glocester.
Gnädigster Herr, ich denke, er ist nach Windsor auf die Jagd
gegangen.
König Heinrich.
Mit was für Gesellschaft?
Glocester.
Ich weiß es nicht, Milord.
König Heinrich.
Ist nicht sein Bruder, Thomas von Clarence, bey ihm?
Glocester.
Nein, Gnädigster Herr, er ist hier gegenwärtig.
Clarence.
Was wünscht mein Gebietender Herr und Vater?
König Heinrich.
Nichts als Gutes für dich, Thomas von Clarence. Wie kommt es, daß
du nicht bey dem Prinzen deinem Bruder bist? Er liebt dich, und du
sezest ihn bey Seite, Thomas; du hast einen bessern Plaz in seinem
Herzen als deine Brüder, trage Sorge dazu, mein Sohn, du kanst
dereinst nach meinem Tod die Mittels-Person zwischen ihm und deinen
Brüdern seyn, und ihnen wichtige Dienste thun. Verabsäume ihn also
ja nicht; und verscherze den Vortheil seiner Liebe nicht, durch den
Schein der Kaltsinnigkeit, oder, als wenn du dich nichts um ihn
bekümmertest. Er ist gütig und freundschaftlich gegen diejenige,
die er ihm ergeben sieht; er hat Thränen für andrer Leiden, und
eine immer offne Hand zur Wohlthätigkeit. Allein, wenn er gereizt
wird, ist er lauter Feuer, launig wie der Winter, und gäh wie ein
Windsstoß an einem kühlen Morgen. Man muß sich daher nach seiner
Gemüthsart richten lernen. Tadelt ihn wegen seiner Fehler, jedoch
mit Ehrerbietung, wenn ihr sehet daß er bey guter Laune ist; aber
wenn er aufgebracht ist, so gebt ihm Plaz, bis seine Leidenschaft,
wie ein zu Grund sinkender Wallfisch, durch ihre eigne heftige
Bewegungen sich entkräftet hat. Lerne diß, Thomas, und du wirst
ein Schirm deiner Brüder seyn, ein goldner Reiff, der sie
zusammenbinden wird, damit das vereinigte Gefäß ihres Bluts, wenn
es, wie vielleicht begegnen kan, durch den Gift heimlicher
Aufstiftungen in Gährung gesezt wird, nicht lek werde, und sollt'
es gleich stärker würken als Aconitum oder rasches Schieß-Pulver.
Clarence.
Ich werde mir angelegen seyn lassen, seine Liebe zu verdienen.
König Heinrich.
Warum bist du nicht zu Windsor bey ihm, Thomas?
Clarence.
Er ist nicht zu Windsor; er speißt in London zu Mittag.
König Heinrich.
Und wer ist bey ihm? Kanst du mir's sagen?
Clarence.
Poins, und seine andern gewöhnlichen Begleiter.
König Heinrich.
Der fetteste Boden trägt das meiste Unkraut, und er das edle Bild
meiner Jugend, ist ganz damit überwachsen; Ursache zu einem Kummer,
der sich über mein Leben hinaus erstrekt. Das Blut weint aus
meinem Herzen, wenn ich mir die regellosen Tage, die verderbten
Zeiten vorstelle, die ihr sehen werdet, wenn ich einst bey meinen
Voreltern schlafe: Denn wenn seine wilde Schwelgerey keinen Zügel
mehr hat, wenn Wuth und schäumendes Blut seine Räthe sind, wenn
Macht und schlimme Sitten sich vereinbaren; oh, mit was für
stürmenden Schwingen wird er seinem Fall und Verderben entgegen
stürzen.
Warwik.
Mein Gnädigster Herr, ihr mißkennt ihn in diesem Augenblik. Der
Prinz studiert nur seine Gesellschafter, wie eine fremde Sprache;
will man die Sprache besizen, so ist nöthig daß man auch das
unanständigste Wort ansehe und lerne; wenn man's aber einmal
versteht, so weiß Eu. Majestät, daß es zu keinem andern Gebrauch
kommt, als daß man es kennt und verabscheut. So wird es der Prinz,
zu seiner Zeit, mit seinen Gesellschaftern halten, und die Kenntniß
die er von ihnen hat, wird eine Art von Modell oder Maasstab seyn,
woran er den Werth beßrer Leute messen wird.
König Heinrich.
Selten macht die Biene ihren Waben in ein Todten-Aaß.--Wer kommt
hier? Westmorland?

Neunte Scene.
(Westmorland tritt auf.)

Westmorland.
Heil, Gnädigster Herr, und neues Glük, zu demjenigen, so ich
anzukündigen komme! Prinz John, euer Sohn küßt eure königliche
Hand; Mowbray, der Bischoff Scroop, Hastings und die übrigen haben
die Straffe eurer Geseze erfahren, kein einziges aufrührisches
Schwerdt ist mehr entblößt, und der Friede treibt seine Oliven
allenthalben hervor. Die Art und Weise und den ganzen Zusammenhang
der Umstände, wie alles dieses geschehen ist, geruhe Euer Majestät
mit beßrer Musse aus dieser Relation zu ersehen.
(Er übergiebt ein Papier.)
König Heinrich.
O Westmorland, du bist ein Sommer-Vogel, der mitten im Winter den
aufgehenden Tag ansingt. (Harcourt zu den Vorigen.) Seht, noch
mehr Neuigkeiten.
Harcourt.
Der Himmel bewahre Eure Majestät vor Feinden, und stehen Feinde
gegen euch auf, so mögen sie fallen wie diejenige, von denen ich
komme, euch Nachricht zu geben. Der Graf von Northumberland, und
der Lord Bardolph, mit einer ansehnlichen Macht von Engländern und
Schotten, sind von dem Scheriff von Yorkschire aufs Haupt
geschlagen worden. Die nähere Umstände und Folgen dieser Action
enthält dieses Paquet.
König Heinrich.
Und warum müssen diese guten Zeitungen mich kränker machen? Kan
das Glük keine unvermengte Gunst gewähren, und muß, wenn sie uns
nichts als Gutes zu sagen hat, der angenehme Inhalt wenigstens in
häßlichen Lettern geschrieben seyn? Entweder giebt sie einen guten
Magen und nichts zu essen; oder sie stellt uns ein Banquet auf, und
nimmt den Appetit hinweg. Ich sollte mich über diese gute
Zeitungen erfreuen, und nun vergeht mir mein Gesicht, und mein Kopf
wird mir ganz taumlicht. O! o! kommt näher--mir wird ganz übel--

Glocester.
Der Himmel stärke Eu. Majestät.
Clarence.
O mein königlicher Vater!
Westmorland.
Mein Gnädigster Gebieter, richtet euch auf, ermuntert euch!
Warwik.
Geduld, meine Prinzen; ihr wißt, diese Anstösse sind bey Sr.
Majestät nicht ungewöhnlich. Tretet weiter zurük, gebt ihm Luft,
er wird gleich besser werden.
Clarence.
Nein, nein, er kan diese Bangigkeiten nicht mehr lange aushalten.
Der langwierige Kummer, und die Unruhe seiner Seele haben die Mauer
welche sie einschliessen soll, durchgearbeitet; und das Leben
scheint allenthalben durch, und kan alle Augenblike ausbrechen.
Glocester.
Das Volk erschrekt mich: Man spricht von allerley unnatürlichen
Wunderzeichen und vaterlosen Mißgeburten; die Jahrszeiten haben
ihre Sitten geändert, und es ist, als ob das Jahr einige Monate
schlafend gefunden und sie übersprungen habe.
Clarence.
Der Fluß ist dreymal ohne Ebbe angeschwollen, und alte Leute (die
waschhaften Chroniken der Zeit) sagen, er habe eben das gethan, da
unser grosser Anherr Eduard starb.
Warwik.
Redet nicht so laut, Prinzen, der König erholt sich wieder.
Glocester.
Dieser Schlag wird ganz gewiß sein Ende seyn.
König Heinrich.
Ich bitte euch, hebt mich auf, und tragt mich in ein anders Zimmer:
Sachte, ich bitte euch; sorget davor, daß kein Getöse gemacht werde,
meine werthen Freunde, ausser irgend eine mitleidige, tröstende
Hand, wollte Musik meinem schmachtenden Geiste zuflüstern.
Warwik.
Ruft Musik in das Nebenzimmer--

König Heinrich.
Sezt mir die Crone auf dieses Küssen hier.
Clarence (bey Seite.)
Seine Augen sind hohl, und er verändert sich ungemein.
Warwik.
Nicht so laut, nicht so laut.

Zehnte Scene.
(Der Prinz Heinrich tritt auf.)

Prinz Heinrich.
Wo ist der Herzog von Clarence?
Clarence.
Hier bin ich, Bruder, voller Kummer.
Prinz Heinrich.
Warum das? Warum habt ihr alle Thränen in den Augen? Wie stehts
mit dem König?
Glocester.
Sehr schlecht.
Prinz Heinrich.
Weiß er die guten Zeitungen? Sagt sie ihm.
Glocester.
Er alterirte sich ungemein, da er sie hörte.
Prinz Heinrich.
Wenn er vor Freuden krank wurde, so wird er ohne Arzney gesund
werden.
Warwik.
Nicht so laut, Milords; liebster Prinz, redet leise; der König,
euer Vater, hat einen Ansaz zum Schlaffen.
Clarence.
Wir wollen in ein andres Zimmer gehen.
Warwik.
Gefällt es Eu. Hoheit, mit uns zu kommen?
Prinz Heinrich.
Nein; ich will mich hier sezen, und dem König wachen.
(Alle gehen ab, bis auf Prinz Heinrich.)
Warum ligt die Crone hier auf diesem Küssen, sie, die ein so
unruhige Bettgesellin ist? O du goldne Sorge! die so manche
durchwachte Nacht die Thüren des Schlummers weit offen hält, izt
lässest du ihn doch schlaffen! Aber nicht so gesund, nicht halb so
tief und süß als der schläft, der mit einem groben Tuch um seine
Schläffe, die lange Nacht hinweg schnarcht. O Majestät! du ligst
auf dem der dich trägt, wie eine goldne Rüstung, an einem heissen
Mittag.--Hier ligt eine Pflaumfeder auf seinen Lippen, die sich
nicht bewegt; wenn er athmete, so müßte dieser leichte Pflaum
nothwendig erregt werden. Ach! Mein Herr! Mein Vater! was für
ein Schlaf ist das? Das ist der Schlaf, der so manche Englische
Könige von diesem goldnen Reiff geschieden hat. Was dir nun von
mir gebührt, sind Thränen und herzliche Trauer, und die soll dir
Natur, Liebe und kindliche Zärtlichkeit in vollem Maaß bezahlen.
Was mir von dir gebührt, ist diese Königs-Crone, die von dir auf
mich, als den nächsten an dir, unmittelbar herabsinkt. Nun, hier
sizt sie;
(Er sezt sie auf.)
der Himmel soll sie schüzen; und legt in eines Riesen Arm die
Stärke der ganzen Welt, nimmer soll er diese angestammte Ehre von
meiner Stirne reissen. Ich will sie den meinigen verlassen, wie du
sie mir verlassen hast.

Eilfte Scene.
(Warwik, Glocester und Clarence kommen wieder.)

König Heinrich.
Warwik! Glocester! Clarence!
Clarence.
Ruft der König?
Warwik.
Was befiehlt Eu. Majestät? wie befindet Sie sich?
König Heinrich.
Warum ließt ihr mich so allein, Milords?
Clarence.
Gnädigster Herr, wir liessen den Prinzen meinen Bruder hier,
welcher sich sezen, und neben Eu. Majestät wachen wollte.
König Heinrich.
Den Prinzen von Wales? Wo ist er? laßt mich ihn sehen.
Warwik.
Hier ist eine Thür offen, er muß da hinausgegangen seyn.
Glocester.
Er gieng nicht durch das Zimmer, wo wir warteten.
König Heinrich.
Wo ist die Crone? Wer nahm sie von meinem Küssen.
Warwik.
Wie wir uns weg begaben, Gnädigster Herr, war sie noch da.
König Heinrich.
Der Prinz hat sie also weggenommen? Geht, sucht ihn auf. Ist er
so ungeduldig, daß er meinen Schlaf für meinen Tod ansieht? Sucht
ihn, Milord von Warwik, und schmählt ihn unverzüglich her.
(Warwik geht ab.)
Dieser Zug seiner Gemüthsart vollendet die Würkung meines Uebels,
und beschleunigt meinen lezten Augenblik. Seht, Söhne, was für
Dinge ihr seyd! Wie leicht sich die Natur zum Abfall bringen läßt,
wenn Gold der Versucher ist! Für diß haben närrische sorgenvolle
Väter ihren Schlaf mit Nachsinnen unterbrochen, ihr Gehirn mit
Sorgen erschöpft, ihre Gebeine mit Arbeit entkräftet; für diß, für
diesen Dank haben sie Tag und Nacht darauf gedacht, ihre Söhne
durch Künste und martialische Uebungen zu bilden, für diß haben sie
mit so vieler Mühe Gold auf Gold gehäuft. Gleich der Biene
flattern wir von Blume zu Blume, saugen ihre besten Düfte aus, und
wenn unsre Beine mit Wachs und unsre Lippen mit Honig beladen sind,
tragen wir's in den Stok; und wie Bienen, werden wir für unsre Müh
getödtet. Bittrer Gedanke für einen sterbenden Vater!--
(Warwik kommt zurück.) Nun, wo ist er? er, der nicht warten kan,
bis sein Freund, Krankheit, mit mir fertig ist?
Warwik.
Gnädigster Herr, ich fand den Prinzen in dem nächsten Zimmer, mit
Thränen der zärtlichsten Wehmuth seine Wangen badend, und in seiner
Mine und Stellung eine so tiefe, so rührende Bekümmerniß ausgedrükt,
daß die Grausamkeit selbst, bey seinem Anblik, ihren blutigen
Dolch mit milden Thränen gewaschen hätte.
König Heinrich.
Aber warum nahm er dann die Crone weg? (Der Prinz Heinrich zu den
Vorigen.) Seht, hier kommt er. Komm hieher zu mir, Harry; verlaßt
das Zimmer, laßt uns allein.
(Die Lords gehen ab.)

Prinz Heinrich.
Ich dachte nicht, daß ich Eu. Majestät wieder reden hören würde.
König Heinrich.
Dein Wunsch, Harry, war Vater zu diesem Gedanken. Ich lebe zu
lange für dich, du wirst es müde. Ist deine Begierde nach meinem
leeren Thron so heftig, daß du dich meiner Vorrechte schon
anmassest, eh deine Stunde reif ist? O thörichter Jüngling! Du
suchst eine Hoheit, die dich zu Grunde richten wird. Warte nur
noch ein wenig; die Wolke meiner Würde wird von einem so schwachen
Wind noch emporgehalten, daß sie bald zertrieffen wird. Du hast
etwas gestohlen, das in wenigen Stunden ohne Verbrechen dein
gewesen wäre; in meiner Todesstunde selbst hast du noch das Siegel
auf meine Erwartung gedrükt; dein Leben bewies, wie wenig du mich
liebest; und du willt, daß ich mit der völligen Ueberzeugung davon
sterben soll. Du verbirgst tausend Dolche in deinen Gedanken, die
du an deinem steinernen Herzen gewezt hast, eine halbe Stunde zu
ermorden, die ich noch zu leben gehabt hätte. Wie? kanst du mich
nicht noch eine halbe Stunde ertragen? So geh' dann, und grabe
selbst mein Grab, und laß die frölichen Gloken in dein Ohr tönen,
daß du gekrönt bist, nicht daß ich todt bin. Mögen alle die
Tropfen, die meine Leiche bethauen sollten, zu Balsam-Tropfen
werden, dein Haupt zu heiligen; nur bedeke mich vorher mit ein
wenig faulem Staub, und gieb den der dir das Leben gab, den Würmern.
Stürze meine Staats-Bediente, vernichte meine Verordnungen; denn
nun ist eine Zeit gekommen, die aller gesezlichen Ordnung spottet.
Heinrich der fünfte ist gekrönt: Auf, Thorheit! Herab, königliches
Ansehn! Alle ihr weisen Räthe, hinweg! Und nun versammelt euch
aus allen Enden an den Englischen Hof, ihr müßigen Affen; nun,
angrenzende Nachbarn, reinigt euch von euerm Unrath! Habt ihr
einen Lotterbuben, der schwört? säuft? tanzt? die Nächte
durchschwärmt? raubt? mordet? und die ältesten Sünden nach der
neuesten Mode begeht? Freut euch, er wird euch nicht länger
beunruhigen, in England wird er Dienste, Ehre und Gewalt bekommen;
denn Heinrich der fünfte nimmt der gekrümmten Ausgelassenheit den
Maulkorb des Zwangs ab, und der rasende Hund hat nun Freyheit,
seine Zähne in jeden Unschuldigen einzuhauen. O! mein armes Land!
von bürgerlichen Wunden entkräftet! Wenn meine Sorgfalt deine
Ausschweiffungen nicht dämmen konnte, was wird aus dir werden, wenn
die Ausschweiffung deine Fürsorge ist? O du wirst wieder eine
Wildniß werden, von Wölfen, deinen alten Einwohnern, bewohnt!
Prinz Heinrich (kniend.)
O! vergebet mir, mein Gnädigster Oberherr! Wenn ich vor
Beklemmung und Thränen hätte reden können, so würde ich diese harte
und schmerzliche Bescheltung eher unterbrochen haben. Hier ist
eure Crone, und derjenige, der die Crone der Unsterblichkeit trägt,
möge sie euch noch lang' erhalten. Wenn ich sie mehr liebe als
euer Leben, und eure Ehre, so mög' ich nimmer von diesem Boden
aufstehen, auf den mein getreues und von seiner Pflicht
durchdrungnes Herz meine Knie niedergeworfen hat. Der Himmel ist
mein Zeuge, was für ein kalter Schauer mich befiel, da ich herein
kam, und keinen Athem mehr an Eurer Majestät spürte. Wenn diß
Verstellung ist, o! so mög' ich in meiner gegenwärtigen Wildheit
sterben, und die Zeit nicht erleben, daß ich der ungläubigen Welt
die Veränderung zeigen könne, die ich bey mir selbst beschlossen
habe. Ich war gekommen euch zu besuchen, und in der Meynung daß
ihr todt seyd, und von dem Gedanken daß ihr es seyd, selbst beynahe
todt, redte ich die Crone an, als ob sie mich verstehen könnte, und
machte ihr diese Vorwürfe: Die Sorgen, die du machst, haben das
Leben meines Vaters aufgezehrt, und also bist du, obgleich das
feinste, das schlimmste Gold; anders Gold, obgleich minder fein,
ist kostbarer, da es, in eine trinkbare Arzney aufgelößt, ein
Mittel zu Erhaltung des Lebens ist; du hingegen, das feinste, das
hochgeschäzteste, das glorreicheste, hast den der dich trug des
Lebens beraubt. Indem ich sie so beschalt, mein Königlicher Herr,
sezte ich sie auf mein Haupt, um mit ihr, wie mit einem Feind, der
meinen Vater vor meinen Augen ermordet hatte, die Sache eines
rechtschaffnen Erben auszufechten. Wenn sie aber mein Blut mit
Freude anstekte, oder mit irgend einem stolzen Gedanken meine Seele
schwellte, wenn ein rebellischer oder hochstrebender Geist in mir,
auch nur mit dem schwächsten Grad von Vergnügen, ihre Macht
willkommen hieß; so verhindre der Himmel, daß sie nie auf mein
Haupt komme, und mache mich dem Aermsten unter allen gleich, die
mit zitternder Ehrfurcht vor ihr knien!
König Heinrich.
O! Mein Sohn, der Himmel gab dir ein, sie von hinnen zu nehmen, um
zu dieser Erklärung Anlaß zu machen, die dir deines Vaters Liebe in
desto vollerm Maaß wieder giebt. Komm näher, Harry, seze dich zu
meinem Bette, und höre, ich denke den lezten Rath, den ich dir
jemals geben werde. Der Himmel weiß, mein Sohn, durch was für
Seiten-Wege und krumme Pfade ich zu dieser Crone gekommen bin, und
ich selbst weiß am besten, wie unruhig sie auf meinem Haupte saß.
Zu dir wird sie in beßrer Ruhe, mit bessrer Meynung und mit einem
bessern Titel herabsteigen: Denn alle Vorwürfe, die der Gelangung
dazu gemacht werden können, gehen mit mir zu Grabe. Diese Crone
schien an mir nur eine gewaltthätig an mich gerissene Zierde, und
es lebten ihrer viele die mir vorrüken konnten, daß sie mir dazu
verholfen hätten; und daraus mußte täglich Zank und Blutvergiessen
entstehen; der Friede, dessen ich genoß, war unsicher, und alle
Augenblike von Unternehmungen unterbrochen, die meine Crone und
mein Leben in Gefahr sezten. Meine ganze Regierung war wie ein
Schauspiel, wovon Empörung und Selbstvertheidigung der Inhalt war.
Aber nun ändert mein Tod die Scene; was bey mir erobert war, fällt
unter einem schönern Titel auf dich, denn du trägst die Crone durch
das Recht der Erbfolge. Allein ob du gleich sichrer stehst als ich,
so stehst du doch nicht fest genug, da die Beschwerden noch so
frisch sind, und allen denen, die du nun zu deinen Freunden machen
must, der Stachel erst so kürzlich ausgezogen worden ist. Ich rede
von den Erben und Freunden dererjenigen, durch deren
verbrecherische Künste ich emporgestiegen, durch deren Macht ich
besorgen mußte, wieder gestürzt zu werden, und denen ich deßwegen
zuvor kam. Meine Absicht war, sie in das heilige Land zu führen,
damit nicht Ruhe und Musse sie veranlassen möchte, zu tief in
unsern Staat hinein zu schauen. Laß es also deine vornehmste
Maxime seyn, mein Sohn Harry, schwindlichte Köpfe mit auswärtigen
Angelegenheiten zu beschäftigen; damit sie ihr Feuer in entfernten
Provinzen ausarbeiten, und unter dieser Arbeit das Andenken der
vorigen Tage verliehren. Ich wollte noch mehr mit dir reden, aber
meine Lunge ist so schwach, daß ich es nicht länger aushalten kan.
Wie ich zu dieser Crone kam, o Gott, vergieb mir! und laß sie
ruhig und glüklich auf meines Sohnes Haupte sizen!
Prinz Heinrich.
Mein Gnädigster Herr, ihr habt sie gewonnen, getragen, erhalten,
und auf mich gebracht; mein Besiz ist also klar und rechtmäßig; und
rechtmäßig will ich ihn auch, so viele Müh es kosten mag, gegen die
ganze Welt behaupten. (Lord John von Lancaster und Warwik, treten
auf.)
König Heinrich.
Sieh, sieh, hier kommt mein Sohn Lancaster.
Lancaster.
Gesundheit, Frieden und Glük, meinem Königlichen Vater.
König Heinrich.
Du bringst mir Glük und Frieden, Sohn John; aber die Gesundheit ist
mit jugendlichen Schwingen aus diesem kahlen verdorrten Stamm
weggeflohen. Nachdem ich nun auch dich gesehen habe, so sind meine
zeitlichen Geschäfte vorbey--Wo ist Milord von Warwik?
Prinz Heinrich.
Milord von Warwik!--
König Heinrich.
Hat das Zimmer, wo ich die erste Ohnmacht bekam, nicht irgend einen
besondern Nahmen?
Warwik.
Man nennt es Jerusalem, Gnädigster Herr.
König Heinrich.
Gott sey gelobt! Dort muß ich mein Leben enden. Es ist mir vor
vielen Jahren propheceyet worden, ich könnte nirgends als in
Jerusalem sterben: und ich bildete mir fälschlich ein, es müßte im
gelobten Lande seyn. Aber bringet mich in dieses Zimmer, das ist
das Jerusalem, wo ich sterben will.
(Sie gehen ab.)


Fünfter Aufzug.

Erste Scene.
(Schallow's Siz in Glosterschire.)
(Schallow, Silence, Falstaff, Bardolph, und der kleine Lakay
treten auf.)

Schallow.
Beym Sappermost, Sir, ich laß euch diese Nacht nicht fort! He!
Davy, sag ich--
Falstaff.
Ihr werdet mich entschuldigen, Herr Robert Schallow.
Schallow.
Ich werd' euch nicht entschuldigen; ihr sollt nicht entschuldiget
werden; ich nehme keine Entschuldigung an; es hilft keine
Entschuldigung; ich lasse keine Entschuldigung gelten--He! Davy--
(Davy tritt auf.)
Davy.
Hier, Sir.
Schallow.
Davy, Davy, Davy, laß mich seh'n, Davy, laß mich sehen; ja,
Sapperment! der Koch William, sagt ihm, er soll herkommen--Sir
John, ich laß keine Entschuldigung gelten.
Davy.
Ja, Herr; aber diese Regeln können nicht gehalten werden; und noch
eins, Sir, sollen wir das Ek mit Weizen ansäen?
Schallow.
Mit rothem Weizen, Davy--Aber auf William Koch zu kommen--sind
keine jungen Dauben da?
Davy.
Ja, Sir--Hier ist des Schmidts Conto, für Schuhe, und Pflug-
Eisenwerk.
Schallow.
Laß ihn bezahlt und quittirt werden--Sir John, ich nehme keine
Entschuldigung an.
Davy.
Izt, Sir, brauchte man nothwendig einen neuen Ring an den Wasser-
Eymer. Und, Sir, ist nicht eure Meynung, dem William den Betrag
von dem Sak, den er neulich auf dem Hinkley-Markt verlohr', an
seinem Lohn abzuziehen?
Schallow.
Er muß es vergüten. Etliche Dauben, Davy, ein Paar kurz-beinichte
Hennen, eine Schöps-Keule, und etliche artige kleine Beyessen:
Sag's dem Koch Willhelm.
Davy.
Bleibt der Mann im rothen Rok die ganze Nacht da, Sir?
Schallow.
Ja, Davy. Ich will ihm eine Ehre anthun. Ein Freund bey Hofe, ist
besser als ein Pfenning im Beutel. Mach' daß seine Leute ihre
Sachen recht bekommen, Davy; denn es sind Erzschelme, sie würden
uns durchhecheln, daß es eine Art hätte. Geh izt an deine Arbeit,
Davy.
Davy.
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